OGH 6Ob602/82

OGH6Ob602/8227.1.1983

SZ 56/14

Normen

ABGB §306
ABGB §474
EisbEG §4 Abs1
EO §144 Abs2
RSchO §21
ABGB §306
ABGB §474
EisbEG §4 Abs1
EO §144 Abs2
RSchO §21

 

Spruch:

Der Wert einer Grunddienstbarkeit ist die Differenz zwischen dem Wert des herrschenden Grundstückes bei aufrechtem Bestand des Dienstbarkeitsrechtes und dem Wert des herrschenden Grundstücks ohne diese Dienstbarkeit

OGH 27. 1. 1983, 6 Ob 602/82 (LG Innsbruck 3 R 743, 744/81; BG Landeck 1 C 34/80)

Text

Das im Miteigentum der Kläger gestandene Grundstück 862/1 EZ 106 II KG Z wurde auf Grund der Bestimmungen des Bundesstraßengesetzes enteignet. Der Entschädigungsbetrag von 452 960 S wurde im Hinblick auf die im Grundbuch einverleibte Dienstbarkeit des Nichtverbauens zugunsten des Grundstückes 862/5 EZ 596 II KG Z, deren Eigentümerin die Beklagte ist, gerichtlich hinterlegt.

Im Verteilungsverfahren wurde mit rechtskräftigem Beschluß des Erstgerichtes die Hälfte dieses Betrages (226 480 S) an die Kläger zugewiesen. Der weitere Betrag von 226 480 S wurde der Beklagten zugewiesen. Die Kläger wurden mit ihrem gegen diese Zuweisung erhobenen Widerspruch auf den Rechtsweg verwiesen.

Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, der Ausfolgung des beim BG L hinterlegten Bargeldbetrages von 226 480 S an die Kläger zuzustimmen. Zur Begründung führten sie im wesentlichen aus, die Servitut sei praktisch hinfällig, weil durch die Verwendung des enteigneten Grundstückes als Bundesstraße ohnehin eine Verbauung niemals mehr möglich sein werde.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein: Verbauungspläne könnten geändert werden. Eine Verbauung der enteigneten Liegenschaft durch Straßenbauten, sonstige Überbauung oder Führung der Autobahn sei durchaus im Bereich des Möglichen und keineswegs umwahrscheinlich. Der Wert einer mit der Dienstbarkeit des Nichtverbauens belasteten Liegenschaft könne höchstens mit der Hälfte einer unbelasteten Liegenschaft angenommen werden. Diesen Betrag hätte die klagenden Parteien bereits erhalten. Der noch hinterlegte Restbetrag stehe der Beklagten als Entschädigung für den Wegfall ihrer Dienstbarkeit zu.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, in die Ausfolgung des zu 1 Nc 214/79 des Bezirksgerichtes L hinterlegten Bargeldbetrages in der Höhe von 204 920 S samt anteiligen Zinsen an die Kläger zuzustimmen, und wies das Mehrbegehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, der Ausfolgung eines weiteren Betrages von 21 560 S an die Kläger zuzustimmen, ab. Es traf dabei im wesentlichen folgende Feststellungen: Mit Kaufvertrag vom 14. 4. 1951 verkaufte Aloisia W dem Rechtsvorgänger der Beklagten das Grundstück 862/5 und unterwarf sich im Punkt IV des Kaufvertrages hinsichtlich des verbleibenden Grundstückes 862/1 der Verpflichtung, "diese Grundparzelle nicht zu verbauen, um den Käufer die Aussicht nach Süden nicht zu benehmen". Vereinbarungsgemäß wurde die Verpflichtung als Dienstbarkeit verbüchert. Mit Bescheid vom 28. 3. 1979 wurde das Grundstück 862/1 dauernd und lastenfrei enteignet. Bei der Bewertung der "Ablösefläche als Wohnbauland" wurde die Dienstbarkeit des Bauverbotes nicht berechnet. Die Ablösefläche liegt südlich des Hauses der Beklagten. Die Enteignungsfläche ist mindestens 10 m vom Haus der Beklagten entfernt, die über Antrag der Kläger zusätzlich eingelöste Restfläche liegt dem Wohnhaus der Beklagten näher. Die Bundesstraßenverwaltung beabsichtigt auf der Ablösefläche die Herstellung der Autobahn. Aus Gründen des Umweltschutzes wurde in diesem Bereich eine Unterflurtrasse projektiert. Die Herstellung der beiden neuen Fahrbahnröhren wird in offener Bauweise erfolgen. Jede Fahrbahn soll ein Gewölbe aus Stahlbeton erhalten. Nach der Herstellung wird die offene Baugrube wiederum so aufgefüllt werden, daß der Gewölbescheitel noch mindestens einen Meter überschüttet wird. Infolge dieser Baumaßnahmen wird sich eine Erhöhung des Oberflächenniveaus der Ablösefläche ergeben. Die neue Fläche wird dann annähernd horizontal sein. Auf der Südseite wird sich eine Erhöhung bis etwa 2 m einstellen. Die Erhöhung des Geländes um dieses Maß kann kaum als eine die Aussicht beeinträchtigende Maßnahme angesehen werden. Südseitig schließen nämlich bestehende Verbauungen an, welche viel höher als die Geländeerhöhung sind. Während der Bauarbeiten muß mit zwischenzeitigen Ablagerungen des Aushubmaterials gerechnet werden. Dieses Material kann süd- und nordseitig der Baugrube für eine Zeitdauer von mehreren Monaten gelagert werden. Es muß mit Lagerungshöhen bis maximal etwa 4 m, "gemessen ab Urgelände", gerechnet werden. Diese vorübergehenden Maßnahmen können in größerem Maße als die Aussicht beeinträchtigend angesehen werden. Dieser Zustand wird sich dann beim Bau der zweiten (südlichen) Röhre, der später erfolgen wird, und bei späteren Reparaturen der Isolierung etc. wiederholen. Die mögliche Verbauung der Ablösefläche ergibt sich einerseits aus den technischen Nebenanlagen der Unterflurtrasse, andererseits aus einer Verbauung der miteingelösten Restflächen. Die Möglichkeit der späteren Errichtung von Schächten für Zwecke der Be- und Entlüftung der Unterflurröhren im Bereich dieser Bauwerke oder knapp daneben kann nicht ganz ausgeschlossen werden. Eine solche Bauanlage würde etwa 2 bis 3 m über das neue Gelände hochgezogen werden. Die verbaute Fläche wäre nur gering. Die Aussicht der Beklagten würde dadurch aber doch beeinträchtigt werden, wenngleich nicht in größerem Maße. Die Errichtung von sonstigen Hochbauanlagen im Bereiche der beantragten Enteignungsfläche kann aus bautechnischen und gesetzlichen Gründen praktisch ausgeschlossen werden. Kurzlebige Nebenanlagen des Hochbaues, wie zB Tennisplätze, wären schon möglich, jedoch ist die Lage in größerer Entfernung von den dichteren Siedlungszonen hiefür wenig ansprechend. Die Herstellung solcher Anlagen wäre auch mit umfangreichen Auflagen der Behörde und des Gründeigentümers verbunden. Die Verbauung der miteingelösten Restfläche mit hochbaulichen Nebenanlagen ist aber möglich und denkbar. Garagenanlagen könnten entlang der nördlichen Einlösegrenze mit Bauhöhen bis 2.80 m errichtet werden, wobei die Zufahrt über die Röhren hinweg erfolgen könnte. Da diese Zone im Bauverbotsbereich nach dem Bundesstraßengesetz liegt, wäre hiefür aber eine Ausnahme der Bundesstraßenbehörde erforderlich. Die Errichtung solcher Nebenanlagen müßte auch als die Aussicht beeinträchtigend angesehen werden. Der Wert der Ablösefläche im unbelasteten Zustand betrug im Enteignungszeitpunkt 550 S/m2. Der Mehrpreis von 150 S/m2 stellt einen Bonus (Verhandlungsergebnis) zugunsten des Gründeigentümers dar. Der Verkehrswert bei generellem Bauverbot betrüge demgegenüber nur 220 S/m2, bei einem Bauverbot, welches sich lediglich auf die Aussicht beschränkende Bauten bezieht, auf 275 S/m2.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß ein Dienstbarkeitsberechtigter nur für den aus dem Untergang seiner Dienstbarkeit entstandenen Schaden entschädigt werden könne und keinen Anspruch auf die Wertdifferenz zwischen belastetem und unbelastetem Grundstück habe. Ein Schaden durch den Untergang der Dienstbarkeit sei in einem gewissen Ausmaß schon durch die Beeinträchtigung durch die Bauarbeiten während der Errichtung der Autobahn und auch bei allfälligen späteren Erhaltungs- und Umbauarbeiten gegeben. Hiedurch werde nicht nur die Aussicht durch Erdhaufen oder Geräte beeinträchtigt, die Beklagte habe auch unter den sonstigen Auswirkungen des Baugeschehens (Staub, Lärm) zu leiden. Das Bauverbot sei so auszulegen, daß lediglich ein die Aussicht beeinträchtigendes Bebauen verhindert werden solle, nicht jedoch jedes Baugeschehen. Die Aussichtsbeeinträchtigungen der Beklagten durch die Bauarbeiten könnten nur geschätzt werden. IS des § 273 ZPO würden sie mit 10% der Differenzsumme zwischen belastetem und unbelastetem Grundstück, sohin mit 21 560 S angenommen.

Das Berufungsgericht hob in Stattgebung der Berufungen der Kläger und der Beklagten das Urteil des Erstgerichtes, das insofern als unangefochten unberührt blieb, als die Beklagte schuldig erkannt wurde, in die Ausfolgung des zu 1 Nc 214/79 des Bezirksgerichtes L hinterlegten Teilbetrages in der Höhe von 10 880 S samt anteiligen Zinsen an die Kläger zuzustimmen, im übrigen unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache im Umfange der Aufhebung zur neuerlichen Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens an das Erstgericht zurück. Für das gerichtliche Verfahren zur Ermittlung der Entschädigung, für deren Feststellung im Wege des Übereinkommens sowie für die Wahrnehmung der Ansprüche, welche dritten Personen auf die Befriedigung aus der Entschädigung auf Grund dinglicher Rechte zustunden, fänden gemäß § 20 Abs. 5 BStG 1971 die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes sinngemäß Anwendung. Nach § 34 Abs. 2 EisbEG würden bei Gerichtserlag der Entschädigungssumme die Ansprüche der erwähnten dritten Personen nach den Bestimmungen über die Verteilung des bei einer zwangsweisen Versteigerung erzielten Kaufpreises befriedigt. Es seien daher auf die Verteilung sinngemäß die Vorschriften der §§ 209 ff. EO anzuwenden. Insbesondere käme die Bestimmung des § 225 Abs. 1 EO in Betracht. Dabei sei aber zu bedenken, daß zufolge der lastenfreien Enteignung eine Übernahme der Dienstbarkeit nicht in Betracht komme, sondern nur eine Entschädigung wegen des Verlustes der Dienstbarkeit. Es sei daher § 227 Abs. 1 EO sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, daß ein Entschädigungsanspruch für den Verlust der Dienstbarkeit auch dann bestehe, wenn er volle Deckung im Entschädigungsbetrag finde. Im Zwangsversteigerungsverfahren seien für den dem Dienstbarkeitsberechtigten zustehenden Entschädigungsbetrag die Ergebnisse der Schätzung maßgebend. Da eine solche vorgängige Schätzung hier nicht stattgefunden habe, müsse eine solche, wie es das Erstgericht auch getan habe, nachgeholt werden. Es seien daher auch die Bestimmungen der Exekutionsordnung und der Realschätzordnung über die Schätzung sinngemäß anzuwenden. Bei der Schätzung könne allerdings das voraussichtliche künftige Schicksal des enteigneten Grundstückes nicht berücksichtigt werden. Denn die Entschädigung solle den Dienstbarkeitsberechtigten für den durch die Enteignung eingetretenen Verlust seines Rechtes entschädigen. Schließlich habe der Dienstbarkeitsberechtigte durch die lastenfreie Enteignung keinerlei Möglichkeit mehr, auf das künftige Schicksal der belasteten Fläche einzuwirken. Ob und inwieweit diese bebaut werde, sei seinem Einfluß durch den Verlust des Dienstbarkeitsrechtes völlig entzogen. Damit dürfe die Unwahrscheinlichkeit künftiger Bebauung bei der Festsetzung des Entschädigungsbetrages für den Verlust des Dienstbarkeitsrechtes nicht berücksichtigt werden. Unrichtig sei es aber auch, den Entschädigungsbetrag aus der Differenz zwischen belastetem und unbelastetem Grundstück festzustellen. Denn der Wert der Dienstbarkeit müsse durchaus nicht diesem Differenzbetrag entsprechen. Dies ergebe sich schon aus § 144 Abs. 2 EO, in welchem die Schätzung der belasteten sowie der unbelasteten Liegenschaft angeordnet werde, aber auch die Schätzung der Dienstbarkeit für sich, was nicht notwendig wäre, wenn sich dieser Wert aus der bloßen Differenz zwischen den vorangeführten Beträgen ergäbe. Im erstgerichtlichen Verfahren sei der eigentliche Wert der Dienstbarkeit nicht ermittelt worden. Der Sachverständige habe zwar in seinem Gutachten von einem Wertanteil der Dienstbarkeit gesprochen, diesen jedoch nicht selbständig, sondern nur durch die Bildung des Differenzbetrages zwischen belasteter und unbelasteter Liegenschaft ermittelt. Das Erstgericht habe seiner Entscheidung zwar nicht diesen Differenzbetrag zugrunde gelegt, sei jedoch bei seinen Berechnungen von diesem Betrag ausgegangen und habe auch das zukünftige voraussichtliche Schicksal der Ablösefläche unzulässigerweise berücksichtigt. Auf die Ermittlung des Wertes der Dienstbarkeit hätte vielmehr § 21 Abs. 6 RSchO angewendet werden müssen. Falls sich das Interesse der Dienstbarkeitsberechtigten an der Aufrechterhaltung der Last nach dieser Bestimmung nicht ermitteln ließe, wäre es am ehesten zielführend, den Verkehrswert einer derartigen Dienstbarkeit durch allfällige Vergleichszahlungen festzustellen. Da eine entsprechende Ermittlung des Wertes der Dienstbarkeit nicht stattgefunden habe, liege ein auf unrichtiger rechtlicher Beurteilung beruhender Verfahrensmangel iS des § 496 Abs. 1 Z 3 ZPO vor.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Kläger nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Verwaltungsbehörde hat nach den Feststellungen die für das lastenfrei enteignete Grundstück (unter Abzug der Entschädigung für Obstbäume und Zaun) bestimmte Entschädigung, bei deren Ermittlung auf die Dienstbarkeit des Nichtverbauens zugunsten der EZ 596 II KG Z nicht Bedacht genommen wurde, "mit Rücksicht auf das bestehende bücherlich eingetragene private Bauverbot" gerichtlich hinterlegt. Die Kläger begehrten, obwohl sich daraus ergab, daß die Dienstbarkeitsberechtigte mit einem allfälligen Entschädigungsanspruch auf diesen erlegten Betrag verwiesen war, nicht gemäß § 20 Abs. 3 BStG 1971 die gerichtliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung. Die Beklagte machte sodann im Verfahren über die Verteilung des erlegten Entschädigungsbetrages einen Entschädigungsanspruch geltend.

Bei dieser Sachlage ist es, obwohl die Beklagte als Realservitutsberechtigte Enteignete iS der §§ 18 Abs. 2 BStG 1971, 4 Abs. 2 EisbEG als Partei dem Verwaltungsverfahren beizuziehen gewesen und Subjekt eines unmittelbar gegen den Enteigner gerichteten Entschädigungsanspruches wäre (vgl. Randa in Grünhuts Zeitung X 636, 646; derselbe, Das Eigentumsrecht[2] 174; Layer, Principien des Enteignungsrechtes 393; Kautsch, Enteignung zum Zwecke der Herstellung oder des Betriebes von Eisenbahnen 25 f., 27 f.), weshalb sie grundsätzlich bei der gerichtlichen Verteilung der erlegten Entschädigungssumme unter die dinglich Berechtigten gemäß § 34 EisbEG nicht in Betracht käme (Randa in Grünhuts Zeitung X 652; derselbe, Das Eigentumsrecht[2] 179; Kautsch aaO 28; vgl. auch Layer aaO 495) notwendig zu ermitteln, in welcher Höhe die Beklagte aus dem hinterlegten Entschädigungsbetrag zu entschädigen ist.

Die Ausführungen der Kläger zum § 525 ABGB gehen schon deshalb fehl, weil in dieser Bestimmung über eine im Falle des Unterganges der Dienstbarkeit zu leistende Entschädigung nichts normiert wird. Es kann aus ihr daher nichts für die hier zu entscheidende Frage gewonnen werden, wie eine durch Enteignung erloschene Dienstbarkeit zu entschädigen ist. Auf die diesbezüglichen Ausführungen der Kläger braucht daher nur insoweit eingegangen werden, als sie sich gegen die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, das künftige Schicksal eines dienenden Grundstückes sei bei der Bewertung der Dienstbarkeit nicht zu berücksichtigen, mit dem Argument wehren, durch die völlig gesicherte Verwendung der enteigneten (dienenden) Liegenschaft sei der Zweck der Dienstbarkeit erreicht und diese daher zwecklos geworden.

Eine Zwecklosigkeit in dem Sinn, daß für das herrschende Grundstück das Recht der Aussicht im Zeitpunkt der Enteignung keinen Vorteil mehr gebracht habe, behaupten die Kläger selbst nicht. Bei ihrer Ausführung, das Recht sei "zwecklos", weil sein Zweck, nämlich die Aussicht durch die "völlig gesicherte Verwendung der enteigneten Liegenschaft" erreicht sei, weichen sie nicht nur vom festgestellten Sachverhalt ab, wonach die Verwendung (eines Teiles) der enteignetem Fläche zum Bau einer Unterflurautobahn geplant ist und auch bei einer solchen Verwendung noch sichtbehindernde Bauwerke möglich sind, sondern übersehen auch, daß bei der Bemessung der Entschädigung auf den Zeitpunkt der Enteignung abzustellen ist und grundsätzlich die in diesem Zeitpunkt bestehenden wertbestimmenden Verhältnisse für die Entschädigung maßgebend sind. Dem wird aber nur entsprochen, wenn ermittelt wird, welchen Wert das Dienstbarkeitsrecht im Zeitpunkt der Enteignung hatte. Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß der (auf diesen Zeitpunkt abzustellende) Wert der Dienstbarkeit nicht im Differenzbetrag zwischen dem Wert des dienenden Grundstückes unter Außerachtlassung der Dienstbarkeitsbelastung und dem Wert des dienenden Grundstückes unter Berücksichtigung der Belastung durch die Dienstbarkeit besteht. Die dingliche Absicherung der Dienstbarkeit der Aussicht dient dem Zweck, den Wert des herrschenden Grundstückes durch die Erhaltung der Aussicht oder durch Fernhalten von Lärm und Unruhe zu erhöhen. Wenn durch die "lastenfreie Enteignung" des dienenden Grundstückes das Dienstbarkeitsrecht erlischt, so wird hiedurch das Grundstück des Dienstbarkeitsberechtigten, also das herrschende Grundstück selbst im Wert gemindert (vgl. Müller in NJW 1967, 1352). Es ist also die Differenz zwischen dem Wert des herrschenden Grundstückes bei aufrechtem Bestand des Dienstbarkeitsrechtes und dem Wert des herrschenden Grundstückes ohne diese Dienstbarkeit zu ermitteln. Diese stellt sodann den ziffernmäßigen Wert des Dienstbarkeitsrechtes dar, um welchen der Dienstbarkeitsberechtigte durch die Enteignung gebracht wird. Dieser Wertnachteil ist ihm grundsätzlich zu entschädigen.

Im vorliegenden Fall steht aber auf Grund der oben wiedergegebenen Vorgangsweise für die Entschädigung sowohl der früheren Eigentümer des dienenden Grundstückes als auch der Eigentümerin des früher herrschenden Grundstückes der hinterlegte Betrag von 452 960 S zur Verfügung. Dieser Umstand macht es notwendig, daß für die Aufteilung des hinterlegten Betrages auf die früheren Eigentümer des dienenden Grundstückes einerseits und die Eigentümerin des früher herrschenden Grundstückes andererseits auch der Wert des dienenden Grundstückes herangezogen wird, und zwar jener Wert, der sich unter Berücksichtigung der Belastung durch die Realservitut als wertmindernder Faktor ergibt. Im Verhältnis der beiden so ermittelten Werte des früher dienenden Grundstückes einerseits und des Dienstbarkeitsrechtes andererseits wird sodann der hinterlegte Entschädigungsbetrag aufzuteilen sein, wobei selbstverständlich die Grenzen der Rechtskraft der bereits ergangenen Entscheidungen über eine Auszahlung bzw. die Zustimmung zur Auszahlung zu beachten sein werden.

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