OGH 11Os50/81

OGH11Os50/8126.5.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Mai 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Ruiter-Birnbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Günter A und andere wegen des Verbrechens des versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 1, 128

Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die von den Angeklagten Günter A und Peter B gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengerichtes vom 6. August 1980, GZ. 29 Vr 756/80-26, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Tschulik, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Mirecki zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten Günter A verhängte Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt und an Stelle der über den Angeklagten Peter B verhängten Freiheitsstrafe - unter Ausschaltung des Ausspruchs nach § 43 Abs 1 StGB., jedoch in Anwendung der §§ 37 Abs 1 und 41 StGB. - eine Geldstrafe von 240 (zweihundertvierzig) Tagessätzen zu je 80 (achtzig) Schilling, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 120 (einhundertzwanzig) Tagen, verhängt wird.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen den beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 18.November 1943 geborene Fliesenleger Günter A sowie der am 30.Juli 1961 geborene, derzeit in einer Obstgroßhandlung als Hilfskraft tätige Mechanikergeselle Peter B des Verbrechens des versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 StGB. (Punkt I des Urteilssatzes), und Günter A überdies des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs 1 StGB. (Punkt II des Urteilssatzes) schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt. Zum Urteilsfaktum I) wird ihnen angelastet, am 3.Juni 1979 in Hall in Tirol in Gesellschaft eines weiteren (unbekannten) Täters als Beteiligte versucht zu haben, fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert dem Heinrich C durch Einbruch in ein Gebäude und Aufbrechen eines Behältnisses mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie die Türe zum Gastlokal des Heinrich C und einen im Lokal befindlichen Zigaretten-(richtig: Spiel-)automaten aufbrachen, daraus Bargeld in Höhe von 11.030 S entnahmen und aus einer Schublade Zigarettenpackungen in einen Nylonsack verpackten. Nach den hiezu getroffenen Urteilsfeststellungen wurden die beiden Angeklagten, nachdem sie die Geldlade des Spielautomaten mit dem Bargeld zum Abtransport in den (Haus-)Flur gebracht und die Zigarettenpackungen in den Plastiksack gesteckt hatten, vom Gastwirt Heinrich C überrascht und, obwohl sie sich hinter der Theke zu verstecken suchten, gestellt. Als ihm die Täter die Geldlade samt Inhalt und die Zigaretten aushändigten, erklärte sich der Wirt bereit, von einer Anzeige abzusehen, falls ihm der Sachschaden bis zum 5.Juni 1979

ersetzt werde, erstattete jedoch sodann, da der vereinbarte Telefonanruf des Angeklagten A ausblieb, die Strafanzeige. Dieses Urteil bekämpfen beide Angeklagten im Schuldspruch wegen Diebstahls mit (getrennt ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO., der Angeklagte A überdies unter Anrufung der Z. 5 der zitierten Gesetzesstelle.

Der Schuldspruch wegen Verletzung der Unterhaltspflicht wird demnach vom Angeklagten A nicht angefochten.

Gegen die Strafaussprüche richten sich die Berufungen der Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Günter A:

Nach Ansicht dieses Beschwerdeführers blieb im Urteil der Umstand unberücksichtigt, daß die Geldlade in den nicht zum Gasthausbetrieb gehörigen Hausflur, mithin an einen Ort außerhalb des Gasthauses, verbracht und dort versteckt worden sei. Damit sei aber der Einbruchsdiebstahl bereits vollendet gewesen, und es komme der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue nach dem § 167 StGB. zum Tragen, weil die aus der Verfügungsmacht des Heinrich C entzogene Geldlade von den Angeklagten aus freiem Willen zurückgestellt worden sei. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte daher nur eine Verurteilung wegen § 125 StGB. ergehen dürfen. Der damit (der Sache nach allein) geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs 1 StPO. liegt nicht vor:

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. RZ 1976/24 = LSK 1976/127; SSt 42/58 u.a.) ist ein Diebstahl vollendet, sobald der Täter die tatsächliche Sachherrschaft erlangt und der bisherige Gewahrsamsträger nicht mehr in der Lage ist, über die Sache zu verfügen. Davon kann in der Regel dann gesprochen werden, wenn der Täter die gesamte Beute dem Macht- und Kontrollbereich des Bestohlenen entzogen hat; für einen Gewahrsambruch (im strafrechtlichen Sinn) wird nicht vorausgesetzt, daß der Dieb seine Beute schon in Sicherheit brachte. Eine Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall zeigt jedoch, daß der von den Angeklagten A und B unternommene Einbruchsdiebstahl noch nicht vollendet war. Ein Teil der Diebsbeute, nämlich die aus der unversperrten Lade der Theke entnommenen Zigarettenpackungen, welche von den Angeklagten in einen Plastiksack gesteckt wurden, war der unmittelbaren Zugriffsmöglichkeit des Bestohlenen noch nicht entzogen und befand sich noch in den Räumen des Heinrich C, als dieser die Täter stellte. Aber auch in Ansehung der bereits aus den Gastwirtschaftsräumen geschafften Geldlade lag bloß Versuch vor. Denn wenn die Angeklagten auch diese Sache von ihrem früheren Standort aus dem unmittelbaren Wahrnehmungsbereich des Gewahrsaminhabers verbracht hatten, ging es ihnen nach den - in der Aktenlage gedeckten -

Urteilsfeststellungen nicht etwa darum, die Geldlade außerhalb des Tatortes zu verstecken, um sie später in Sicherheit zu bringen, in welchem Fall freilich Deliktsvollendung gegeben wäre (vgl. SSt 44/5; Bertel im Wiener Kommentar, RN. 52 zu § 127 StGB.; Kienapfel, Grundriß II, RN. 130 und 131 zu § 127 StGB.), sondern um die bloße Bereitstellung eines Teils der Diebsbeute im näheren Tatortbereich zum unverzüglichen Abtransport nach Beendigung des diebischen Angriffs.

Haben die Angeklagten aber den ihnen angelasteten Einbruchsdiebstahl, wie das Erstgericht richtig erkannte, nur in der Erscheinungsform des Versuches zu verantworten, so kommt der - den tatsächlichen Eintritt eines Schadens voraussetzende - Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue bei diesem Delikt schon begrifflich nicht in Betracht (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar2, RN. 4 zu § 167 StGB.). Im übrigen könnten die Angeklagten, selbst wenn man Deliktsvollendung annehmen wollte, Straflosigkeit aus dem Grund des § 167 StGB. nicht erlangen, weil tätige Reue die - rechtzeitige - volle Wiedererstattung des ganzen aus der Tat entstandenen Schadens, mithin beim Einbruchsdiebstahl über die Rückstellung der Diebsbeute hinaus auch des anläßlich des Einbruchs durch Sachbeschädigung verursachten Schadens verlangt, wobei die Strafbarkeit einer durch die Qualifikation des § 129 Z. 1 bis 3 StGB. konsumierten Sachbeschädigung diesfalls nicht wiederaufleben würde (vgl. u.a. SSt 47/20 = LSK 1976/162, 163);

auch diese Voraussetzung war hier nicht erfüllt (siehe S. 135). Die Beschwerde des Angeklagten A ist daher, sofern sie sich gegen die Annahme eines bloß versuchten Einbruchsdiebstahls wendet, nicht nur sachlich unbegründet, sondern auch gar nicht zum Vorteil des Beschwerdeführers ausgeführt, weil ihm tätige Reue auch bei Vorliegen des vollendeten Delikts nicht zustatten käme.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter B:

Dieser Angeklagte macht aus dem Grund der Z. 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO. geltend, es liege Rücktritt vom Versuch vor, weil er und der Mitangeklagte A dem Heinrich C, der A sofort erkannt habe, alles zurückgaben, die im Hausflur versteckte Geldkassette zeigten und die Gutmachung des Sachschadens versprachen, sohin aus eigenem Antrieb (wenn auch über Zureden des Heinrich C) von der Vollendung ihres Vorhabens absahen.

Diese Rechtsansicht erweist sich jedoch als verfehlt. Wesentliche Voraussetzung für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch ist, daß der Täter in der Vorstellung handelt, daß eine dem Tatplan entsprechende Vollendung der Tat noch möglich wäre, er die Straftat also an sich ungestärt und planmäßig hätte vollenden können, und davon nicht (auch) durch irgendwelche entgegenstehenden (tatsächlichen oder vermeintlichen) Hindernisse abgehalten worden ist (vgl. u.a. LSK 1975/163 und LSK 1977/290;

Leukauf-Steininger, Kommentar2, RN. 2 zu § 16 StGB.). Hievon kann aber dann keine Rede sein, wenn - wie hier - die Vollendung des Delikts deshalb unterblieb, weil die Täter bei der Tat überrascht wurden, sich außerstande sahen, die Tat wegen des Dazwischentretens des Eigentümers in der geplanten Weise vollenden zu können, und sich im Bewußtsein der Aussichtslosigkeit einer Weiterführung des deliktischen Angriffs (vgl. S. 134) in der Hoffnung, damit eine Anzeigeerstattung noch hintanhalten zu können, zur Herausgabe der bereitgestellten Diebsbeute entschlossen und Erstattung des verursachten Sachschadens in Aussicht stellten. Die Angeklagten gaben somit nicht ein nach ihren Vorstellungen für sie (entsprechend ihrem Tatplan) noch durchführbares Vorhaben auf, sondern es scheiterte dieses Vorhaben daran, daß sie bei der Tatbegehung entdeckt wurden, weshalb es ihrem Rücktritt vom Versuch an der Freiwilligkeit mangelt.

Da dem Angeklagten sohin auch Straflosigkeit gemäß dem § 16 Abs 1 StGB. nicht zustatten kommt, waren beide Nichtigkeitsbeschwerden als unbegründet zu verwerfen.

Zu den Berufungen:

Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagten nach dem § 129 StGB., bei Günter A unter Anwendung des § 28 StGB., Freiheitsstrafen in folgender Dauer:

A - 18 Monate, B - 7 Monate. Die für den letztgenannten Angeklagten ausgemessene Freiheitsstrafe wurde unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen (§ 43 Abs 1 StGB.). Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht hinsichtlich beider Angeklagten die mehrfache Verbrechensqualifikation, im Fall A darüber hinaus die zahlreichen (acht auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden) Vorstrafen sowie das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend; hingegen berücksichtigte es die Geständnisse und das Gedeihen des Diebstahls nur bis ins Versuchsstadium, bei B weiters (ersichtlich gemäß dem § 34 Z. 2 StGB.) die Unbescholtenheit als mildernd.

Mit ihren Berufungen streben beide Angeklagten unter Hinweis auf die gänzliche Gutmachung des durch die Verübung des ihnen angelasteten Diebstahlsversuches entstandenen (Sach-)Schadens und das Gewicht der im übrigen vom Schöffengericht angenommenen Milderungsumstände die Herabsetzung der Freiheitsstrafen an.

Den Berufungen kommt Berechtigung zu:

Auf der Basis der vom Erstgericht im wesentlichen richtig festgestellten (besonderen) Strafzumessungsgründe, wobei infolge der erwähnten Schadensgutmachung der - vom Erstgericht ohnehin berücksichtigte - Milderungsumstand des § 34 Z. 13 StGB. im vollen Umfang zum Tragen kommt, und der allgemeinen, für die Strafbemessung geltenden Normen (§ 32 StGB.) gelangte der Oberste Gerichtshof zur Auffassung, daß eine Reduktion der über den Angeklagten A verhängten Freiheitsstrafe auf fünfzehn Monate gerechtfertigt und im Fall des Angeklagten B die Verhängung einer sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe nicht geboten ist. Da weder general- noch spezialpräventive Gründe die Verurteilung B zu einer sechs Monate nicht übersteigenden Freiheitsstrafe erfordern, war gemäß dem § 37 Abs 1 StGB. an Stelle einer Freiheitsstrafe eine Geldstrafe zu verhängen, wobei die dieser Gesetzesstelle zu entnehmende 'Automatik' beachtet wurde: Gibt nämlich das Berufungsgericht einer auf Herabsetzung einer sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe gerichteten Berufung statt und findet es eine sechs Monate nicht übersteigende Strafe für angemessen, so hat es auch ohne einen ausdrücklich darauf abzielenden Berufungsantrag von Amts wegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 37 StGB. vorliegen, und gegebenenfalls eine Geldstrafe zu verhängen (EvBl.

1976/28 = SSt 46/71, EvBl. 1976/218; Leukauf-Steininger2, RN. 21 zu § 37 StGB.). Bei Abwägung der in Ansehung des Angeklagten B gegebenen Strafzumessungsgründe, die ein Überwiegen der Milderungsumstände gegenüber den Erschwerungsgründen zeigen, und da - vor allem infolge des bisherigen ordentlichen Lebenswandels - eine günstige Verhaltensprognose gestellt werden kann (§ 41 StGB.), erachtete der Oberste Gerichtshof eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen für angemessen, an deren Stelle im Fall der Uneinbringlichkeit gemäß dem § 19 Abs 3 StPO. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 120 Tagen zu treten hat. Den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten B und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (§ 19 Abs 2 StGB.) - der genannte Angeklagte ist geschieden, hat zum Unterhalt eines Kindes mit dem Betrag von 1.000 S monatlich beizutragen und verdient als Hilfskraft in einer Obstgroßhandlung monatlich 7.000 S (S. 63, 120) - entspricht ein Tagessatz von 80 S. Die vom Obersten Gerichtshof (hier) als Berufungsgericht verhängte Geldstrafe wurde zwecks Erzielung der spezialpräventiv erforderlichen Effektivität unbedingt ausgesprochen. Strebt nämlich eine Berufung - wie im vorliegenden Fall - die Milderung einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe an und führt eine Stattgebung dazu, daß an Stelle der in erster Instanz verhängten Freiheitsstrafe eine Geldstrafe ausgesprochen wird, so darf diese Geldstrafe - ohne Verstoß gegen das im § 290 Abs 2 StPO. statuierte Verschlimmerungsverbot - unbedingt verhängt werden, weil die bedingte Strafnachsicht nur einen Annex zu jener Strafart darstellt, der sie zugeordnet ist und eine unbedingte Geldstrafe (als eine nicht in die persönliche Freiheit eingreifende Resozialisierungsmaßnahme) milder ist als eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe (SSt 46/73, 46/82).

Aus den dargelegten Gründen war den Berufungen der beiden Angeklagten stattzugeben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.

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