OGH 13Os144/80

OGH13Os144/8013.11.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.November 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Reissner als Schriftführers in der Strafsache gegen Werner A wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 ff. StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 1.Februar 1980, GZ. 2 a Vr 3157/78-85, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schmidt und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Werner A wurde auch in dem zufolge der die Schuldsprüche dieses Angeklagten zu I A 2, I B 4 und III des im ersten Rechtsgang gefällten Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 30.November 1976 (ON. 34) betreffenden kassatorischen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 17.Mai 1979, GZ. 13 Os 71/79-4 (ON. 40) durchgeführten zweiten Rechtsgang für schuldig befunden, Bargeld, Wert-, Schmuck- und Gebrauchsgegenstände in einem (auch unter Einbeziehung sämtlicher dem Angeklagten zur Last liegenden Diebstähle) zwar jedenfalls 5.000 S (§ 128 Abs. 1 Z. 4 StGB.), die Wertgrenze von 100.000 S (§ 128 Abs. 2 StGB.) indes nicht übersteigenden Gesamtwert gestohlen zu haben, und zwar im März 1978 zum Nachteil der Christine B - wobei das Schöffengericht im zweiten Rechtsgang nicht mehr zweifelsfrei feststellen konnte, daß der Angeklagte die Tat durch Nachsperre mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel begangen hat - und am 12. April 1978 zum Nachteil der Josefa C (1 a und 1 b). Weiters wurde Werner A (zu 2) - erneut - wegen eines am 11.April 1978 zum Nachteil der Josefa C verübten Betrugs mit einer Schadenssumme von 1.460 S und überdies (zu 3) in Erledigung der vom öffentlichen Ankläger in der Hauptverhandlung vom 5.September 1979 (s. Bd. I, S. 499/500) vorgenommenen Anklageausdehnung, der im August 1979 in Wien versuchten Anstiftung der Christine B zu einer falschen Beweisaussage vor Gericht schuldig erkannt. Für die hiedurch, sowie unter Einbeziehung der bereits im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche verwirklichten strafbaren Handlungen, nämlich zu 1 a und b des nunmehr angefochtenen Urteils und zu I A 1 und I B 1, 2, 3 des im ersten Rechtsgang gefällten Urteils vom 30.November 1978 (ON. 34) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15.Juni 1980 (s. Bd. I, S. 406) das Verbrechen des schweren Diebstahls (durch Einbruch) nach den §§ 127 Abs. 1, 128

Abs. 1 Z. 4 und 129 Z. 1 StGB.;

zu 2 des angefochtenen Urteils das Vergehen des Betrugs nach dem § 146 StGB.;

zu 3 des angefochtenen Urteils das Vergehen der versuchten Anstiftung zur falschen Beweisaussage vor Gericht nach den §§ 15 Abs. 2, 12 zweiter Anwendungsfall, 288

Abs. 1 StGB. und zu II des Urteils vom 30.November 1978 für das Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 1, 224 StGB., wurde Werner A gemäß den §§ 28, 129 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von 3 1/2 Jahren verurteilt.

Die im zweiten Rechtsgang gefällten Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die er auf § 281 Abs. 1 Z. 5, 8, 9 lit. a, lit. c und 10 StPO.

stützt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde erweist sich zur Gänze als unbegründet. Dem vom Beschwerdeführer zunächst gegen den Schuldspruch (zu 3) wegen (des Vergehens) der versuchten Anstiftung zur falschen Beweisaussage vor Gericht aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 8 (sachlich Z. 9 lit. b; vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2, Nr. 10 zu Z. 8) des § 281 Abs. 1 StPO. erhobenen Einwand eines der strafgerichtlichen Ahndung der Tat entgegenstehenden Verfolgungshindernisses wegen fehlender wirksamer Anklageausdehnung in der Hauptverhandlung vom 1.Februar 1980 ist zunächst mit dem Hinweis zu begegnen, daß der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung vom 5. September 1979

wegen dieser Tat Anklage gemäß der Bestimmung des § 263 Abs. 1 StPO. erhoben hat (s. Anklageausdehnung Bd. I, S. 499/500) und in der nach der Vertagung dieser Hauptverhandlung sodann am 1. Februar 1980 (neu) durchgeführten Hauptverhandlung (ON. 84) - in welcher die bisherigen Verfahrensergebnisse bzw. der wesentliche Akteninhalt verlesen wurden (s. Bd. II, S. 57 bzw. 108 unten) - nach Schluß des Beweisverfahrens die Bestrafung des Angeklagten im Sinn der wider diesen (insgesamt) erhobenen Anklage begehrt hat (Bd. II, S. 108 unten).

Des weiteren ist davon auszugehen, daß § 263 Abs. 4 StPO. für den öffentlichen Ankläger schon darum keine wie immer gearteten Präklusionsfolgen nach sich ziehen kann, weil es für ihn (anders als für den Privatankläger und den Subsidiarankläger) nur eine Mahnfrist vorsieht (Klammerzitat des § 27 StPO.). Wie der Gesetzeswortlaut ferner zeigt, ist für den Fall des Abbruchs der Hauptverhandlung gemäß § 263 Abs. 3 StPO. (der in der Praxis von der schlichten Vertagung nicht streng unterschieden werden mag) die Einbringung einer neuen Anklageschrift im folgenden Absatz 4 derselben Gesetzesstelle nicht vorgeschrieben (siehe im Gegensatz hiezu die ausdrückliche Vorschrift des § 261 Abs. 2 StPO.). Damit ist klar, daß die gerügte Verschweigung des Anklagerechts ob §§ 15, 12, 288 StGB.

(bzw. die behauptete Anklageüberschreitung) mangels Überreichung einer neuen oder einer Nachtragsanklage nach der Vertagung vom 5. September 1979 nicht eingetreten ist.

Gegen den Schuldspruch (zu 3) - demzufolge der Angeklagte im August 1979 in Wien durch einen am 24.August 1979 zur Post gegebenen, an Christine B gerichteten Brief (Beilage /. III zu ON. 60), welchen er durch einen Mithäftling aus dem Gefangenenhaus unter Umgehung der Zensur bringen ließ, insbesondere durch folgende Briefstellen:

'Alles wäre jetzt mit einen Schlag erledigt, wenn Du zugibst, daß wir in Lebensgemeinschaft gelebt haben und wenn Du sagst, daß während der Party auch andere Dir etwas gestohlen haben könnten, und das stimmt doch ....., denn Du erinnerst Dich, daß Du vor Müdigkeit eingeschlafen bist und die Party dann noch weitergegangen ist, und sage ihm auch (dem Verhandlungsrichter), daß Du über die Lebensgemeinschaft jetzt anders denkst.

Du kannst nicht sagen, wieso, doch Du hast schon das Gefühl, daß wir wie Mann und Frau zusammengelebt haben.

Aus Scham hast Du es aber nicht so darstellen wollen. Bitte, rufe den Richter an, bis Du ihn erreichst. Das ist sehr wichtig. Erkläre es ihm so, wie ich es Dir gesagt habe!' eine Anstiftung zur falschen Beweisaussage vor Gericht versuchte - bringt der Beschwerdeführer weiters aus dem Grund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO.

vor, daß er Christine B lediglich zur Angabe der Wahrheit, insbesondere hinsichtlich des Vorliegens einer Lebens-bzw. Hausgemeinschaft mit dem Angeklagten, angehalten habe, welche Beurteilung im übrigen als Rechtsfrage gar nicht den Gegenstand einer Zeugenaussage bilden könne.

Bei diesen Ausführungen negiert der Beschwerdeführer jedoch die ausdrückliche - und eingehend begründete (vgl. Bd. II, S. 134 ff.; 142 ff.) - Urteilsfeststellung, daß sich Werner A dessen bewußt war, daß zwischen ihm und Christine B keine Lebensgemeinschaft bestand und für dritte Personen anläßlich einer in der Wohnung der Genannten veranstalteten Party kein Gelegenheitsverhältnis zur Verübung dieses Diebstahls vorlag und er daher, ebenso wie Christine B, wußte, daß deren von ihm erstrebte (geänderte) Aussage in beiden Punkten nicht den Tatsachen entsprochen hätte, vielmehr wahrheitswidrig wäre (s. Bd. II, S. 122/123; l46). Der Beschwerdeführer bringt mithin den geltend gemachten materiellrechtlichen, ein Festhalten am Urteilssachverhalt voraussetzenden Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Ausführung.

Im übrigen stellen die vom Angeklagten in dem an Christine B gerichteten Brief erörterten Fragen eines Gelegenheitsverhältnisses anderer Personen zur Diebstahlsbegehung, sowie ob er und Christine B 'wie Mann und Frau' (in Lebensgemeinschaft) zusammenlebten, der Meinung des Beschwerdeführers zuwider durchaus nach ihrem inhaltlichen Kern (auch) Tatsachenbekundungen dar, die in Form einer wahrheitswidrig abgelegten Zeugenaussage vor Gericht vorgebracht, gemäß dem § 288 Abs. 1 StGB. unter Strafsanktion stehen (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB.2, RN. 10 zu § 288). Diesem Schuldspruch (zu 3) haftet mithin auch nicht der vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsirrtum an.

Die Frage des Bestehens einer 'Hausgemeinschaft' des Angeklagten mit Christine B bzw. mit Josefa C hält der Beschwerdeführer schließlich für die (von ihm angestrebte) Beurteilung der ihm in bezug auf diese beiden Frauen vom Erstgericht zur Last gelegten Diebstahlsund Betrugsfakten laut Punkt 1 a, 1 b und 2 des Urteilssatzes unter dem Gesichtspunkt einer gemäß § 166 StGB.

privilegierten Begehung dieser Taten im Familienkreis für wesentlich.

Auch mit diesem, inhaltlich den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. c des § 281 Abs. 1 StPO. (vgl. LSK. 1976/134) relevierenden Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht:

Primäre Voraussetzung einer solchen Privilegierung der im § 166 Abs. 1 StGB. aufgezählten Delikte (darunter auch Diebstahl und Betrug) ist deren Begehung zum Nachteil eines Angehörigen, der, sofern es sich hiebei nicht um den Ehegatten des Angeklagten, einen Verwandten in gerader Linie, seinen Bruder oder seine Schwester handelt, mit dem Angeklagten im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung in Hausgemeinschaft lebte.

Wer 'Angehöriger' im Sinn des Strafgesetzbuchs ist, ergibt sich aus § 72 Abs. 1 StGB. Hiezu wird in § 72 Abs. 2 StGB. ergänzend normiert, daß 'Personen verschiedenen Geschlechtes, die miteinander in außerehelicher Lebensgemeinschaft leben, ..... wie Angehörige behandelt' werden.

Für eine Beurteilung der durch die Schuldsprüche zu den Punkten 1 a, 1 b und 2 des Urteilssatzes erfaßten, vom Angeklagten zum Nachteil der Christine B bzw. Josefa C begangenen Vermögensdelikte bloß als das Privatanklagedelikt (und nicht, wie der Beschwerdeführer meint, als 'Ermächtigungsdelikt') gemäß dem § 166 (Abs. 1 und 3) StGB. wäre daher ungeachtet des allfälligen Bestehens einer 'Hausgemeinschaft' im Sinn eines gemeinsamen Zusammenlebens von Täter und Geschädigtem nach Art einer Wohngemeinschaft (vgl. Leukauf-Steininger, RN. 17 zu § 72 und RN. 6 zu § 166 StGB.), das Bestehen einer echten Lebensgemeinschaft zwischen Angeklagtem und Christine B bzw. Josefa C im jeweiligen Tatzeitpunkt entscheidend, worunter eine auf längere Dauer abgestellte, eheähnliche Wohnungs-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft dieser Personen zu verstehen ist (LSK. 1978/229;

Leukauf-Steininger, RN. 15 zu § 72 StGB.).

Gerade diese Voraussetzung hat aber das Erstgericht im Fall des Angeklagten (und der genannten beiden Frauen) - auch subjektiv - ausgeschlossen (vgl. Bd. II, S. 119 ff.;

123/124; 127 ff.; 151 ff.) und damit das Vorliegen einer für die Heranziehung des § 166 StGB. vorausgesetzten Lebensgemeinschaft zutreffend (vgl. 13 Os 65/78) verneint (Bd. II, S. 134; 153; 157). Mit den den Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. beziehenden Beschwerdeausführungen bringt der Angeklagte Werner A, soweit er damit zunächst einen Wiederaufnahmeantrag bezüglich des bereits in Rechtskraft erwachsenen Punktes I A 1 des im ersten Rechtsgang gefällten Urteils (ON. 34) ankündigt, den zitierten Nichtigkeitsgrund, der der Geltendmachung wesentlicher Begründungsmängel des mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochtenen Urteils dient, überhaupt nicht zu einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Im übrigen aber bekämpft er, soweit er hinsichtlich des Schuldspruchs zu Punkt 1 a des Urteilssatzes in Ansehung des Diebstahls von (20 hand-) geschliffenen (Trink-) Gläsern die angebliche Widersprüchlichkeit der vom Schöffengericht (u.a.) als Feststellungsgrundlage herangezogenen Zeugenaussage der Christine B (und zwar zur Frage eines Gelegenheitsverhältnisses dritter Personen zur Diebstahlsverübung) behauptet - abermals in unbeachtlicher Weise - nur die freie Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO.) des erkennenden Schöffengerichts, das, den Bekundungen der Zeugin B vollen Glauben beimessend, ohnedies von deren - vom Beschwerdeführer hervorgehobener - Sichtmöglichkeit auf die in Rede stehenden Gegenstände ausging (vgl. Bd. II, S. 145), woraus aber nach allgemeinen und forensischen Erfahrungen noch keineswegs im Sinn der Argumentation der Mängelrüge folgt, daß Christine B deshalb die stattgefundene Wegnahme der ersichtlich nicht zum täglichen Gebrauch bestimmten Gläser auch sogleich oder doch alsbald hätte auffallen müssen.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend die Wiederholung der diebischen Angriffe, die mehrfache Qualifikation der Diebstähle, das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen, die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, die auch die Anwendung des § 39 StGB.

gerechtfertigt hätten, den äußerst raschen Rückfall und die Tatsache, daß der Angeklagte die versuchte Bestimmung zur falschen Beweisaussage vor Gericht während des gegen ihn anhängigen Strafverfahrens begangen hat; als mildernd hingegen wertete es das Teilgeständnis.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes an; sie erweist sich nicht als berechtigt. Ein 'gewisses Naheverhältnis' des Angeklagten zu den beiden Frauen, das nach dem Willen des Gesetzgebers in einer geringeren Strafdrohung Ausdruck finden müßte, kann nicht berücksichtigt werden, weil eben nur eine (umfassende) Lebensgemeinschaft mit ihren wechselseitigen engen Bindungen eine solche Privilegierung erfährt. Die ursprüngliche Qualifikation im Faktum 1 a (gemeint: I A 1 des Urteils ON. 34) ist durch die diesbezügliche Fassungsänderung (Bd. I, S. 406) in Wegfall geraten; nichts spricht dafür, daß sie bei der nunmehrigen Strafbemessung Gewicht gehabt hätte. Das belastete Vorleben und der rasche Rückfall des Angeklagten gebieten eindringlich das vom Erstgericht verhängte Strafmaß, das gerade noch ausreicht, um den für erfolgreiche Resozialisierungsbemühungen erforderlichen zeitlichen Rahmen zu schaffen.

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