OGH 9Os7/82

OGH9Os7/829.3.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.März 1982 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Kliment als Schriftführer in der Strafsache gegen Todor A wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10.Juli 1981, GZ. 1 a Vr 4154/81-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Grois und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10.März 1954 geborene, jugoslawische Staatsbürger Todor A des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 11.April 1981 in Wien dem Karl B durch die Äußerung, er (A) sei ein Mörder und B solle ihm alles geben, wenn er am Leben bleiben wolle, sowie durch Versetzen von mehreren Ohrfeigen, sohin mit Gewalt gegen den Genannten und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, fremde bewegliche Sachen, und zwar 500 S Bargeld, eine braune Herrenlederbörse, eine silberne Halskette im Werte von 1.200 S, einen indischen Goldring im Werte von 1.000 S, einen goldenen Ring mit Onyxstein und Diamanten im Werte von 4.000 S, eine goldene Herrenuhr, Marke Junghans, im Werte von 2.000 S und ein goldblaues Feuerzeug im Werte von 3.800 S mit dem Vorsatz abgenötigt hatte, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Von dem weiteren Anklagevorwurf, Karl B bei diesem Anlaß auch noch ein schwarzes Feuerzeug im Werte von 198 S abgenötigt zu haben, wurde der Angeklagte Todor A gemäß dem § 259 Z. 2 StPO rechtskräftig freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 4, 5, 9 lit. a und 10

des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch einer Überprüfung nicht standhält.

Den erstangeführten Nichtigkeitsgrund erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung des von seinem Verteidiger bereits in der ersten Hauptverhandlung am 17.Juni 1981

gestellten (S. 108 d.A.) und in der am 10.Juli 1981 bei geänderter Zusammensetzung des Schöffengerichtes neu durchgeführten Hauptverhandlung wiederholten (S. 133, 134/135 d.A.) Antrages auf psychiatrische Untersuchung des Karl B zum Nachweis dafür, daß dieser objektiv nicht erhärtete Angaben (über den Tathergang) gemacht habe, die auf seine zur Tatzeit vorgelegene, seine Wahrnehmungs- und Wiedergabefähigkeit beeinträchtigende starke Alkoholisierung sowie auf die 'seinem Typ entsprechende' lebhafte Phantasie zurückzuführen seien, womit - wie in der Nichtigkeitsbeschwerde ausdrücklich betont wird - dargetan werden sollte, daß den belastenden Angaben des Tatopfers nicht Glauben geschenkt werden könnte.

Inhaltlich der im Urteil nachgeholten Begründung (S. 135, 149 ff. d. A.) war für die Abweisung dieses Beweisantrages durch das Schöffengericht maßgebend, daß auf Grund der Aussage der Polizeibeamten Helmut C (vgl. S. 124 d. A.), Alfred D (vgl. S. 125 d.A.) und Engelbert E (vgl. S. 126 d. A.) eine schwere Alkoholisierung des Tatopfers Karl B im Zeitpunkte der sogleich nach der Tat erfolgten Anzeigeerstattung auszuschließen war und im übrigen vom Gericht keine Anhaltspunkte für eine pseudologische Veranlagung des Tatopfers gefunden werden konnten, sodaß ihm volle Glaubwürdigkeit beigemessen wurde, zumal seine Darstellung über den Tathergang mit den am Tatort (einem Weizenfeld) vorgefundenen objektiven Spuren (vgl. S. 21 und 22 d.A.) übereinstimmte (vgl. S. 151 d.A.). Lag aber die vom Beschwerdeführer in seinem Beweisantrag behauptete, zu einer Beeinträchtigung der Wahrnehmungs- und Wiedergabefähigkeit des Zeugen B führende starke Alkoholisierung nach der vom Erstgericht aus bestimmten (und im einzelnen näher bezeichneten) Verfahrensergebnissen gewonnenen überzeugung gar nicht vor und konnte es auch keinen Hinweis auf einen bei diesem Zeugen vorgelegenen Hang zu Phantastereien finden, mangelte es an jenen Prämissen, aus denen der Beschwerdeführer die Notwendigkeit zur Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen abzuleiten versucht. Es bedarf keiner Beweisaufnahme, wenn es - wie im gegebenen Fall - an einer Voraussetzung (Prämisse) fehlt und nur bei deren Vorliegen der unter Beweis gestellte Umstand erst entscheidende Bedeutung gewinnen würde (so schon dem Sinne nach 9 Os 140/77 = ÖJZ-LSK. 1977/356). Im übrigen besteht zu der vom Beschwerdeführer begehrten Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen nur für den - hier aber nicht -

aktuellen Fall Anlaß, daß im Beweisverfahren objektive (konkrete) Momente zutage getreten sind, die Zweifel an der geistigen Verfassung der zu untersuchenden Person (hier des Zeugen Karl B) im Zeitpunkte der Wahrnehmung oder Wiedergabe von entscheidungswichtigen Umständen begründen. Aus diesen Erwägungen erhellt, daß der Angeklagte durch die Abweisung seines Antrages auf psychiatrische Untersuchung des Zeugen B in seinen Verteidigungsrechten nicht verkürzt wurde, weshalb ein Urteilsnichtigkeit im Sinne der Z. 4 des § 281 Abs. 1 StPO begründender Verfahrensmangel nicht vorliegt.

Mit den Ausführungen zur Mängelrüge versucht der Beschwerdeführer die Unglaubwürdigkeit der ihn belastenden Darstellung des Zeugen Karl B mit der Behauptung aufzuzeigen, daß im Ersturteil die in einigen Details abweichende Schilderung des Tatgeschehens durch diesen Zeugen - soweit dieser etwa in der Hauptverhandlung entgegen seiner Aussage bei der Polizei (S. 19 d.A.) und vor dem Untersuchungsrichter (S. 77 d.A.) bestätigte, dem Angeklagten schon in dem Lokal 'F' (wo der Angeklagte mit dem Zeugen B bekannt wurde) ein schwarzes Feuerzeug im Werte von etwa 190 S geschenkt zu haben (S. 106 und 131 d.A.) - unerörtert und auch die erhebliche Alkoholisierung dieses Zeugen zur Tatzeit ebenso unberücksichtigt geblieben sei wie der von diesem bestätigte Umstand (S. 105 d.A.), daß ihm der Angeklagte schließlich einen Geldbetrag von 200 S zur Bezahlung der Rückfahrt mit dem Taxi überlassen habe. Bei diesem Vorbringen übersieht zunächst der Beschwerdeführer, daß das Erstgericht bei Prüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen B ohnedies die - im übrigen durchwegs belanglose Nebenumstände betreffenden - Abweichungen in den verschiedenen Aussagen des im Laufe des Strafverfahrens wiederholt (durch die Polizei, den Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung) vernommenen Tatopfers in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen hat, diesen aber nur Nebensächlichkeiten berührenden Abweichungen angesichts der (begreiflichen) Erregung des Opfers, das eine stets gleichlautende Darstellung des wesentlichen Tatgeschehens gegeben hatte, keine solche Bedeutung beimaß, daß dadurch dessen Glaubwürdigkeit in Frage gestellt war (S. 149/150 d.A.).

So besehen vermag der Beschwerdeführer keinen (formalen) Begründungsmangel in der Bedeutung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO aufzuzeigen; die Mängelrüge erschöpft sich vielmehr nach Inhalt und Zielsetzung im wesentlichen in einer im schöffengerichtlichen Verfahren unbeachtlichen Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung.

Das Ersturteil ist aber auch insoweit nicht mit einem Begründungsmangel im Sinne des vorerwähnten Nichtigkeitsgrundes behaftet, als es aus dem Gesamtverhalten des Angeklagten und dem Geschehensablauf den mit den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung durchaus im Einklang stehenden (und auch ausdrücklich als solchen bezeichneten) Schluß zog, daß der Angeklagte schon im Lokal 'F', nachdem er dort Karl B kennengelernt hatte, darauf abzielte, diesen ihm als Tatopfer geeignet erscheinenden Mann in eine entlegene und menschenleere Gegend (Wiens) zu locken und ihm dort gewaltsam die schon im Lokal bei ihm wahrgenommenen Wertgegenstände abzunehmen (S. 152 d.A.). Mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 9

lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Rechtsrüge bestreitet der Beschwerdeführer der Sache nach die objektive Eignung der von ihm - bei Verübung des Raubes -

geäußerten Drohung (mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben), dem Betroffenen begründete Besorgnisse einzuflößen; andererseits will er sein Tatverhalten als Erpressung (§ 144 Abs. 1 StGB) bzw. als Nötigung (§ 105 Abs. 1 StGB) beurteilt wissen.

Dazu ist zu sagen:

Zur Verwirklichung des Tatbestandes des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben ist - zum Unterschied zur Erpressung (§ 144 Abs. 1 StGB) bzw. Nötigung (§ 105 Abs. 1 StGB /vgl. Kienapfel, BT II, RN. 50 zu § 142 StGB /) - die Androhung eines imminenten übels erforderlich; darunter ist eine Drohung zu verstehen, mit der dem Bedrohten die sofortige Verwirklichung einer gegen das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit gerichteten Beeinträchtigung in Aussicht gestellt und in ihm (tätergewollt) der Eindruck erweckt wird, der Täter sei willens und in der Lage, das angedrohte übel auch wirklich herbeizuführen. Dabei ist die Frage, ob einer Äußerung die Bedeutung einer Drohung im vorerwähnten Sinn zukommt, jeweils anhand der besonderen Umstände des Einzelfalles unter Anlegung eines objektiven Beurteilungsmaßstabes zu prüfen.

Nach den bezüglichen Feststellungen des Erstgerichtes hat der Angeklagte am 11.April 1981 den Karl B gegen 3,00 Uhr in der Früh unter einem Vorwand in eine entlegene und (zu dieser Nachtzeit) menschenleere Gegend im 22. Wiener Gemeindebezirk gelockt, ihn dort von der Straße hinter eine Plakatwand auf ein Feld gezerrt, sich anschließend zu ihm geäußert, er (der Angeklagte) sei ein Mörder;

falls er (B) am Leben bleiben wolle, müsse er ihm alles geben;

weiters hatte er B, als dieser seiner Aufforderung nicht sogleich nachkam, auch noch mit dem Erschießen bedroht, diese Drohung mit einem Handgriff in den Hosenbund zwecks Vortäuschung eines Waffenbesitzes unterstrichen und seinem Opfer überdies noch mehrere Ohrfeigen versetzt, sodaß sich dieses, durch die Drohungen und Tätlichkeiten eingeschüchtert, schließlich zur Ausfolgung sämtlicher, damals in seinem Besitz befindlichen Wertgegenstände bereitfand (S. 143/144 d.A.). Angesichts dieses Tatgeschehens ist dem Erstgericht bei Bejahung der objektiven Eignung der vom Angeklagten (u.a.) als Mittel der von ihm angestrebten Sachwegnahme bestimmten Äußerungen, dem Karl B dadurch begründete Besorgnisse einzuflößen, kein Rechtsirrtum unterlaufen; konnte doch der solcherart Bedrohte bei unbefangener Betrachtung der Situation, in welcher er sich befand, insbesondere im Hinblick auf den Griff des Angeklagten zum Hosenbund sowie die (das Gewicht der geäußerten Drohungen unterstreichenden) Mißhandlungen (Ohrfeigen) durch den Angeklagten eine sofortige Verwirklichung des angedrohten übels erwarten und den Eindruck gewinnen, der Angeklagte sei hiezu willens und auch in der Lage (vgl. 11 Os 80/81 u.a.m.).

Im Hinblick auf die sohin rechtsrichtige Beurteilung des Tatgeschehens durch das Erstgericht als Raub im Sinne des § 142 Abs. 1 StGB bleibt für die vom Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge (unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO) angestrebte Tatbeurteilung als Erpressung bzw. Nötigung kein Raum.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Todor A war sohin zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten. Es nahm bei Strafbemessung eine einschlägige Vorstrafe als erschwerend, die überwiegende objektive Schadensgutmachung als mildernd an. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der über ihn verhängten Strafe sowie deren bedingte Nachsicht an. Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig festgestellt und zutreffend gewürdigt. Die vom Angeklagten in seiner Rechtsmittelschrift behaupteten weiteren Milderungsgründe liegen nicht vor.

Der von ihm reklamierte Milderungsgrund des § 34 Z. 17 StGB setzt ein reumütiges Geständnis oder doch einen

wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung voraus;

davon kann jedoch in Anbetracht seiner Verantwortung vor dem Erstgericht keine Rede sein. Die Anerkennung des Anspuches des Privatbeteiligten rechtfertigt die Annahme dieses mildernden Umstandes nicht. Auch kann dem Angeklagten darin nicht gefolgt werden, daß er lediglich durch eine verlockende Gelegenheit zur Tat verleitet wurde (§ 34 Z. 9 StGB); denn den durch den Akteninhalt gedeckten Urteilsfeststellungen zufolge hat er Karl B sehr wohl mit der vorgefaßten Absicht, ihn zu berauben, in eine entlegene Gegend gelockt und sich damit gezielt eine für das Gelingen der Tat günstige Ausgangsposition geschaffen. Die Tatsache, daß der Angeklagte Karl B einen Geldbetrag in der Höhe von 200 S zurückgab, vermag keinesfalls derart ins Gewicht zu fallen, daß dies zu einer Herabsetzung der Freiheitsstrafe, und schon gar nicht zu einer außerordentlichen Strafmilderung, die ein - beim Angeklagten nicht vorliegendes - beträchtliches überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen zur Voraussetzung hat, führen kann.

Die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe erscheint daher sowohl tat- als auch tätergerecht.

Einer bedingten Nachsicht der Strafe stehen sowohl spezialpräventive Bedenken, die sich aus der bei der Strafbemessung ins Gewicht fallenden einschlägigen Vorstrafe ergeben, entgegen als Erwägungen generalpräventiver Art, die insbesonders im Hinblick auf die in letzter Zeit zunehmende Zahl der Raubüberfälle anzustellen sind. Der Berufung mußte daher der Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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