OGH 8Ob572/82

OGH8Ob572/8227.1.1983

SZ 56/16

Normen

ABGB §151 Abs2
ZPO §2
ABGB §151 Abs2
ZPO §2

 

Spruch:

Im Verfahren über Schadenersatzansprüche ist der Minderjährige nicht prozeßfähig

OGH 27. 1. 1983, 8 Ob 572/82 (OLG Innsbruck 1 R 256/82; LG Innsbruck 7 Cg 352/80)

Text

Mit der am 21. 7. 1980 bei Gericht eingelangten Klage machte die Klägerin gegen den Beklagten Schadenersatzansprüche (Schmerzengeld und Ersatz von Heilungskosten) aus einem Schiunfall mit der Begründung geltend, daß der Beklagte am 19. 1. 1980 im Schigebiet Hochzillertal infolge mangelnder Fahrkenntnisse mit ihr zusammengestoßen sei, wodurch sie schwere Verletzungen erlitten habe. Der Beklagte habe ihr gegenüber ausdrücklich sein Verschulden zugegeben. Er habe erklärt, Leihschi verwendet zu haben, bei denen sich an diesem Tag schon mehrmals die Bindung gelöst habe, weshalb er zum Sturz gekommen sei.

Der Beklagte beauftragte mit seiner Vertretung in diesem Rechtsstreit den Rechtsanwalt Dr. Heinz B. Die Prozeßvollmacht vom 31. 7. 1980 wurde mit "Martin S" unterschrieben. In der Klagebeantwortung wurde die Abweisung des Klagebegehrens begehrt. Der Beklagte habe keine Leihschi verwendet. Es treffe ihn kein Verschulden am Unfall. Das Klagebegehren werde auch der Höhe nach bestritten.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin den Betrag von 33 180 S zu bezahlen.

Das Berufungsgericht nahm die Angabe des Beklagten in der Parteienvernehmung vom 1. 2. 1982, worin er erklärte, erst 18 Jahre alt und noch Schüler zu sein, zum Anlaß, dem Erstgericht die zur Beseitigung des Mangels der gesetzlichen Vertretung erforderlichen Aufträge iS des § 6 Abs. 2 ZPO zu erteilen. Das Erstgericht trug dem Beklagtenvertreter auf, binnen 14 Tagen eine Bevollmächtigung durch den gesetzlichen Vertreter des Beklagten und eine Genehmigung der bisherigen Prozeßführung durch diesen dem Gericht vorzulegen. Der Beklagte genehmigte die bisherige Prozeßführung nicht. Es unterfertigte auch kein Elternteil die Prozeßvollmacht des Beklagten. Der Klagevertreter teilte dem Gericht mit, daß der Beklagte am 5. 5. 1963 geboren und zwischenzeitlich volljährig geworden sei. Für den Fall, daß die Genehmigung der bisherigen Prozeßführung durch den gesetzlichen Vertreter des Beklagten nicht erfolgen sollte, beantragte der Kläger, den Beklagten gemäß § 51 ZPO zum Kostenersatz zu verpflichten. Nach den vom Berufungsgericht veranlaßten Erhebungen wurde der Beklagte am 5. 5. 1963 als ehelicher Sohn des Adolf und der Elisabeth S geboren; er wurde demnach am 5. 5. 1982 volljährig. Die Berufungsschrift des Beklagten gegen das Urteil des Erstgerichtes wurde bereits am 16. 4. 1982 bei Gericht überreicht, also zu einem Zeitpunkt, da der Beklagte noch minderjährig war.

Aus Anlaß dieser Berufung sprach das Berufungsgericht die Nichtigkeit des bisherigen Verfahrens erster und zweiter Instanz aus und wies die Klage zurück. Es hob die Prozeßkosten beider Instanzen gegeneinander auf. Das Gericht zweiter Instanz begrundete seine Entscheidung damit, daß ein mundiger Minderjähriger gemäß § 2 ZPO in Rechtsstreitigkeiten über Gegenstände, in denen er nach dem bürgerlichen Recht geschäftsfähig sei, nicht der Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters im Prozeß bedürfe; diese Gesetzesbestimmung erfasse aber nicht auch Schadenersatzansprüche, wie sie hier geltend gemacht würden, selbst wenn sie in einem unmittelbaren tatsächlichen Zusammenhang mit frei verfügbarem Vermögen des Minderjährigen stunden oder dieses Vermögen erfaßten. Gemäß § 154a ABGB sei im zivilgerichtlichen Verfahren nur ein Elternteil zur Vertretung des Kindes berechtigt. Im gesamten bisherigen Verfahren sei der Beklagte durch keinen Elternteil vertreten gewesen. Der Mangel der gesetzlichen Vertretung sei nicht beseitigt worden, die hiezu gewährte Frist sei fruchtlos abgelaufen. Es sei daher gemäß § 7 Abs. 1 ZPO die Nichtigkeit des vom Mangel betroffenen Verfahrens durch Beschluß auszusprechen und die Klage zurückzuweisen gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerin teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Berufungsgerichtes dahin ab, daß das Urteil des Erstgerichtes und das diesem zugrunde liegende Verfahren ab Zustellung der Klage als nichtig aufgehoben wurden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Durch das Volljährigkeitsgesetz vom 14. 2. 1973, BGBl. 108, wurden ua. die früher in den §§ 151, 152, 246, 247 ABGB enthaltenen Bestimmungen über die beschränkte Geschäftsfähigkeit mj. Kinder geändert (Art. 1 Z 3 leg. cit.). Der Gesetzgeber verfolgte hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit mundiger Minderjähriger die Absicht, die hiezu in Lehre und Rechtssprechung entwickelten Grundsätze ausdrücklich gesetzlich zu verankern (vgl. den Bericht des Justizausschusses zur RV über ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über die Geschäftsfähigkeit und Ehemundigkeit geändert werden, 645 BlgNR 13. GP; Welser, Die Neuordnung der Geschäftsfähigkeit und ihre Problematik, VersRdSch 1973, 146 ff., insbesondere 157 ff.; JBl. 1930, 344; EvBl. 1967/51; EvBl. 1978/202). Nach wie vor geht der Gesetzgeber davon aus, daß ein mj. Kind nur mit ausdrücklicher oder stillschweigender Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftliche Verfügungen treffen oder Verpflichtungen auf sich nehmen kann (§ 151 Abs. 1 ABGB nF, § 244 ABGB nF). Nur in besonderen Fällen (§ 151 Abs. 2, § 152 ABGB nF) sind mundige Minderjährige, aus Gründen der Verkehrssicherheit bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 151 Abs. 3 ABGB nF sogar Unmundige und Kinder, selbständig verfügungs- und verpflichtungsfähig. Da es sich hiebei um Ausnahmen von der allgemein geltenden beschränkten Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen handelt, sind diese Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnisse im Interesse des Schutzes der Minderjährigen einschränkend auszulegen (JBl. 1954, 258; EvBl. 1962/412; SZ 36/61). Wie aber Fasching II 139 f. auch für die neue Gesetzeslage gültig überzeugend darlegt, erfaßt die erweiterte Prozeßfähigkeit des mundigen Minderjährigen, die gemäß § 2 ZPO ausschließlich auf die (rechtsgeschäftliche) Verpflichtungsfähigkeit abgestellt ist, nicht Schadenersatzansprüche, selbst wenn sie in einem unmittelbaren tatsächlichen Zusammenhang mit frei verfügbarem Vermögen des Minderjährigen stehen oder dieses Vermögen erfassen. So kann ein Minderjähriger selbst dann nur zu Handen seines gesetzlichen Vertreters geklagt werden, wenn er seinerseits als Verkehrsteilnehmer mit einem von ihm durch eigenen Fleiß erworbenen Kraftfahrzeug (Fahrrad usw.) Personen- oder Sachschaden verursacht hat. Zutreffend hat daher das Berufungsgericht auch im vorliegenden Fall einer auf die Bezahlung von 33 180 S sA gerichteten Schadenersatzklage aus einem Unfall beim Schifahren die sogenannte erweiterte Prozeßfähigkeit des seinerzeit minderjährigen Beklagten verneint. Den dadurch gegebenen Mangel der gesetzlichen Vertretung hat es mit Recht aufgegriffen (vgl. SZ 42/190 ua.).

Die Nichtigerklärung darf aber nur so weit gehen, als das Verfahren tatsächlich von dem mit Nichtigkeit bedrohten Mangel erfaßt wird. Liegen die Mängel auf der Klagsseite, dann wird in der Regel das gesamte Verfahren für nichtig zu erklären und - da schon die Klage mit dem Mangel behaftet ist - die Klage zurückzuweisen sein. Liegt der Mangel aber auf der Beklagtenseite, dann kann das Verfahren frühestens vom Zeitpunkt der ersten Prozeßhandlung, die sich auf den Beklagten erstreckt, für nichtig erklärt werden (Fasching II 159 f.; 5 Ob 205/71; 8 Ob 184/77 ua.); das ist im vorliegenden Fall die Verfügung der Zustellung der Klageschrift. Da der Mangel der Prozeßfähigkeit und der gesetzlichen Vertretung hier den Beklagten betrifft, ist die Einbringung der Klage mit keiner Nichtigkeit behaftet. Es bestand kein Anlaß, die Klage ebenfalls zurückzuweisen.

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