OGH 3Ob70/81

OGH3Ob70/817.10.1981

SZ 54/139

Normen

KO §156
KO §165 Abs2
KO §156
KO §165 Abs2

 

Spruch:

Bei gleichzeitiger Anhängigkeit von Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Personenhandelsgesellschaft und der Gesellschafter kann, wenn im Gesellschaftskonkurs ein Zwangsausgleich abgeschlossen und bestätigt wurde, im Gesellschafterkonkurs nur der Ausgleichsausfall verfolgt werden, also jener Betrag, den die Gesellschaft nach den Bedingungen ihres Ausgleiches zu zahlen hatte, jedoch nicht bezahlte

OGH 7. Oktober 1981, 3 Ob 70/81 (OLG Graz 2 R 208/80; LGZ Graz 20 Cg 1/80)

Text

Mit den Beschlüssen des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 5. April 1979, GZ 20 S 15/79-1, 20 S 16/79-1 und 20 S 17/79-1, wurde über das Vermögen der offenen Handelsgesellschaft X-OHG und ihrer Gesellschafter Erich R und Siegfried G der Konkurs eröffnet.

Die Beklagte meldete ihre Forderung gegen die Gesellschaft im Betrage von 4 017 877.46 S sowohl im Gesellschaftskonkurs als auch in den Gesellschafterkonkursen in der dritten Klasse der Konkursforderungen an. In allen drei Verfahren kam es zum Abschluß eines Zwangsausgleiches, wonach die Gläubiger der dritten Klasse den fünften Teil ihrer Forderungen in neun monatlichen Teilbeträgen innerhalb eines Jahres erhalten sollten. Die Gesellschaft unterwarf sich im Zwangsausgleich der Überwachung eines Sachwalters, dem das Gesellschaftsvermögen und unwiderrufliche Verkaufsvollmacht übertragen wurden (Liquidationsausgleich). Der vom Kläger in seinem Konkursverfahren gestellte Zwangsausgleichsantrag wurde wie der der Gesellschaft am 15. Oktober 1979 angenommen. Der Ausgleich wurde jeweils mit Beschluß des Konkursgerichtes vom 15. Dezember 1979 bestätigt. Die Gesellschaft hat alle sie treffenden Ausgleichsverpflichtungen termingerecht und zur Gänze erfüllt.

Auf Grund der Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis im Konkurs über das Vermögen des Klägers wurde am 2. Juni 1980 auf Antrag der Beklagten zur Hereinbringung der 20%igen Quote ihrer Forderung im Betrage von 803 576 S die Exekution durch Pfändung und Verkauf beweglicher Sachen bewilligt. Die Fahrnisexekution ist zu AZ 10 E 6839/80 des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz anhängig.

Mit der am 2. Juli 1980 erhobenen Klage machte der Kläger seine Einwendungen gegen den Anspruch, zu dessen Gunsten die Exekution bewilligt wurde, geltend. Sein Begehren ist darauf gerichtet, der Anspruch der Beklagten aus der durch Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis zu 20 S 17/79 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz festgestellten Forderungen sei nicht vollstreckbar, sondern erloschen und die Exekutionsbewilligung werde aufgehoben. Da die Gesellschaft ihre Verpflichtungen aus dem Zwangsausgleich erfüllt habe und die Rechtswirkungen dieses Ausgleiches auch den persönlich haftenden Gesellschaftern zustatten kämen, sei der Kläger von jeder weiteren Verbindlichkeit frei.

Die Beklagte tritt dem Oppositionsbegehren entgegen, weil ihr aus dem Zwangsausgleich im Gesellschafterkonkurs die 20%ige Quote ihrer Forderung gegen die Gesellschaft unabhängig von den aus dem Zwangsausgleich der Gesellschaft bezogenen Zahlungen zustehe.

Das Erstgericht gab mit Urteil den Einwendungen des Klägers, daß der Anspruch der Beklagten aus der Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis 20 S 17/79 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz aus der dort festgestellten Forderung von 4 017 877.46 S aufgehoben wurde, Folge.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil. Die Vorinstanzen beurteilten den eingangs dargestellten unbestrittenen Sachverhalt rechtlich im wesentlichen dahin, daß die Erfüllung der im Zwangsausgleich der Gesellschaft übernommenen Verpflichtungen gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger den persönlich haftenden Gesellschafter von jeder darüber hinausgehenden Verbindlichkeit befreie. Im Privatkonkurs (oder Ausgleich) des Gesellschafters kämen Gesellschaftsgläubiger nur mit dem Ausfall zum Zuge, den sie im Konkurs- oder Ausgleichsverfahren über das Gesellschaftsvermögen erlitten (Art. 7 Nr. 12 EVHGB). Im Falle des Abschlusses eines Zwangsausgleiches im Gesellschaftskonkurs könne der Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren des Gesellschafters nur mit dem Ausgleichsausfall Befriedigung suchen. Da die Gesellschaft den Ausgleich rechtzeitig und vollständig erfüllt habe, bleibe für eine weitere Forderung gegen den Gesellschafter kein Raum. Ein Ausgleichsausfall liege nicht vor. Nur für diesen hafte der Kläger nach Maßgabe seines Zwangsausgleiches.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Zunächst ist der Revisionswerberin zuzugeben, daß bei Geldschulden einer offenen Handelsgesellschaft eine Schuld vorliegt, für die zwei Haftungsmassen, nämlich das Gesellschaftsvermögen und das Privatvermögen der Gesellschafter bestehen. Nach § 128 HGB haftet jeder einzelne Gesellschafter für die Gesellschaftsschulden unmittelbar, primär, unbeschränkt, solidarisch und persönlich mit seinem ganzen Privatvermögen (Kastner, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts[3], 85 und 87; Hämmerle - Wünsch, Handelsrecht[3] II, 103 ff.; Hueck, Das Recht der OHG[4], 311 ff.; SZ 46/122; GesRZ 1978/74).

Daraus folgt, daß der Gesellschaftsgläubiger seine Forderung nicht nur gegen die Gesellschaft, sondern auch gegen den einzelnen Gesellschafter verfolgen und sowohl im Konkurs der Gesellschaft als auch des Gesellschafters anmelden und festgestellt verlangen kann (JBl. 1965, 150 u. a.). Damit ist aber noch nicht geklärt, wie die Ansprüche zu behandeln sind, wenn es zum Abschluß eines Zwangsausgleiches kommt. Sind gleichzeitig Insolvenzverfahren über das Gesellschaftsvermögen und das Privatvermögen des Gesellschafters anhängig, trifft das Gesetz Regelungen, die die im § 128 HGB normierte persönliche Solidarhaftung des Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft berühren. Zum Schutz der Privatgläubiger des Gesellschafters, die allein auf sein Privatvermögen angewiesen sind, ohne auf das Gesellschaftsvermögen greifen zu können, wird die Konkurrenzierung durch die Gesellschaftsgläubiger dadurch gemildert, daß nach der Art. 122 AHGB ersetzenden Bestimmung des Art. 7 Nr. 12 EVHGB im Konkurs- oder Ausgleichsverfahren über das Privatvermögen eines Gesellschafters Gesellschaftsgläubiger, wenn auch über das Vermögen der Gesellschaft das Konkurs- oder Ausgleichsverfahren eröffnet ist, nur wegen des Ausfalls Befriedigung suchen können, den sie im Konkurs- oder Ausgleichsverfahren über das Gesellschaftsvermögen erlitten haben. Die Gesellschaftsgläubiger nehmen daher, auch wenn sie zunächst ihre ganze Forderung anzumelden berechtigt sind, an der Verteilung im Insolvenzverfahren des Gesellschafters nur insoweit teil, als sie im Insolvenzverfahren der Gesellschaft einen Ausfall erleiden. Nichts anderes bedeutet die wesentliche Aussage der von der Beklagten zur Stützung ihrer Ansicht herangezogenen Entscheidung SZ 27/45 (vgl. auch JBl. 1965, 150 und HS 8144), aus der sich die von ihr gezogene Schlußfolgerung, die Solidarhaftung des Gesellschafters für die Schulden der Gesellschaft erfahre bei gleichzeitiger Anhängigkeit von Insolvenzverfahren über das Gesellschaftsvermögen und das Privatvermögen des Gesellschafters keine Abschwächung, nicht ableiten läßt.

Durch die Vorschrift des § 164 Abs. 2 KO (vgl. auch § 60 Abs. 2 AO) wird die Haftung des Gesellschafters der offenen Handelsgesellschaft abweichend von sonstigen Mitschuldnern der Gesellschaftsschuld (§ 18 AO) durch Erfüllung des Zwangsausgleiches der Gesellschaft überhaupt aufgehoben. Die Rechtswirkungen des Gesellschaftsausgleiches kommen, wenn darin nichts anderes bestimmt ist, einem jeden Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern zustatten. Das bedeutet, daß zunächst der von einem Insolvenzverfahren über sein Privatvermögen nicht betroffene persönlich haftende Gesellschafter die Rechtswirkung des Gesellschafts(zwangs)ausgleiches für sich in Anspruch nehmen kann. Wird die Forderung des Gesellschaftsgläubigers durch rechtzeitige Erfüllung der Ausgleichsverbindlichkeit getilgt, bleibt dem Gesellschaftsgläubiger keine Möglichkeit, auf § 128 HGB zurückzugreifen und für seinen Forderungsausfall den Gesellschafter heranzuziehen.

Wie das Berufungsgericht zutreffend darlegte, ist nicht einzusehen, daß die Rechtswirkungen des Gesellschaftsausgleiches nicht auch dem Gesellschafter zustatten kämen, über dessen Privatvermögen gleichzeitig ein Insolvenzverfahren anhängig ist. Nach § 165 Abs. 2 KO werden bei gleichzeitiger Anhängigkeit des Konkurses über das Gesellschaftsvermögen und des Konkurses oder Ausgleiches über das Privatvermögen des persönlich haftenden Gesellschafters durch den Gesellschafterausgleich die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger nur insoweit getroffen, als sie in diesem Konkurs oder Ausgleichsverfahren geltend gemacht werden können, somit nur mit dem im Insolvenzverfahren der Gesellschaft erlittenen Ausfall. Diese Bestimmung kann nicht dazu führen, daß der Gesellschaftsgläubiger, dessen Forderung gegenüber der Gesellschaft durch die volle Befriedigung mit dem im Ausgleich der Gesellschaft festgesetzten Betrage getilgt ist und daher den persönlich haftenden Gesellschafter - sofern dieser nicht unabhängig von seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung eine persönliche Haftung übernommen hat (vgl. hiezu etwa HS 7140) - nicht mehr in Anspruch nehmen kann (§ 164 Abs. 2 KO), eine weitergehende Befriedigung finden kann, wenn gleichzeitig ein Insolvenzverfahren über das Privatvermögen des Gesellschafters stattfindet. Vielmehr kann er an diesem Verfahren immer nur mit dem Ausfall im Insolvenzverfahren der Gesellschaft, im Falle eines Ausgleiches mit dem Ausgleichsausfall Befriedigung suchen und muß eine neuerliche Kürzung auf die Quote hinnehmen, sodaß er nie mehr, sondern nur weniger erhalten kann, als ihm gegenüber der Gesellschaft auf Grund des Gesellschaftsausgleiches zusteht (Friedländer, Praktischer Leitfaden des Ausgleichsrechtes, 126).

Der Ansicht, der Gesellschaftsgläubiger "erhalte" im Ausgleich der Gesellschaft die Quote und im Gesellschafterausgleich zusätzlich die dort bestimmte Quote von der Differenz der Gesellschaftsquote auf den vollen Forderungsbetrag (Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht, 309, wobei möglicherweise nur die Berechtigung zur Anmeldung gemeint ist), kann somit nicht gefolgt werden. Es kann vielmehr auch bei gleichzeitiger Anhängigkeit von Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft und des (der) Gesellschafter in letzteren dann, wenn im Gesellschaftskonkurs ein Zwangsausgleich abgeschlossen und bestätigt wurde, nur der Ausgleichsausfall verfolgt werden, also jener Betrag, den die Gesellschaft nach den Bedingungen ihres Ausgleiches zu zahlen hatte, jedoch nicht bezahlte. Dies kann im Falle des Verzuges in der Erfüllung des Gesellschaftsausgleiches auch eine die Ausgleichsquote übersteigende Forderung sein, die durch Hinfälligkeit des im Ausgleich gewährten Nachlasses nach § 156 Abs. 4 KO und Wiederaufleben nach § 156 Abs. 5 KO geltend gemacht werden kann. Mit dieser im Gesellschaftskonkurs nicht durchsetzbaren Forderung kann der Gesellschaftsgläubiger dann noch am Ausgleich des Gesellschafters (mit dessen Quote) teilhaben. Wurde jedoch der Gesellschaftsausgleich gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger entsprechend den Ausgleichsbedingungen voll erfüllt, fehlt es an einem zur Teilnahme am Insolvenzverfahren des Gesellschafters berechtigenden Ausfall, weil die Forderung mit Wirkung auch für den Gesellschafter endgültig aufgehoben ist (§§ 156 Abs. 1 und § 164 Abs. 2 KO). Die von der Beklagten vertretene Rechtsmeinung müßte davon ausgehen, daß der Gesetzgeber die Rechtswirkungen des Ausgleiches der Gesellschaft auf die Verbindlichkeit des Gesellschafters nach § 164 Abs. 2 KO dann ausschalten wollte, wenn gleichzeitig über sein Privatvermögen ein Konkurs- oder Ausgleichsverfahren eröffnet wurde. Dafür bietet sich im Gesetz keine Stütze. Eine solche Schlechterstellung des insolventen Gesellschafters gegenüber dem nicht insolventen wäre auch sachlich durch nichts zu begrunden. Es wäre nicht einzusehen, warum der Gesellschaftsgläubiger, dessen Forderung durch Zahlung der Quote im Ausgleich der Gesellschaft getilgt ist, dann weitergehende Ansprüche gegen den Gesellschafter haben sollte, wenn dieser insolvent ist, während er bei ausreichendem Privatvermögen des Gesellschafters für seinen Forderungsausfall im Gesellschaftsausgleich zufolge der bereits zitierten Bestimmungen keine Deckung findet.

Auch aus der Entscheidung SZ 46/122 läßt sich nichts für den Standpunkt der Revisionswerberin gewinnen. Dort wurde bei gleichzeitiger Anhängigkeit von Ausgleichsverfahren einer offenen Handelsgesellschaft und ihrer Gesellschafter zum Ausdruck gebracht, daß eine für alle Verfahren gemeinsame Quote (Solidarquote für Gesellschaft und Gesellschafter) im Ausgleich unzulässig ist. Dies folgt schon aus der Verschiedenheit der Teilnehmer an den Verfahren, weil im Insolvenzverfahren des Gesellschafters die Privatgläubiger auf die Gesellschaftsgläubiger treffen, die allerdings hier nur beschränkt mit dem Ausfall Befriedigung suchen können. In dieser Entscheidung wurde aber auch bereits die Ansicht erwähnt, daß sich der Ausfall von Gesellschaftsgläubigern, die im Gesellschafterverfahren Ausgleichsgläubiger sind, im Ausgleichsverfahren über das Gesellschaftsvermögen darnach bestimmt, wie ihre Ansprüche unter Bedachtnahme auf die Rechtswirkung des abgeschlossenen Gesellschaftsausgleiches zu befriedigen sind (Reimer, Die Ausgleichsordnung und ihre Anwendung auf die offene Handelsgesellschaft und ihre persönlich haftenden Gesellschafter, 126). Die Übereinstimmung der Vorschriften des § 164 Abs. 2 und § 165 KO (§ 60 Abs. 2 und § 61 AO) führt eben dazu, den Ausfall des Gesellschaftsgläubigers, auf den seine Teilnahme im Privatkonkurs oder -ausgleich des Gesellschafters beschränkt ist, nicht an der ursprünglichen Forderung an die Gesellschaft, sondern an den durch den Gesellschaftsausgleich verminderten Ansprüchen aus diesem zu messen (vgl. Petschek - Reimer - Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, 653, 808; Reimer a.a.O. mit weiteren Hinweisen). Mit der Erfüllung des Gesellschaftsausgleiches sind daher die durch Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis im Konkurs über das Vermögen des Klägers festgestellten Forderungen der Beklagten nach Entstehen des Titels erloschen (bzw. nicht mehr erzwingbar, vgl. SZ 45/5 u. a.). Die nach § 35 EO geltend zu machende Einwendung des Klägers gegen den Anspruch, zu dessen Gunsten Exekution geführt wird, ist berechtigt.

Zu der auch in der Revision wiederholten Rüge, das Gericht sei zu der geänderten Fassung des Urteilsbegehrens nicht berechtigt gewesen und habe gegen § 405 ZPO verstoßen, ist nur darauf hinzuweisen, daß der Urteilsspruch nach § 35 EO von Amts wegen zu fassen ist (EvBl. 1959/115 u. a.) und ein allfälliger dem Erstgericht unterlaufener Verfahrensmangel, dessen Vorliegen das Berufungsgericht verneinte, nicht neuerlich geltend gemacht werden könnte (JBl. 1972, 569 u. v.a.).

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