OGH 11Os143/80

OGH11Os143/8029.10.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Oktober 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter A und andere wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1 und 143, zweiter Fall, StGB. und anderer Delikte über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Hans Walter B sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten Walter A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 29.Mai 1980, GZ. 20 a Vr 285/80-54, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Doczekal und Dr. Winterstein und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten Hans Walter B wird dahin Folge gegeben, daß die über ihn verhängte Freiheitsstrafe auf 7 1/2 (siebeneinhalb) Jahre herabgesetzt wird.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten Walter A verhängte Freiheitsstrafe auf 7 1/2 (siebeneinhalb) Jahre erhöht wird.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen den beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 25.Juni 1955 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Walter A und der am 10.Dezember 1953 geborene Vertreter Hans Walter B auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1 und 143, zweiter Fall, StGB., Hans Walter B als Beteiligter nach dem § 12 (dritter Fall) StGB., sowie des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1

lit. a WaffenG. schuldig erkannt.

Nur der Angeklagte Hans Walter B bekämpft mit seiner auf die Z. 6, 8

und 12 des § 345 Abs. 1 StPO.

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde seinen Schuldspruch wegen des Verbrechensfaktums.

In Ausführung des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes wird eine Verletzung der Vorschriften über die Fragenstellung behauptet, weil in der nur den Mitangeklagten Walter A betreffenden Hauptfrage I (nach dem Verbrechen des versuchten schweren Raubes) im Zusammenhang mit dem dort angeführten (ein gesetzliches Merkmal des vorerwähnten Delikts darstellenden) Bereicherungsvorsatz auch der Name des Beschwerdeführers angeführt worden sei, auf dessen (unrechtmäßige) Bereichung sich - nach der erwähnten Frage - der Vorsatz des Mitangeklagten A - über dessen eigene unrechtmäßige Bereicherung hinaus - gleichfalls bezogen habe. Der nach den Verfahrensergebnissen, insbesondere auf Grund der Verantwortung des Mitangeklagten A jedenfalls gebotenen Bejahung dieser insoweit auch ihn berührenden Hauptfrage I komme aber - so meint der Beschwerdeführer - auch für die Annahme seiner (Mit-) Schuld (an dem vom Angeklagten A verübten Raubüberfall) eine präjudizielle Wirkung zu, weil dadurch den Geschwornen eine selbständige - von der Beantwortung der den Mitangeklagten A betreffenden Schuldfrage in Richtung des versuchten schweren Raubes unabhängige - Entscheidung der ihn berührenden Hauptfrage II unmöglich gemacht worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Vorbringen geht fehl.

Zunächst übersieht der Beschwerdeführer, daß nach dem Inhalt der von den Geschwornen bejahten Hauptfrage I auch in Ansehung des Bereicherungsvorsatzes nur über das Vorhaben des Angeklagten Walter A und keineswegs auch über jenes des Beschwerdeführers, dessen Mitschuld am Raubfaktum dadurch überhaupt nicht berührt werden konnte, erkannt wurde und schon deshalb die selbständige Prüfung einer Tatbeteiligung des Beschwerdeführers an der (letztlich nur im Versuchsstadium gebliebenen) Raubtat des Mitangeklagten Walter A durch die Geschwornen an Hand der (nur den Beschwerdeführer betreffenden) Hauptfrage II jedenfalls erforderlich war. Außerdem durften die Geschwornen - wie auch für sie als Laien unschwer zu erkennen war - bei Prüfung der einzelnen, für jeden Angeklagten gesondert gestellten Schuldfragen keine der im Fragenschema enthaltenen Fragen außer Betracht lassen; sie hatten vielmehr insoweit vom gesamten, ihnen zur Beantwortung vorgelegten Fragenschema als Einheit auszugehen, sodaß auch schon unter diesem Aspekt angesichts der (stimmeneinhellig) bejahten Hauptfrage II von einer durch die Bejahung der den Mitangeklagten A betreffenden Hauptfrage I ausgelösten präjudiziellen Wirkung für den Beschwerdeführer keine Rede sein kann. Im übrigen wäre den Geschwornen im Fall der Verneinung eines auch auf unrechtmäßige Bereicherung des Beschwerdeführers gerichteten Vorsatzes des Mitangeklagten Walter A die Möglichkeit einer nur einschränkenden Bejahung der Hauptfrage I (etwa durch den Hinweis, daß Walter A nur seine eigene unrechtmäßige Bereicherung angestrebt habe) offen gestanden (§ 330 Abs. 2 StPO.), worüber sie auch ausdrücklich belehrt wurden (vgl. die in Form eines Vordrucks der schriftlichen Rechtsbelehrung angeschlossene und darin den Geschwornen ausdrücklich zur Beachtung vorgeschriebene 'Allgemeine Rechtsbelehrung für die Geschwornen', erliegend in der Beilagenmappe zu ON. 53).

In Erwiderung auf das weitere Beschwerdevorbringen zum geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der Z. 6 des § 345 Abs. 1 StPO. ist darauf zu verweisen, daß schon durch die gesonderte, die Beteiligung des Beschwerdeführers an der (versuchten) Raubtat des Mitangeklagten A betreffende Fragestellung an die Geschwornen in Form der (zufolge der Bestimmung des § 312 StPO. jedenfalls gebotenen) Hauptfrage II dem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung, insbesondere der im Raubfaktum leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers, ausreichend Rechnung getragen wurde. Wären die Geschwornen dieser Verantwortung gefolgt, hätte dies in einer - ihnen offengestandenen - Verneinung der Hauptfrage II seinen Niederschlag finden müssen. Eine weitere, vom Beschwerdeführer überdies mit dem Hinweis, daß nach den Verfahrensergebnissen der Erstangeklagte von sich aus bereits fest zur Tat entschlossen gewesen sei, angestrebte Eventualfrage (§ 314 StPO.) in Richtung eines von ihm zur (versuchten) Raubtat des Mitangeklagten A geleisteten (sonstigen) Tatbeitrages kam hier von vornherein nicht in Betracht; zielte doch die Hauptfrage II ohnedies auf eine Beitragstäterschaft des Beschwerdeführers im Sinn des § 12, dritter Fall, StGB. und nicht auf eine nach den Verfahrensergebnissen gar nicht aktuelle Bestimmungstäterschaft nach dem § 12, zweiter Fall, StGB. ab. Es liegt aber auch der Nichtigkeitsgrund der Z. 8

des § 345 Abs. 1 StGB. nicht vor, den der Beschwerdeführer in einer seiner Auffassung nach einer Unrichtigkeit gleichkommenden Unvollständigkeit der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung erblickt.

Die von ihm vermißten Ausführungen über die Straflosigkeit eines bloß versuchten (sonstigen) Tatbeitrages in der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung hatten zu unterbleiben, weil nach dem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung eine bloß versuchte und demnach - entsprechend dem Grundsatz der beschränkten (quantitativen) Akzessorietät einer Täterschaft durch sonstigen Tatbeitrag im Sinn des dritten Falles des § 12 StGB. - straflose Beitragstäterschaft des Beschwerdeführers angesichts des (im gesamten Verfahren nicht in Frage gestellten) Umstandes, daß die vom Beschwerdeführer - unter anderem durch Beistellung einer Waffe - geförderte Raubtat des Mitangeklagten objektiv jedenfalls das Versuchsstadium erreichte, im gegenständlichen Verfahren niemals aktuell war.

Es waren aber der Auffassung des Beschwerdeführers zuwider auch nähere Ausführungen in der Rechtsbelehrung darüber entbehrlich, ob die Begehung eines Raubes mit einer ungeladenen und vom Täter mangels verfügbarer Munition im Tatzeitpunkt auch nicht sofort schußbereit zu machenden Pistole bereits dem im § 143 StGB. beschriebenen (strafsatzerhöhenden) Qualifikationsmerkmal eines 'unter Verwendung einer Waffe' verübten schweren Raubes entspricht. Denn der Oberste Gerichtshof stellte durch die in einem verstärkten

Senat gefällte Entscheidung vom 11.September 1978, 12 Os 59/78 =

ÖJZ-LSK. 1978/293 =

EvBl. 1978/175, klar, daß die Qualifikation nach dem § 143, zweiter Fall, StGB. auch dann vorliegt, wenn, wie vorliegend durch den Mitangeklagten A, bei Verübung eines Raubes unter Verwendung einer Schußwaffe als Drohmittel diese Schußwaffe zur Tatzeit - für den Bedrohten nicht erkennbar - ungeladen war und auch nicht sofort schußbereit gemacht werden konnte.

Im Hinblick darauf, daß es somit für die Annahme der vorerwähnten Qualifikation nach dem § 143, zweiter Fall, StGB. unerheblich ist, ob die vom Täter bei Verübung der Raubtat (tatsächlich) als Mittel zur Drohung verwendete Schußwaffe geladen oder ungeladen war (oder sogleich schußbereit gemacht werden konnte), bedurfte es demnach darüber im Schuldspruch auch keines im besonderen darauf Bezug nehmenden und durch den Wahrspruch der Geschwornen gedeckten Ausspruchs, sodaß auch die gegen die Annahme der Qualifikation nach dem § 143, zweiter Fall, StGB.

gerichtete und auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 12 des § 345 Abs. 1 StPO. gestützte Rechtsrüge des Beschwerdeführers versagt; erschöpft sie sich doch nur in dem nach dem Vorgesagten für die rechtliche Beurteilung bedeutungslosen Einwand, der Mitangeklagte A habe bei Verübung der Raubtat bloß eine ungeladene Pistole verwendet, für die er keine Munition besaß. Ein bei Prüfung eines behaupteten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erforderlicher Vergleich des Wahrspruchs mit dem darauf angewendeten Strafgesetz zeigt demnach, daß dem Geschwornengericht auch bei der Annahme der vorerwähnten, vom Beschwerdeführer bekämpften Qualifikation (nach dem § 143, zweiter Fall, StGB.) kein Rechtsirrtum unterlief. Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Hans Walter B war darum zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über die beiden Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB. Freiheitsstrafen, und zwar über Walter A in der Dauer von fünf und über Hans Walter B in der Dauer von neun Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die jeweils mehrfachen einschlägigen Vorstrafen und im Fall B überdies die Verleitung des A als erschwerend. Als mildernd fand demgegenüber bei beiden Angeklagten der Umstand Berücksichtigung, daß es im Verbrechensfaktum beim Versuch blieb. A hielt das Erstgericht ferner zugute, daß 'er sich an der Grenze des leichten Schwachsinns befindet' und durch B zur Tat verführt wurde.

Während die Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel eine Erhöhung der über Walter A verhängten Strafe begehrt, strebt Hans Walter B mit seiner Berufung eine Herabsetzung des Strafausmaßes an. Beide Berufungen sind berechtigt.

Zunächst bleibt festzuhalten, daß bei A der Milderungsgrund der Verführung durch B nach Lage der Akten nicht gegeben ist (vgl. S. 162, 264 ff.) und daher auch der korrespondierende Erschwerungsgrund der Verleitung des A im Fall B zu entfallen hat.

Ferner kann A, insbesonders unter Bedachtnahme auf den Typus der von ihm zu verantwortenden Delikte und die Tatmodalitäten, nach dem Wortlaut der Gutachten der medizinischen Sachverständigen (ON. 57 und 58) der Milderungsgrund der Verstandesschwäche nicht zugebilligt werden.

In sorgfältiger Abwägung der korrigierten Strafzumessungsgründe erweist sich - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Vorstrafenbelastung - der von beiden Angeklagten zu verantwortende Handlungs- und Erfolgsunwert als ungefähr gleich und eine Strafdauer von je siebeneinhalb Jahren als tatschuldangemessen. In diesem Sinn war den Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten B Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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