OGH 11Os112/81

OGH11Os112/819.9.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.September 1981

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schramm als Schriftführers in der Strafsache gegen Leopold A wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG., § 15 StGB. über die vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die von der Staatsanwaltschaft erhobene Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 31. März 1981, GZ. 6 e Vr 2.418/80-35, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Neuhuber und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß dem § 290 Abs 1 StPO. wird aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde der Ausspruch des Erstgerichtes über die Anrechnung von Vorhaftzeiten dahin ergänzt, daß gemäß dem § 66 StGB. auch die vom Angeklagten in der Zeit vom 9.Oktober 1979 bis 31. Dezember 1979 im Ausland verbüßte Strafhaft auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet wird.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 3.September 1933 geborene Kraftfahrer Leopold A des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG. und § 15 StGB. schuldig erkannt; ihm liegt zur Last, am 30.Jänner 1979 in Gradina mit dem gesondert verfolgten Peter B als Mittäter vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in solchen Mengen, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, nämlich 18 kg Haschisch, in seinem PKW.

verborgen aus Bulgarien ausgeführt und nach Jugoslawien einzuführen versucht zu haben.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Leopold A mit einer auf die Nichtigkeitsgründe nach dem § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund führt die Beschwerde - inneren Widerspruch der Urteilsbegründung behauptend - aus, die vom Erstgericht als einander widersprechend und daher unglaubwürdig gewerteten Erklärungen des Angeklagten für das Mitführen von Reservetreibstoff seien als kumulative Argumentation zu verstehen und schlössen einander keineswegs aus. Die Annahme des Erstgerichtes, daß der Angeklagte bei seiner Anhaltung durch jugoslawische Grenzorgane zu Kontrollzwecken seinen Unmut geäußert hatte, lasse seine Behauptung, vom Suchtgift nichts gewußt zu haben, unglaubwürdig erscheinen, sei gleichfalls nicht überzeugend begründet; hätte der Angeklagte nämlich vom Haschisch gewußt, würde er alles unterlassen haben, was zusätzlich die Aufmerksamkeit der jugoslawischen Zollorgane erwecken konnte.

Mit diesen Ausführungen wird weder ein innerer Widerspruch der Urteilsbegründung noch sonst ein formaler Begründungsmangel dargetan, sondern nur in unzulässiger und damit auch unbeachtlicher Weise die Beweiswürdigung des Erstgerichtes bekämpft, welches nicht bloß aus den in der Nichtigkeitsbeschwerde behandelten Umständen auf den Vorsatz des Angeklagten, Suchtgift nach Österreich zu bringen, schloß, sondern hiefür noch eine Reihe weiterer Indizien anführte, die den Schöffensenat zur Überzeugung brachten, daß die Verantwortung des Angeklagten, vom Vorhandensein des Suchtgiftes keine Kenntnis gehabt zu haben, unrichtig sei (S. 186 bis 191). Im Hinblick auf die Gesamtheit der vom Erstgericht angestellten Überlegungen waren auch die aus dem Ankauf von Reservekanistern und dem Verhalten des Angeklagten bei der jugoslawischen Grenzkontrolle gezogenen Schlüsse zulässig und keineswegs, wie der Angeklagte meint, in sich widersprüchlich oder mit logischen Fehlern behaftet. Eine Aktenwidrigkeit im Sinn des zitierten Nichtigkeitsgrundes erblickt der Beschwerdeführer in der Feststellung, die Reservekanister mit einem Fassungsvermögen von 50 bis 60 l seien erst auf der Rückreise aus dem Vorderen Orient nach Österreich gekauft worden; diese Kanister seien vielmehr schon bei der Hinreise vorhanden gewesen.

Auch dieser Einwand schlägt nicht durch.

Das Urteil des Gemeindegerichtes Dimitrovgrad (Jugoslawien) geht - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - unter Berufung auf seine Angaben offenbar gleichfalls davon aus, daß die Reservekanister für den Treibstoff erst in der Türkei gekauft wurden (S. 94). Auch in der Hauptverhandlung vom 31.März 1981 behauptete der Angeklagte, in der Türkei keinen Dieseltreibstoffe bekommen zu haben und dann die Kanister gekauft zu haben (S. 174). Von einer Aktenwidrigkeit kann somit keine Rede sein. Davon abgesehen wäre für den Angeklagten auch dann nichts gewonnen, wenn die Kanister sich schon bei der Abfahrt aus Österreich im Auto befunden hätten, zumal der Angeklagte A und Peter B schon vor der Abreise beschlossen hatten, Haschisch aus Beirut nach Österreich zu schmuggeln (S. 184). Als unzureichend begründet bezeichnet der Angeklagte die Annahmen des Erstgerichtes, daß er die durch den Einbau bewirkte Verringerung der Fassungskapazität seines Treibstofftanks bemerkt haben muß, daß er in Beirut den Wagen nicht ohne Kontrolle zur Reparatur völlig fremden Leuten überlassen hätte, daß die Fahrt fortgesetzt wurde, obgleich schon auf der Hinreise in Jugoslawien ein Achsschaden an dem PKW. aufgetreten war und daß der gesondert verfolgte Peter B schließlich die Rückreise mit dem in Beirut umkehrenden Angeklagten antrat, obwohl er zunächst angeblich bis Ägypten weiterfahren wollte. Auch in diesem Zusammenhang vermag der Beschwerdeführer weder einen logischen Fehler noch einen sonstigen formalen Begründungsmangel aufzuzeigen, sondern bekämpft - allein die Beweiskraft dieser Umstände erörternd - erneut nur die Beweiswürdigung des Erstgerichtes.

Die Mängelrüge erweist sich somit in allen Punkten als unbegründet. Den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs 1 Z. 9

lit a StPO. anrufend, der Sache nach aber jenen der Z. 9 lit b der genannten Gesetzesstelle ausführend, bringt der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Rechtsrüge vor, das angefochtene Urteil verstoße gegen ein aus 'fundamentalen Grundsätzen des Strafrechtes' resultierendes Verbot der Doppelbestrafung, weil der Angeklagte in Jugoslawien für die Tat mit dem Urteil des Gemeindegerichtes in Dimitrovgrad vom 27.Februar 1979, G-25/79, bereits bestraft und der Strafanspruch damit konsumiert worden sei. Dieser Rechtsmeinung kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Nach dem vom Beschwerdeführer bezogenen § 64 Abs 1 Z. 4 StGB. werden die in dieser Bestimmung bezeichneten im Ausland begangenen Taten, zu denen auch die nach dem § 12 Abs 1 SGG. strafbaren Handlungen zählen, unabhängig von den Strafgesetzen des Tatortes dann im Inland bestraft, wenn österreichische Interessen verletzt wurden oder der Täter nicht ausgeliefert wird. Ist der Täter österreichischer Staatsangehöriger, dessen Auslieferung generell ausgeschlossen ist (§ 12 Abs 1 ARHG.), so unterliegt seine im Ausland begangene, nach dem § 12 Abs 1 SGG. strafbare Tat stets den österreichischen Strafgesetzen. In einem solchen Fall bedarf es daher keines Eingehens auf die Frage, ob durch die Tat österreichische Interessen verletzt wurden. Ebenso ist es belanglos, ob der Täter von einem Gericht des Staates, in dem die Tat begangen wurde, verurteilt und bestraft oder freigesprochen oder außer Verfolgung gesetzt wurde (EvBl 1977/133; vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch2, RN. 16 zu § 64 und Liebscher im Wiener Kommentar, RN. 16 zu § 64 StGB.); doch ist ihm eine im Ausland für die Tat, derentwegen er nunmehr (auch) im Inland bestraft wird, verbüßte Strafe auf die im Inland verhängte Strafe anzurechnen (§ 66 StGB.). Davon abgesehen wäre entgegen der Meinung des Beschwerdeführers im gegebenen Fall auch die Frage, ob durch die Tat österreichische Interessen verletzt wurden, zu bejahen. Eine solche Interessenverletzung ist bei jedem konkreten Bezug der Tat auf Österreich anzunehmen.

Da nach den Urteilsfeststellungen die 18 kg Haschisch, die im Tank des PKWs. des Angeklagten versteckt waren, nach Österreich gebracht und hier verkauft werden sollten (S. 184), wurden durch die Tat jedenfalls auch österreichische Interessen verletzt (vgl. erneut EvBl 1977/133).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Leopold A war daher zu verwerfen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde mußte sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, daß dem Erstgericht bei der Anrechnung von Vorhaftzeiten eine Nichtigkeit im Sinn des § 281 Abs 1 Z. 11 StPO. (vgl. Leukauf-Steininger, Komm. z. StGB.2, RN. 15 zu § 38) unterlief, die gemäß dem § 290 Abs 1 StPO. aufzugreifen war, weil sie sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkt.

Das Erstgericht rechnete gemäß dem § 66 StGB. 'die vom 30.Jänner 1979 bis 8.Oktober 1979 (in Jugoslawien) verbüßte Untersuchungsbzw. Strafhaft' an. Dabei übersah es den aktenkundigen Umstand (S. 89), daß diese Strafhaft bis 31.Dezember 1979 währte und am 8. Oktober 1979

lediglich der Beschluß der Strafanstalt Sremska Mitrovica über eine (offenkundig mit Wirkung vom 31.Dezember 1979 durchzuführende) bedingte Entlassung des Angeklagten erging. In Ergänzung des erstgerichtlichen Ausspruches über die Vorhaftanrechnung war der eben bezeichnete Zeitraum zusätzlich anzurechnen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 12 Abs 1 SGG. unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31, 40 StGB. auf die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23.Juli 1980, AZ. 1 a E Vr 3783/80, und des Jugendgerichtshofes Wien vom 12.Februar 1981, AZ. 5 a E Vr 2066/80, zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren.

Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die große Suchtgiftmenge, als mildernd den Umstand, daß die Tat teilweise beim Versuch blieb.

Die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer Berufung eine Erhöhung des Strafausmaßes an, der Angeklagte begehrt eine Herabsetzung 'unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes'. Keiner der Berufungen kommt Berechtigung zu.

Von einer untergeordneten Tatbeteiligung kann angesichts des Umstandes, daß der Angeklagte sein Fahrzeug zum Suchtgifttransport zur Verfügung stellte und es selbst über die ausgedehnte Fahrtroute lenkte, keine Rede sein.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die 'Unbill' einer Strafverbüßung in Jugoslawien als mildernd zu werten wäre. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Strafmilderung (§ 41 StGB.) sind beim bereits vielfach empfindlich vorbestraften Angeklagten nicht gegeben. Das vom Erstgericht gewählte im gesetzlichen Strafrahmen liegende Strafausmaß ist angesichts der doch erheblichen Suchtgiftmenge keinesfalls überhöht. Zu Recht wurden auch im vorliegenden Fall generalpräventive Erwägungen (mit-)berücksichtigt: Es bedarf zur Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität, einem Zweig der Kriminalität, der im Gegensatz zu anderen Sparten (der Kriminalität) im besonderen Maße im Ansteigen begriffen ist, des Einsatzes entsprechender Mittel der Strafenpraxis, um der Begehung ähnlicher strafbarer Handlung durch andere entgegenzuwirken.

Entgegen der Meinung der Anklagebehörde ist aber das vom Erstgericht gewählte Strafausmaß im Hinblick darauf, daß der Angeklagte bisher wegen eines Suchtgiftdeliktes noch nicht in Erscheinung trat, doch noch ausreichend, zumal nun seit der Tat doch schon eine Zeitspanne von etwa zweieinhalb Jahre verstrich.

Beiden Berufungen war somit ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.

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