Normen
ABGB §367
ABGB §371
ABGB §1029
ABGB §1088
HGB §56
HGB §366
ABGB §367
ABGB §371
ABGB §1029
ABGB §1088
HGB §56
HGB §366
Spruch:
Bei ohne Vertretungsmacht erfolgter Veräußerung einer beweglichen Sache im Namen des wahren Eigentümers hängt der Eigentumserwerb des Vertragspartners davon ab, ob sein guter Glaube an die Vertretungsmacht nach der Lage des Einzelfalles durch die Vorschriften über den Bevollmächtigungsvertrag, durch handels- und gesellschaftsrechtliche Spezialregelungen (etwa § 56 HGB) oder durch die Annahme einer sogenannten Duldungs- und Anscheinsvollmacht geschützt wird
OGH 2. Dezember 1980, 5 Ob 683/80 (KG Ried im Innkreis R 65/80; BG Braunau am Inn 2 C 181/79)
Text
Gerhard A war bei der klagenden Ges. m. b. H. als Versand- und Lagerleiter beschäftigt. Seine Aufgabe war es, für die Auslieferung verkaufter Waren, darunter Fernsehgeräte, an Kunden nach Maßgabe der ihm von der Verkaufsabteilung übermittelten Lieferscheine zu sorgen. Er kaufte zwar wiederholt, wie auch andere Angestellte der Klägerin, selbst verschiedene Geräte, um sie dann an dritte Personen weiterzuveräußern, nützte jedoch auch die ihm in Ermangelung ausreichender Kontrolle offene Möglichkeit aus, den aus Fehlern seiner Arbeitskollegen entstandenen Geräteüberschuß, der in der Lagerbuchhaltung keinen Niederschlag fand, eigenmächtig an sich zu nehmen und auf eigene Rechnung zu verkaufen. Durch die Vermittlung eines ebenfalls bei der Klägerin beschäftigten Kraftfahrers verkaufte Gerhard A namens der klagenden Gesellschaft auf eigene Rechnung aus dem eigenmächtig angeeigneten Geräteüberschuß der Klägerin das Farbfernsehgerät Type 58741, Gerätenummer 10706, dem Beklagten, der ihm den vereinbarten Kaufpreis von 13 000 S durch einen Barscheck bezahlte. Der Beklagte war der Überzeugung, das Gerät von der Klägerin gekauft zu haben. Die ihm von Gerhard A in Aussicht gestellte Rechnung hat er nicht bekommen.
Die Klägerin begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Herausgabe dieses Farbfernsehgerätes und zur Bezahlung eines angemessenen Benützungsentgeltes, das sie mit 1 344.25 S bezifferte. Sie berief sich darauf, daß der Beklagte an dem ihr gestohlenen Gerät nicht Eigentum erworben habe.
Der Beklagte begehrte die Abweisung der Klage. Er sei der Meinung gewesen, vom berechtigten Eigentümer gekauft und erworben zu haben, da er Gerhard A als zum Verkauf oder doch zur Herausgabe des Gerätes von der Klägerin bevollmächtigten Vertrauensmann angesehen habe. Gerhard A seien als Lagerleiter der Klägerin sämtliche Lagerwaren anvertraut gewesen. Überdies habe die Klägerin ständig Geräte aus eigener Produktion an ihre Mitarbeiter verkauft, die ihrerseits die Geräte mit Wissen der Klägerin an Dritte veräußerten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es billigte dem Beklagten Redlichkeit beim Erwerb des Gerätes zu, da er es zu einem handelsüblichen Preis gekauft habe und Gerhard A als Vertrauensmann der Klägerin oder doch als befugten Gewerbsmann ansehen habe dürfen.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Klägerin Folge: Es änderte den Ausspruch des Erstgerichtes über den Herausgabeanspruch durch Teilurteil dahin ab, daß es diesem Begehren der Klägerin stattgab und den Wert dieses Streitgegenstandes als 2000 S übersteigend bezifferte, und hob im übrigen das angefochtene Urteil unter Zurückverweisung der Sache in die erste Instanz zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf. Die Vorschrift des § 367 ABGB sei nicht anwendbar, weil das Farbfernsehgerät Gerhard A nicht anvertraut gewesen sei; er habe es der Klägerin, in deren Gewahrsam es sich befunden habe, nicht veruntreut, sondern gestohlen. Aus diesem Gründe sei auch die Vorschrift des § 1088 Satz 2 ABGB nicht tragfähig. Der Beklagte habe aber auch nicht im Vertrauen auf einen äußeren Tatbestand im Sinne der §§ 1016 und 1029 ABGB erwerben können, denn es sei von den vertretungsbefugten Organen der klagenden Ges. m. b. H. kein Verhalten gesetzt worden, aus dem er nach den Regeln des redlichen Verkehrs auf eine Bevollmächtigung Gerhard A schließen haben dürfen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Auf gutgläubigen Eigentumserwerb an dem Farbfernsehgerät kann sich der Beklagte nicht mit Erfolg berufen, weil die darauf bezügliche Vorschriftengruppe (§§ 367, 371, 1088 ABGB, § 366 HGB) nur den Eigentumserwerb an beweglichen Sachen betrifft, über die jemand auf Grund eines gültigen Titelgeschäftes zwischen ihm und dem potentiellen Erwerber im eigenen Namen verfügt, der Verfügende aber weder Eigentümer der Sache noch von diesem zu der konkreten Verfügung ermächtigt ist. Fehlt aber, wie hier, die Vertretungsmacht des im Namen des wahren Sacheigentümers veräußernden Vertreters für das Titel- und Übereignungsgeschäft, dann treten für und gegen den wahren Sacheigentümer keine Vertretungswirkungen ein. Das Institut des gutgläubigen Mobiliarerwerbs kann hier zugunsten des Vertragspartners schon allein deshalb nichts hergeben, weil es sich nur auf das Verfügungsgeschäft, nicht aber auf das Titelgeschäft bezieht, sodaß der Eigentumserwerb schon am Fehlen eines im Verhältnis zum Sacheigentümer - in dessen Namen das Titelgeschäft geschlossen wurde - wirksamen Titels scheitert (Frotz, Gutgläubiger Mobilarerwerb und Rechtscheinprinzip in FS Kastner, 131 ff, besonders 138 und 141; in diesem Sinne auch Ratz im RGR-Kommentar zum HGB[2], 3. Bd. 653 f. Anm. 18 zu § 366; a. M., aber nicht überzeugend Schlegelberger - Hefermehl, HGB 5, Band IV, 612 f. Anm. 32 zu § 366).
Bei Veräußerungen im Namen des wahren Sacheigentümers, die ohne Vertretungsmacht erfolgen, hängt der Eigentumserwerb des Vertragspartners vielmehr davon ab, ob dessen guter Glaube an die Vertretungsmacht nach der Lage des Einzelfalls durch die Vorschriften über den Bevollmächtigungsvertrag, durch handels- und gesellschaftsrechtliche Spezialregelungen (etwa § 56 HGB) und insbesondere durch die von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Regeln für die Annahme sogenannter Duldungs- und Anscheinsvollmachten geschützt wird. Ist dies der Fall, dann sind Titel- und Verfügungsgeschäft wirksam und es wird vom rechtswirksam vertretenen wahren Eigentümer das Eigentum an der Sache erworben; andernfalls konnte - denn es ist unbestritten, daß aus der bloßen Innehabung der Sache nicht mit der von § 863 ABGB vorausgesetzten Sicherheit auf das Bestehen einer Verfügungsmacht geschlossen werden kann - der Eigentumserwerb nicht stattfinden (Frotz a.a.O., 138 f.).
Hier ist der Beklagte jede Behauptung schuldig geblieben, aus der im Sinne der eben aufgezeigten Rechtsinstitute sein Vertrauen auf eine Bevollmächtigung des Gerhard A durch die Klägerin zum Verkauf des Farbfernsehgerätes in deren Namen als schutzwürdig angesehen werden könnte; das Sachvorbringen des Beklagten ist auch im Revisionsverfahren nur darauf gerichtet, daß die Klägerin angeblich von der Weiterveräußerung von solchen Geräten durch Gerhard A im eigenen Namen an Dritte Kenntnis gehabt habe. Aus diesem Gründe hat auch das Berufungsgericht mit Recht abgelehnt, dem Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen auf eine Verkaufsbevollmächtigung des Gerhard A durch die Klägerin zufolge Setzung eines äußeren Tatbestandes zuzubilligen.
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