OGH 11Os17/82

OGH11Os17/8221.4.1982

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollak als Schriftführers in der Strafsache gegen Walter A wegen des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengerichtes vom 17. Dezember 1981, GZ. 17 Vr 1998/81-16, den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 6. Jänner 1933 geborene beschäftigungslose Walter A des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil er am 16. Mai 1981 in Salzburg dadurch, daß er um ca. 1,15

Uhr im Wachzimmer Rathaus erschien und Strafanzeige gegen einen unbekannten Täter mit dem Vornamen Rudolf, mit dem er angeblich die Nacht über mehrere Lokale besucht habe, erstattete, weil dieser Täter ihm unter Versetzen von Faustschlägen seine gesamte Barschaft in der Höhe von 1.200 S weggenommen habe, wobei auf Grund der genauen Personsbeschreibung Rudolf B als vermutlicher Täter ausgeforscht werden konnte, den Genannten der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzte, indem er ihn einer von amtswegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB, falsch verdächtigte, wobei er wußte (§ 5 Abs. 3 StGB), daß die Verdächtigung falsch war; die fälschlich angelastete Handlung ist mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht. In den Urteilsgründen wurde festgestellt, der Angeklagte habe vermutet, Rudolf B hätte ihm ca 1.200 S aus der Sakkotasche gestohlen, welche Annahme das Schöffengericht für sehr wahrscheinlich halte; ein Raubüberfall, wie ihn der Angeklagte bei der Polizei geschildert habe, fand jedoch nicht statt (S. 68).

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

In seiner Mängelrüge wirft der Beschwerdeführer dem Erstgericht eine unvollständige und widersprüchliche Urteilsbegründung vor. Erstere soll darin bestehen, daß es die (gravierenden) Vorstrafen des Rudolf B nicht berücksichtigte und daher seinen Angaben mehr Glauben schenkte als jenen des Angeklagten. Die Widersprüchlichkeit erblickt der Beschwerdeführer in der vorhin wiedergegebenen Urteilsfeststellung, es habe zwar kein Raubüberfall, wahrscheinlich aber ein Diebstahl (des in der Anzeige genannten Geldbetrages) stattgefunden.

Rechtliche Beurteilung

Der Mängelrüge kommt keine Berechtigung zu:

Zum erstangeführten Einwand ist lediglich darauf hinzuweisen, daß das Schöffengericht die bekämpften Urteilsfeststellungen nicht nur auf die Aussage des Zeugen Rudolf B, sondern auch auf die - damit übereinstimmenden - Angaben des Angeklagten anläßlich seiner zweiten polizeilichen Vernehmung (S. 23 ff.) stützte (S. 68/69). Indem nun - losgelöst von anderen Verfahrensergebnissen -

die Glaubwürdigkeit des Zeugen B (nur) unter Hinweis auf seine Vorstrafenbelastung angezweifelt wird, läuft die Mängelrüge auf eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige und daher unbeachtliche Bekämpfung der Beweiswürdigung hinaus. Das gleiche gilt für die behauptete Widersprüchlichkeit. Eine solche liegt nämlich nur dann vor, wenn das Urteil verschiedene, entscheidungswesentliche Umstände betreffende Tatsachenfeststellungen enthält, die einander ausschließen, oder wenn die gezogenen Schlußfolgerungen tatsächlicher Art nach den Denkgesetzen nebeneinander nicht bestehen können. Dies trifft vorliegendenfalls nicht zu, können doch die Urteilsfeststellungen, es habe (wahrscheinlich) ein Diebstahl, jedoch kein Raub des Bargeldes stattgefunden, denkgesetzmöglich nebeneinander bestehen.

Mithin erschöpft sich auch der Vorwurf der Widersprüchlichkeit der Sache nach in einer Beweiswürdigungsbekämpfung.

Zusammenfassend ergibt sich demnach, daß weder der ausdrücklich geltendgemachte, noch ein anderer der im § 281 Abs. 1 StPO (taxativ) aufgezählten Nichtigkeitsgründe zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht wurde, sodaß die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen war.

Mangels Sachentscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde - nur eine solche würde die ausnahmsweise Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zur Erledigung der Berufung begründen (§ 296 StPO) - waren die Akten in analoger Anwendung des § 285 b Abs. 6 StPO dem Oberlandesgericht Linz als dem zur Entscheidung über die Berufung zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz zuzuleiten. Bemerkt wird, daß sich der Oberste Gerichtshof ungeachtet der Urteilsfeststellung, ein Diebstahl der ca. 1.200 S habe sich nach der (subjektiven) Annahme des Angeklagten und auch (objektiv) nach Meinung des Schöffengerichtes sehr wahrscheinlich ereignet, zu einer Maßnahme gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO nicht veranlaßt sah: Der Oberste Gerichtshof hält zwar an der (schon zu den Bestimmungen der §§ 209 und 321 StG 1945 entwickelten) Judikatur fest, daß eine Falschbezichtigung, die sich (nur) auf objektiv und subjektiv (falsche) zusätzliche Belastungsmomente bezieht, sich mithin (bloß) als Aggravation eines tatsächlich geschehenen Sachverhalts darstellt, noch nicht den Tatbestand der Verleumdung erkennen läßt (SSt. 36/53; ferner SSt.

30/46 und JBl. 1970, 325). Im vorliegenden Fall bezieht sich jedoch die vom Erstgericht festgestellte (verleumderische) Falschbezichtigung in ihren ausschlaggebenden Punkten auf einen Sachverhalt, der mit den wirklichen Vorgängen nichts gemein hat. Denn während - den Urteilsannahmen zufolge - der Angeklagte nach seiner Meinung, die das Schöffengericht (objektiv) für sehr wahrscheinlich hält, von Rudolf B in einem Lokal ('C-Stüberl') bestohlen wurde, lautet die bei der Polizei aus örger vorgebrachte wissentliche Falschverdächtigung auf Gewaltanwendung (infolge eines mit einer Verletzung an der Oberlippe verbundenen Faustschlages in das Gesicht) und sofortige Wegnahme der 1.200 S Bargeld bei der Aicher-Passage, also an einem ganz anderen Ort als jenem, wo der Diebstahl verübt wurde (s. dazu auch S. 9/10 in Verbindung mit S. 23 ff.). Unter diesen Voraussetzungen liegt aber nicht die (bloße) Aggravation eines tatsächlichen Geschehens (im Sinn der vorstehenden Darlegungen) vor, sondern die (verleumderische) Darstellung einer Tat, die sich in Wirklichkeit nicht ereignet hatte (vgl. dazu 9 Os 34/78 und 13 Os 175/78).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.

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