OGH 13Os6/82

OGH13Os6/8225.3.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.März 1982 unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, Dr. Schneider, Dr. Friedrich und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pribitzer als Schriftführers in der Strafsache gegen Rainer A wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Z. 1 und 2 SuchtgiftG. und anderer strafbarer Handlungen über die von der Staatsanwaltschaft und dem Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Kreisgerichts Krems an der Donau als Schöffengerichts vom 11.November 1981, GZ. 8 Vr 443/81-18, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, nach Verlesung der Rechtsmittelschrift der Staatsanwaltschaft, nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Stöger, der Ausführungen des Vertreters des Zollamts Wien, Dr. Helmut Forst, sowie der Ausführungen des Verteidigers Dr. Deitzer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22.Mai 1964 geborene, sohin jugendliche Schüler Rainer A des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Z. 1 und 2 SuchtgiftG., teils in Beihilfe nach § 12 StGB, dritter Täterschaftsform, schuldig erkannt, weil er von Februar 1979 bis Juli 1980 in Wielandsberg und Heidenreichstein vorsätzlich (zu 1 a) anderen Suchtgifte überlassen hat, zu deren Bezug sie nicht berechtigt waren, und zwar mehreren Personen insgesamt einige Gramm Haschisch und einige Gramm Marihuana, teilweise durch direktes überlassen des Suchtgifts, teilweise durch Mitrauchenlassen an damit präparierten Zigaretten und durch gemeinsam finanzierten Einkauf; (zu b) unberechtigt Suchtgifte erworben und besessen hat, und zwar insgesamt ca. 120 Gramm Haschisch, einige Gramm Marihuana, einen Trip LSD, sowie (zu 2) zu den Taten der abgesondert verfolgten Robert B und Peter C, welche anderen Suchtgifte, vor allem Haschisch, überließen, zu deren Bezug diese nicht berechtigt waren, dadurch beigetragen hat, daß er am Ankauf von Haschisch interessierte Personen dann, wenn er selbst keines zur Weitergabe hatte, zum Zweck des Ankaufs dieses Suchtgifts an Robert B und Peter C verwies und solcherart Suchtgiftgeschäfte vermittelte. Ohne förmlichen Freispruch (§ 259 Abs. 3 StPO bzw. 214 FinStrG.) verneinte das Erstgericht die weiteren Anklagevorwürfe, mehr als eine Portion ('einige Portionen') LSD und etwa ein halbes Gramm Heroin oder Cocain erworben und besessen zu haben (siehe ON. 8, 1 b) sowie ferner wegen des (dort) zu 3 und 4 unter Anklage gestellten - mit den Schuldspruchfakten idealkonkurrierenden - Finanzvergehens der vorsätzlichen Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a und lit. b FinStrG., wonach der Angeklagte durch die zu 1

angeführten Taten Sachen, hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen worden war, an sich gebracht und zu 1 a) auch verhandelt sowie durch die zu 2 genannten Taten die Täter einer Abgabenhehlerei nach der Tat dabei unterstützt habe, Sachen, hinsichtlich deren ein Schmuggel begangen worden war, zu verhandeln; dies deshalb, weil dem Angeklagten ein entschuldbarer Irrtum im Sinn des § 9 FinStrG. unterlaufen sei, der ihn das in der Tat liegende Unrecht nicht habe erkennen lassen.

Dieses Urteil bekämpfen hinsichtlich der Nichtannahme des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei die Staatsanwaltschaft und das Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz mit getrennten, unter Inanspruchnahme der gerichtlichen Zuständigkeit nach § 53 Abs. 4 FinStrG. (letztlich) einen Schuldspruch wegen fahrlässiger Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 3 (Abs. 1 lit. a und lit. b) FinStrG. anstrebenden Nichtigkeitsbeschwerden, von welchen die der Staatsanwaltschaft auf die Z. 10, sowie die des Zollamts Wien auf die Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützt wird. Die Mängelrüge des Zollamts Wien beschränkt sich auf die Zitierung des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO, ohne die damit bemängelten Tatsachenfeststellungen und die ihnen nach Ansicht des Beschwerdeführers anhaftenden Begründungsmängel deutlich und bestimmt (§ 285 Abs. 1 StPO) zu substantiieren, weshalb auf sie nicht einzugehen war.

In den Rechtsrügen beider Beschwerdeführer (Z. 9 lit. a und 10) wird die Ansicht vertreten, jedermann sei bekannt, daß Haschisch nicht in Österreich hergestellt werde, somit im Inland immer Schmuggelgut darstelle und der Angeklagte als (nach den Urteilsfeststellungen) überdurchschnittlich begabter Handelsschüler sei durchaus in der Lage gewesen, das Unrecht seines Verhaltens im vollen Umfang zu überblicken: ein allfälliger Irrtum über die Herkunft des Haschisch sei unentschuldbar; einem Rechtsirrtum über die Strafbarkeit seines Verhaltens (auch) nach dem Finanzstrafgesetz aber komme als bloßem Irrtum über eine (weitere) strafrechtliche Qualifikation seiner Taten keine Bedeutung zu, weil dem Angeklagten die grundsätzliche Strafbarkeit dieses Verhaltens nach dem Suchtgiftgesetz jedenfalls klar gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rechtsrügen sind indessen nicht stichhältig.

Gemäß § 9 FinStrG. wird dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn ihm bei seiner Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum hingegen unentschuldbar, so ist dem Täter Fahrlässigkeit zuzurechnen. Tat- und Rechts- (= Verbots-) Irrtum führen somit nach Finanzstrafrecht - anders als nach allgemeinem Strafrecht, wonach der vorsätzlich handelnde Täter bei einem ihm vorzuwerfenden Verbotsirrtum für das Vorsatzdelikt haftet (§ 9 Abs. 3 StGB) - zum gleichen Ergebnis:

der Täter hat höchstens - und zwar (nur) bei unentschuldbarem (Tat- oder Verbots-) Irrtum - Fahrlässigkeit zu verantworten. Dabei unterliegen allerdings, wie zur Klarstellung bemerkt sei, die Fälle eines Tatbildirrtums nicht dem Regelungsinhalt des (bloß die Zurechnung des Vorsatzes ausschließenden, vorsätzliche Begehung aber - dementsprechend -

voraussetzenden) § 9 FinStrG., weil es bei ihnen (ebenso wie im Bereich des allgemeinen Strafrechts nach § 5 StGB) gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG. schon am Vorsatz des Täters mangelt;

die Konsequenzen eines derartigen Tatbildirrtums entsprechen aber nichtsdestoweniger vollauf denen eines durch § 9 FinStrG. erfaßten - Verbots- oder (etwa die Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts, vgl. § 8 StGB, betreffenden) Tat-Irrtums: bei Entschuldbarkeit tritt keine Haftung, bei Unentschuldbarkeit dagegen eine (jedoch nicht aus § 9 FinStrG. resultierende, sondern originäre) Haftung des Täters wegen Fahrlässigkeit (§ 8 Abs. 2 FinStrG.) ein.

Ob nun dem Angeklagten tatsächlich vom Erstgericht überhaupt ein (vorsatzausschließender - vgl. 10 Os 33/81, 10 Os 112/80 u.a.) Tatbildirrtum (§ 37 Abs. 1 FinStrG.) über die Herkunft des urteilsgegenständlichen Suchtgifts aus einem Schmuggel zugebilligt wurde (vgl. S. 218 f.), wovon die Beschwerdeführer ausgehen, und ob (bejahendenfalls) in einem derartigen Irrtum eine Fahrlässigkeit im Sinn des § 8 Abs. 2 FinStrG. gelegen wäre oder nicht, kann im gegebenen Fall dahingestellt bleiben. Jedenfalls darin ist nämlich dem Schöffengericht beizupflichten, daß dem Angeklagten die Unkenntnis des Verbotenseins einer Abgabenhehlerei, der er nach den (insoweit unbekämpften) Urteilsfeststellungen bei seinen Tathandlungen unterlag, nach den Umständen des Falls nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen ist: kann doch einem 15- bis 16-jährigen Jugendlichen, möge er auch mit überdurchschnittlicher Begabung eine Handelsschule besuchen, eine leichte Erkennbarkeit des in dem (durch § 37 Abs. 1 FinStrG.) pönalisierten Umgang mit geschmuggelten Sachen gelegenen Unrechts für ihn (vgl. § 9 Abs. 2 StGB) - anders als etwa die Einsicht in das traditionelle Verbot des Schmuggels selbst (vgl. JBl. 1981, 661) - im allgemeinen nicht zugemutet werden (vgl. EvBl. 1978/46, 11 Os 9/82 u.a.); besondere Fakten aber, derentwegen dem Angeklagten im vorliegenden Fall eine solche Verbotsunkenntnis doch vorzuwerfen wäre, vermögen die Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen. Von einem bloßen Subsumtionsirrtum hinwieder, infolge dessen ihm bloß die Strafbarkeit, nicht aber schon das grundsätzliche Verbotensein eines derartigen Zuwiderhandelns gegen die staatliche Abgabenhoheit unbekannt gewesen wäre, kann nach dem Urteilssachverhalt keine Rede sein: denn ein vorhandenes Unrechtsbewußtsein in Ansehung der Verletzung eines bestimmten Rechtsguts (wie hier der Volksgesundheit durch Verstöße gegen das Suchtgiftgesetz) schließt, der Auffassung der Beschwerdeführer zuwider, keineswegs bereits zwangsläufig einen Verbotsirrtum in bezug auf eine damit (in Tateinheit) verbundene Beeinträchtigung (zudem) eines anderen (weiteren) Rechtsguts (wie hier der Finanzhoheit des Staats) aus. Dementsprechend wurde dem Angeklagten mit Recht ein - auch seiner Strafbarkeit wegen fahrlässiger Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 3 FinStrG. entgegenstehender - (Verbots-) Irrtum (§ 9 erster Halbsatz FinStrG.) zugebilligt.

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.

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