OGH 12Os59/78

OGH12Os59/7811.9.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 1978 in einem verstärkten Senat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, der Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neutzler, Dr. Borutik, Dr. Obauer und Dr. Racek sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Harbich, Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter und des Richteramtsanwärters Dr. Seidl als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter A* wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 17. Jänner 1978, GZ. 5 Vr 732/77‑58, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung der Vorträge der Berichterstatter, der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral und Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Kurt Zerdik, der Ausführungen des Ersten Stellvertreters des Generalprokurators Dr. Ferdinand Stigelbauer sowie in Gegenwart des Generalanwaltes Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1978:0120OS00059.78.0911.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Entscheidungsart: Verstärkter Senat

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 8. Februar 1960 geborene, zu den Tatzeiten noch jugendliche Hilfsarbeiter Peter A*

zu A) des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB.,

zu B) I und II des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB. Und

zu C) und D) des Vergehens der teils vollendeten (C), teils versuchten (D) entgeltlichen Förderung fremder Unzucht nach §§ 214 und 15 StGB. schuldig erkannt. Vom weiteren Anklagevorwurf des Vergehens der Entziehung eines Minderjährigen aus der Macht des Erziehungsberechtigten nach § 195 Abs. 1 und Abs. 3 StGB. wurde der Angeklagte hingegen gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes bemerkte der Angeklagte am 11. Mai 1977 in einem Park in W* am Finger der am 19. April 1962 geborenen Sylvia B* einen goldenen Ring, den er haben wollte. Als ihm das Mädchen den Ring nicht gab, zog er eine Gaspistole aus dem Hosenbund, drückte den Lauf der Waffe auf die Brust der B* und äußerte: 'Ich zähle bis drei, dann ist er herunten '

Als der Angeklagte auch noch den Hahn der Pistole spannte, gab das Mädchen, das die Pistole für eine Schußwaffe gehalten hatte, aus Angst, er könnte abdrücken, den Ring dem Angeklagten, der ihn an den kleinen Finger seiner linken Hand steckte und ihn auch auf Bitten des Mädchens nicht zurückgab (Faktum A des Schuldspruches). Der Angeklagte forderte vielmehr Sylvia B*, mit dem Vorsatz, sie der entgeltlichen Unzucht zuzuführen, auf, 'in die Hacken zu gehen'. Er packte das Mädchen gewaltsam an der Hand, zerrte es in den Schweizer Garten und nahm dort von seinem Vorhaben nur Abstand, weil er Angst hatte, daß Kriminalbeamte in der Nähe sind (B II und D des Schuldspruches). Am 13. Mai 1977 forderte der Angeklagte, in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Johann C*, neuerlich B* mit der Drohung, sie sonst niederzuhauen, auf, mitzugehen, um sie dem 'Gassenstrich' zuzuführen. Sylvia B* folgte aus Angst, mißhandelt zu werden, äußerte aber unterwegs mehrmals, daß sie nach Hause gehen möchte. Johann C* brach ihren Widerstand dadurch, daß er ihr gegenüber Gebärden des Schlagens machte. Der Angeklagte und C* forderten B* in drohendem Ton auf, mit dem - abgesondert verfolgten - Jusuf D* mitzugehen, um mit ihm einen Geschlechtsverkehr durchzuführen, wofür D* 500 S dem C* als vereinbarte Entlohnung gab. Da B* von C* mit den Worten 'Mach ja keine Linke, sonst würgen wir dich ab, und sag ja niemandem etwas', bedroht wurde, eine Drohung, die der Angeklagte noch durch die Bemerkung 'Besser abschießen, das ist stärker und schneller' verstärkte, gab sie dem Zwang nach und folgte Jusuf D* nach G*, wo dieser mit ihr 'Unzucht trieb'. Die an sich bestehende Möglichkeit davonzulaufen, ließ die Zeugin aus Angst vor dem Angeklagten und C* ungenützt. Bevor sie D* verließ, erhielt sie von ihm noch 400 S (B I und C des Schuldspruches). Den schuldigsprechenden Teil des Erkenntnisses (der Sache nach mit Ausnahme des Schuldspruchs wegen des Vergehens der entgeltlichen Förderung fremder Unzucht nach § 214 StGB. in bezug auf das Faktum C) bekämpft der Angeklagte mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Ziffernmäßig unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO., inhaltlich jedoch einen Feststellungsmangel im Sinne des materiellen Nichtigkeitsgrundes der Z. 10 der genannten Gesetzesstelle relevierend, rügt der Beschwerdeführer, das Erstgericht habe den Wert des geraubten goldenen Ringes nicht festgestellt (Faktum A des Schuldspruches). Denn, so führt er den auch ziffernmäßig geltend gemachten Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. aus, ob es sich bei dem erwähnten Ring um eine 'Sache geringen Wertes' handle, komme entscheidende Bedeutung bei der Lösung der Rechtsfrage zu, ob die Tat als 'minderschwerer Raub' im Sinne des § 142 Abs. 2 StGB. zu beurteilen sei. Erhebliche Gewalt, die § 142 Abs. 2 StGB. ausschließe, sei aber nicht angewendet worden, wenn mit einer ungeladenen Gaspistole - nach Ansicht des Beschwerdeführers keine Waffe im Sinne des § 143 StGB. - gedroht wurde.

Rechtliche Beurteilung

Für die Beurteilung des vorliegenden Falles ist die Frage entscheidend, ob die Drohung mit einer ungeladenen Gaspistole - das Erstgericht hat keine Feststellung getroffen, ob die Gaspistole bei der Tat geladen war - als Verwendung einer Waffe im Sinne des § 143 StGB. anzusehen ist, schließt doch schwerer Raub die privilegierte Beurteilung nach § 142 Abs. 2 StGB. aus.

Entgegen der in den Urteilsgründen zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht des Erstgerichtes kann zunächst das Vorliegen der Voraussetzungen des § 142 Abs. 2 StGB. nicht mit der Begründung verneint werden, daß angesichts der Bedrohung des Opfers mit einer Gaspistole von Anwendung erheblicher Gewalt gesprochen werden müsse. Mittel der Begehung eines Raubes kann Gewalt (gegen eine Person) oder Drohung (mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben) sein. Unter Gewalt ist die Anwendung physischer Kraft von gewisser Schwere zu verstehen, die geeignet ist, den Widerstand des Opfers zu brechen. 'Erhebliche Gewalt' setzt voraus, daß überhaupt Gewalt angewendet wurde. Von erheblicher Gewalt kann aber keine Rede sein, wenn - wie im vorliegenden Fall - Mittel der Tatbegehung gar nicht Gewalt, sondern (gefährliche) Drohung war. Bei der Begehung eines Raubes (nur) mit Drohung ist aber, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 142 Abs. 2 StGB. zutreffen, die Anwendung dieser Gesetzesstelle niemals ausgeschlossen, auch wenn es sich um eine schwere Drohung, z.B. um eine Drohung mit dem Tod, handelt.

Ein Raub, der unter Verwendung einer Waffe verübt wird - die anderen im § 143 StGB. angeführten Fälle des schweren Raubes kommen hier nicht in Betracht -, schließt jedoch die Privilegierung nach § 142 Abs. 2 StGB. aus.

Die Frage, ob die Drohung mit einer ungeladenen Gaspistole, oder überhaupt mit einer ungeladenen (oder funktionsuntüchtigen) Schußwaffe, die nicht sofort schußbereit gemacht werden kann, als Verwendung einer Waffe zu beurteilen ist, wird von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes divergierend beantwortet.

Der 13. Senat vertritt die Rechtsmeinung, daß § 143 StGB. auf die erhöhte objektive Gefährlichkeit der Tat abstelle, daher eine ungeladene Schußwaffe noch keine Waffe im Sinne der Gesetzesstelle darstelle, sofern der Täter nicht in der Lage ist, sie sofort schußfertig zu machen (13 Os 41/77 = ÖJZ-LSK. 1977/165, 166 = RiZ. 1977/55 = JBl. 1977, 545, in diesem Sinne auch 13 Os 146/77 = ÖJZ-LSK. 1978/47, 48, 13 Os 15/78, 11 Os 169/75, 11 Os 138/76 - betreffend § 129 Z. 4 StGB. -, 12 Os 128/77 = ÖJZ-LSK. 1977/346, 352 = EvBl. 1978/34).

Hingegen ist nach Meinung des 10. Senates für die Qualifikation eines Gegenstandes als Waffe im Sinne des § 143 StGB., dessen Verwendung im Sinne des Raubtatbestandes maßgebend. Auch die Drohung mit einer ungeladenen oder funktionsunfähigen Schußwaffe sei geeignet, beim Bedrohten den Eindruck der unmittelbaren Verwirklichung des angedrohten übels zu erwecken (10 Os 59/76 = ÖJZ-LSK. 1976/285 = RiZ. 1976/106, 10 Os 141/77 = ÖJZ-LSK. 1978/79, 80, ebenso 12 Os 133/76).

Die neuere österreichische Lehre hat sich mit der gegenständlichen Frage noch nicht eingehend befaßt. Leukauf-Steininger (724) geben nur die Rechtsprechung zu § 192 StG. (SSt. 31/108) wieder. Foregger-Serini erläutern in der ersten Auflage zu § 143 StGB., daß die Waffe beim Raub verwendet werden müsse; die Waffe werde auch dadurch verwendet, daß mit ihr gedroht wird. In der 2. Auflage wird hingegen zu § 143 ausgeführt:

'Andererseits scheint die Rechtsprechung nunmehr entgegen RiZ. 1976/106, ÖJZ-LSK. 1976/56, 285, sich darauf festlegen zu wollen, daß ungeladene Schußwaffen (ÖJZ-LSK. 1977/165), Pistolenattrappen (ÖJZ-LSK. 1977/166) und Gaspistolen' - gemeint sind offenbar ungeladene Gaspistolen - 'aus dem Waffenbegriff des § 143 ausscheiden (RiZ. 1977/55)'. Mayerhofer-Rieder schreiben lediglich, daß das bloße Mitführen einer Waffe noch keine Verwendung sei (RV. 290), die Waffe müsse vielmehr bei der Ausführung des Raubes verwendet werden, zumindest müsse der Versuch des Waffeneinsatzes am Tatort gegeben sein (Anm. 1 zu § 143 StGB.). Reissig-Kunst zitieren Entscheidungen zu § 143 StGB. Die Entscheidung RiZ. 1976/106 ('Die Drohung mit dem Gebrauch einer Pistole als Schußwaffe stellt sich auch dann als Verwendung einer Waffe dar, wenn die Pistole nicht geladen ist'), wird mit einem Fragezeichen kommentiert. Kienapfel, BT I, 146, 147 führt zum schweren Hausfriedensbruch aus, daß bei § 109 Abs. 3 Z. 2 StGB. der gesteigerte Unwert in der erhöhten Gefährlichkeit von Tat und Täter liege, wobei es allerdings gleichbleibe, ob die Waffe oder das andere Mittel im Sinn dieser Gesetzesstelle als Gewaltmittel oder nur zum Zweck bloßer Einschüchterung eingesetzt werden soll.

Eine Scheinwaffe oder eine nicht mit Munition ausgestattete Pistole begründen keine erhöhte objektive Gefährlichkeit.

Schon zum StG. (Strafgesetz 1945) wurde in der Lehre und (dies allerdings vereinzelt) auch in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß die Qualifikation nach § 192 zweite Alternative StG. bereits dann gegeben sei, wenn der zur räuberischen Drohung verwendeten Waffe die Eignung, jemanden zu töten, im konkreten Fall nicht zukam, sofern nur der Bedrohte die Ungefährlichkeit der Waffe nicht erkennen konnte (vgl. Finger II, 484; Altmann-Jacob I, 537; Malaniuk II/1, 253; SSt. 16/52). Die überwiegende und zuletzt herrschende Rechtsprechung (SSt. 19/17, 31/108, EvBl. 1973/302 u.a.) verstand unter 'mörderischen Waffen' im Sinn dieser Gesetzesstelle Waffen, die geeignet sind, bei bestimmungsgemäßer Verwendung (als Angriffswaffen) den Tod eines Menschen herbeizuführen und die bei ihrer Verwendung (als Mittel der Drohung) so beschaffen sind, daß der Täter sofort von ihr Gebrauch machen kann. Demzufolge wurde eine ungeladene Schußwaffe nicht als mörderische Waffe angesehen.

Während § 192 StG. 1945 die Tatbegehung auf mörderische Waffen abgestellt hat, somit auf die Eignung der Waffe einen besonders schweren Erfolg herbeizuführen, spricht § 143 StGB. nur mehr von der Verwendung einer Waffe schlechthin. Der Waffenbegriff im neuen Recht ist somit vom Gesetzgeber bewußt weiter gefaßt als im alten Recht.

Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung zu beseitigen oder herabzusetzen, sind nach dem Sprachgebrauch (siehe unter 'Waffen', Brockhaus, Enzyklopädie, 17. Auflage) aber auch im Sinne der Begriffsbestimmung des § 1 WaffenG. Waffen. Sie fallen daher auch unter den Waffenbegriff des § 143 StGB. Die Frage aber, ob nur Waffen im technischen Sinn oder auch andere Mittel als Waffen im Sinne der genannten Gesetzesstelle angesehen werden müssen (in diesem Sinn die einheitliche Judikatur des Obersten Gerichtshofes, EvBl. 1976/119 und zahlreiche andere Entscheidungen), ist nicht Gegenstand dieser Entscheidung, da Gaspistolen jedenfalls unter den Waffenbegriff des § 143 StGB. fallen. Eine Schußwaffe, und demgemäß auch eine Gaspistole - die sich von einer Schußwaffe nur dadurch unterscheidet, daß nicht ein fester Körper (Geschoß), sondern Gas durch einen Lauf in eine bestimmte Richtung verschossen werden kann - verliert nicht ihre Eigenschaft als Waffe, wenn sie nicht geladen ist (und auch nicht sofort schußbereit gemacht werden kann).

Unter Verwendung einer Waffe ist im Gegensatz zum Begriff des Waffengebrauches (wozu aber bei einer Schußwaffe auch die Abgabe eines ungezielten Schusses als Mittel der Drohung zu zählen wäre) nicht nur die Abgabe von (gezielten) Schüssen mit Schußwaffen oder das Zuschlagen bzw. Zustechen mit Hieb- und Stichwaffen zu verstehen, sondern auch die Benützung als Mittel der (qualifizierten) Drohung. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 143 StGB.: 'Wer einen Raub ... unter Verwendung einer Waffe verübt ...' Mittel zur Begehung eines Raubes (§ 142 Abs. 1 StGB.), auf den § 143 StGB. verweist, sind aber Gewalt (gegen eine Person) oder Drohung (mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben). Eine Waffe verwendet somit zum Raub auch, wer sie als Mittel der Drohung benützt. Das Gesetz stellt nicht darauf ab, ob der Täter den Vorsatz hat, die Waffe unter Umständen bestimmungsgemäß zu gebrauchen. Wenn jedoch die Waffe nur mitgeführt wird, ohne daß sie zumindest als Mittel der Drohung verwendet wird, liegt kein schwerer Raub vor.

Ebenso wie § 142 Abs. 1 StGB. die Anwendung von Gewalt und Drohung gleichstellt (der oft unterschiedliche Schuldgehalt kann nur bei der Strafbemessung Berücksichtigung finden), sieht das Strafgesetzbuch einen Unterschied zwischen Waffen, von denen auch bestimmungsgemäß Gebrauch gemacht werden kann, und Waffen, die nur als Mittel der Drohung verwendbar sind, nicht vor. Der Grund für die strengere Bestrafung eines Raubes unter Verwendung einer Waffe liegt in der erhöhten gefährlichen Beschaffenheit der Tat, in der in größerem Ausmaß gewährleisteten Aussicht des Täters zum Ziel (Bereicherung durch die Zueignung einer fremden beweglichen Sache) zu gelangen. Denn die Drohung mit einer Waffe, wenn es sich auch um eine ungeladene oder sonst funktionsuntüchtige Waffe handelt, ist im erhöhten Maße geeignet, beim Bedrohten die Vorstellung des unmittelbar bevorstehenden Eintrittes des angedrohten Übels zu erwecken. Aus diesem Grunde wurde vom Gesetzgeber auch der Raub in Gesellschaft eines oder mehrerer Beteiligter (§ 12 StGB.) als schwerer Raub qualifiziert, ohne daß darauf abgestellt ist, ob der oder die Beteiligten auch gewillt sind, erforderlichenfalls wirkliche Gewalt gegen den Bedrohten anzuwenden. Gerade beim Gesellschaftsraub spielt, wenn überhaupt, die höhere Gefährdung von Personen nur eine untergeordnete Rolle. Es ist daher auch für die strengere Bestrafung eines Raubes unter Verwendung einer Waffe nicht die größere Gefahr einer Verletzung oder Tötung eines Menschen entscheidend.

Der (noch) höhere Schuldgehalt bei Verwendung einer geladenen (Schuß‑) Waffe wird ebenso wie der tatsächliche Gebrauch einer Waffe - ohne daß eine der im § 143 zweiter und dritter Satz StGB. angeführten Folgen eintritt - bei der Strafbemessung zu berücksichtigen sein.

Die Verwendung einer Waffenattrappe (z.B. eines aus Holz geschnitzten Revolvers oder einer Kinderspritzpistole) ist hingegen nicht nach § 143 StGB. qualifiziert, weil einer solchen Attrappe der Waffencharakter fehlt. Desgleichen ist das Vortäuschen einer Waffe, - z.B. durch Ansetzen eines Schlüssels am Rücken des Bedrohten - ebenso wie das Erwecken der (unrichtigen) Annahme, der Raub werde in Gesellschaft von Beteiligten begangen, nicht ausreichend. In diesen Fällen wird eben keine Waffe verwendet, beziehungsweise liegt keine Gesellschaft vor.

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß im vorliegenden Fall die Feststellung des Wertes des geraubten Goldringes - der nach den in dieser Richtung unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes keineswegs wertlos war - zur Beurteilung, ob es sich um eine Sache geringen Wertes im Sinne des § 142 Abs. 2 StGB. handelt, nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung ist. Dem Urteil haftet somit kein Feststellungsmangel - und somit auch kein Begründungsmangel des Ausspruches über entscheidende Tatsachen - an. Denn, wie vorstehend dargelegt, wurde der dem Beschwerdeführer angelastete Raub (durch Drohung) unter Verwendung einer Waffe verübt, sodaß die rechtliche Beurteilung der vom Schöffengericht festgestellten Tat als sogenannter 'minderschwerer Raub' nach dem § 142 Abs. 2 StGB. wegen Vorliegens (sogar) eines 'schweren Raubes' im Sinne des § 143 StGB. - woraus der Oberste Gerichtshof jedoch mangels Anfechtung durch den öffentlichen Ankläger wegen des Verbotes der reformatio in pejus keinerlei Konsequenzen zu ziehen berechtigt ist, welche die Stellung des Beschwerdeführers im Verhältnis zu der durch das erstgerichtliche Urteil geschaffenen Situation verschlechtern würde - ausscheidet.

Mit dem weiteren Vorbringen, der auslösende Effekt für die Ausfolgung des Ringes sei nicht die Bedrohung mit der Pistole, sondern eine Ohrfeige gewesen, die die Zeugin vom Angeklagten erhalten habe, weicht der Beschwerdeführer von der Feststellung des Erstgerichtes ab, daß die Drohung mit der Pistole der Grund für die Ausfolgung des Ringes war. Er führt somit insoweit den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund (§ 281 Abs. 1 Z. 10 StPO.) nicht dem Gesetz gemäß aus.

In Ansehung des Urteilsfaktums B I (Schuldspruch wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB.) macht der Beschwerdeführer unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. als Begründungsmangel geltend, daß sich das Erstgericht nicht mit den (in der Hauptverhandlung verlesenen) Angaben des abgesondert verfolgten Mittäters Johann C* (vor dem Untersuchungsrichter) auseinandergesetzt habe, wonach dieser Sylvia B* darüber informierte, es würden im Falle eines Geschlechtsverkehrs mit Jusuf D* auch für sie 500 S 'herausspringen', was auch Sylvia B* als Zeugin insoweit bestätigt habe, als sie ihrer Aussage zufolge von D* für die Gestattung des Geschlechtsverkehrs Geld erhalten sollte; hieraus ergebe sich, daß die Zeugin B* selbst aus der Beziehung zu Jusuf D* einen Vermögensvorteil herausschlagen wollte, was im Widerspruch zu ihren Behauptungen stehe, durch Drohungen zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden zu sein.

Ein Widerspruch der behaupteten Art liegt jedoch nicht vor, da für eine Frau, trotz der Zusage, für einen angestrebten Geschlechtsverkehr Geld zu erhalten, nicht dieses Versprechen, sondern allein eine ebenfalls geäußerte gefährliche Drohung für ihre Einwilligung bestimmend sein kann. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht in diesem Sinne festgestellt, daß Sylvia B* zunächst einen Geschlechtsverkehr oder sonstige Intimitäten mit D* ablehnte und nach Hause gehen wollte, ihr Widerstand jedoch durch die Drohungen des Beschwerdeführers und dessen Mittäters gebrochen wurde. Ausgehend von diesen vom Erstgericht eingehend und den Denkgesetzen entsprechend begründeten Feststellungen bedurfte es aber keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Frage, ob dem Mädchen außerdem auch Geld für Intimitäten mit Jusuf D* versprochen wurde.

Soweit der Beschwerdeführer aber in Ansehung des Faktums B II. des Schuldspruches mit dem Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. die Behauptung aufstellt, das Tatbild des vom Erstgericht angenommenen Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB. sei von ihm nicht verwirklicht worden, da er keine physische Gewalt gegen die Zeugin B* ausgeübt habe, sondern es allein eine andere Person (nämlich der Zeuge Leopold F*) gewesen sei, die sie bei der Hand genommen habe - womit er implicite auch bestreitet, im Sinne des Punktes D des Schuldspruches versucht zu haben, durch das eingangs genannte Verhalten Sylvia B* der Unzucht mit einer anderen Person zuzuführen (§ 15, 214 StGB.) - bringt er den angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, da er von urteilsfremden Tatsachenannahmen, nicht aber von den Feststellungen des Erstgerichtes, er (Peter A*) habe die Zeugin gewaltsam an der Hand gepackt und sie in den Schweizergarten gezerrt, ausgeht.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Der Angeklagte wurde nach den § 142 Abs. 1, 28 StGB. und 11 JGG. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechzehn Monaten verurteilt.

Bei der Strafbemessung hat das Schöffengericht zwei einschlägige Vorstrafen, den raschen Rückfall, das Zusammentreffen von drei Delikten und die Wiederholung als erschwerend, die ungünstigen häuslichen Erziehungsverhältnisse des Angeklagten und den Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist, als mildernd angenommen.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Daß sich der Angeklagte nach seinem Vorbringen um eine geeignete Arbeit bemüht hat, kann nicht als Milderungsumstand gewertet werde, da ein solches Verhalten von jedem arbeitsfähigen Menschen zu erwarten ist. Auch kann von einer nur untergeordneten Beteiligung am Vergehen der Förderung fremder Unzucht (Schuldspruchfaktum C) nicht mit Recht gesprochen werden. Der Angeklagte war vielmehr maßgeblich an dieser Tat beteiligt, auch wenn das Entgelt von C kassiert wurde. Das Erstgericht hat mithin die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig erfaßt und gewürdigt. über den Angeklagten wurden bereits zweimal wegen auf derselben schädlichen Neigung beruhenden Straftaten längere Freiheitsstrafen verhängt, diese jedoch bedingt nachgesehen.

Trotzdem ist er sehr rasch rückfällig geworden. Die vom Erstgericht verhängte Strafe ist somit keineswegs zu hoch, sie ist vielmehr schuldangemessen und unbedingt erforderlich, um den angestrebten Resozialisierungserfolg zu erreichen.

Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der im Spruch angeführten Gesetzesstelle.

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