OGH 4Ob349/82

OGH4Ob349/8229.6.1982

SZ 55/94

 

Spruch:

Der Vertrieb von Waren in einem Gebiet, für das sich der Produzent den Alleinvertrieb vorbehalten hat, ist nur dann wettbewerbswidrig, wenn sich der eindringende Unternehmer die Waren auf sittenwidrige Art und Weise verschafft hat; das trifft auf Waren, die einem Händler nach Auflösung eines Vertretungsvertrages verblieben sind, nicht zu

OGH 29. Juni 1982, 4 Ob 349/82 (OLG Linz 4 R 89/82; LG Linz 11 a Cg 170/82)

Text

Die Klägerin erzeugt Wärmepumpen. Sie verkauft diese - in einschlägigen Fachkreisen und bei den Kunden als "A-Wärmepumpen" bekannten - Geräte durch eine Vertriebsorganisation, bei welcher in der Bundesrepublik Deutschland, in der Schweiz, in Italien und in Belgien jeweils ein Unternehmer mit dem ausschließlichen Vertrieb für das betreffende Land betraut ist; in Österreich ist in jedem Bundesland - mit Ausnahme von Oberösterreich, dem Sitz der Klägerin - ein Unternehmer als exklusiver Vertragshändler eingesetzt. Mit "Vertretungsvertrag" vom 25. 9. 1980 hatte die Klägerin der Beklagten - einer Aktiengesellschaft mit dem Sitz in Basel - die Exklusivvertretung der A-Wärmepumpen (Elektrowärmepumpen für Brauchwasser und Hausheizung bis zirka 35 kW-Leistung) für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein übertragen. Gemäß Punkt 3.1 und 4.5 dieser Vereinbarung hatte die Beklagte auf eigene Rechnung gekauft und verkauft; gemäß Punkt 4.6 hatte sie sich verpflichtet, ein ausreichendes Warenlager zu unterhalten, um die Kunden rasch zu bedienen. Das im Punkt 4.9 vereinbarte Wettbewerbsverbot hatte die Beklagte verpflichtet, während der Vertragsdauer neben den Erzeugnissen der Klägerin keine anderen Wärmepumpen der vertragsgegenständlichen Leistungsklasse zu vertreiben oder herzustellen. Für den Fall der Beendigung des Vertragsverhältnisses war im Punkt 4.10 und 6.4 vereinbart worden, daß die Beklagte alle technischen und kommerziellen Unterlagen der Klägerin zurückzuerstatten habe und sie für keinerlei Zwecke weiterverwenden dürfe.

Dieser auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Vertrag ist von der Klägerin zum 31. 12. 1981 aufgekundigt worden. In einem Schreiben vom 11. 2. 1982 vertrat der Klagevertreter die Auffassung, daß die von der Beklagten angekundigte Maßnahme, die bisher in der Schweiz und in Liechtenstein nicht verkauften Pumpen in Österreich absetzen zu wollen, nicht nur ein Verstoß gegen die "handelsrechtlichen Usancen", sondern auch eine "klare Verletzung der vertraglichen Bestimmungen" wäre; eine solche Vertragsverletzung würde eine erhebliche Beeinträchtigung der Vertriebs- und Marktorganisation der Klägerin bedeuten. In ihrem Antwortschreiben vom 15. 2. 1982 widersprach die Beklagte dieser Auffassung und kundigte für den Fall, daß ihr die Klägerin kein entsprechend verbindliches Angebot - gemeint offenbar: auf Zurücknahme der noch vorhandenen Bestände an "A-Wärmepumpen" - unterbreite, an, diese Pumpen ab 1. 3. in Österreich vertreiben zu wollen. Tatsachlich hat die Beklagte am 25. 3. 1982 in den "Oberösterreichischen Nachrichten " ein Inserat veröffentlicht, wonach sie "infolge Sortimentsbereinigung" verschiedene Typen von A-Wärmepumpen "zu äußerst günstigen Preisen" anbieten könne.

Mit der Behauptung, daß die Beklagte mit diesem Verhalten nicht nur die vertraglichen Wettbewerbsbeschränkungen verletze, sondern auch "bewußt und in offensichtlicher Konkurrenzabsicht" die Vertriebs- und Marktorganisation der Klägerin störe (§ 1 UWG), beantragt die Klägerin, der Beklagten zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, durch außerhalb der Schweiz und Liechtensteins erscheinende Ankündigungen in öffentlichen Bekanntmachungen oder andere Mitteilungen den Verkauf von A-Wärmepumpen anzubieten. Das Erstgericht wies diesen Sicherungsantrag aus rechtlichen Erwägungen ab: Da das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien beendet und ein darüber hinaus wirkendes Wettbewerbsverbot ebensowenig vereinbart worden sei wie eine sonstige Treuepflicht, sei die Beklagte an die von der Klägerin festgelegte Gebietsaufteilung nicht mehr gebunden. Wie der OGH in ÖBl. 1980, 6 ausgeführt habe, verstoße die Mißachtung der einem Gebietsvertreter vom Hersteller auferlegten vertraglichen Bindungen zum Nachteil eines anderen Mitgliedes derselben Vertriebsorganisation nur dann gegen die guten Sitten, wenn dieser Gebietsvertreter vertraglich gebunden sei; das - wenngleich bewußte - Eindringen eines vertraglich nicht gebundenen Dritten in das einem anderen vorbehaltene Vertriebsgebiet sei hingegen nach ständiger Rechtsprechung nicht sittenwidrig, falls sich der Dritte die Ware nicht auf unlautere Weise verschafft habe. Letzteres treffe hier nicht zu, sodaß der Beklagten nicht verwehrt werden könne, die noch in ihrem Lager befindlichen Restbestände von A-Wärmepumpen auch außerhalb ihres seinerzeitigen Vertriebsgebietes zu verkaufen. Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes sei die Beklagte kein "Außenseiter", dem es gelungen sei, unter wissentlicher Umgehung eines fremden Alleinvertriebsrechtes ohne Vorspiegelung falscher Tatsachen Ware zu beziehen; die Beklagte sei vielmehr zur Klägerin in einem unmittelbaren Vertragsverhältnis gestanden, auf Grund dessen sie die Erzeugnisse der Klägerin zum ausschließlichen Vertrieb in der Schweiz und in Liechtenstein bezogen habe. Dieser Vertrag sei zwar bereits aufgehoben, doch bestunden nach dem Grundsatz von Treu und Glauben noch insofern Nachwirkungen, als die Beklagte an die seinerzeit für den Vertrieb von A-Wärmepumpen festgesetzte Gebietsbeschränkung auch weiterhin gebunden bleibe. Daß die Klägerin der Beklagten keine Pumpen zum Verkauf in Österreich geliefert hätte, habe der Beklagten von Anfang an klar sein müssen; mangels einer ausdrücklichen Regelung im Vertrag sei deshalb nach redlicher Verkehrsübung davon auszugehen, daß der Abverkauf der nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses noch vorhandenen Pumpen der Klägerin den gleichen Beschränkungen unterliege, wie sie schon vorher bestanden hatten. Die Mißachtung dieser Bindung durch die Beklagte begrunde einen Verstoß gegen § 1 UWG.

Der Oberste Gerichtshof stellte über Revisionsrekurs der Beklagten den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Aus der Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Da die Klägerin ein Inserat in einer oberösterreichischen Tageszeitung beanstandet, die als vertrags- und gesetzwidrig bezeichnete Wettbewerbshandlung der Beklagten sich daher ausschließlich auf den österreichischen Markt auswirkt, ist der zu sichernde Unterlassungsanspruch der Klägerin nach österreichischem Recht zu beurteilen (§ 48 Abs. 2 IPRG).

Wie schon das Erstgericht zutreffend erkannt hat, ist aus dem in ÖBl. 1980, 6 veröffentlichten Beschluß des OGH für den Prozeßstandpunkt der Klägerin nichts zu gewinnen, weil diese Entscheidung einen Vertragshändler betroffen hatte, der sich unter bewußter Verletzung seiner Vertragspflichten über das Ausschließlichkeitsrecht eines - mit dem Hersteller durch ähnliche Rechtsbeziehungen wie er selbst verbundenen - Angehörigen derselben Vertriebsorganisation hinweggesetzt hatte. Im vorliegenden Fall ist aber der "Vertretungsvertrag" vom 25. 9. 1980, mit welchem die Beklagte im Rahmen der Vertriebsorganisation der Klägerin die Exklusivvertretung von A-Wärmepumpen in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein übernommen hatte, von der Klägerin zum 31. 12. 1981 aufgekundigt und das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien damit beendet worden. Eine "Nachwirkung" dieses Vertrages in dem Sinn, daß die Beklagte auch beim Abverkauf der noch vorhandenen Restbestände an A-Wärmepumpen an die seinerzeit mit der Klägerin vereinbarte Gebietsbeschränkung gebunden und demgemäß nicht berechtigt wäre, solche Pumpen auch außerhalb der Schweiz und Liechtensteins anzubieten und abzusetzen, muß entgegen der Meinung des angefochtenen Beschlusses verneint werden. Dem seinerzeitigen Vertrag ist eine derartige Beschränkung nicht zu entnehmen; daß aber "nach redlicher Verkehrsübung" der Vertrieb der restlichen Pumpen den gleichen Beschränkungen unterliegen müsse, wie sie vor der Vertragsauflösung bestanden hatten, kann hier um so weniger gesagt werden, als durch die Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien auch der der Beklagten für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein eingeräumte Gebietsschutz weggefallen und die Beklagte demnach jetzt auch in diesen Ländern der Konkurrenz durch die Klägerin selbst (oder deren nunmehrigen Gebietsvertreter) ausgesetzt ist. Angesichts einer so einschneidenden Verschlechterung der Wettbewerbssituation der Beklagten kann nach Ansicht des erkennenden Senates nicht gesagt werden, daß eine fortdauernde Bindung der Beklagten an die im seinerzeitigen Vertrag vereinbarte Gebietsbeschränkung auch nach der - von der Klägerin herbeigeführten - Auflösung dieses Vertragsverhältnisses dem Gebot von "Treu und Glauben" entspräche und daher iS einer Vertragsergänzung nach den Regeln des redlichen Verkehrs als von den Parteien vereinbart zu unterstellen wäre. Mangels einer gegenteiligen Vereinbarung der Parteien kann es vielmehr der Beklagten nicht verwehrt werden, die noch bei ihr vorhandenen A-Wärmepumpen nach ihrem eigenen Gutdünken zu verkaufen. Soweit sie das außerhalb ihres ursprünglichen Vertriebsgebietes (Schweiz und Liechtenstein) tut und damit zwangsläufig in die Ausschließlichkeitsrechte anderer Vertragshändler der Klägerin eingreift, muß sie dabei, wie bereits das Erstgericht richtig erkannt hat, jetzt einem außenstehenden, vertraglich nicht (mehr) gebundenen Dritten gleichgehalten werden, der - wenngleich bewußt - in das einem anderen vorbehaltene Vertriebsgebiet eindringt; da aber nach ständiger Rechtsprechung (ÖBl. 1979, 18 mit weiteren Hinweisen) ein solcher Warenvertrieb im Monopolgebiet eines anderen auch bei Kenntnis des Alleinvertriebsrechtes nur dann wettbewerbswidrig ist, wenn sich der eindringende Unternehmer die Waren auf sittenwidrige Art und Weise beschafft hat, verstößt das beanstandete Verkaufsangebot der Beklagten - welcher ja ein sittenwidriger Erwerb der Pumpen nicht vorgeworfen werden kann - entgegen der Meinung des Rekursgerichtes nicht gegen § 1 UWG.

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