OGH 6Ob762/82

OGH6Ob762/826.10.1982

SZ 55/143

Normen

ABGB §583
ABGB §1248
ABGB §583
ABGB §1248

 

Spruch:

Ein gemeinschaftliches Testament von Nichtehegatten wird auch von dem Erblasser ungültig errichtet, der selbst das außergerichtliche schriftliche Testament eigenhändig schrieb und unterschrieb

OGH 6. Oktober 1982, 6 Ob 762/82 (OLG Wien 16 R 77/82; LGZ Wien 15 Cg 73/80)

Text

Antonie M ist am 10. 7. 1978 gestorben. Sie war verwitwet. Die Beklagte ist ihr einziges Kind. Der Kläger war der Lebensgefährte der Verstorbenen. In der Verlassenschaftsabhandlung erklärten sich beide Streitteile zum gesamten Nachlaß als Erben. Der Kläger stützte seine Erbserklärung auf folgende schriftliche Erklärung:

"Wien, 27. Mai 1976 Testament, sollte mir oder Julia etwas zustoßen, ist unser einziger Erbe mein Lebensgefährte ..."

Dieser Text wurde von der Erblasserin geschrieben und sowohl von ihr als auch von ihrer Tochter, der Beklagten, unterschrieben. Neben den Unterschriften trägt die Urkunde als weitere Orts- und Zeitangabe die Datierung "Wien, 4. Jänner 1978!"

Die Beklagte berief sich zunächst "unbeschadet" eines mündlichen Testamentes ihrer Mutter vom Mai 1978, mit dem sie zur Alleinerbin eingesetzt worden sei, auf den Berufungsgrund des Gesetzes, bestritt die Gültigkeit der letztwilligen Erklärung, auf die der Kläger seine Erbserklärung grundete, und stützte ihre Erbserklärung nach Kundmachung eines mündlichen Testamentes letztlich auf dieses.

Das Abhandlungsgericht nahm die einander widersprechenden Erbserklärungen an und wies dem Lebensgefährten der Verstorbenen gegenüber deren Tochter unter Bestimmung einer Klagefrist von zwei Monaten die Klägerrolle zu.

Der Kläger führte in seiner Erbrechtsklage aus, daß die als Zeugen des mündlichen Testamentes namhaft gemachten Personen keinem Testierakt der Erblasserin beigewohnt und die strittige Erklärung der Erblasserin nicht im Bewußtsein ihrer förmlichen Zeugenschaft vernommen hätten.

Die Beklagte machte in erster Linie geltend, daß sich der Kläger seinerseits auf einen - inhaltlich - unwirksamen Erbrechtstitel berufen habe, weil die Absicht der Erblasserin bei Abfassung der mit 27. Mai 1976 datierten schriftlichen Erklärung nur darauf gerichtet gewesen sei, erbrechtliche Anordnungen für den in der Folge nicht eingetretenen Fall zu treffen, daß sie während eines unmittelbar bevorstehenden Auslandsaufenthaltes stürbe, was mit dem Wort "zustoßen" auch seinen schriftlichen Niederschlag gefunden habe. Dazu hob die Beklagte ausdrücklich hervor, daß sie die einzige nach dem Gesetz zur Erbschaft berufene Person sei. Darüber hinaus wendete die Beklagte die Formwirksamkeit des zu ihren Gunsten errichteten mündlichen Testamentes ein. Außerdem erachtete sie das Klagebegehren wegen Ablaufes der vom Abhandlungsgericht gesetzten Klagsfrist als unzulässig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Die Erblasserin hatte die Gewohnheit, vor dem Antritt einer größeren Reise eine letztwillige Verfügung zu errichten und diese nach ihrer Heimkehr wieder zu vernichten. Ehe sie am 28. 5. 1976 gemeinsam mit der Beklagten eine Reise in die CSSR antrat, errichtete sie am 27. 5. 1976 die - oben teilweise wiedergegebene - Urkunde, nach deren Inhalt sie und ihre Tochter für den Fall, daß ihnen etwas zustoßen sollte, den Kläger zum Erben einsetzten. Darüber hinaus traf das Erstgericht Feststellungen über eine von der Erblasserin am 27. 5. 1978 in Gegenwart ihres Bruders, ihrer Schwester und ihres Neffen sowie der Beklagten im Krankenhaus abgegebenen Erklärung über die Erbeigenschaft der Beklagten.

Das Erstgericht unterstellte in seiner rechtlichen Beurteilung ohne Darlegung seiner diesbezüglichen Erwägungen die Klageberechtigung des Klägers, nahm nach dem Stand des Abhandlungsverfahrens ein aufrecht bestehendes Rechtsschutzinteresse des Klägers an der Verfolgung seines Klagsanspruches auf Feststellung der Ungültigkeit des von der Beklagten behaupteten mündlichen Testamentes zu ihren Gunsten an, wertete die festgestellte Erklärung der Erblasserin vom 27. 5. 1978 aber entgegen dem Standpunkt des Klägers als formwirksames Testament zugunsten der Beklagten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 60 000 S übersteigt. Es übernahm lediglich die erstrichterlichen Feststellungen über das mit 27. 5. 1976 datierte schriftliche Testament, sah dieses aus dem Grund des § 583 ABGB als ungültig an und verneinte aus diesem Grund die Anspruchsberechtigung des Klägers, ohne zu den Berufungsausführungen, zu den Feststellungen und zur rechtlichen Beurteilung der die Beklagte begünstigenden letztwilligen Verfügung weiter Stellung zu nehmen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagte hat die Wirksamkeit der den Kläger begünstigenden letztwilligen Erklärung vom 27. 5. 1976 wegen der von ihr behaupteten inhaltlichen Beschränkung der getroffenen Verfügung auf einen ganz bestimmten, in der Folge nicht eingetretenen Fall bestritten. Entgegen den Revisionsausführungen hat die Beklagte damit die Formwirksamkeit dieser Anordnung nicht zugestanden und solcherart einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen. Die Beklagte hat im Rechtsstreit um die gegenüber der vom Kläger geltend gemachten letztwilligen Verfügung wirksameren Berufung zum Erben - in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Erbin - die Wirksamkeit der zugunsten des Klägers sprechenden letztwilligen Verfügung wegen deren, dem wahren Testierwillen entsprechenden inhaltlichen Beschränkung bestritten und damit der Sache nach geltend gemacht, daß dem Kläger die Befugnis fehle, die Wirksamkeit der zu ihren Gunsten errichteten letztwilligen Verfügung zu bestreiten. Damit hat die Beklagte den Mangel der Anspruchsberechtigung des Klägers eingewendet. Die Gerichte waren daher berechtigt und verpflichtet, im Rahmen des erstinstanzlichen Vorbringens die Rechtswirksamkeit der letztwilligen Verfügung zu beurteilen, aus der der Kläger seine Berufung zum Erben ableitet. Der Revisionswerber selbst hat sich auf die letztwillige Verfügung vom 27. 5. 1976 und diesbezüglich auf den Inhalt der - im erstinstanzlichen Verfahren eingesehenen und verlesenen - Abhandlungsakten berufen. Das Berufungsgericht hat diese aktenkundige, vom Revisionswerber zur Darlegung einer Berufung zum Erben herangezogene Urkunde mit Recht auch ohne ausdrückliche Ausführung der Beklagten daraufhin geprüft, ob der in ihr enthaltene Aufsatz nicht schon nach seinem Inhalt als letztwillige Verfügung formunwirksam sei. Eine Überschreitung der erhobenen Einwendungen (analog zu § 405 ZPO) liegt dem Berufungsgericht nicht zur Last. Das Berufungsverfahren ist in dieser Hinsicht nicht mangelhaft, die Berufungsentscheidung nicht nichtig.

Nach der besonderen Fallgestaltung, daß die nach dem Gesetz zur Alleinerbin berufene Tochter der Erblasserin von dieser testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt wurde und der testamentarisch eingesetzte Lebensgefährte der Erblasserin gegen sie die Erbrechtsklage erhob, ist die Behauptung der Unwirksamkeit des den Kläger begünstigenden Testamentes eine beachtliche Einwendung gegen das Begehren der Erbrechtsklage, mit der über den im Verhältnis zum Berufungsgrund des Prozeßgegners wirksameren Erbrechtstitel bindend abgesprochen werden soll.

Das Rechtsschutzinteresse an der Klärung dieser strittigen Rechtslage kann bis zur Einantwortung des Nachlasses nicht verneint werden. Das Erstgericht hat die mit dem Ablauf der Klagsfrist begrundete Einwendung der Beklagten daher zutreffend als unstichhältig erkannt.

Eine festgestellte Unwirksamkeit der zugunsten des Erbrechtsklägers erfolgten Verfügung klärt die Rechtslage zwischen den beiden Erbansprechern endgültig zu Lasten des Erbrechtsklägers, wenn der Beklagten ein unbestrittener Berufungsgrund zustatten kommt. Es stellt daher keine Nichterledigung des den Kern der Erbrechtsklage bildenden Begehrens dar, wenn die Gültigkeit der vom Klagebegehren bezeichneten letztwilligen Verfügung zugunsten der Beklagten unerörtert bleibt, weil dem Erbrechtskläger wegen Hinfälligkeit seiner eigenen Berufung zum Erben die Anfechtungsbefugnis abzusprechen ist.

Die Revisionsausführungen zur Bedeutung des § 583 ABGB stehen aber mit dem eindeutigen Wortlaut der im sachlichen Zusammenhang stehenden Regelungen der §§ 583 und 1248 ABGB in Widerspruch. Die Beurkundung letztwilliger Verfügung mehrerer Personen in einem einheitlichen Errichtungsvorgang ist nur Ehegatten (Brautleuten) gestattet, anderen Personen aber unter der Ungültigkeitssanktion des § 601 ABGB untersagt (vgl. Zeiller, Komm. II/2, 462 zu § 583 und III/2, 628 ff. in Anm. 1 und 3 zu § 1248; Unger, System[4] VI 97 in § 21; Pfaff - Hofmann, Komm. II/1, 166 in Abschn. II zu § 583 und Exkurse II/1, 100 ff; Stubenrauch, Komm.[8] II 549 im Text zu Anm. 4 zu § 1248 und in dieser Anm. selbst; Ehrenzweig, System[2] II/2, 444 im Text zu Anm. 2 in § 501; GlUNF 2371).

Der Gesetzeszweck des Verbotes gemeinschaftlicher Testamente für Nichtehegatten mag in der Ausschaltung von Auslegungsschwierigkeiten oder von unerwünschten Beeinflussungen eines Testators durch den anderen gesehen werden, in keinem Fall wäre eine einschränkende Auslegung dieses gesetzlichen Verbotes in der Richtung gerechtfertigt, daß eine unabhängig von der Beurteilung nach § 583 ABGB vorliegende Formunwirksamkeit der letztwilligen Verfügung der einen der gemeinschaftlich testierenden Personen die Verfügung der anderen trotz der Gemeinschaftlichkeit formwirksam lasse, denn die Formunwirksamkeit der letztwilligen Erklärung des einen Testators (wie etwa im vorliegenden Fall die Verfügung der Beklagten, die den von der Erblasserin geschriebenen Aufsatz nur unterschrieben, aber nicht selbst geschrieben hat) beseitigt weder die Gefahr von Auslegungsschwierigkeiten noch, aber die einer als unerwünscht angesehenen Beeinflussung (vgl. Stubenrauch aaO mit anderer Begründung).

Die Revisionsausführungen, daß das Testament der Beklagten "inhaltsleer" gewesen sei, ist einerseits unschlüssig, andererseits aber insoweit nicht stichhältig, als dieser Einwand an der gesetzlich für unzulässig erklärten Gemeinschaftlichkeit der letztwilligen Verfügungen von Mutter und Tochter nichts zu ändern vermöge.

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