Spruch:
Die Bank, die ohne Auftrag ihres Kunden aus dessen Girokonto irrtümlich Geld an einen Dritten überwiesen hat, kann diese Leistung nur von diesem nach Bereicherungsrecht zurückfordern. Siehe dazu Nr. 20, 162, 187
OGH 13. Jänner 1981, 5 Ob 692/80 (ZfRV 1981, 224 (Schwind))(LG Salzburg 32 R 231/80; BG Gastein C 146/79 )
Text
Am 3. Mai 1979 erteilte der Beklagte der klagenden Sparkasse den Auftrag, zu Lasten seines Girokontos Nr. 24 880583 den Betrag von 2944 S als "Kindergeld Mai 1979 (400 DM heutiger Kurs)" zugunsten seiner geschiedenen Ehefrau Friederike G auf ihr Konto bei der Kreissparkasse B, Bundesrepublik Deutschland, zu überweisen. Irrtümlich überwies die klagende Sparkasse den Betrag von 2944 DM an Friederike G und belastete das Konto des Beklagten mit dem Gegenwert von 21 684.62 S. Nach Aufklärung ihres Irrtums entlastete die klagende Bank das Konto des Beklagten um den Betrag von 21 684.62 S und überwies nunmehr zu Lasten des Kontos des Beklagten den Betrag von 2944 S im DM-Gegenwert (400 DM) an Friederike G. Bemühungen der klagenden Bank, den irrtümlich überwiesenen Betrag von 2944 DM von der Kreissparkasse B bzw. von Friederike G zurückzubekommen, schlugen fehl.
Mit der vorliegenden Klage begehrte die Sparkasse die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 21 684.62 S samt 4% Zinsen seit 8. Mai 1979 mit der Begründung, durch die irrtümliche Überweisung dieses Betrages an Friederike G seien fällige Verbindlichkeiten des Beklagten gegenüber der Genannten in dieser Höhe verringert worden; mit dem Hinweis auf die weit höheren Verbindlichkeiten des Beklagten ihr gegenüber habe Friederike G die Zurückzahlung des ihr irrtümlich überwiesenen Betrages verweigert.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein, daß er nicht bereichert sei, weil er gegenüber Friederike G keine Schulden gehabt habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen an: Die Klägerin müsse als Beauftragte des Beklagten im Sinne des § 1012 ABGB ihren schuldhaft selbst verursachten Schaden tragen. Da sie irrtümlich gehandelt habe, seien die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 1035 ff. ABGB) nicht anwendbar; die Überweisung sei aber auch nicht im Notfall (§ 1036 ABGB) oder zum klaren, überwiegenden Vorteil des Beklagten geschehen. § 1041 ABGB sei wegen seines subsidiären Charakters nicht anzuwenden. Ein Anspruch nach § 1431 ABGB stunde der Klägerin nur gegen Friederike G zu, nicht aber gegen den Beklagten, weil dieser zu der Vermögensverschiebung keinen Anlaß gegeben habe. Für die Anwendung des § 1042 ABGB fehle das Bewußtsein der Klägerin zur Zeit der Geldüberweisung, für den Beklagten einen Aufwand zu machen, den er nach dem Gesetz hätte machen müssen.
In Stattgebung der Berufung der klagenden Sparkasse hob das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache mit dem Auftrag, das Verfahren erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen, zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung in die erste Instanz zurück. Es äußerte dabei im wesentlichen folgende Rechtsansichten: Wenn auch die klagende Sparkasse irrtümlich das Vorhandensein einer Anweisung des Beklagten angenommen habe, so habe sie doch aus diesem Irrtum auf Rechnung des Beklagten geleistet (§ 1431 ABGB). Es sei nicht notwendig, daß die Leistung unmittelbar an den Bereicherten erfolgte, denn eine Leistung an den Gläubiger bereichere dessen Schuldner, wenn der Anweisungsempfänger die Leistung als eine Leistung des Anweisenden auffassen mußte und durfte, was eine aufrechte Schuld voraussetze. Wenn also die Behauptung der Klägerin zutreffe, daß durch die irrtümliche Überweisung der Beklagte von einer Schuld gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau befreit worden sei, dann sei er passiv zur Klage legitimiert. Zur Feststellung einer solchen Forderung bedürfe es jedoch ergänzender Feststellungen: a) welcher Staatsangehörigkeit der Beklagte, seine geschiedene Frau und die Kinder aus dieser Ehe seien - dies sei für die Ansprüche familienrechtlicher Natur, die Friederike G behaupte, kollisionsrechtlich von Bedeutung; b) ob die Auszahlung des strittigen Betrages an Friederike G mit einer Zahlungswidmung geschehen sei - war das Geld den Kindern gewidmet, dann habe Friederike G das Geld nicht für ihre Ansprüche verwenden dürfen; c) ob Friederike G eine aufrechte Forderung gegen den Beklagten gehabt habe - sei dies der Fall, dann sei die Schuld des Beklagten durch die Zahlung getilgt und er könne nicht nachträglich mit von ihm behaupteten Gegenforderungen aufrechnen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten Folge und trug dem Berufungsgericht auf, über die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Erstgerichtes neuerlich zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Wie schon das Berufungsgericht erkannt hat, liegt ein Sachverhalt mit Auslandsbeziehung vor, weshalb in Ermangelung einer zulässigen Rechtswahl der Parteien (§§ 11, 35 Abs. 1 IPRG) die für die Anknüpfung an eine bestimmte Rechtsordnung maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen von Amts wegen festzustellen sind (§ 2 IPRG). Das Berufungsgericht ist jedoch unzutreffend davon ausgegangen, daß das Rechtsverhältnis des Beklagten zu Friederike G auf den aus dem Rechtsgrund der Bereicherung gegen den Beklagten geltend gemachten Anspruch von Einfluß wäre.
§ 46 IPRG unterscheidet die Bereicherungsansprüche nach Leistungskondiktionen und solchen, die auf andere Weise hervorgerufen wurden. Da es keinem Zweifel unterliegen kann, daß der hier geltend gemachte Bereicherungsanspruch auf Grund einer Leistung des Verkürzten, nämlich der Klägerin, entstanden ist, muß der zu beurteilende Sachverhalt nach § 46 Satz 2 Halbsatz 1 IPRG angeknüpft werden. Das Berufungsgericht, das offenbar § 46 Satz 2 Halbsatz 2 IPRG angewandt wissen will, weil es annimmt, es sei der Ersatz eines Aufwandes begehrt, den der Beklagte selbst hätte machen müssen, übersieht dabei, daß diese Anknüpfung nur durchgreift, wenn der Aufwand ohne Bezugnahme auf ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis geschieht, ein solches vielmehr erst durch freiwillige Zahlung der Schuld des anderen zur Entstehung gebracht werden soll. Davon kann hier aber nicht die Rede sein. Abgesehen davon, daß dieser Fall wohl kein nach dem KWG zulässiges Bankgeschäft wäre, wurde im vorliegenden Fall die Klägerin als Geldinstitut aus einem bestehenden Rechtsverhältnis (Kontoführungs-, allenfalls Girovertrag) heraus tätig, indem sie einen auf dieses Rechtsverhältnis bezogenen Auftrag irrtümlich übermäßig, d. h. schlecht, erfüllt hat. Der Annahme des Berufungsgerichtes steht auch die - unzulässigerweise mit der rechtlichen Beurteilung vermischte - Feststellung des Erstgerichtes entgegen, die Klägerin sei sich zur Zeit der Geldüberweisung nicht bewußt gewesen, für den Beklagten einen Aufwand zu machen, den er selbst hätte machen müssen.
Zufolge § 46 Satz 2 Halbsatz 1 IPRG ist auf den in diesem Verfahren geltend gemachten Bereicherungsanspruch jenes Recht anwendbar, das auf das der Leistung zugrunde liegende Rechtsverhältnis anzuwenden ist. Das ist jedoch, da das Gesetz durch den Verweis auf die "Sachnormen" Rück- und Weiterverweisung im Sinne des § 5 IPRG ausschließt, das auf den Kontoführungs- und Girovertrag anwendbare Recht. Dieses ist, da diesbezüglich kein Auslandsmerkmal vorliegt, jedenfalls das österreichische Sachrecht. Selbst wenn - was offenbleiben kann - der Beklagte zufolge ausländischer Staatsangehörigkeit ein fremdes Personalstatut (§ 9 IPRG) haben sollte, wäre ohne Rechtswahl - für die jeder Anhaltspunkt im Parteivorbringen und in den Feststellungen fehlt - gemäß § 38 Abs. 1 IPRG das Recht der Niederlassung des Kreditunternehmens auf seine Bankgeschäfte anwendbar, das ist aber österreichisches Recht. Eben dieses ist dann auch auf den Bereicherungsanspruch anwendbar. Angesichts dieser Sachlage ist nicht näher zu untersuchen, ob nicht dasselbe österreichische Recht auf die vertraglichen Rechtsbeziehungen der Parteien zueinander aus dem Gründe des § 41 IPRG (Anknüpfung der Verbrauchergeschäfte) anzuwenden wäre. Im materiellen Recht ist davon auszugehen, daß die Klägerin durch den Abschluß des Girovertrages mit dem Beklagten diesem zugesagt hatte, seine einzelnen Überweisungsaufträge auszuführen (Schinnerer - Avancini, Bankverträge[3] I, 82). Es handelt sich zwar im Einzelfall nicht um einzelne Auftragsverträge, wie das Erstgericht anzunehmen scheint, sondern um einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen, zu deren Ausführung sich das Geldinstitut im Girovertrag verpflichtet hatte (Schönle, Bank- und Börsenrecht, 356 f.). Der Zugang löst somit die Ausführungsverpflichtung aus (Bötticher, Besinnung auf das Gestaltungsrecht und das Gestaltungsklagerecht, Festschrift für Hans Dölle I, 41, 68). Es handelt sich um eine Weisung, deren Ausführung verpflichtend ist (Schönle, Bank- und Börsenrecht, 357).
Die Verpflichtung zur Ausführung der Weisung besteht in der Form, in der die Weisung verstanden werden durfte, sie ist also aus dem Empfängerhorizont zu beurteilen. Das bedeutet in diesem Fall, daß der Irrtum der Klägerin, die die Währungsangaben S und DM verwechselt hatte, keine Deckung in der erteilten ausdrücklichen Weisung und somit auch nicht im Girovertrag hatte.
Schon an dieser Stelle ist zu bemerken, daß die Klägerin jedenfalls überklagt hat. Die nach Erkennen des Irrtums erfolgte Überweisung des Betrages von 2944 S als Gegenwert von 400 DM vor Wiedererlangen des irrtümlich überwiesenen Betrages von 21 684.62 S als Gegenwert von 2944 DM stellt zweifellos eine Verletzung der Obliegenheit zur Schadensminderung (§ 1304 ABGB) dar. Hinsichtlich des Teilbetrages von 2944 S hätte das Berufungsgericht der Berufung jedenfalls den Erfolg zu versagen gehabt.
Aber auch der restliche Anspruch ist nicht begrundet. Der Beklagte hatte sich ausdrücklich darauf berufen, daß er für die erste der beiden ausgeführten Überweisungen keinen Auftrag erteilt habe. Ein solcher konnte auch nicht festgestellt werden. Geht man somit mit dem Berufungsgericht von der Anweisungskonstruktion aus, liegt keine mangelhafte Ausführung des Überweisungsauftrages und damit ein Mangel des Deckungsverhältnisses vor, sondern es geht darum, daß ein entsprechender Überweisungsauftrag überhaupt gefehlt hat und damit ein Deckungsverhältnis gar nicht gegeben war. Jedenfalls kann die tatsächlich ohne Weisung durch die Klägerin bewirkte Leistung nicht dem Beklagten zugerechnet werden, wenn er dazu gar nicht Anlaß gegeben hat (vgl. Wilburg in Klang[2] VI, 451). Die Gültigkeit und das Vorliegen einer entsprechenden Anweisung ist immer als notwendige Grundlage der Zahlung anzusehen, die der (augenscheinlich) Angewiesene dem Empfänger leistete (Wilburg a. a.O.). Der Angewiesene hat daher die Leistung vom Empfänger zurückzufordern, wenn es an der entsprechenden Anweisung mangelte. Gerade dieser Fall ist hier gegeben. Ebenso wird in der deutschen Lehre die Kondiktion der in Wahrheit nicht angewiesenen Bank auf den Leistungsempfänger eingeschränkt, wofür als Modellfall die irrtümliche Doppelausführung einer Überweisung herangezogen wird (Schlegelberger - Hefermehl, HGB[5], 475 f. Anm. 80, 82 mit weiteren Nachweisen; Canaris, Großkommentar HGB[3], 683 Anm. 216, 686 Anm. 222 je mit weiteren Nachweisen). Ihren Grund findet die ausnahmsweise "Durchgriffskondiktion" gegen den Überweisungsempfänger der tatsächlich nicht angewiesenen Bank darin, daß bei Fehlen des entsprechenden Auftrages jeder Anlaß fehlt, die Leistung dem (vermeintlich) Überweisenden zuzurechnen. Ein Anspruch der (nicht angewiesenen) Bank gegen ihren Kontoinhaber (den vermeintlich Überweisenden) scheitert daran, daß diesen die "Ausführung" eines nicht gegebenen Auftrages nicht belasten und er auch dadurch von keiner Schuld gegenüber Dritten befreit sein kann, wie immer auch der Dritte subjektiv die Leistung ansieht. Der tatsächliche Empfänger ist nicht schutzwürdig und daher der Leistungskondiktion des (vermeintlich) Angewiesenen ausgesetzt, weil es ihm gegenüber einer Tilgungsbestimmung objektiv gefehlt hat und somit ein Mangel des Rechtserwerbes an sich und nicht nur eine Einwendung ex iure tertii vorliegt.
Damit ist allerdings nicht gesagt, wie die Rechtslage bei unklarer oder mißverständlicher Weisung, etwa mündlichem und nachfolgendem schriftlichem Überweisungsauftrag ist, ohne daß auf das Verhältnis der beiden zueinander hingewiesen wäre.
Bei Fehlen eines Überweisungsauftrages liegt in Wahrheit eine Leistung der (nicht angewiesenen) Bank selbst vor, für die ein rechtlicher Grund nicht zu ersehen ist. Deren Rückforderung ist nach Bereicherungsrecht aber ausschließlich vom tatsächlichen Empfänger zu begehren, nicht von dem, der einen Überweisungsauftrag nicht gegeben hat. Nur diese der Rechtslage entsprechende Ansicht verhindert, daß irrtümliche Leistungen von Banken jeweils dem Bankkunden auf das Risiko hin angelastet werden können, daß der Bankkunde Schuldner des Leistungsempfängers ist.
Die Klägerin kann bei diesem Sachverhalt mit einer allfälligen Einwendung, ihre Leistungskondiktion gegen den Zahlungsempfänger unterliege nicht österreichischem Recht, nicht gehört werden. Da sie die Leistung ohne entsprechende Weisung geleistet hat, hat sie sich die nachteiligen Folgen dieser eigenen Handlung selbst zuzuschreiben.
Das Urteil des Erstrichters erweist sich somit im Ergebnis nicht als rechtsirrig. Da der OGH auf Grund eines Rekurses gegen einen berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß nicht in der Sache selbst entscheiden kann, muß es mit der Aufhebung des berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses und dem Auftrag zur neuerlichen Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Aufhebungsgrund sein Bewenden haben. Die neuerliche Entscheidung Berufung der Klägerin wird allerdings nur in einer Bestätigung der angefochtenen Entscheidung bestehen können.
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