OGH 1Ob709/81

OGH1Ob709/8116.9.1981

SZ 54/122

Normen

ABGB §754 Abs2
ABGB §757 Abs2
ABGB §762
ABGB §763
ABGB §754 Abs2
ABGB §757 Abs2
ABGB §762
ABGB §763

 

Spruch:

Einem unehelichen Kind, das neben der Witwe gesetzlich erbberechtigt wäre, steht gegen die Witwe, die auf Grund eines Testamentes Alleinerbin wurde, ein Pflichtteilanspruch zu

OGH 16. September 1981, 1 Ob 709/81 (KG Wiener Neustadt R 126/81; BG Baden 1 A 403/80)

Text

Der am 26. August 1980 verstorbene Alfred K hinterlies eine Witwe, zwei Geschwister und den am 12. Feber 1962 geborenen unehelichen Sohn Alfred P; die Vaterschaft zu diesem Kind wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Ebreichsdorf vom 26. Juli 1962, C 50/62 -11, rechtskräftig festgestellt. Alfred K hat mit Testament vom 19. Juni 1975 seine Gattin Margareta zur Alleinerbin eingesetzt. Diese gab auf Grund des Testamentes die unbedingte Erbserklärung ab, die vom Erstgericht zu Gericht angenommen wurde. Der uneheliche Sohn Alfred P erklärte, seinen Pflichtteil zu beanspruchen; er begehrte die Schätzung und Inventierung des Nachlasses. Das Erstgericht nahm diese Erklärung zur Kenntnis und sprach aus, daß der Verlassenschaftsakt zwecks Errichtung des Inventars an den Gerichtskommissär übersendet werde.

Diesen Beschluß bekämpfte die erblasserische Witwe mit Rekurs. Soweit der Rekurs sich dagegen richtet, daß das Erstgericht die Erklärung des unehelichen Sohnes zur Kenntnis nahm, wurde er zurückgewiesen; durch die Kenntnisnahme von Erklärungen und Anträgen werde in niemandes Rechtssphäre eingegriffen, ein Rechtsschutzinteresse der erblasserischen Witwe bestehe daher nicht. Mit dem Beschluß des Erstgerichtes sei weiters aber nicht nur die Übermittlung des Aktes an den Gerichtskommissär, sondern auch die Errichtung eines Inventars angeordnet worden. Diese Anordnung sei mit Rekurs anfechtbar, der Rekurs sei aber nicht berechtigt. Gemäß § 757 Abs. 1 ABGB stunde der erblasserischen Witwe bei gesetzlicher Erbfolge neben Nachkommen der Eltern des Erblassers ein gesetzlicher Erbanspruch zu zwei Dritteln des Nachlasses zu, den Geschwistern unter der Voraussetzung, daß kein im Sinne des § 754 Abs. 2 ABGB gesetzlich erbberechtigtes uneheliches Kind hinterlassen werde, ein gesetzlicher Erbanspruch von einem Drittel. In diesem Fall erhalte aber das uneheliche Kind den sonst an diese Verwandten entfallenden Teil. Dadurch werde der gesetzliche Erbteil der Witwe nicht geschmälert, da sie das erhalte, wäre ein uneheliches Kind nicht vorhanden. Dem unehelichen Kind stehe, da Seitenverwandte vorhanden seien, ein gesetzlicher Erbanspruch von einem Drittel und damit auch ein Pflichtteilsanspruch zu. Gemäß § 804 ABGB sei auch über Antrag eines Pflichtteilsberechtigten ein Inventar zu errichten.

Der Oberste Gerichtshof wies den außerordentlichen Revisionsrekurs der erblasserischen Witwe zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Pflichtteilsansprüche können nicht im außerstreitigen Verfahren festgestellt werden. Sie sind im Prozeßwege geltend zu machen (SZ 51/179; SZ 45/36 u. a., Weiß in Klang[2] III, 866, 898). Der Noterbe ist im Verlassenschaftsverfahren auf die ihm durch die Bestimmungen der §§ 784, 804 und 812 ABGB eingeräumten Rechte beschränkt (§ 92 Abs. 1 AußStrG; SZ 51/179). Die meritorische Erledigung der vom unehelichen Sohn geltend gemachten Pflichtteilsansprüche hat daher entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht nicht im Verlassenschaftsverfahren zu erfolgen.

Aus den Vorschriften der §§ 762 f. ABGB ergibt sich, daß Nachkommen dann pflichtteilsberechtigt sind, wenn sie nur deshalb nicht auf Grund des Gesetzes Erben wurden, weil der Erblasser testierte (Koziol - Welser[5] II, 305; Weiß in Klang[2] III, 827). Zu den pflichtteilsberechtigten Nachkommen zählt auch die uneheliche Nachkommenschaft eines Mannes, wenn sie gesetzlicher Erbe gewesen wäre (Koziol - Welser[5] II, 305 f.). Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht ist aber das uneheliche Kind neben der Witwe des Erblassers dann gesetzlich erbberechtigt, wenn eheliche Nachkommen und diesen erbrechtlich Gleichgestellte als dessen gesetzliche Erben nicht vorhanden sind und, wie in der Entscheidung SZ 51/179 mit ausführlicher Begründung dargetan wurde, wenn, wäre das uneheliche Kind nicht vorhanden, die Eltern des Verstorbenen, deren Nachkommen oder die Großeltern gesetzliche Erben wären. Dieser sonst den Seitenverwandten oder Vorfahren gebührende Erbteil steht dann dem unehelichen Kind zu.

Dem Revisionsrekurs ist zuzugeben, daß der Pflichtteilsanspruch des unehelichen Kindes dann von dem Zufall abhängt, ob Eltern bzw. Geschwister des verstorbenen unehelichen Vaters leben. Ein solches Ergebnis nahm der Gesetzgeber aber bewußt in Kauf, als er eine vermittelnde Lösung zwischen den Interessen des unehelichen Kindes und der Familie des Erblassers anstrebte. Aus der Regierungsvorlage zum Bundesgesetz BGBl. 342/1970, 6 BlgNR, XII. GP, ergibt sich unmißverständlich, daß auch des Sonderfalles gedacht wurde, daß der Erblasser neben seiner Witwe Eltern oder deren Nachkommen oder Großeltern hinterläßt; insoweit diese aus dem Nachlaß etwas erhalten würden, schädigte ein die Erbberechtigung dieser Personen ausschließendes gesetzliches Erbrecht des unehelichen Kindes die Witwe des Vaters erbrechtlich nicht; demnach sollte das uneheliche Kind als Erbteil alles erhalten, was nach dem geltenden Recht den Vorfahren oder den Seitenverwandten des Vaters neben seiner Witwe zufallen würde. Auch deren gesetzliches Erbrecht hängt vom Zufall des Überlebens ab. Schon Kralik (JBl. 1971, 274) hat dieses eher willkürliche Ergebnis, das zu einer oft peinlichen Situation zwischen Witwe und unehelichem Kind führen kann, hervorgehoben, aber als Wille des Gesetzes erkannt. Wäre das gesetzliche Erbrecht der Vorfahren oder Seitenverwandten aber ohne Existenz des unehelichen Kindes eingetreten und trat dessen gesetzliches Erbrecht an dessen Stelle, muß das uneheliche Kind auch pflichtteilsberechtigt (§ 763 zweiter Satz ABGB) sein, obwohl es die Vorfahren oder Seitenverwandten nicht wären.

Dieser Ansicht ist allerdings Haunschmidt, NZ 1965, 66 f., entgegengetreten. Ein uneheliches Kind müßte seine ihm von Gesetzes wegen zustehenden Pflichtteilsansprüche verlieren, wenn der Erblasser, der neben Verwandten der zweiten Linie eine Witwe hinterließ, die Witwe zur testamentarischen Alleinerbin berief. Bei der Einführung eines gesetzlichen Erbrechtes des unehelichen Kindes gegenüber seinem Vater sollte die Witwe nämlich in ihren Ansprüchen nicht geschmälert werden. Dies wäre aber der Fall, da die Seitenverwandten des Erblassers nicht pflichtteilsberechtigt wären. Dieser Rechtsstandpunkt wurde allgemein abgelehnt (Edlbacher, Zum Pflichtteilsrecht des unehelichen Kindes, NZ 1975, 97 f.; Regenspursky, zum Thema: Pflichtteil des unehelichen Kindes, NZ 1975, 98; Wisiak, Pflichtteil des unehelichen Kindes, NZ 1975, 99 f.; Fenyves, nochmals: Zum Pflichtteilsrecht des unehelichen Kindes, NZ 1975, 100; Zemen, Die gesetzliche Erbfolge nach der Familienrechtsreform, 202; Koziol - Welser[5] II, 305). Ein Pflichtteilsrecht, das durch Testament beseitigt werden könnte, wäre auch ein Widerspruch in sich selbst. Der Pflichtteil ist gerade das, was bestimmte, als besonders schutzwürdig erkannte Personen auch gegen den Willen des Erblassers aus dessen Vermögen erhalten müssen, wenn sie nicht bestimmte, taxativ aufgezählte Gründe gesetzt haben, die sie in concreto nicht schutzwürdig erscheinen lassen (Fenyves a. a.O., 101). Der sich aus den Gesetzesmaterialien ergebende Grundsatz, daß die Position der Witwe durch das Vorhandensein eines unehelichen Kindes nicht geschmälert werden soll, bezieht sich, wie sich aus § 757 Abs. 2 ABGB ergibt, nur auf den Umfang des gesetzlichen Erbrechtes der Witwe (Fenyves a.a.O.; Regenspursky a. a.O.); die Witwe, die nur auf Grund eines Testamentes ihres Gatten neben einem sonst erbberechtigten unehelichen Kind Alleinerbin wurde, muß hingegen das, was sie über ihren gesetzlichen Erbteil hinaus durch das Testament erhält, teilweise zur Befriedigung von Pflichtteilsansprüchen des unehelichen Kindes verwenden. Daß der Witwe die über den gesetzlichen Erbteil hinaus zukommende Erbportion durch Pflichtteilsansprüche eines unehelichen Kindes des Erblassers nicht geschmälert werden sollte, ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus den Gesetzesmaterialien. Wieso in der verschiedenen Behandlung der Witwe eines unehelichen Kindes im Verhältnis zum Vater desselben zur Witwe des Vaters eines unehelichen Kindes im Verhältnis zu diesem eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes erblickt werden könnte, ist nicht ersichtlich, handelt es sich doch um die Regelung verschiedener Erbfolgeverhältnisse. Nach dem österreichischen Erbrecht muß zwischen zwei Personen ein "gegenseitiges" gesetzliches Erbrecht nicht bestehen; Verwandte in absteigender Linie sind gegenüber Vorfahren und Seitenverwandten auch sonst manchmal begünstigt (vgl. Koziol - Welser[5] II, 252).

Gehört aber der uneheliche Sohn des Erblassers zum Kreis der gesetzlichen Erbberechtigten, entsprach die über seinen Antrag angeordnete Inventarisierung dem Gesetz (§ 804 ABGB).

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