OGH 1Ob615/82

OGH1Ob615/8216.6.1982

SZ 55/88

Normen

HGB §15
HGB §19
HGB §22
HGB §24
HGB §15
HGB §19
HGB §22
HGB §24

 

Spruch:

Allein die - nach der Entscheidung SZ 51/40 unzulässige - Fortführung der Firma einer Personenhandelsgesellschaft durch eine Kommanditgesellschaft, deren Komplementär nun eine GesmbH ist, macht den im Firmennamen enthaltenen ehemaligen Komplementär und nunmehrigen Geschäftsführer der GesmbH nicht persönlich haftbar

OGH 16. Juni 1982, 1 Ob 615/82 (OLG Innsbruck 6 R 22/82; LG Innsbruck 6 Cg 103/81)

Text

Der Beklagte Peter W war bis August 1978 Komplementär der Firma "Beleuchtungsgesellschaft Peter W & Co". An seine Stelle trat im August 1978 die Firma "Licht-Decke-Form Gesellschaft m. b. H.", deren Geschäftsführer der Beklagte ist. Die Firma der Gesellschaft blieb jedoch unverändert. Die Geschäftsverbindung zwischen den Streitteilen begann im Jahre 1979. Der Beklagte bestellte im Namen und für Rechnung der Firma "Beleuchtungsgesellschaft Peter W & Co."

beim Kläger telefonisch und mittels Fernschreiben Holzware, die auch geliefert wurde. Sowohl die Lieferscheine als auch die Rechnungen wurden vom Kläger auf die "Firma Peter W & Co." ausgestellt. Auf die getätigten Lieferungen haftet der Betrag von 58 066 S aus.

Der Kläger begehrt den Betrag von 58 066 S samt Anhang als restliches Entgelt für gekaufte und gelieferte Ware.

Der Beklagte beantragt Abweisung des Klagebegehrens. Er sei passiv nicht legitimiert. Der Kläger habe nicht mit ihm, sondern mit der "Beleuchtungsgesellschaft Peter W & Co" in Geschäftsbeziehung gestanden und an diese Gesellschaft Holz geliefert. Die Lieferungen hätten darüber hinaus zum größten Teil nicht der Bestellung entsprochen, die Mängel seien umgehend schriftlich gerügt worden. Ein allenfalls noch offener Restbetrag sei noch nicht zur Zahlung fällig.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Wohl habe der Beklagte die Bestellungen im Namen und für Rechnung der Firma "Beleuchtungsgesellschaft Peter W & Co" getätigt, er habe dabei jedoch den Kläger nie darauf hingewiesen, daß er nicht persönlich haftender Gesellschafter dieser Firma sei, wozu er verpflichtet gewesen wäre, da der Firmenwortlaut nur den Schluß zulasse, daß Peter W auch persönlich haftender Gesellschafter der Firma sei. Der Firmenwortlaut entspreche nicht den Bestimmungen der §§ 19 Abs. 2, 22 HGB. Der Kläger habe daher im Vertrauen auf den äußeren Tatbestand davon ausgehen können, daß der Beklagte Komplementär der Firma "Beleuchtungsgesellschaft Peter W & Co" sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten Folge und änderte es dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Der durch den Firmenwortlaut gegebene äußere Tatbestand reiche für sich allein ohne Hinzutreten weiterer schlüssiger Tatumstände nicht aus, um ein Vertrauen auf diesen äußeren Tatbestand oder eine Aufklärungspflicht desjenigen zu begrunden, der sich iS des § 15 Abs. 2 HGB auf eine im Handelsregister eingetragene und bekanntgemachte Tatsache berufen könne. Der Kläger habe auch nicht einmal behauptet, geschweige denn bewiesen, im Beklagten den persönlich haftenden Gesellschafter einer Handelsgesellschaft gesehen und daher im Vertrauen auf den durch den Firmenwortlaut gegebenen äußeren Tatbestand den Beklagten entgegen dem Registerstand unmittelbar in Anspruch genommen zu haben. Die Behauptungs- und Beweislast, um sich erfolgreich auf das Vertrauen auf den äußeren Tatbestand auch gegen den Stand des Handelsregisters berufen zu können, treffe den Kläger. Die Tatsache, daß Komplementärin der Kommanditgesellschaft eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung sei, müsse der Kläger gegen sich gelten lassen, weil eine im Handelsregister eingetragene und bekanntgemachte Tatsache gemäß § 15 Abs. 2 HGB als bekannt gelte und gegen den Dritten wirke, es sei denn, daß er sie weder kannte noch kennen mußte, was hier nicht behauptet worden sei. Eine unmittelbare persönliche Haftung des Beklagten sei demnach nicht begrundet.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Eine Haftung des Beklagten könnte sich, wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannte, nur daraus ergeben, daß er im Geschäftsverkehr mit dem Kläger als Komplementär einer Personengesellschaft aufgetreten wäre. Es ist in Lehre und Rechtsprechung anerkannt, daß derjenige, der im Geschäftsverkehr in zurechenbarer Weise den Anschein erweckt, Kaufmann, insbesondere persönlich haftender Gesellschafter einer Handelsgesellschaft zu sein, sich gegenüber gutgläubigen Dritten, die ihr Verhalten von diesem Anschein bestimmen ließen, nach Maßgabe dieses Anscheins behandeln lassen muß (GesRZ 1973, 50; vgl. BGHZ 17, 13; Brüggemann in Großkomm. HGB[3] 1184; Schlegelberger - Hildebrandt - Steckhan, HGB[5] 163). Gemäß § 15 Abs. 2 HGB muß ein Dritter aber eine im Handelsregister eingetragene und bekanntgemachte Tatsache gegen sich gelten lassen, es sei denn, daß er sie weder kannte noch kennen mußte. Im Regelfall wird daher eine den Vertrauensschutz ausschließende Fahrlässigkeit des Dritten anzunehmen sein, wenn die wahren Verhältnisse im Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht waren (Schlegelberger - Hildebrandt - Steckhan aaO 66). Ein Vertrauensschutz gegen das Register ist nur nicht geradezu ausgeschlossen (vgl. EvBl. 1976/272; JBl. 1958, 405; HS 1062/36; SZ 26/57); so kann etwa bei gleichbleibendem Auftreten eines bisher persönlich haftenden Gesellschafters der Rechtsschein des unveränderten Fortbestehens der bisherigen Unternehmensverhältnisse so stark sein, daß das Nichteinsehen des Handelsregisters nicht als fahrlässig zu werten und die Berufung auf den Registerstand rechtsmißbräuchlich ist (Schlegelberger - Hildebrandt - Steckhan aaO 66; BGH NJW 1972, 1418). Umstände, die ein solches zu schützendes Vertrauen des Klägers in einen vom Beklagten geschaffenen Rechtsschein zu begrunden vermögen, wurden, wie dem Berufungsgericht beizupflichten ist, nicht behauptet. Daß die Angestellten des Klägers im Beklagten den "Firmeninhaber" erblickten, ist ebensowenig maßgebend wie der Umstand, daß der Kläger in Peter W einen persönlich haftenden Gesellschafter erblickt haben will, wenn nicht Peter W durch ein ihm zurechenbares Verhalten einen Tatbestand gesetzt hätte, der den Schutz des Klägers gegen den Registerstand rechtfertigte. Peter W trat aber stets im Namen der Firma "Beleuchtungsgesellschaft Peter W & Co" auf und stellte dadurch klar, daß er für eine Handelsgesellschaft Verpflichtungen eingehen wollte. Durch die Fortführung einer Firma allein ohne Hinzutreten weiterer Umstände wird aber kein Tatbestand geschaffen, der dem Dritten die Berufung auf ein Handeln im Vertrauen auf einen äußeren Tatbestand ermöglichte oder Aufklärungspflichten begrundete. Der OGH hat allerdings in der Entscheidung SZ 51/40, aber in Abgehen von früherer Rechtsprechung (SZ 47/90), für den Fall der abgeleiteten Firma einer GesmbH & Co. KG im engeren Sinn, bei der also eine GesmbH der einzige Komplementär ist, eine Einschränkung des Prinzips der Firmenkontinuität (§§ 22, 24 HGB) durch analoge Anwendung des § 5 Abs. 2 GmbHG für geboten erachtet. Bei Firmenfortführung muß daher zum Ausdruck gebracht werden, daß der einzige Komplementär der Kommanditgesellschaft eine GesmbH ist. Diesem neuerem Grundsatz entsprach die Firma "Beleuchtungsgesellschaft Peter W & Co" nach Ausscheiden des Beklagten und Eintritt der Firma "Licht-Decke-Form Gesellschaft m. b. H." als einziger Komplementär nicht. Ihm wurde auch keineswegs schon in allen Handelsregistereintragungen Rechnung getragen. Allein die Verwendung einer Firma, die der nun herrschenden Auffassung über die Firmenbildung nicht entspricht, ist daher noch kein Tatbestand, auf den ein Dritter vertrauen kann. Im vorliegenden Fall muß der Kläger also die aus dem Handelsregister zu entnehmende Tatsache gegen sich gelten lassen, daß Komplementär der Firma "Beleuchtungsgesellschaft Peter W & Co" nicht Peter W selbst, sondern seit 1978 eine Kapitalgesellschaft, die Firma "Licht-Decke-Form Gesellschaft m. b. H.", ist.

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