OGH 13Os65/82

OGH13Os65/8227.5.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Mai 1982 unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stolfa als Schriftführers in der Strafsache gegen Josef A wegen des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 10. Dezember 1981, GZ. 8 c Vr 9005/81-31, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers DDr. Stern und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf acht Monate herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 27.August 1945 geborene Koch Josef A wurde des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 20.August 1981 in Wien die damals 17-jährige Karin B mit Gewalt, nämlich durch mehrfaches Würgen, zu einem Analverkehr, sohin zur Unzucht, genötigt. Von dem weiteren Anklagevorwurf, die Genannte bei demselben Vorfall durch Gewalt und gefährliche Drohung auch zum außerehelichen Beischlaf genötigt zu haben, wurde er gemäß § 259 Z. 3 StPO rechtskräftig freigesprochen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen folgte der Angeklagte, der sich in der Nacht zum 20.August 1981

ebenso wie Karin B in der Wiener Diskothek 'X' aufhielt, dem Mädchen auf die Toiletteanlage des Lokals, schob es dort in eine WC-Kabine, versperrte die Kabinentür und forderte von Karin B unter Androhung von Gewaltanwendung einen Mundverkehr, den das Mädchen schließlich ausführte. Dem weiteren Ansinnen des Angeklagten auf Gestattung eines Analverkehrs widersetzte sich jedoch Karin B heftig und unter Hilferufen, die auch von der Zeugin Elisabeth C gehört wurden, die zu diesem Zeitpunkt im Vorraum der Damentoilette nach dem Verbleib ihrer Freundin Karin B Nachschau hielt.

Nach mehrfachem Würgen seines Opfers gelang es dem Angeklagten, sein Glied in den After des Mädchens einzuführen.

Als dieses hiebei Schmerzen verspürte und dem Angeklagten zu entkommen trachtete, brach dieser den Analverkehr ab und vollzog sodann ohne weitere Gewaltanwendung (oder Drohung) mit Karin B den normalen Beischlaf, der dadurch beendet wurde, daß die Zeugin Elisabeth C, die in der Zwischenzeit erneut in die Toiletteanlage gekommen war und energisch die Öffnung der verschlossenen WC-Kabine gefordert hatte, ihre Freundin, der es schließlich gelungen war, die von innen verriegelte Kabinentür aufzumachen, vom Schoß des auf der Toilettemuschel sitzenden Angeklagten zerrte (S. 226 und 227). Ein strafbares Verhalten des Angeklagten im Zusammenhang mit dem von ihm zunächst begehrten und von Karin B auch ausgeführten Mundverkehr hielt das Erstgericht - kurz zusammengefaßt - deshalb nicht für erweislich, weil es einen ernstlichen Widerstand des Mädchens in dieser Phase des Tatgeschehens als fraglich erachtete und dem Angeklagten zumindest in subjektiver Beziehung zubilligte, die Ernsthaftigkeit des Widerstands seines Opfers gegen den Mundverkehr nicht erkannt zu haben (S. 229 und 230). Hingegen hielt es die Verantwortung des Angeklagten, der jegliche Anwendung von Gewalt oder Drohungen gegen Karin B geleugnet und eine freiwillige Vornahme bzw. Duldung aller Sexualakte in der WC-Kabine durch das Mädchen behauptet hatte, in bezug auf den von ihm an B vollzogenen Analverkehr für widerlegt, weil diese sich dagegen heftig zur Wehr gesetzt und dem Angeklagten dadurch unmißverständlich zu erkennen gegeben hatte, damit nicht einverstanden zu sein (S. 229 und 230). Der Freispruch des Angeklagten gemäß § 259 Z. 3

StPO von dem weiteren Anklagevorwurf, Karin B bei dem Vorfall am 20. August 1981 in der WC-Kabine der Diskothek 'X' auch zum außerehelichen Beischlaf genötigt zu haben, beruhte hingegen auf der Erwägung, daß der Angeklagte bei diesem, in der Zeitfolge letzten, einem gesonderten (neuen) Willensentschluß entsprungenen Unzuchtsakt bloß die schon vorher (nämlich bei der Erzwingung des Analverkehrs) geschaffene Zwangslage seines Opfers ausgenützt und keinen Widerstand mehr zu überwinden hatte, sodaß es hier an dem zur Verwirklichung des Tatbestands des § 202 Abs. 1 StGB erforderlichen Merkmal der Nötigung fehlte (S. 230 und 231).

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Schuldspruch gerichtete und auf die Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten erweist sich als nicht stichhältig.

Die Beschwerdeausführungen zur Mängelrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO) erschöpfen sich nach Inhalt und Zielsetzung im wesentlichen in einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen und demnach unbeachtlichen Bekämpfung der Beweiswürdigung; will doch der Beschwerdeführer damit bloß dartun, daß seiner Darstellung, Karin B habe sich ohne Zwang und Drohungen, sohin freiwillig, zu den sexuellen Handlungen bereit gefunden, gegenüber ihren anderslautenden Angaben der Vorzug gebühre und ihr Schreien beim Analverkehr nur als eine Schmerzreaktion, nicht aber als dessen Ablehnung zu deuten sei. Auch trifft nicht zu, daß die Urteilsfeststellung, er habe die sich gegen den Analverkehr heftig wehrende Karin B gewürgt, in deren Angaben vor der Polizei und in der Hauptverhandlung keine Deckung finde. Schon anläßlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der Polizei (am 20.August 1981), bekundete Karin B, daß der Angeklagte sie nach dem Mundverkehr am Hals ergriffen und sodann trotz ihrer Gegenwehr sein Glied in ihren After eingeführt habe (S. 22). Auch vor dem Untersuchungsrichter wiederholte sie, vom Angeklagten nach dem Mundverkehr und vor dem Analverkehr gewürgt worden zu sein (S. 92 und 93). Daß sich diese Zeugin dem Verlangen des Angeklagten nach Duldung eines Analverkehrs heftig widersetzte, indem sie ihn wegstieß, läßt sich aber auch ihrer Darstellung in der Hauptverhandlung entnehmen (S. 212).

Es blieb im Ersturteil aber auch die Verantwortung des Angeklagten zu den vom Zeugen Erich E unmittelbar nach der Tat am Hals der Karin B wahrgenommenen (S. 43, 96 und 206), aber beim Amtsarzt nicht mehr objektivierbaren (S. 13) Spuren bzw. Flecken, die der Zeuge E für Würge- oder Kratzspuren hielt (S. 43), keineswegs unberücksichtigt. Wenn das Schöffengericht der Behauptung des Beschwerdeführers, es habe sich hiebei bloß um 'Knutschspuren' gehandelt (auch S. 200), nicht folgte, stellt dies einen unanfechtbaren Akt freier richterlicher Beweiswürdigung dar (S. 227/228). Das Erstgericht konnte bei der primär auf die Aussage des Tatopfers gegründeten Annahme eines vom Angeklagten durch mehrfaches Würgen bei Karin B gewaltsam erzwungenen Analverkehrs aber auch auf die Darstellung der Zeugen Elisabeth C und Erich E zurückgreifen; haben doch diese beiden Zeugen, wenn auch nicht aus eigener Wahrnehmung, so doch in Wiedergabe der von Karin B unmittelbar nach der Tat gegebenen Tatschilderung, bestätigt, daß der Angeklagte die Genannte nach deren Darstellung durch Würgen zur Duldung des Sexualakts gezwungen hatte (Zeuge E, S. 43 und Zeugin C, S. 208 und 210). So gesehen kann daher von einer in diesem Zusammenhang in der Nichtigkeitsbeschwerde behaupteten Aktenwidrigkeit keine Rede sein.

In seiner Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO) vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, daß der gesamte Vorfall mit Karin B in der WC-Anlage der Diskothek 'X' in rechtlicher Beziehung eine Einheit darstelle, eine getrennte Beurteilung der einzelnen Tatphasen (Mundverkehr, Analverkehr und Beischlaf) daher verfehlt und sein Schuldspruch wegen Vergehens nach § 204 Abs. 1 StGB infolge Nötigung der Karin B (bloß) zum Analverkehr schon deshalb ausgeschlossen sei, weil es bei der gegebenen Sachlage begrifflich gar nicht möglich sei, einen Teilakt als Nötigung zur Unzucht herauszugreifen und die ihm vorangehenden und nachfolgenden sexuellen Handlungen (Mundverkehr und Beischlaf) wegen Mangels am Tatbestand als straflos zu werten.

Entgegen dieser in der Beschwerde vertretenen Auffassung ist es aber auch bei einem einheitlichen geschlechtlichen Angriff zulässig, aus gesonderten Willensentschlüssen des Täters entspringende und auf einen differenzierten sexuellen Mißbrauch des Opfers abzielende, selbständige Tathandlungen getrennt herauszugreifen und, wenn nach Lage des Falls geboten, realkonkurrierend selbständig zu werten (Leukauf-Steininger2 RN. 25 zu § 201 StGB und die dort angeführte Judikatur). So sind etwa bei einem solchen, in einem Zuge ablaufenden sexuellen Angriff Notzucht (§ 201 Abs. 1 StGB) und Zwang zur Unzucht (§ 203 Abs. 1 StGB) in Realkonkurrenz möglich (13 Os 72/80), woraus aber folgt, daß unter Umständen wohl auch eine in einer selbständigen Tathandlung verkörperte und einem gesonderten Willensentschluß eines der beiden Sexualpartner entsprungene Phase einer objektiv als einheitliches Geschehen ablaufenden sexuellen Begegnung für sich allein den Tatbestand eines Sexualdelikts verwirklichen kann, während im übrigen in ihr kein deliktischen Verhalten liegt. Nun hat das Erstgericht vorliegend ein strafbares Verhalten in der ersten Phase des Tatgeschehens (Mundverkehr) deshalb verneint, weil es dem Angeklagten zubilligte, die Ernstlichkeit des Widerstands der Karin B - wenn ein solcher in diesem Zeitpunkt überhaupt geleistet worden sein sollte - (noch) nicht erkannt und deshalb in bezug auf den Mundverkehr ohne Nötigungsvorsatz gehandelt zu haben (S. 230). Unter Ablehnung eines das Gesamtgeschehen der in Rede stehenden sexuellen Handlungen des Angeklagten in der WC-Kabine tragenden einheitlichen Vorsatzes hat das Erstgericht ferner als erwiesen angenommen, daß dem Angeklagten der in der Folge jedenfalls gegen den von ihm begehrten Analverkehr geleistete ernstliche Widerstand des Mädchens bewußt wurde, er es aber dessen ungeachtet, einer plötzlichen Eingebung folgend, durch mehrfaches Würgen hiezu genötigt hat, und daß der zuletzt unter Ausnützung der bestehenden Zwangslage mit dem Mädchen vollzogene Beischlaf abermals auf einem neuen (gesonderten) Willensentschluß des Angeklagten beruhte. Der vom Erstgericht vorgenommenen Beurteilung des nach Gewaltanwendung erduldeten Analverkehrs für sich allein als Vergehen der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB bei Wertung der übrigen Sexualakte als nicht strafbare geschlechtliche Begegnung haftet demnach kein Rechtsirrtum an. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 204 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten. Als erschwerend wertete es die einschlägigen Vorstrafen sowie den überaus raschen Rückfall (kaum mehr als zwei Wochen nach der letzten Verurteilung), als mildernd hingegen, daß der Angeklagte mehr durch eine besonders verlockende Gelegenheit zur Tat verleitet wurde, als daß er sie mit vorgefaßter Absicht begangen hätte. Eine bedingte Strafnachsicht lehnte es im Hinblick auf die Erschwerungsumstände ab. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an; sie ist berechtigt.

Daß der Angeklagte einschlägig vorbestraft ist, besagt nichts anderes, als daß er schon wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten verurteilt wurde (§ 33 Z. 2 StGB): Unter 15 Vorstrafen (davon 2 Zusatzstrafen) hat der Angeklagte sehr wohl nicht weniger als fünf Verurteilungen wegen auf gleicher schädlicher Neigung beruhender Delikte erlitten: denn Körperverletzung und gefährliche Drohung sind ebenso wie die ihm nunmehr zur Last liegende Nötigung zur Unzucht gegen dasselbe Rechtsgut, nämlich gegen die körperliche Integrität eines anderen, gerichtet und beruhen auf demselben Charaktermangel, nämlich dem Hang zur Gewalttätigkeit (§ 71 StGB). Zuzugeben ist dem Berufungswerber allerdings, daß nur der Rückfall wegen einer auf gleiche schädliche Neigung zurückgehenden Tat erschwerend wirkt. In dem Vergehen der Nötigung zur Unzucht liegt daher kein Rückfall, geschweige denn ein rascher Rückfall in Beziehung auf das Vergehen der versuchten Täuschung, dessentwegen der Angeklagte mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4.August 1981

schuldig erkannt worden war (Beiakt ON. 28). Wenn auch der Gesetzgeber mit dem Milderungsgrund der allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung, in der sich ein Rechtsbrecher zur Tat hinreißen läßt (§ 34 Z. 8 StGB), gewiß nicht die mildere Beurteilung von zumeist in sexueller Erregung agierenden Sexualtätern angestrebt hat, weshalb vorliegend auch nicht von einer Tatbegehung unter einem Schuldausschließungsgrund nahekommenden Umständen (§ 34 Z. 11 StGB) die Rede sein kann, so darf doch nicht übersehen werden, daß der den Gegenstand des Schuldspruchs bildenden Tathandlung ein Mundverkehr vorangegangen war, den die offenbar zu geschlechtlichen Intimitäten mit dem Angeklagten auf dem WC bereite (S. 229) Karin B geduldet hatte. In dieser Situation kann daher die Erzwingung der Einwilligung in einen Analverkehr sehr wohl auf eine augenblickliche Eingebung zurückgeführt werden (S. 230, 231), auf einen Willensimpuls also, der aus den gegebenen Umständen der ruhigen Lenkung durch das Denken entzogen war. So gesehen kann die vom Berufungswerber reklamierte Tatbegehung aus Unbesonnenheit (§ 34 Z. 7 StGB) bejaht werden.

Nach Korrektur der schöffengerichtlichen Strafzumessungsgründe durch Wegfall eines Erschwerungs- und Hinzutreten eines Milderungsumstands wird , zumal es sich um das erste Sexualdelikt handelt, dessen sich der Angeklagte schuldig gemacht hat, eine Freiheitsstrafe von acht Monaten dem Fall gerecht; einer weitergehenden Strafmilderung steht das durch Gewaltdelikte belastete Vorleben des Angeklagten entgegen.

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