OGH 5Ob707/82

OGH5Ob707/825.10.1982

SZ 55/139

Normen

HGB §41
HGB §116
HGB §166
HGB §41
HGB §116
HGB §166

 

Spruch:

Die Berichtigung einer Bilanz ist ein Akt der Geschäftsführung, zu dem ein ausgeschiedener Gesellschafter nicht mehr befugt und verpflichtet ist

OGH 5. Oktober 1982, 5 Ob 707/82 (OLG Linz 4 R 99/82; LG Linz 9 Cg 414/81)

Text

Auf Grund des Gesellschaftsvertrages vom 20. 6. 1973 trat die Klägerin mit Wirkung vom 1. 1. 1973 als Kommanditistin mit einer Einlage von 400 000 S in das protokollierte Unternehmen des Beklagten ein. Die auf diese Weise gebildete Personengesellschaft führte die Firma "Leopold S KG". Der Beklagte als deren einziger Komplementär kundigte dieses Gesellschaftsverhältnis form- und fristgerecht zum Jahresende 1975 auf. Auf Grund des zwischen den Streitteilen zu 9 Cg 778/76 (später 9 Cg 848/78) des Erstgerichtes durchgeführten und mit Urteil des OGH vom 17. 12. 1980, 1 Ob 698/80, rechtskräftig beendeten Prozesses steht fest, daß auf die streitgegenständlichen Rechtsbeziehungen der Parteien österreichisches Recht anzuwenden ist sowie daß mit 30. 4. 1976 der Beklagte aus der Kommanditgesellschaft ausschied, wodurch diese zu bestehen aufhörte und das bis dahin von der Kommanditgesellschaft betriebene Unternehmen von der Klägerin übernommen wurde.

Die Klägerin begehrt nunmehr die Verurteilung des Beklagten, die Bilanzen der Leopold S KG für die Jahre 1974 und 1975 dahin zu berichtigen, daß statt der in den Firmenbilanzen angeführten Beträge die in der Klage unter "laut Bucheinsicht" angeführten Beträge eingesetzt würden, und die berichtigten Bilanzen zu unterfertigen, in eventu die Feststellung, daß die vom Beklagten oder in dessen Auftrag erstellten und von ihm unterfertigten Bilanzen der Leopold S KG für die Jahre 1974 und 1975 rechtsunwirksam seien.

Das Erstgericht wies beide Begehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Im Dezember 1975 wurde die form- und fristgerechte Kündigung der Kommanditgesellschaft durch den Beklagten zum Jahresende 1975 im Einverständnis mit der Klägerin dahingehend modifiziert, daß sie spätestens mit Ende April 1976 wirksam werden solle. Die Klägerin wurde daher mit 30. 4. 1976 alleinige Unternehmerin. Die vormalige Leopold S KG hörte infolge Ausscheidens des Beklagten als Komplementär zu bestehen auf. Am 9. 10. 1978 überreichte die Klägerin zu 9 Cg 729/78 (heute 9 Cg 177/81) des Erstgerichtes eine Leistungsklage, mit der sie vom Beklagten wegen unberechtigter Entnahmen zwischen 1. 3. 1973 und 31. 3. 1976 die Bezahlung eines Betrages von 2 077 184.70 S samt Anhang forderte. Die Klägerin stützte ihren Anspruch wie im gegenständlichen Verfahren auf den Prüfungsbericht der A-Treuhand-AG betreffend die Bilanzen von 1973 bis 1975, dem sich unberechtigte Entnahmen des Beklagten in dieser Höhe entnehmen ließen, und erstattete im wesentlichen dasselbe Vorbringen wie im gegenständlichen Verfahren. Der Beklagte verwies in seiner Klagebeantwortung ebenfalls auf sein Vorbringen im vorliegenden Rechtsstreit und führte zusätzlich noch aus, er habe nie mehr entnommen, als ihm auf Grund der von der Klägerin genehmigten Bilanzen für die Jahre 1973, 1974 und 1975 zugestanden sei. Der Bilanzprüfungsbericht der A-Treuhand-AG sei unrichtig. Am 14. 12. 1978 erhob der Beklagte zu 9 Cg 866/78 (heute 9 Cg 220/81) des Erstgerichtes eine Widerklage, mit der er von der Klägerin unter Berufung auf den Gesellschaftsvertrag vom 20. 6. 1973 die Bezahlung eines Betrages von 2 603 403.89 S samt Anhang begehrte. Diese Forderung setze sich aus dem Mindestauseinandersetzungsguthaben, aus dem Aufwand für die Zahlung von Gesellschaftsschulden, aus einer Gewinnbeteiligung und aus Geschäftsführerbezügen zusammen. Die Klägerin bestritt den Anspruch und wendete unberechtigte Privatentnahmen und Kundeninkassi durch den Beklagten in den Jahren 1973 bis 1977 aufrechnungsweise ein, wodurch die in der Widerklage erhobene Forderung, wenn sie doch zu Recht bestehen sollte, jedenfalls getilgt sei.

Die Verfahren 9 Cg 729/78 und 9 Cg 866/78 des Erstgerichtes wurden zunächst bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens 9 Cg 848/78 des Erstgerichtes gemäß § 190 ZPO unterbrochen. Derzeit befinden sich die beiden Verfahren, nachdem sie wieder aufgenommen wurden, im Stadium der Beweisaufnahme.

Neben der Kommanditgesellschaft könne nur der noch geschäftsführende, nicht aber ein ausgeschiedener Komplementär auf die Berichtigung von Bilanzen in Anspruch genommen werden, weil diese Berichtigung ebenso wie die Aufstellung einer Bilanz einen Akt der Geschäftsführung darstelle, zu dem ein früherer Gesellschafter nicht mehr befugt sei, zumal sich wegen des Grundsatzes des Bilanzzusammenhanges aus einer Bilanzberichtigung Nachwirkungen auf die Bilanzen der Folgejahre ergäben und damit ein Gesellschafter noch nach seinem Ausscheiden unmittelbar Einfluß auf die Gesellschaft nehmen würde. Der Beklagte sei daher, was das Hauptbegehren anlange, nicht passiv legitimiert. Hinsichtlich des Eventualbegehrens habe die Klägerin kein rechtliches Interesse nachgewiesen, weil bezüglich der gegenseitigen Ansprüche aus den Bilanzjahren 1973 bis 1976 ohnehin Leistungsklagen anhängig seien bzw. entsprechende Leistungsansprüche jedenfalls bereits geltend gemacht werden könnten. Die Klägerin sei somit in der Lage, anstelle des Feststellungsbegehrens ein Leistungsbegehren mit dem gleichen Rechtsschutzeffekt geltend zu machen. Bei dieser Sachlage sei ihr ein Feststellungsinteresse nicht mehr zuzubilligen, so daß auch das Eventualbegehren abzuweisen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60 000 S übersteige. Einem Kommanditisten oder stillen Gesellschafter sei zwar in Ermangelung einer Mitwirkung bei der Bilanzerrichtung ein mit Klage zu verfolgender Anspruch auf Berichtigung einer unrichtigen, dh. mit der wahren Sach- und Rechtslage nicht übereinstimmenden oder gesetzlichen Vorschriften oder dem Gesellschaftsvertrag nicht entsprechenden Bilanz zuzubilligen. Dieser Anspruch könne aber nur gegen die Gesellschaft oder allenfalls gegen den oder die geschäftsführenden Komplementäre, nicht aber gegen einen bereits ausgeschiedenen Komplementär geltend gemacht werden, weil die Berichtigung einer Bilanz einen Akt der Geschäftsführung darstelle und ein ausgeschiedener Gesellschafter nicht mehr zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft befugt sei. Wenn die Klägerin meine, eine Bilanzberichtigung sei stets von demjenigen Gesellschafter zu verlangen, der die betreffende Bilanz erstellt habe oder doch erstellen habe lassen, gleichgültig ob er der Gesellschaft noch angehöre oder nicht, müsse sie sich entgegenhalten lassen, daß ein Komplementär auch sonst die von ihm im Rahmen seiner Geschäftsführungsbefugnis in der Gesellschaft getroffenen Verfügungen nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft nicht mehr abzuändern vermöge. In diesem Sinne stelle auch Weipert im RGRK zum HGB[2] (Anm. 6 zu § 166 HGB) auf die geschäftsführenden Gesellschafter ab, denen die Verfügung über die Bücher und Schriften der Gesellschaft zustehe. Der Beklagte sei daher vom Erstgericht, was das ursprünglich erhobene Klagebegehren anlange, zu Recht als passiv nicht legitimiert angesehen worden; die Abweisung dieses Begehrens erweise sich daher als berechtigt.

Was das Eventualbegehren anlange, so vermöge die Klägerin in ihrer Berufung ebensowenig wie in erster Instanz ein rechtliches Interesse an der angestrebten Feststellung iS des § 228 ZPO darzutun. Dieses rechtliche Interesse sei nämlich insbesondere dann nicht gegeben, wenn durch den möglichen Leistungsanspruch der Feststellungsanspruch voll ausgeschöpft werde, das Rechtsschutzziel also ökonomischer durch die Leistungsklage erreicht werden könne. Die - von der Klägerin gar nicht bestrittene - Möglichkeit, die sich aus der angestrebten Bilanzberichtigung ergebenden Ansprüche mit Leistungsklage geltend zu machen (soweit dies nicht ohnehin bereits erfolgt sei), verdränge daher bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Zulässigkeit der Feststellungsklage. Das Erstgericht habe demnach zutreffend das Feststellungsbegehren ebenfalls abgewiesen, weil die Klägerin bereits mit Leistungsklage gegen den Beklagten vorgehen hätte können.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin teilweise Folge. Er bestätigte das Urteil des Berufungsgerichtes als Teilurteil insoweit, als der Berufung der Klägerin gegen die Abweisung des Hauptbegehrens auf Berichtigung und Unterfertigung der Bilanzen der Leopold S KG für die Jahre 1974 und 1975 durch den Beklagten nicht Folge gegeben wurde. In Ansehung des Eventualbegehrens auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der vorgenannten Bilanzen hob er die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfange zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der OGH tritt der Ansicht der Vorinstanzen bei, daß die Berichtigung einer Bilanz einen Akt der Geschäftsführung darstellt und ein ausgeschiedener Gesellschafter zur Geschäftsführung nicht mehr befugt, aber auch - wie zu ergänzen ist - nicht mehr verpflichtet ist. Ebenso wie Weipert in der 2. Aufl. des RGRK zum HGB (Anm. 6 zu § 166 HGB) stellt auch Schilling in der 3. Aufl. dieses Kommentars (Anm. 6 zu § 166 HGB) bei Behandlung der Klage auf Bilanzberichtigung auf die geschäftsführenden Gesellschafter ab, denen die Verfügung über die Bücher und Schriften der Gesellschaft zusteht und die die Bilanzen aufzustellen und die Bücher zu führen haben. Brüggemann führt in der 3. Aufl. des RGRK zum HGB (Anm. 4 zu § 41 HGB) aus, daß der ausgeschiedene Gesellschafter auch dann nicht mehr zur Unterfertigung der Bilanz verpflichtet ist, wenn er während des ganzen Zeitraumes, den die Bilanz umfaßt, noch Gesellschafter war. Darauf, ob der Beklagte dazu - insbesondere mit Zustimmung der Klägerin - in der Lage wäre, kommt es mithin nicht an. Der Umstand, daß eine von der Klägerin vorgenommene Bilanzberichtigung Auswirkungen auf die Rechte des Beklagten haben könnte, hat gleichfalls nicht zur Folge, daß der Beklagte ungeachtet seines Ausscheidens aus der Gesellschaft zur Berichtigung der Bilanz verpflichtet wäre; diese Auswirkungen werden vielmehr in dem Verfahren zu beurteilen sein, in dem über die betroffenen Rechte des Beklagten zu entscheiden ist.

Da demnach das Hauptbegehren der Klägerin - ohne die Richtigkeit der Bilanzen zu prüfen - zu Recht abgewiesen wurde, war insoweit der Revision ein Erfolg zu versagen und das angefochtene Urteil als Teilurteil zu bestätigen.

Der Verneinung des Feststellungsinteresses der Klägerin durch die Vorinstanzen in Ansehung des Eventualbegehrens vermag sich der OGH hingegen nicht anzuschließen. Es ist zwar richtig, daß das für eine erfolgreiche Feststellungsklage notwendige rechtliche Interesse insbesondere dann nicht gegeben ist, wenn der Feststellungsanspruch durch den möglichen Leistungsanspruch voll ausgeschöpft wird, das Rechtsschutzziel also ökonomischer durch die Leistungsklage erreicht werden kann. Gerade die (auch) bei der Beurteilung des Verhältnisses zwischen Feststellungs- und möglicher Leistungsklage anzustellenden prozeßökonomischen Überlegungen (6 Ob 661/81) führen aber dazu, das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung schon dort zu bejahen, wo durch die Feststellungsklage eine Häufung von Rechtsstreitigkeiten vermieden werden kann (EvBl. 1959/7) oder - wenn auch künftige Leistungsprozesse nicht ganz vermieden oder abgeschnitten werden, so wenigstens doch - künftige Prozesse zufolge der die Vorfrage klärenden Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils erheblich abgekürzt werden (Fasching III 70; vgl. auch Rosenberg - Schwab, Zivilprozeßrecht[13], 529 f.; Stein - Jonas, ZPO[19], 1020). Dies ist hier der Fall. Aus den Akten, die von den Vorinstanzen zur Entscheidung herangezogen wurden, geht hervor, daß ein wesentlicher Streitpunkt, der den Meinungsverschiedenheiten der Parteien über ihre aus dem Gesellschaftsvertrag und seiner Auflösung wechselseitig entspringenden Rechte und Pflichten zugrunde liegt, die Frage ist, ob die vom Beklagten aufgestellten Bilanzen der Leopold S KG iS des Punktes X des Gesellschaftsvertrages als genehmigt zu gelten haben oder nicht. Die Klärung dieser Frage, die die Klägerin durch Stellung des Eventualbegehrens auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Bilanzen anstrebt (zur Zulässigkeit einer derartigen Feststellung s. EvBl. 1973/92 = GesRZ 1973, 118 mit Anm. von Frotz - Baumann), ist daher geeignet, die Entscheidung über die wechselseitigen Ansprüche der Parteien, die Gegenstand bereits anhängiger Leistungsprozesse sind oder zum Gegenstand in Hinkunft noch einzuleitender Leistungsprozesse gemacht werden müßten, erheblich zu vereinfachen oder gar entbehrlich werden zu lassen. Der Klägerin ist sohin ein berechtigtes Bedürfnis nach alsbaldiger Klarstellung der in Rede stehenden Frage und damit ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung zuzubilligen. Die Frage, ob auch die Richtigkeit der strittigen Bilanzen zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden könnte (vgl. etwa Fischer im RGRK zum HGB[3], Anm. 14 zu § 120 HGB) oder ob dies die unzulässige Feststellung einer - wenn auch rechtserheblichen - Tatsache wäre (vgl. dazu Fasching III 61), kann auf sich beruhen, weil die Klägerin eine solche Feststellung nicht begehrt.

Da die Vorinstanzen, ausgehend von der vom OGH nicht geteilten Ansicht, der Klägerin fehle das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung, die zur Entscheidung über das in eventu erhobene Feststellungsbegehren notwendige Tatsachengrundlage nicht geschaffen haben, war daher insoweit der Revision Folge zu geben und die Rechtssache unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

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