Spruch:
Das Strafbezirksgericht Wien hat durch die Erlassung der Strafverfügung vom 10. April 1978, GZ. 20 U 420/
78-4, das Gesetz in der Bestimmung des § 57 Abs. 2 (erster Satz) StGB. verletzt.
Gemäß § 292 (letzter Satz) StPO. werden diese Strafverfügung sowie alle darauf beruhenden weiteren Verfügungen, insbesondere die Endverfügung vom 2. Mai 1978
(S. 26), aufgehoben; der Antrag des Bezirksanwalts vom 27. Februar 1978 auf Bestrafung des Kurt A wegen des Vergehens nach § 63 Abs. 1 Z. 1 LMG wird abgewiesen und das Verfahren eingestellt (§ 90 StPO.).
Text
Gründe:
Mit der oben bezeichneten Strafverfügung wurde über Kurt A wegen des am 22. Februar 1977 begangenen Vergehens nach § 64 LMG. eine Geldstrafe verhängt. Die betreffende Anzeige war (mit dem Vermerk 'Verjährungsgefahr') am 17. Februar 1978 bei Gericht eingelangt, doch hatte der Bezirksanwalt, ohne daß eine frühere gerichtliche Verfügung oder der zwischenzeitige Verbleib des Aktes ersichtlich wären, erst am 27. diesen Monats den (im Spruch angeführten) Strafantrag gestellt und die Beischaffung einer Strafregisterauskunft beantragt, die vom Gericht am selben Tag angeordnet worden war und die Mitteilung erbracht hatte, daß im Strafregister keine Verurteilung des Beschuldigten aufscheine.
Rechtliche Beurteilung
Dementsprechend verstieß die Erlassung der Strafverfügung am 10. April 1978 gegen das Gesetz, weil die Strafbarkeit der Tat gemäß § 57 Abs. 2 (erster Satz) StGB. mittlerweile durch Verjährung erloschen war: die Verjährungsfrist für das (nur mit Geldstrafe bedrohte) Vergehen nach § 64 LMG. (gleichwie jene für das mit nicht mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedrohte Vergehen nach § 63 Abs. 1 Z. 1 LMG.) beträgt ein Jahr (§ 57 Abs. 3 letzter Fall StGB.); im vorliegenden Fall hatte sie am 22. Februar 1977 begonnen, weil die mit Strafe bedrohte Tätigkeit des Beschuldigten, nämlich das Feilhalten (§ 1 Abs. 2 LMG.: Inverkehrbringen) verdorbener Wurst, mit deren vollständiger (S. 4) Entnahme als Probe (§ 39 LMG) abgeschlossen war (§ 57 Abs. 2 zweiter Satz StGB.); eine Hemmung ihres Ablaufs infolge der neuerlichen Begehung einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbedrohten Handlung durch den Beschuldigten (§ 58 Abs. 2 StGB.) war nicht eingetreten. Beim Beginn der Gerichtsanhängigkeit dieses Strafverfahrens, die nicht schon mit dem Einlangen der Anzeige bei Gericht, mit der Aktenbildung oder mit der Registereintragung eintrat (JBl. 1978, 547 u. a.), sondern erst am 27. Februar 1978 mit der richterlichen Anordnung, eine Strafregisterauskunft beizuschaffen, als erster gegen den Beschuldigten gerichteter - und hier schon zur Prüfung der Voraussetzungen für die Erlassung einer Strafverfügung (im Hinblick auf die gesetzliche Begrenzung der zulässigen Höhe der zu verhängenden Strafe) dienender sowie hiefür notwendiger - Maßnahme des Gerichts (ÖJZ-LSK. 1976/232 u.a.), war die Verjährungsfrist demnach bereits abgelaufen, sodaß auch eine Fortlaufhemmung nach § 58 Abs. 3 Z. 2 StGB. nicht mehr in Betracht kam. Das Bezirksgericht hätte folglich den Strafantrag des öffentlichen Anklägers abweisen und das Verfahren gemäß § 90 StPO. einstellen müssen. In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes (§ 33 Abs. 2 StPO.) war die aufgezeigte Gesetzesverletzung festzustellen und gemäß § 292 (letzter Satz) StPO. wie im Spruch zu beheben.
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