OGH 8Ob153/81

OGH8Ob153/811.10.1981

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Benisch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Zehetner und Dr. Riedler als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf S*****, vertreten durch Dr. Roger Haarmann, Rechtsanwalt in Liezen, wider die beklagten Parteien 1) Karoline S*****, und 2) G*****, beide vertreten durch Dr. Franz J. Rainer, Rechtsanwalt in Schladming, wegen 94.132,67 S sA (Revisionsstreitwert 74.537,75 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 1. April 1981, GZ 4 R 41/81‑47, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichts Leoben vom 12. Jänner 1981, GZ 8 Cg 126/80‑41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1981:0080OB00153.810.1001.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 3.499,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von 600 S und Umsatzsteuer von 214,80 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Am 6. Jänner 1980 ereignete sich gegen 23:15 Uhr im Ortsgebiet von R***** im Bereich der Einmündung einer Gemeindestraße in die Landesstraße ***** ein Verkehrsunfall, an dem Friedrich W***** als Lenker des PKW des Klägers mit dem Kennzeichen ***** und die Erstbeklagte als Halterin und Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen ***** beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer des letztgenannten Kraftfahrzeugs. W***** fuhr mit dem PKW des Klägers auf der Landesstraße in Richtung H***** und kollidierte im Kreuzungsbereich mit dem von rechts aus der Gemeindestraße kommenden Fahrzeug der Erstbeklagten. Zwei Mitfahrerinnen der Erstbeklagten wurden verletzt, beide Fahrzeuge beschädigt. Wegen dieses Verkehrsunfalls wurde gegen die beiden beteiligten Lenker zu U 105/80 des Bezirksgerichts Schladming ein Strafverfahren eingeleitet. Gegen W***** wurde es gemäß § 90 StPO eingestellt. Die Erstbeklagte wurde mit rechtskräftigem Urteil dieses Gerichts vom 25. April 1980 des Vergehens nach § 88 Abs 4 StGB schuldig erkannt. Nach dem Inhalt des im Strafakt erliegenden Protokolls‑ und Urteilsvermerks (ON 13 des Strafakts) wurde der Erstbeklagten zur Last gelegt, infolge mangelnder Aufmerksamkeit und Anhalten ihres PKW sowie anschließendem Wiederanfahren den Vorrang des von links kommenden Friedrich W***** verletzt zu haben. Die Erstbeklagte habe durch das Anhalten auf ihren Vorrang verzichtet; durch das Wiederanfahren habe sie den Vorrang des W***** verletzt. Es steht unbestritten fest, dass im mündlich verkündeten Strafurteil der Erstbeklagten mit der Begründung eine Vorrangverletzung angelastet wurde, dass die von ihr befahrene Straße gegenüber der Landesstraße ***** benachrangt gewesen sei. Ein auf dementsprechende Berichtigung des Urteilsvermerks gerichteter Antrag wurde vom Strafgericht rechtskräftig abgewiesen (U 105/80‑25).

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall zuletzt (ON 36 S 186) Zahlung von 94.132,67 S sA. Dieses Begehren setzt sich zusammen wie folgt:

1) Reparaturkosten 84.569,50 S

2)Wertminderung 25.000,00 S

3) Kreditbeschaffungskosten 17.733,00 S

127.302,50 S

Abzüglich eines mit Teilanerkenntnis-

urteil vom 2. Juni 1980 zugesprochenenBetrags von 33.189,83 S

94.112,67 S

Trotz dieses sich rechnungsmäßig ergebenden Betrags von 94.112,67 S war das Begehren des Klägers zuletzt auf Zahlung von 94.132,67 S sA gerichtet.

Dem Grunde nach stützte der Kläger sein Begehren im Wesentlichen auf die Behauptung, dass die Erstbeklagte den Unfall allein verschuldet habe, weil sie aus einer Verkehrsfläche im Sinne des § 19 Abs 6 StVO in die Landesstraße eingefahren sei und dabei den Vorrang des mit dem PKW des Klägers auf der Landesstraße fahrenden Friedrich W***** missachtet habe. Sie sei so knapp vor W***** in die Landesstraße eingefahren, dass dieser den Zusammenstoß nicht mehr vermeiden habe können.

Sein Begehren auf Ersatz von Kreditbeschaffungskosten begründete der Kläger damit, dass es sich bei seinem PKW um ein fast fabriksneues Fahrzeug gehandelt habe. Im Hinblick auf die schweren bei diesem Unfall eingetretenen Schäden habe der Kläger seinen PKW nicht reparieren lassen, sondern ein neues Fahrzeug gekauft. Die Differenz zwischen dem Eintauschpreis des beschädigten PKW und dem Neupreis sei durch die Aufnahme eines Wechselkredits finanziert worden. Die dadurch aufgelaufenen Spesen und Zinsen beliefen sich auf 17.733 S. Der beklagten Partei seien die Ansprüche des Klägers mit Schreiben vom 17. Jänner 1980 bekanntgegeben und eine Zahlungsfrist bis 8. Februar 1980 gesetzt worden. Der Kläger sei mangels Zahlung zur Kreiditaufnahme gezwungen gewesen.

Die Beklagten wendeten dem Grunde nach ein, dass den Lenker des PKW des Klägers ein Mitverschulden im Ausmaß von zumindest zwei Dritteln treffe. Bei der von der Erstbeklagten befahrenen Straße habe es sich um keine Verkehrsfläche im Sinne des § 19 Abs 6 StVO gehandelt. Der Unfall habe sich auf einer Kreuzung gleichrangiger Straßen ereignet. Es sei daher der von rechts kommenden Erstbeklagten der Vorrang zugekommen, den der Lenker des PKW des Klägers missachtet habe. Überdies sei W***** mit überhöhter Geschwindigkeit von zumindest 70 km/h gefahren, obwohl im Unfallsbereich eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 40 km/h bestanden habe. Der Erstbeklagten könne nur angelastet werden, dass sie infolge mangelnder Aufmerksamkeit die Vorrangverletzung des Lenkers des PKW des Klägers bei Annäherung an die Kreuzung nicht erkannt habe.

Bezüglich der verlangten Kreditbeschaffungskosten wendeten die Beklagten ein, der Kläger habe ihnen nicht mitgeteilt, dass er Kredit in Anspruch nehmen werde.

Schließlich wendeten die Beklagten eine Schadenersatzforderung der Erstbeklagten aus diesem Verkehrsunfall in der Höhe von 6.000 S (zwei Drittel des Fahrzeugschadens der Erstbeklagten von 9.000 S) aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein.

Das Erstgericht entschied im zweiten Rechtsgang, ausgehend von einer Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1, dass die Klagsforderung mit 20.594,29 S (es handelt sich hier um einen offensichtlichen Schreibfehler; richtig wäre der Betrag von 20.594,92 S) zu Recht und mit 73.537,75 S nicht zu Recht besteht und dass die eingewendete Gegenforderung mit 3.000 S zu Recht und mit 3.000 S nicht zu Recht besteht. Es verurteilte daher die Beklagten zur Zahlung von 17.594,92 S sA und wies das auf Zahlung eines weiteren Betrags von 76.537,75 S sA gerichtete Mehrbegehren ab.

Das Erstgericht stellte zum Unfallsablauf im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Unfallstelle befindet sich in R***** bei der Einmündung einer Gemeindestraße in die Landesstraße *****. Die Landesstraße verläuft annähernd in Ost-West-Richtung. Sie ist 6 m breit, asphaltiert und mit Randlinien versehen. Im Unfallsbereich ist eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 40 km/h angeordnet. Die Landesstraße steigt in Richtung Westen mit 7 % an; die Fahrbahn weist ein Quergefälle von 3 % in Richtung Süden auf. Als Bezugslinie wurde die Mittelachse des 12 m langen Einmündungstrichters der von Norden her einmündenden Gemeindestraße angenommen. Die Gemeindestraße ist 5 m breit, asphaltiert und dient als Zufahrt zu 14 im einzelnen namentlich angeführten Pensionen. Bei ihrer Einmündung befindet sich eine Hinweistafel „Fahrweg W*****, Fußweg P*****, P*****, E*****“. Diese Gemeindestraße ist mehr als 1 km lang und führt dann nach P***** hinauf.

Bei Annäherung an die Einmündung der Gemeindestraße aus Richtung S***** ist auf der Landesstraße etwa 100 m östlich der Bezugslinie zunächst eine Rechtskurve zu durchfahren; 2 m östlich der Bezugslinie verläuft die Landesstraße wieder gerade und ist dann auf mehr als 200 m in Richtung Westen übersichtlich.

Zur Unfallszeit fuhr Friedrich W***** mit dem PKW des Klägers auf der Landesstraße in Richtung Westen. Die Straße war eisig, nicht gestreut und mit etwas Neuschnee bedeckt. W***** hatte Abblendlicht eingeschaltet. Er sah bereits aus einer Entfernung von 50 bis 60 m östlich der Bezugslinie, dass sich auf der von Norden her einmündenden Gemeindestraße ein Fahrzeug näherte, und zwar sah er zunächst nur den Lichtkegel. Trotzdem fuhr er zunächst mit unverminderter Geschwindigkeit von mindestens 50 km/h weiter. Er nahm an, dass das Fahrzeug auf der Gemeindestraße vor Erreichen der Landesstraße anhalten werde und war der Meinung, dass er gegenüber diesem von rechts kommenden Fahrzeug den Vorrang habe. Als W***** merkte, dass dieses Fahrzeug in die Landesstraße einfuhr, bremste er, konnte aber den Zusammenstoß nicht mehr vermeiden. Von dem von W***** gelenkten PKW wurden Bremsspuren von 13,5 bzw 14,5 m Länge abgezeichnet. Der Zusammenstoß erfolgte in der Mitte der Landesstraße auf der Höhe der Bezugslinie. Im Zeitpunkt des Zusammenstoßes waren beide Fahrzeuge in Bewegung.

Die Erstbeklagte fuhr mit ihrem PKW auf der Gemeindestraße von der Pension B***** (1 km von der Landesstraße entfernt) in Richtung Landesstraße. Das Fahrzeug war mit vier Spikereifen ausgestattet. Die Gemeindestraße war ungleichmäßig mit Schnee bedeckt und aus diesem Grund schlecht befahrbar. Die Erstbeklagte hatte ursprünglich den zweiten Gang eingelegt und fuhr äußerst langsam. Sie hielt ihr Fahrzeug so an, dass seine Front etwa 1,5 m vom nördlichen Fahrbahnrand der Landesstraße entfernt war und blieb in dieser Position etwa eine Sekunde stehen. Dann fuhr sie in der Absicht, die Landesstraße zu überqueren, wieder an. Den von links kommenden PKW des Klägers bemerkte die Erstbeklagte erst, als sie bereits in die Landesstraße einfuhr.

Die Erstbeklagte legte vom Anfahren bis zum Unfallspunkt bei einer Beschleunigung von 0,7 m/sec² eine Strecke von 4,5 m in 3,6 Sekunden zurück. Als die Erstbeklagte anfuhr, war der PKW des Klägers 43 m von der Unfallstelle entfernt. 3 Sekunden vor dem Unfall befand er sich rund 36 m, 2 Sekunden vor dem Unfall 24 m und 1 Sekunde vor dem Unfall rund 12 m von der Unfallstelle entfernt.

Die Erstbeklagte legte nach dem Anfahren in 2 Sekunden 1,4 m zurück, sodass der PKW des Klägers, als die Erstbeklagte den nördlichen Fahrbahnrand der Landesstraße überfuhr, noch rund 19 m von der Unfallstelle entfernt war. Da aber vom Fahrzeug des Klägers Bremsspuren von 13,5 bzw 14,5 m Länge abgezeichnet wurden, muss W***** den Bremsentschluss gefasst haben, bevor das Fahrzeug der Erstbeklagten den nördlichen Fahrbahnrand der Landesstraße erreichte, denn vor Abzeichnung der Bremsspuren wurden bei einer Reaktionszeit von 0,8 Sekunden bei einer ursprünglichen Geschwindigkeit von 50 km/h 11,1 m zurückgelegt. Der Reaktionsentschluss des Klägers erfolgte somit etwa 25 m vor der Bezugslinie.

Bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 40 km/h beträgt unter Zugrundelegung einer Bremsverzögerung von 1,5 m/sec² der reine Bremsweg 41 m in 7,46 Sekunden, bei 2 m/sec² 30,8 m in 5,6 Sekunden, bei 2,5 m/sec² 14,8 m in 4,48 Sekunden, bei 3 m/sec² 20,4 m in 3,72 Sekunden und bei 3,5 m/sec² 17,6 m in 3,2 Sekunden, wobei in 0,8 Sekunden Vorbremszeit 9 m zurückgelegt werden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im Wesentlichen dahin, dass es sich bei der von der Erstbeklagten befahrenen Gemeindestraße nicht um eine Verkehrsfläche im Sinne des § 19 Abs 6 StVO gehandelt habe. Grundsätzlich sei daher der Erstbeklagten der Rechtsvorrang zugekommen. Da sie aber vor dem Einfahren in die Landesstraße ihr Fahrzeug angehalten habe, habe sie auf den ihr zustehenden Vorrang verzichtet. Durch das folgende Einfahren in die Landesstraße, als das Fahrzeug des Klägers bereits in bedrohlicher Nähe gewesen sei, habe sie dann den Vorrang dieses Fahrzeugs verletzt.

Der Lenker des PKW des Klägers habe sich zunächst im Nachrang befunden. Er habe die zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h durch die zunächst eingehaltene Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten. Wäre er mit 40 km/h gefahren, dann hätte er, wenn er sofort beim Anfahren der Erstbeklagten eine Vollbremsung vorgenommen hätte und eine Bremsverzögerung von 3,5 m/sec² erzielen hätte können, das Fahrzeug noch vor Erreichen der Unfallstelle anhalten können. Auch bei geringerer erzielbarer Bremsverzögerung hätte W***** noch vor der Unfallstelle anhalten können, wenn er sofort beim Anfahren der Erstbeklagten gebremst hätte. W***** hätte als Wartepflichtiger zunächst bei Wahrnehmung des PKW der Erstbeklagten seine Geschwindigkeit reduzieren und der Erstbeklagten den ihr zustehenden Vorrang einräumen müssen.

Unter den gegebenen Umständen sei eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1 gerechtfertigt. Der geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Ersatz von Kreditbeschaffungskosten sei unberechtigt, weil der Kläger weder behauptet noch bewiesen habe, dass er die Beklagten zur Vorschussleistung aufgefordert habe.

Der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge.

Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und führte rechtlich im Wesentlichen aus:

Die Erstbeklagte habe sich – als von rechts kommend – ursprünglich gegenüber dem Lenker des PKW des Klägers im Vorrang befunden. Durch das Anhalten ihres Fahrzeugs vor der Einfahrt in die Landesstraße habe sie im Sinne des § 19 Abs 8 StVO auf ihren Vorrang verzichtet. Die Erstbeklagte habe demnach nicht von vornherein eine Vorrangverletzung begangen, sondern erst durch ihr Fahrverhalten dem Lenker des PKW des Klägers den Vorrang eingeräumt und diesen dann verletzt. Diesem Fehlverhalten komme geringeres Gewicht zu als einer von vornherein begangenen Vorrangverletzung.

Der Lenker des PKW des Klägers, der sich ursprünglich im Nachrang befunden habe, hätte bereits zu einer Zeit reagieren müssen, zu der ein Vorrangverzicht noch nicht vorgelegen sei, als er nämlich 50 bis 60 m vor der Bezugslinie das Heranfahren der zu dieser Zeit bevorrangten Erstbeklagten an die Landesstraße erkannt habe; mit einem Vorrangverzicht der Erstbeklagten habe er im Vorhinein nicht rechnen dürfen. Hätte W***** bereits zu dieser Zeit in Befolgung der Bestimmung des § 19 Abs 8 StVO (gemeint ist wohl § 19 Abs 7 StVO) reagiert, was nicht zuletzt infolge der schlechten Straßenverhältnisse erforderlich gewesen wäre, dann wäre der Unfall unterblieben. Auch hätte W***** noch durch die Einleitung einer Bremsung im Zeitpunkt des Wiederanfahrens der Erstbeklagten unfallverhindernd wirken können, wenn er die Ereignisse im Bereich der Fahrbahn entsprechend beobachtet hätte. Letztlich dürfe nicht übersehen werden, dass W***** die bestehende Geschwindigkeitsbeschränkung nicht unwesentlich übertreten und durch seine Annahme, im Vorrang zu sein, die Verkehrslage unrichtig eingeschätzt habe. Die angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h habe nur bei optimalen Straßen‑ und Verkehrsverhältnissen ausgeschöpft werden dürfen; davon könne bei dem festgestellten Straßenzustand keine Rede sein.

Das Verschulden der Erstbeklagten stehe infolge ihrer strafgerichtlichen Verurteilung fest. Die Fehler des Lenkers des PKW des Klägers seien aber in ihrer Gesamtheit so gravierend, dass die vom Erstgericht vorgenommene Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1 zu billigen sei.

Der Geschädigte sei nur dann berechtigt, einen Kredit gegen eine höhere als die gesetzliche Verzinsung auf Kosten des Schädigers aufzunehmen, wenn er diesen bzw dessen Haftpflichtversicherer erfolglos zur Vorschussleistung aufgefordert habe. Dieser Grundsatz gelte zwar mit der Einschränkung, dass eine solche Aufforderung möglich und zumutbar sein müsse; Umstände, aus denen abzuleiten wäre, dass im vorliegenden Fall eine solche Aufforderung unmöglich oder unzumutbar gewesen sei, habe der Kläger nicht behauptet. Das Begehren des Klägers auf Ersatz von Kreditbeschaffungskosten sei daher unberechtigt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft insoweit, als die Klagsforderung mit einem Betrag von 71.537,75 S als nicht zu Recht bestehend und die eingewendete Gegenforderung als zu Recht bestehend erkannt und das Klagebegehren in Ansehung eines Betrags von 74.537,75 S sA abgewiesen wurde, aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Klagsforderung mit 92.132,67 S als zu Recht bestehend und die eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannt und demgemäß die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig erkannt werden, dem Kläger den Betrag von 92.132,67 S sA zu bezahlen; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagten beantragen, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger versucht in seinem Rechtsmittel zunächst darzutun, dass die Vorinstanzen infolge der Bindungswirkung des im Strafverfahren gegen die Erstbeklagte verkündeten Urteils davon ausgehen hätten müssen, dass es sich bei der von der Erstbeklagten befahrenen Straße um eine benachrangte Verkehrsfläche im Sinne des § 19 Abs 6 StVO gehandelt habe.

Mit diesen Ausführungen macht der Kläger die unrichtige Anwendung der Vorschrift des § 268 ZPO über die Bindung des Zivilrichters an den Inhalt eines rechtskräftigen verurteilenden Erkenntnisses eines Strafgerichts geltend. Bei § 268 ZPO handelt es sich um eine Vorschrift des Prozessrechts. Ihre unrichtige Anwendung begründet keine unrichtige materiell‑rechtliche Beurteilung sondern eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, die mit dem Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend zu machen ist (vgl Fasching Kommentar III 251; JBl 1956, 155 und 621; ZVR 1960/26; ZVR 1972/27 ua). Die unrichtige Bezeichnung des Revisionsgrundes würde allerdings seine sachliche Erledigung nicht hindern. Der Kläger wiederholt aber nur die schon in der Berufung aufgestellte Behauptung einer angeblichen Verletzung der Vorschrift des § 268 ZPO durch das Erstgericht. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Verstoß gegen diese prozessrechtliche Vorschrift nicht als gegeben angenommen. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Wiederholung einer gegen das Verfahren in erster Instanz erhobenen Mängelrüge, von der das Berufungsgericht erkannt hat, dass sie nicht berechtigt ist, vor dem Revisionsgericht unzulässig (SZ 22/106; SZ 27/4 uva); dies gilt auch für die Behauptung eines Verstoßes gegen § 268 ZPO (8 Ob 237/78). Auf die Revisionsausführungen des Klägers kann daher, soweit er das Vorliegen eines Verstoßes gegen diese Gesetzesstelle behauptet, nicht eingegangen werden.

Im Übrigen versucht der Kläger in seinem Rechtsmittel darzutun, dass das der Erstbeklagten anzulastende Fehlverhalten so schwer wiege, dass dem gegenüber ein Mitverschulden des Lenkers seines PKW zu vernachlässigen sei und dass ihm der Ersatz der begehrten Kreditspesen gebühre, weil er die Zweitbeklagte zur Zahlung aufgefordert und ihr eine Frist gesetzt habe.

Dem kann nicht gefolgt werden.

Was zunächst das Fehlverhalten der Erstbeklagten anlangt, sind die Vorinstanzen mit Recht davon ausgegangen, dass die von ihr befahrene Straße nicht als Verkehrsfläche im Sinne des § 19 Abs 6 StVO zu qualifizieren ist.

Die Gesetzesstelle stellt eine Ausnahme von der Grundregel des Rechtsvorrangs dar, sodass im Zweifelsfall der Rechtsvorrang als gegeben anzunehmen ist. Die Beurteilung der Frage, ob eine Verkehrsfläche den in dieser Gesetzesstelle beispielsweise angeführten Verkehrsflächen gleichzuhalten ist, hängt von den konkreten Umständen ab und hat nach objektiven, für die Verkehrsteilnehmer während ihrer Fahrt deutlich erkennbaren Kriterien zu erfolgen. Es ist weder die Verkehrsfrequenz einer solchen Verkehrsfläche, der Umstand, ob es sich um eine Sackgasse handelt, noch etwa die subjektive Auffassung von Verkehrsteilnehmern über die gegebenen Vorrangverhältnisse entscheidend und es kommt auch nicht auf die Ortskenntnisse der Beteiligten an. Maßgebend ist, ob sich die in Betracht kommende Verkehrsfläche in ihrer gesamten Anlage deutlich von sonstigen öffentlichen Straßen unterscheidet (ZVR 1981/29; ZVR 1981/210 und die dort angeführte Judikatur).

Dies ist im vorliegenden Fall nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen eindeutig zu verneinen. Handelt es sich doch bei der von der Erstbeklagten befahrenen Gemeindestraße um eine 5 m breite Straße (die Landesstraße, in die sie einmündet, ist nur 1 m breiter), deren Fahrbahn in gleicher Weise asphaltiert ist wie die Landesstraße und die in einem 12 m breiten Trichter in die Landesstraße einmündet. Irgendwelche objektive Anhaltspunkte, aus denen ein dem Kreuzungsbereich sich nähernder Verkehrsteilnehmer entnehmen hätte können, dass sich die Gemeindestraße in ihrer gesamten Anlage von sonstigen öffentlichen Straßen unterschieden hätte, liege nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht vor; die bei der Einmündung der Gemeindestraße befindliche Hinweistafel ist kein solcher Anhaltspunkt.

Mit Recht haben daher die Vorinstanzen die hier zu beurteilende Kreuzung als Kreuzung zweier gleichrangiger Straßen qualifiziert, sodass der von rechts kommenden Erstbeklagten grundsätzlich der Vorrang im Sinne des § 19 Abs 1 StVO zukam.

Wenn nun die Erstbeklagte im Sichtbereich des Lenkers des PKW des Klägers ihr Fahrzeug vor der Kreuzung zum Stillstand brachte, liegt darin ein Vorrangverzicht im Sinne des § 19 Abs 8 StVO. Denn nach dieser Gesetzesstelle gilt das Zum‑Stillstand‑Bringen eines Fahrzeugs aus welchem Grund immer, sei es freiwillig oder gesetzlich oder im Hinblick auf die Verkehrslage geboten oder erzwungen, als Verzicht auf den Vorrang. Wenn die Erstbeklagte durch das Zum‑Stillstand‑Bringen ihres Fahrzeugs auf ihren Vorrang verzichtet und daher den Lenker des PKW des Klägers von seiner Wartepflicht ihr gegenüber enthoben hat, musste sie ihr weiteres Fahrverhalten darauf einstellen. Sie durfte daher nicht in der von den Vorinstanzen festgestellten Weise in die Kreuzung einfahren, sondern hätte die Vorbeifahrt des PKW des Klägers abwarten müssen (siehe dazu ZVR 1980/134 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Dem steht allerdings ein Fehlverhalten des Friedrich W***** gegenüber, das entgegen der Meinung des Klägers keinesfalls vernachlässigt werden kann. W***** hat zunächst durch die Einhaltung einer Fahrgeschwindigkeit von zumindest 50 km/h gegen die bestehende Geschwindigkeitsbeschränkung auf 40 km/h und damit gegen die Vorschrift des § 20 Abs 2 StVO verstoßen. Dieser Verstoß wiegt um so schwerer, als die herrschenden Verhältnisse (eisglatte Fahrbahn zur Nachtzeit) besondere Vorsicht im Straßenverkehr erforderten und schon sie allein die Ausschöpfung der behördlich zugelassenen Höchstgeschwindigkeit zumindest problematisch machten. Dazu kommt aber noch, dass, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausführte, W***** erkannte, dass sich – für ihn von rechts kommend – auf der Gemeindestraße das Fahrzeug der Erstbeklagten näherte, dem er den Rechtsvorrang einzuräumen hatte, und trotzdem zunächst mit seiner unzulässigen Geschwindigkeit weiterfuhr. Der Wartepflichtige darf nicht von vornherein annehmen, dass der Vorrangberechtigte auf seinen Vorrang verzichten werde; er darf sich erst auf einen Vorrangverzicht verlassen, wenn er einen solchen eindeutig erkennen kann (ZVR 1977/253; ZVR 1980/120 ua). Unter diesen Umständen ist aber die dem Lenker des PKW des Klägers anzulastende Geschwindigkeitsüberschreitung als besonders gravierend zu beurteilen, weil sich W***** damit trotz Erkennen des Umstands, dass sich von rechts ein Fahrzeug der Kreuzung näherte, praktisch von vornherein außerstande setzte, seiner Wartepflicht zu genügen. Ein späterer Vorrangverzicht der Erstbeklagten ändert an diesem primären Fehlverhalten des Lenkers des PKW des Klägers nichts. Wenn ihm auch nach den Feststellungen der Vorinstanzen eine verspätete Reaktion auf das Fehlverhalten der Erstbeklagten nicht angelastet werden kann, weil ihm auch ein gewisser Zeitraum für das Auffälligwerden des Wiederanfahrens des PKW der Erstbeklagten zuzubilligen ist, kommt unter den dargestellten besonderen Umständen des vorliegenden Falls dem Fehlverhalten des W***** doch ein derartiges Gewicht zu, dass die von den Vorinstanzen vorgenommene Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1 gerechtfertigt erscheint. Der dem Kläger bei Übertretung der Schutznorm des § 20 Abs 2 StVO durch den Lenker seines PKW obliegende Nachweis, dass sich der Unfall in gleicher Weise auch ohne Übertretung dieser Schutznorm ereignet hätte (E MGA ABGB31 § 1311/23), wurde nicht erbracht.

Soweit der Kläger in seiner Revision das Vorliegen eines Vorrangverzichts der Erstbeklagten bezweifelt, ist ihm lediglich zu entgegnen, dass nicht festgestellt wurde, dass W***** das Anhalten des PKW der Erstbeklagten nicht wahrgenommen hat und dass im Übrigen die Schadensteilung nur noch weiter zum Nachteil des Klägers ausfallen müsste, wenn ein Vorrangverzicht der Erstbeklagten nicht vorgelegen wäre. Aber auch den Zuspruch der vom Kläger verlangten Kreditbeschaffungskosten haben die Vorinstanzen ohne Rechtsirrtum abgelehnt.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Geschädigte im Allgemeinen nicht verpflichtet ist, eigenes Kapital zur Schadensbehebung aufzuwenden, dass er aber den Ersatz von Kreditbeschaffungskosten nur verlangen kann, wenn er den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer erfolglos aufgefordert hat, einen Vorschuss für die vom Geschädigten zu tätigenden Aufwendungen zu leisten. Auch die Einforderung von Kreditkosten vermag die Verpflichtung, den Schädiger ausdrücklich zur Bevorschussung aufzufordern, nicht zu ersetzen, weil der Schädiger nur bei einer ausdrücklichen Aufforderung annehmen muss, dass die Kreditaufnahme zur Schadensbehebung wirklich notwendig ist (ZVR 1981/216 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall hat der Kläger aber nicht einmal behauptet, dass er die Beklagten zur Vorschussgewährung aufgefordert hätte oder dass irgendwelche Umstände vorgelegen wären, die eine solche Aufforderung unmöglich oder unzumutbar gemacht hätten. Schon aus diesem Grund lagen daher, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, die Voraussetzungen für den Zuspruch der verlangten Kreditbeschaffungskosten an den Kläger nicht vor.

Der Revision musste daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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