Spruch:
Der Arbeitgeber hat die auf den Arbeitnehmer entfallenden Sozialversicherungsbeiträge auch von der Kündigungsentschädigung nach § 29 AngG einzubehalten und dem zuständigen Träger der Krankenversicherung abzuführen
OGH 12. Oktober 1982, 4 Ob 119, 120/82 (LGZ Wien 44 Cg 20/82; ArbG Wien 7 Cr 114/81)
Text
Die Kläger waren im Unternehmen der seit 3. 10. 1980 in Konkurs befindlichen A-Baugesellschaft mbH und der A-Baugesellschaft mbH & Co KG iL als Poliere beschäftigt. Sie sind am 14. 10. 1980 gemäß § 25 Abs. 1 KO vorzeitig ausgetreten. Über die von den Klägern gegen den Beklagten als Masseverwalter der genannten Gesellschaften geltend gemachten Ansprüche erließ das Erstgericht ein Teilanerkenntnis- und Teilurteil, mit welchem es den Beklagten schuldig erkannte, an den Erstkläger einen Nettobetrag von 19 483.76 S samt Anhang und an den Zweitkläger einen Nettobetrag von 12 776.13 S samt Anhang, soweit Deckung gemäß § 47 KO gegeben sei, zu zahlen. Der dem Erstkläger zugesprochene Betrag besteht aus mehreren vom Beklagten anerkannten Teilbeträgen (insoweit wurde ein Teilanerkenntnisurteil gefällt) sowie einem weiteren, lediglich der Höhe nach außer Streit gestellten Betrag von 5442.14 S hinsichtlich dessen ein Teilurteil gefällt wurde. Der dem Zweitkläger zugesprochene Betrag besteht ebenfalls aus anerkannten Teilbeträgen und einem nur der Höhe nach außer Streit gestellten weiteren Teilbetrag von 6497.37 S. Die beiden Teilbeträge von 5442.14 S und 6497.37 S bilden den Gegenstand des Revisionsverfahrens. Es handelt sich hiebei um die auf die Kläger entfallenden Sozialversicherungsbeiträge für die ihnen auf Grund ihres vorzeitigen Austrittes zustehenden, an sich nicht mehr strittigen Kündigungsentschädigungen. Während die Kläger die Auffassung vertreten, es seien keine Sozialversicherungsbeiträge von der Kündigungsentschädigung vom Beklagten abzuführen, sodaß ihnen auch diese vom Beklagten aus diesem Titel zurückbehaltenen Teile ihrer Kündigungsentschädigungen auszuzahlen seien, hält der Beklagte die Kündigungsentschädigungen für beitragspflichtig.
Das Erstgericht schloß sich der Auffassung der Kläger an. Der vorzeitige Austritt habe die Arbeitsverhältnisse der Kläger mit sofortiger Wirkung beendet; die gemäß § 29 AngG den Klägern zustehende Kündigungsentschädigung beruhe auf dem Rechtsgrund des Schadenersatzes und sei kein Entgelt; dem Klagebegehren liege daher kein vertraglicher, sondern ein gesetzlicher Anspruch zugrunde, sodaß die gesamte Kündigungsentschädigung ohne jeden Abzug den Klägern gebühre.
Das Berufungsgericht wies das auf Zahlung dieser Teilbeträge gerichtete Klagebegehren ab. Es führte das Verfahren gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG neu durch und vertrat die Rechtsauffassung, daß gemäß § 11 Abs. 1 ASVG die Pflichtversicherung erst mit dem Ende des Entgeltanspruches erlösche, wenn der Zeitpunkt, in dem dieser Anspruch ende, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses zusammenfalle. Dies bedeute, daß das Pflichtversicherungsverhältnis fortbestehe, wenn das Beschäftigungsverhältnis zwar beendet worden sei, für eine gewisse Zeit aber noch Entgeltansprüche auch ohne Beschäftigung des Arbeitnehmers bestunden. Dies gelte insbesondere für eine ungerechtfertigte Entlassung oder einen gerechtfertigten vorzeitigen Austritt. In dieser Zeit der Pflichtversicherung bestehe jedoch weiterhin die Beitragspflicht.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Kläger vertreten in ihren Rechtsmittelausführungen die Auffassung, daß Ansprüche aus Kündigungsentschädigungen Schadenersatzansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht Ansprüche auf ein laufendes Entgelt seien. Die Pflichtversicherung ende daher mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Vergütungen, die aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt werden, seien gemäß § 49 Abs. 3 Z 7 ASVG kein Entgelt iS des § 49 Abs. 1 und 2 ASVG. Mit Rücksicht auf die durch den vorzeitigen Austritt herbeigeführte Beendigung des Arbeitsverhältnisses fehle es auch an der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers und damit an einem wesentlichen Merkmal der Pflichtversicherung des § 4
ASVG.
Diesen Auffassungen kann nicht zugestimmt werden. Wohl sind die sich aus § 29 AngG ergebenden Ansprüche auf Kündigungsentschädigung, also die vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt für jenen Zeitraum, der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit oder durch ordnungsgemaße Kündigung durch den Arbeitgeber hätte verstreichen müssen, "Ersatzansprüche" (Arb. 9514 mit weiteren Hinweisen). Das ändert aber nichts daran, daß der ungerechtfertigt entlassene oder der gerechtfertigt vorzeitig ausgetretene Arbeitnehmer ungeachtet der mit der Auflösungserklärung bereits eingetretenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein "Entgelt" für den genannten Zeitraum, wenn auch aus dem Titel des Schadenersatzes, erhält. Er wird entgeltmäßig so gestellt, als wäre das Arbeitsverhältnis vertragsgemäß, also unter Einhaltung der Kündigungsfrist und zum nächsten möglichen Kündigungstermin bzw. durch Zeitablauf beendet worden. Für die Beantwortung der im gegenständlichen Fall bedeutsamen Frage nach dem Ende der Pflichtversicherung (§ 11 Abs. 1 ASVG) kommt es nur darauf an, ob "Entgelt" über den Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses hinaus weitergezahlt wird (vgl. dazu auch § 11 Abs. 2 ASVG für den Fall einer vergleichsweisen Regelung über den Entgeltbezug für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses), nicht aber auf den Rechtsgrund dieser Entgeltzahlungsverpflichtung, ob also das Entgelt in Erfüllung des Vertrages oder aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes wegen eines Bruches des Vertrages zu zahlen ist. Wenn der Zeitpunkt, an dem der Anspruch auf Entgelt endet, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses zusammenfällt, so erlischt gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 ASVG die Pflichtversicherung mit dem Ende des Entgeltanspruches. Im Falle des Anspruches auf eine Kündigungsentschädigung infolge einer ungerechtfertigten Entlassung oder eines gerechtfertigten vorzeitigen Austrittes des Arbeitnehmers endet dessen Entgeltanspruch im sozialversicherungsrechtlichen Sinn sohin erst nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses, sodaß auch die Pflichtversicherung erst mit dem Ende des Entgeltanspruches, sohin mit dem Ende jenes Zeitraumes endet, für den der entlassene bzw. ausgetretene Arbeitnehmer die Kündigungsentschädigung erhält (vgl. Teschner - Fürböck, Anm. 2 zu § 11 ASVG, Band I, 188; ferner Tomandl, Grundriß des österr. Sozialrechts 73 Rdz. 103). Dies hat aber, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, die Beitragspflicht iS der §§ 44 ff. ASVG für diesen Zeitraum zur Folge. Da gemäß § 58 Abs. 2 ASVG der Arbeitgeber Schuldner der auf den Arbeitnehmer entfallenden Beiträge ist und der Arbeitgeber diese Beiträge an den zuständigen Träger der Krankenversicherung einzuzahlen hat, besteht der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Zahlung dieser Beträge an sie nicht zu Recht.
Entgegen der Meinung der Kläger ist die Kündigungsentschädigung, wie sich schon aus den oben dargelegten Erwägungen und aus den in § 49 Abs. 3 Z 7 ASVG angeführten, sich von der Kündigungsentschädigung grundsätzlich unterscheidenden Beispielen ergibt, keine Vergütung, die (lediglich) aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses iS dieser Gesetzesstelle gewährt wird. Gerade die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ASVG über das Erlöschen der Pflichtversicherung mit dem Ende des Entgeltanspruches (und nicht mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses) zeigt, daß die weitere Meinung der Kläger, das Fehlen der Abhängigkeit der Arbeitnehmer nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses stehe der Annahme einer nur durch den Entgeltanspruch bestimmten Dauer der Pflichtversicherung entgegen, ebenfalls verfehlt ist.
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