OGH 8Ob526/81

OGH8Ob526/8119.11.1981

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekurs‑ und Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Benisch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) H* H*, und 2) A* H*, beide wohnhaft in *, beide vertreten durch Dr. Michael Stern, Rechtsanwalt in Wien, wieder die beklagte Partei Gemeinde A*, vertreten durch Dr. Heinz Oppitz, Rechtsanwalt in Linz, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert 32.000 S), infolge Rekurses und Revision der klagenden Parteien gegen den Beschluss und das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11 Juni 1981, GZ 3 R 79/81‑17, womit der Antrag der klagenden Parteien auf Unterbrechung des Berufungsverfahrens abgewiesen und infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts Linz vom 13 März 1981, GZ 7 Cg 157/80‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1981:0080OB00526.81.1119.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

1) Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Ein Zuspruch von Rekurskosten findet nicht statt.

2) Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig der beklagten Partei, die mit 3.136,96 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von 480 S und Umsatzsteuer von 196,81 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

3) Der Antrag der klagenden Parteien, „der Oberste Gerichtshof wolle beim Verfassungsgerichtshof die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des oö Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1975 hinsichtlich der darin ermöglichten Ausschaltung bzw rechtlichen Missachtung von privaten Grundeigentumsrechten veranlassen“, wird abgewiesen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft M*, vorgetragen in der EZ * der KG H*, zu deren Gutsbestand unter anderem das Grundstück Nr 112/1 gehört. Sie brachten am 21. Februar 1980 beim Bezirksgericht Neufelden eine Besitzstörungsklage gegen die Beklagte ein, in der sie behaupteten, dass ein Gemeindearbeiter im Auftrag der Beklagten Baumstämme, die die Kläger im nordwestlichen Teil ihres Grundstücks Nr 112/1 gelagert hätten, mit einem Schneeräumgerät um 3 bis 4 m in nördlicher Richtung weggeschoben habe. Am 9. April 1980 vereinbarten die Parteien in diesem Besitzstörungsprozess Ruhen des Verfahrens.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrten die Kläger mit ihrer am 9. Juni 1980 eingebrachten Klage die Feststellung, dass zu Gunsten der Beklagten keine Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrrechts über das Grundstück Nr 112/1 bestehe; weiter stellten sie das Begehren, die Beklagten schuldig zu erkennen, alle Handlungen zu unterlassen, die sich als Ausübung einer solchen Dienstbarkeit darstellen. Die Kläger brachten im Wesentlichen vor, die Beklagte habe in dem eingangs erwähnten Besitzstörungsverfahren fälschlich behauptet, ihr stehe die Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrrechts über dieses Grundstück zu bzw es sei darüber ein Gemeindeweg angelegt worden. Die Liegenschaft der Kläger sei aber lastenfrei; über sie habe niemals ein Weg geführt und es sei auch eine derartige Dienstbarkeit nicht im Grundbuch einverleibt. Die Beklagte habe eine fehlerhafte Projektierung des Ortschaftsweges „K*“ veranlasst und diesen Fehler dadurch zu sanieren versucht, dass Teile des Grundstücks Nr 112/1 nachträglich in das Bauverfahren einbezogen worden seien. Auch dieses Verhalten der Beklagten stelle die Anmaßung eines Dienstbarkeitsrechts am Grundstück der Kläger dar.

Die Beklagte stellte außer Streit, dass der Ortschaftsweg „K*“ tatsächlich Teile des Grundstücks der Kläger Nr 112/1 beanspruche. Sie wendete ein, den Klägern sei in der mündlichen Verhandlung vom 6. April 1976 über das Wegprojekt in der Natur gezeigt worden, welche Teile ihres Grundstücks für die Neuanlegung des Weges in Anspruch genommen würden. Unabhängig von einem allfälligen Irrtum des Vermessungstechnikers über die betroffenen Grundstücksnummern hätten die Kläger in genauer Kenntnis der Trasse des zu erstellenden Ortschaftsweges ein entsprechendes Grundabtretungsprotokoll unterschrieben. Die Beklagte habe nach dem Beschluss des Gemeinderats auf Errichtung des „K*weges*“ nach den Bestimmungen des oö Landesstraßenverwaltungsgesetzes eine Beitragsgemeinschaft für den Ortschaftsweg gründen müssen. Dieser Interessengemeinschaft zur Errichtung des Weges hätten auch die Kläger angehört. Nach projektmäßiger Fertigstellung sei ein entsprechender Teilungsplan zur bücherlichen Durchführung gemäß den §§ 15 ff LTG erstellt worden. Dieser Teilungsplan sei auch die Grundlage für die Verordnung der Beklagten vom 29. Februar 1980 betreffend den Straßenverlauf des Ortschaftsweges „K*“ gewesen, mit welcher der Weg zum öffentlichen Straßengut erklärt worden sei. Diese Verordnung sei seit 21. März 1980 rechtswirksam. Dieser Weg sei damit öffentliches Gut und stelle eine öffentliche Verkehrsfläche dar. Ein Dienstbarkeitsrecht der Beklagten an dem Grundstück der Kläger sei nie behauptet worden und werde auch nicht in Anspruch genommen. Soweit sich die Kläger aber gegen die Widmung der in Anspruch genommenen Grundstücksteile als öffentliche Verkehrsfläche wendeten, sei für die Entscheidung nicht das Gericht, sondern die Verwaltungsbehörde zuständig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Am 29. Februar 1980 erließ der Gemeinderat von A* eine Verordnung, mit der die im Plan des Dipl.‑Ing. M* vom 25. Oktober 1978, GZ 4182 (Beilage 4) orange gefärbte Fläche als Ortschaftsweg (sogenannter K*weg) erklärt wurde. Dieser Ortschaftsweg führt über Teile des im Eigentum der Kläger stehenden Grundstücks Nr 112/1. Gleichzeitig wurde in dieser Verordnung der alte Ortschaftsweg aufgelassen. Diese Verordnung wurde in der Zeit vom 6. März bis 20. März 1980 gemäß § 94 Abs 2 der oö Gemeindeordnung kundgemacht und mit Ablauf dieser Frist rechtswirksam. Die vom Amt der Oberösterreichischen Landesregierung gemäß § 101 der oö Gemeindeordnung vorgenommene Verordnungsprüfung hat keine Gesetzwidrigkeit ergeben.

Dieser in der erwähnten Verordnung zum Ortschaftsweg erklärte sogenannte K*weg war bereits im Jahr 1976 als Rohtrasse fertig und wurde im Jahr 1977 asphaltiert und im Jahr 1978 vermessen. Um die Jahreswende 1979/80 haben die Kläger auf ihrem Grundstück Nr 112/1, und zwar auf der bereits asphaltierten Rohtrasse des K*wegs* einige Baumstämme gelagert. J* P*, ein Nachbar der Kläger, der schon seit Jahren diesen Teil des Grundstücks Nr 112/1 als Zufahrtsweg benützt hatte, erachtete sich dadurch in seiner Zufahrtsmöglichkeit beschwert, da er zwar ursprünglich auch noch eine andere Zufahrtsmöglichkeit über die alte öffentliche Trasse zu seinem Anwesen hatte, diese aber schon zum Zeitpunkt der Anlegung der Rohtrasse des neuen Ortschaftsweges im Jahr 1976 kultiviert und von den Klägern auch bereits aufgeforstet worden war, sodass P* darauf angewiesen war, diese über das Grundstück Nr 112/1 führende Rohtrasse des künftigen Ortschaftsweges als Zufahrtsweg zu benützen. P* trug seine Beschwerde dem Bürgermeister der Beklagten J* L* vor. Dieser wendete sich daraufhin an das Bezirksgericht Neufelden um Rat und erhielt dort die Auskunft, dass es nur zwei Möglichkeiten der Abhilfe gebe, und zwar entweder den Klagsweg zu beschreiten oder die Entfernung der Baumstämme in einer Selbsthilfeaktion zu veranlassen. Da es dem Bürgermeister der Beklagten unzumutbar erschien, P*, der sich beschwert erachtete, einige Wochen zuwarten zu lassen, bis das Gericht entschieden hätte, wählte er die zweite Möglichkeit und erteilte dem Gemeindebediensteten G* den Auftrag, die Baumstämme zu entfernen.

Eine Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrrechts der Beklagten war zwischen den Streitteilen überhaupt nie zur Sprache gekommen und vertrat bzw vertritt die Beklagte auch sonst nie den Standpunkt, es stünde ihr etwa eine Dienstbarkeit bezüglich des streitgegenständlichen Grundstücks zu.

Die Entfernung der Baumstämme durch den Gemeindebediensteten wurde den Klägern am 23. Jänner 1980 bekannt und daraufhin am 21. Februar 1980 zum Gegenstand der Besitzstörungsklage zu C 23/80 des Bezirksgerichts Aigen gemacht.

Am 9. April 1980 fand in dieser Rechtssache eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vor dem Bezirksgericht Aigen statt, in deren Verlauf der Erstkläger vom Richter aufgefordert wurde, zu beschreiben, wo die Baumstämme vor ihrer Entfernung gelagert gewesen seien. Der damalige Rechtsanwalt der Beklagten Dr. Heinrich Neumayr äußerte sich daraufhin in der Weise, dass „dort schon immer gefahren worden sei und die beklagte Partei den längeren ruhigen Besitz an dem Grundstück 112/1 habe“. Diese Äußerung wurde nicht protokolliert; die Parteien vereinbarten in dieser Tagsatzung Ruhen des Verfahrens.

Zu einem späteren Zeitpunkt wurden von den Klägern auf der strittigen Fläche des Grundstücks Nr 112/1, und zwar dort, wo sie früher die Baumstämme gelagert hatten, Steine aufgeschichtet, deren Entfernung dann gleichfalls vom Bürgermeister der Beklagten veranlasst wurde.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im Wesentlichen dahin, dass sich das festgestellte Verhalten der Beklagten nicht als Anmaßung einer Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrrechts darstelle. Die Verordnung des Gemeinderats A* enthalte weder die Behauptung einer der Gemeinde zustehenden Servitut, noch die Behauptung eines Privatrechts überhaupt, sondern stelle sich als eine im autonomen Wirkungskreis der Gemeinde geschaffene Entscheidung über den öffentlichen Charakter des hier in Frage stehenden Weges dar. Zur Entscheidung der Frage, ob ein Weg ein öffentlicher sei, seien ausschließlich die Verwaltungsbehörden berufen. Selbst eine Klagsstattgebung würde daher nichts am rechtlichen Bestand des Ortschaftsweges ändern und könnte daher nicht als geeignetes Mittel zur Beseitigung einer Rechtsgefährdung der Kläger angesehen werden. Die vorliegende negative Feststellungsklage müsse daher als rechtlich untaugliches Mittel angesehen werden, den K*weg* als „Ortschaftsweg“ und damit als öffentliches Gut auf dem Grundstück Nr 112/1 aus der Welt zu schaffen und damit die Beklagte an der Benützung des Weges zu hindern. Die Klage sei daher abzuweisen.

Diese Entscheidung wurde von den Klägern mit Berufung bekämpft. In diesem Rechtsmittel stellten die Kläger den Antrag, das Berufungsverfahren „bis zur Erledigung des von der klagenden Parteien eingeleiteten Rechtsmittelverfahrens im Verwaltungsverfahren zu unterbrechen“.

Das Berufungsgericht wies mit Beschluss diesen Unterbrechungsantrag der Kläger ab. Mit seinem Urteil gab es der Berufung der Kläger keine Folge; es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 60.000 S übersteigt.

Das Berufungsgericht führte im Wesentlichen aus, die vorliegende Klage sei eine Eigentumsfreiheitsklage im Sinne des § 523 ABGB. Wenn diese Klage auch ein Anwendungsfall der Eigentumsklage sei, da sie sich gegen jeden unberechtigten Eingriff in das Eigentum richte, hätten die Kläger doch ihr Feststellungs‑ und Unterlassungsbegehren ausdrücklich auf eine angemaßte Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrrechts über ihr Grundstück Nr 112/1 beschränkt. Es gehe ihnen nicht darum, die Öffentlichkeit eines Weges zu bestreiten, wofür der Rechtsweg nicht zulässig wäre, sondern um ihre Behauptung, dass an ihrem Privatgrund keine Dienstbarkeit bestehe. Für diese Klage sei der Rechtsweg zulässig.

Die gemäß § 45 oö LSTVG maßgebende Notwendigkeit der Neuanlage oder des Umbaus eines Ortschaftsweges oder die gemäß § 9 Abs 3 dieses Gesetzes erfolgte Erklärung des „K*weges“ als öffentlicher Weg stelle noch keine Enteignung dar; durch diese Maßnahmen sei das Privateigentum der Kläger am Straßengrund nämlich nicht berührt worden. Zur Entscheidung der Frage, ob ein Weg ein öffentlicher sei und ob er von der hiezu befugten Behörde in der gehörigen Form als solcher erklärt worden sei, seien ausschließlich die Verwaltungsbehörden zuständig. Es begründe daher keinen Verfahrensmangel, wenn das Erstgericht die gesetzmäßige Beteiligung der Kläger am Verfahren zur Erklärung des „K*weges“ als öffentlicher Ortschaftsweg nicht weiter geprüft habe. Eine Klage auf Wiederherstellung des vorigen Standes und auf Unterlassung weiterer Störungen schlechthin liege nicht vor. Prozessgegenstand könne daher nur die Anmaßung eines Geh‑ und Fahrrechts durch die Beklagte sein.

Verordnungen der Gemeinde bedürften, soweit nichts anderes bestimmt sei gemäß § 94 der oö Gemeindeordnung 1979 nur der Kundmachung und nicht der Zustellung. Die Verordnungsprüfung durch das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung habe laut Mitteilung vom 21. Mai 1980 keine Gesetzwidrigkeit ergeben. Der durch die Erklärung einer Straße als Ortschaftsweg begründete Gemeingebrauch könne zwar als eine Art öffentlich‑rechtlicher Dienstbarkeit mit der Wirkung angesehen werden, dass das Eigentumsrecht nur insoweit ausgeübt werden könne, als es nicht im Widerspruch mit dem Gemeingebrauch stehe; dies ändere aber nichts daran, dass die Beklagte ihr Recht zum Eingriff ausschließlich aus einer vom Gericht nicht überprüfbaren Verordnung des Gemeinderats herleite. Die Beklagte stützte sich somit nicht auf einen Privatrechtstitel, sondern auf einen verwaltungsrechtlichen Hoheitsakt.

Da die Beklagte sich keine privatrechtliche Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrrechts angemaßt habe, oder anmaßte, scheine die Klage schon deshalb verfehlt. Die Feststellung der Öffentlichkeit des Weges durch die Beklagte mittels Widmungsakts durch das zuständige Organ habe zur Folge, dass die Kläger als Eigentümer des Straßengrundes den Gemeingebrauch zu dulden hätten Wenn der Weg ein öffentlicher sei, sei die Gemeinde auch befugt, die zur Behinderung der Benützung des Weges aufgestellten Hindernisse entfernen zu lassen. Über Störungen und Eingriffe in den Gemeingebrauch entscheide allein die Verwaltungsbehörde, selbst dann, wenn der Grund, über den der Weg verlaufe, im Privateigentum stehe. Die Eigentumsfreiheitsklage sei nur ein privatrechtlicher Behelf gegen unbefugte Eingriffe. Sie sei dann nicht zulässig, wenn die Verwaltungsbehörde, wie hier, einen Weg für öffentlich erklärt habe. Deshalb habe sich auch die Entscheidung des Gerichts auf das konkret behauptete Privatrechtsverhältnis zu beschränken. Als Vorfrage könnte allenfalls im Hinblick auf § 3 oö LStVG 1975 die Frage der Öffentlichkeit eines Weges nur dann entschieden werden, wenn noch keine Entscheidung der Verwaltungsbehörde vorliege.

Ebenso könne eine Unterbrechung des Rechtsstreits nur angeordnet werden, wenn das Verwaltungsverfahren noch anhängig sei. Nach den Feststellungen des Erstgerichts sei die bezügliche Verordnung der Beklagten rechtswirksam geworden.

Abgesehen davon, dass die Bindung des Gerichts an Akte der Verwaltungsbehörde durch außerordentliche Rechtsmittel nicht berührt werde, hätten die Kläger gar nicht dargetan, welches Rechtsmittel sie erhoben hätten oder erheben würden. Die Zustellung der Verordnung habe keinen Einfluss auf ihre Rechtswirksamkeit. Die Behauptung der Kläger, sie seien vor Erlassung der Verordnung nicht gehört worden, werde von der Beklagten bestritten, die sogar auf die Zustimmung der Kläger zur Grundabtretung verweise. Es bestehe für das Berufungsgericht keine Veranlassung, dem Unterbrechungsantrag der Kläger stattzugeben oder von Amts wegen das Verordnungsprüfungsverfahren wegen Gesetzwidrigkeit einzuleiten. Denn damit würde im Ergebnis in die Prüfung der Wirksamkeit der Öffentlicherklärung des Weges eingegangen, welche Prüfung allein der Verwaltungsbehörde zukomme. Selbst eine Klagsstattgebung wäre für die Feststellung der Öffentlichkeit des Weges ohne rechtliche Bedeutung, weil damit nicht der auf Verwaltungsakt beruhende Gemeingebrauch und dessen Schutz durch die Beklagte betroffen, sondern nur eine privatrechtliche Dienstbarkeit der Beklagten in Frage gestellt werden könnte, die diese nie in Anspruch nehmen habe wollen. Da die Beklagte sich sohin keine Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrrechts über das Grundstück der Kläger angemaßt habe, sei das vorliegende Klagebegehren mit Recht abgewiesen worden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs und die Revision der Kläger. Mit ihrem Rekurs bekämpfen die Kläger den Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem ihr Unterbrechungsantrag abgewiesen wurde. Ein gesonderter Rekursantrag ist im Rechtsmittel der Kläger nicht enthalten; die diesbezüglichen Rechtsmittelausführungen erschöpfen sich in dem Hinweis, dass sich die Begründung des Rekurses aus den Revisionsausführungen ergebe. Mit ihrer Revision bekämpfen die Kläger das Urteil des Berufungsgerichts aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag. Die Kläger stellen ferner in ihrem Rechtsmittel ausdrücklich den Antrag, der Oberste Gerichtshof wolle beim Verfassungsgerichtshof „die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des oö Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1975 hinsichtlich der darin ermöglichten Ausschaltung bzw rechtlichen Missachtung von privaten Grundeigentumsrechten veranlassen“.

Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision keine Folge zu geben.

I) Zum Rekurs der Kläger:

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unzulässig.

Es bedarf keiner näheren Erörterung, ob gegen die Abweisung des in der Berufung gestellten Unterbrechungsantrags der Kläger durch das Berufungsgericht nicht schon zufolge der Vorschrift des § 192 Abs 2 ZPO ein Rechtsmittel ausgeschlossen ist. Denn diesfalls handelt es sich um einen im Berufungsverfahren ergangenen Beschluss des Berufungsgerichts. Gemäß § 519 ZPO sind die im Berufungsverfahren ergangenen Beschlüsse des Berufungsgerichts unanfechtbar, wenn nicht eine der in dieser Gesetzesstelle normierten Ausnahmen von dem allgemeinen Anfechtungsverbot vorliegt. Da eine solche Ausnahme auf den vorliegenden Beschluss nicht zutrifft, ist er nach der allgemeinen Regel des § 519 ZPO unanfechtbar (vgl Fasching Kommentar II 937 f und IV 409 f; 8 Ob 131, 132/78 ua).

Der Rekurs der Kläger ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Ein Ersatz der Kosten dieses unzulässigen Rechtsmittels findet nicht statt.

II) Zur Revision der Kläger:

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Die Kläger führen in ihrem Rechtsmittel die geltend gemachten Revisionsgründe nicht getrennt aus; es ist aber ihren Rechtsmittelausführungen mit ausreichender Sicherheit zu entnehmen, wodurch sie sich beschwert erachten.

Soweit die Kläger eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens darin erblicken, dass „die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der eigentumsbeschränkenden Bestimmungen des oö Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1975 vom hiefür zuständigen Verfassungsgerichtshof nicht geprüft und entschieden worden sei“, ist ihnen lediglich zu entgegnen, dass die Bestimmungen dieses Landesgesetzes für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits gar nicht präjudiziell sind. Dazu kann auf die folgenden Rechtsausführungen verwiesen werden. Einen dem Berufungsgericht unterlaufenen entscheidungswesentlichen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften im Sinne des § 503 Z 2 ZPO zeigen die Kläger mit ihren Revisionsausführungen nicht auf. Ein Revisionsgrund im Sinne dieser Gesetzesstelle liegt somit nicht vor.

Aber auch die Rechtsrüge der Kläger erweist sich aus folgenden Erwägungen als unberechtigt:

Die vorliegende Klage ist nicht auf Unterlassung von Eingriffen der Beklagten in das Eigentumsrecht der Kläger an ihrem Grundstück Nr 112/1 schlechthin gerichtet; das Klagebegehren lautet vielmehr ausdrücklich auf Feststellung, dass zu Gunsten der Beklagten keine Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrrechts über das Grundstück Nr 112/1 bestehe und auf Unterlassung aller Handlungen der Beklagten, die sich als Ausübung einer solchen Dienstbarkeit darstellen. Wenn es auch zutrifft, dass sich die Eigentumsfreiheitsklage im Sinne des § 523 ABGB nicht nur gegen die Anmaßung oder unzulässige Erweiterung einer Dienstbarkeit richten muss, sondern als privatrechtlicher Behelf zur Abwehr jedes unberechtigten Eingriffs in das Eigentum geeignet ist (siehe dazu Klang in Klang2 II 602; SZ 43/47 ua), muss doch in jedem Einzelfall aus dem gestellten Klagebegehren beurteilt werden, durch welchen Eingriff des Beklagten in sein Eigentum der klagende Eigentümer sich beschwert erachtet und welchen Eingriff er mit der Eigentumsfreiheitsklage abwehren will.

Im vorliegenden Fall erachten sich die Kläger, wie sich aus ihren Begehren eindeutig ergibt, ausschließlich dadurch beschwert, dass sich die Beklagte eine Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrrechts über ihr Grundstück Nr 112/1 anmaße; sie begehren die Feststellung des Nichtbestands einer solchen Dienstbarkeit und die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung von Handlungen, die sich als Ausübung einer solchen Dienstbarkeit darstellen. Es handelt sich also um eine Eigentumsfreiheitsklage im Sinne des § 523 ABGB, mit der die Anmaßung einer Dienstbarkeit durch die Beklagte abgewendet werden soll.

Nach Lehre und Rechtsprechung muss aber der Liegenschaftseigentümer, der sich gemäß § 523 ABGB mit seiner Klage (actio negatoria) gegen die Anmaßung einer Dienstbarkeit wendet, die Anmaßung der Dienstbarkeit durch den Beklagten beweisen. Es handelt sich hiebei um eine materiell‑rechtliche Voraussetzung für die Berechtigung des Klagsanspruchs; ist sie nicht gegeben, dann ist die Klage abzuweisen (Klang aaO 604 f; 3 Ob 654/78).

Im vorliegenden Fall hat sich, geht man von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, die Beklagte nie die Ausübung der vom Klagebegehren umschriebenen Dienstbarkeit an dem Grundstück der Kläger angemaßt. Sie hat nie behauptet, aufgrund einer Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrrechts zur Benützung des Grundstücks der Kläger berechtigt zu sein (derartiges ergibt sich auch nicht aus der festgestellten Äußerung des Rechtsanwalts der Beklagten in der Tagsatzung vom 9. April 1980 im Besitzstörungsverfahren vor dem Bezirksgericht Aigen) und die festgestellten Eingriffshandlungen der Beklagten (Entfernung von Baumstämmen und von Steinen von der strittigen Fläche des Grundstücks Nr 112/1) stellen sich ebensowenig als Ausübung einer Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrrechts durch die Beklagte dar wie die Erlassung einer Verordnung. Es ist daher nicht zu untersuchen, aufgrund welcher Umstände sich die Beklagte zur Setzung dieser Eingriffsakte berechtigt erachtete. Entscheidend ist, dass sich die Beklagte nach den Feststellungen der Vorinstanzen niemals die Ausübung der Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrrechts an dem hier in Frage stehenden Grundstück der Kläger anmaßte und dass daher mangels dieser materiell‑rechtlichen Voraussetzung für die Berechtigung des vorliegenden Klagsanspruchs das Klagebegehren abgewiesen werden muss.

Die Abweisung des Klagebegehrens durch die Vorinstanzen entspricht somit durchaus der Sach‑ und Rechtslage, sodass der Revision der Kläger ein Erfolg versagt bleiben muss.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

III) Der Antrag der Kläger auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens in Ansehung des oö Landesstraßenverwaltungsgesetzes im Sinne des § 89 BVG war abzuweisen, weil die Bestimmungen dieses Landesgesetzes für die vom Obersten Gerichtshof über die vorliegenden Rechtsmittel zu treffende Entscheidung nicht präjudiziell sind.

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