OGH 13Os119/80

OGH13Os119/8023.10.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Oktober 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Walenta, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Robert A wegen des Vergehens der sittlichen Gefährdung Jugendlicher nach § 208 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengerichts vom 22.Oktober 1979, GZ. 23 Vr 485/79-19, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Adam und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten Robert A die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 3.Juni 1942 geborene Hilfsarbeiter Robert A und dessen Lebensgefährtin, die am 14.Jänner 1940 geborene Hausfrau Emma B, der Vergehen der sittlichen Gefährdung Unmündiger oder Jugendlicher nach dem § 208 StGB. (Punkt A des Urteilssatzes), der Nötigung zur Unzucht nach dem § 204 Abs. 1 StGB. (Punkt B des Urteilssatzes) und des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 Abs. 1 StGB., Emma B zum Teil auch in Form der Beteiligung gemäß dem § 12 (dritte Alternative) StGB.

(Punkte C und D des Urteilssatzes), schuldig erkannt. Nach dem Inhalt dieser Schuldsprüche nötigten die Angeklagten im Jahre 1978 die am 11.Oktober 1963 geborene Sieglinde B zur Unzucht, indem Robert A sich auf die Beine der Minderjährigen kniete, mit dem Finger in ihre Scheide eindrang und sie an der entblößten Brust betastete, während Emma B die Arme des Mädchens auf dem Kopf niederhielt (Urteilsfaktum B). Durch diese Tathandlungen, sowie dadurch, daß im Jahre 1978 Robert A wiederholt einen Finger oder einen Massagestab in die Scheide der Sieglinde B einführte und ihre entblößte Brust betastete, wozu Emma B jeweils durch die Aufforderung, sich zu ihr und Robert A ins Ehebett zu legen, beitrug, mißbrauchten die Angeklagten, Robert A unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner Erziehung und Aufsicht unterstehenden Minderjährigen und Emma B als leibliche Mutter der Sieglinde B, diese zur Unzucht (Urteilsfakten C und D). Im Anschluß an diese Handlungen führten die Angeklagten vor der ihrer Erziehung unterstehenden Jugendlichen auch den Geschlechtsverkehr durch (Urteilsfaktum A/2).

Weiters wurde den Angeklagten als das Vergehen der sittlichen Gefährdung Unmündiger oder Jugendlicher nach dem § 208 StGB. zur Last gelegt, daß sie im Sommer 1978 Sieglinde B aufforderten, sich nackt auszuziehen und obszöne Stellungen einzunehmen, worauf Robert A von ihr mindestens zwei Aktfotos machte, und Emma B, ebenfalls nackt, der Minderjährigen einen mit Watte ausgestopften Büstenhalter umband und sich mit ihr zusammen fotografieren ließ (Urteilsfaktum A/1).

Während das Urteil hinsichtlich der Angeklagten Emma B unangefochten blieb, bekämpft es der Angeklagte Robert A in sämtlichen ihn betreffenden Schuldsprüchen mit einer auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Einen den Schuldspruch wegen Nötigung zur Unzucht (Urteilsfaktum B) betreffenden Begründungsmangel im Sinne des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes macht der Beschwerdeführer mit der Behauptung geltend, er habe zufolge der im Schlafzimmer herrschenden Dunkelheit nicht erkennen können, ob sich Sieglinde B gewehrt und seine Lebensgefährtin Emma B ihren Widerstand durch Festhalten an den Armen bzw. Niederhalten gebrochen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge versagt. Bei seiner polizeilichen Vernehmung gab der Beschwerdeführer - insoweit konform mit der Zeugenaussage der Sieglinde B (vgl. S. 21, 108 d.A.) -

ausdrücklich zu, wahrgenommen zu haben, daß Emma B ihre Tochter, da diese seiner Aufforderung, die Füße auseinanderzugeben, nicht oder nur zögernd nachgekommen sei und aus dem Bett springen wollte, in Rückenlage im Bett festgehalten habe (vgl. S. 43 d.A.). Zudem ging das Erstgericht von der in den Angaben der Sieglinde B (vgl. insb. S. 21 d.A.) Deckung findenden Annahme aus, daß der Angeklagte Robert A, um den Widerstand des Mädchens gegen eine 'Untersuchung' zu brechen, sich auf ihre Beine kniete, mithin auch selbst Gewalt anwendete.

Daß diese Tathandlung des Beschwerdeführers nur im Urteilsspruch und nicht auch in den Entscheidungsgründen ausdrücklich Erwähnung findet, stellt im Hinblick darauf, daß Spruch und Gründe des Urteils eine Einheit bilden und die bezügliche Feststellung insbesondere durch den Hinweis der Urteilsgründe auf die Angaben der Zeugin Sieglinde B zureichend begründet wurde, den Beschwerdeausführungen zuwider, weder einen Feststellungsmangel noch einen formellen Begründungsmangel in der Bedeutung der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. dar.

Mit Beziehung auf diesen Nichtigkeitsgrund wendet sich der Beschwerdeführer ferner gegen die Annahme, er habe - entgegen seiner Verantwortung - die ihm angelasteten unzüchtigen Handlungen begangen, um sich (oder einen Dritten) geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen.

Hiebei übersieht der Beschwerdeführer zunächst, daß weder der Tatbestand der Nötigung zur Unzucht nach dem § 204 Abs. 1 StGB. noch jener des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 Abs. 1 StGB. für den hier allein in Betracht kommenden Deliktsfall des Mißbrauchs einer minderjährigen Person zur Unzucht ein Handeln des Täters in der genannten Absicht voraussetzt.

Genug daran, daß das Schöffengericht die Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe die Tochter seiner Lebensgefährtin nur auf ihre Jungfernschaft 'untersuchen', mithin keine Unzuchtshandlungen setzen wollen, mit mängelfreier Begründung für widerlegt erachtete. Lediglich beim Tatbestand nach dem § 208 StGB. muß es dem Täter darauf ankommen (§ 5 Abs. 2 StGB.), die Handlung vor dem Schutzobjekt vorzunehmen, um dadurch sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB.2, RN. 12 zu § 208

StGB.). Im übrigen haftet der erstrichterlichen Annahme, der Beschwerdeführer habe sämtliche unzüchtige Handlungen (auch) zum Zwecke seiner eigenen geschlechtlichen Erregung durchgeführt, ein Begründungsmangel nicht an. Das Gericht stützte sich hiebei insbesondere auf die Angaben der Mitangeklagten Emma B, die eine solche innere Tendenz für sich ausdrücklich eingestand und in Ansehung des vor ihrer Tochter mit ihrem Lebensgefährten vollzogenen Geschlechtsverkehr angab, schon dadurch erregt worden zu sein, daß jemand den Geschlechtsverkehr mithörte (vgl. S. 103, 120 d.A.).

Damit erweist sich aber auch der aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. erhobene, das Schuldspruchfaktum A/2 betreffende Beschwerdeeinwand, es läge keine sittliche Gefährdung im Sinne des § 208 StGB.

vor, weil Sieglinde B wegen der Dunkelheit beim Geschlechtsverkehr gar nicht zusehen und dessen Vollziehung in ein und demselben Raum nicht zu einer Gefährdung der sittlichen Entwicklung der - in den Geschlechtsverkehr nicht miteinbezogenen - Minderjährigen führen konnte, als nicht stichhaltig. Nach den Urteilsfeststellungen führten die Angeklagten den Geschlechtsverkehr zumindest einmal unmittelbar anschließend an die an Sieglinde B vorgenommenen Unzuchtsakte neben dem auf dem Ehebett sitzenden Mädchen, wenngleich bei Dunkelheit, durch (vgl. S. 105, 118 f. d.A.). Es kann daher vorliegend nicht davon die Rede sein, daß es bloß wegen der beengten Wohnverhältnisse zu einem Geschlechtsakt zwischen den Angeklagten in Gegenwart der Sieglinde B gekommen wäre und die Angeklagten nicht dessen Vornahme vor dem Mädchen bezweckt hätten. Daß derartige geschlechtliche Aktionen vor einer minderjährigen Person aber objektiv geeignet sind, deren sittliche Entwicklung zu gefährden, bedarf keiner näheren Erörterung.

Seinen Schuldspruch zum Punkt A/1 des Urteilssatzes bekämpft der Beschwerdeführer (der Sache nach nur) aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1

StPO. mit der Argumentation, daß die hergestellten Nacktfotos mit gegrätschten Beinen und ausgestopftem Büstenhalter nicht als Aufnahmen in obszöner Stellung angesehen werden können und deshalb der Tatbestand des § 208 StGB.

nicht erfüllt sei.

Auch in dieser Richtung kommt der Beschwerde im Ergebnis keine Berechtigung zu. Das Erstgericht übersah zwar, daß § 208 StGB. nicht auf unzüchtige Handlungen mit oder an einem Unmündigen oder Jugendlichen, sondern auf andere, einem pervertierten Geschlechtstrieb entspringende, vor Unmündigen oder Jugendlichen begangene Handlungen abstellt. Handlungen, an denen, wie bei dem gegenständlichen Vorfall, ein Unmündiger oder Jugendlicher aktiv oder passiv beteiligt ist, können daher diesem Tatbestand nicht unterzogen werden (vgl. 11 Os 95/78; Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB.2, RN. 1 zu § 208 StGB.). Wohl aber stellt das Fotografieren der minderjährigen Sieglinde B im nackten Zustand und in den vom Erstgericht festgestellten Posen (S. 117/118) einen Mißbrauch zur Unzucht i.S. des § 212 Abs. 1 StGB. dar. Zur Annahme eines 'Mißbrauchs zur Unzucht' ist zwar - wie das der erforderlichen deliktsspezifischen, am jeweiligen Schutzzweck der Norm zu orientierenden teleologischen Auslegung des in Rede stehenden Tatbestandsmerkmals entspricht (vgl. Leukauf-Steininger, a.a.O., RN. 4 zu § 203, Pallin im Wiener Kommentar zum StGB. RN. 6 zu § 203) - in der Regel ein körperlicher Kontakt zwischen Täter und Opfer erforderlich;

diese (nach dem Wortsinn der Norm nicht zwingende - vgl. Erl.Bem. zur RV. des StGB., 30 d.Beil. zu den sten. Prot. des NR., XIII. GP., S. 341) Interpretation gilt jedoch nicht ausnahmslos (vgl. Leukauf-Steininger, a.a.O., RN. 5 zu § 203, RN. 5 zu § 207, Mayerhofer-Rieder, Anm. 4 zu § 207, Reissig-Kunst3, Anm. 1 zu § 203). Das Betrachten und Fotografieren des vom Täter zum Entblößen des Unterkörpers, zum Auseinanderspreizen der Beine und zur Einnahme sexualbezogener Positionen, also zu einem gezielten Körpereinsatz zur Hervorhebung des Geschlechtlichen, veranlaßten Mädchens in diesen Stellungen ist, - wird auf den Sinn der hier auszulegenden Strafbestimmungen, (auch) die (durch vorzeitige Erlebnisse) ungestörte sexuelle Entwicklung junger Menschen zu schützen, Bedacht genommen - durchaus als einer von jenen Ausnahmefällen anzusehen, in denen die Tathandlungen (ohne Rücksicht auf die konkrete körperliche oder geistige Sexualreife des Mädchens) eine unzüchtige Beziehung zwischen Täter und Opfer herstellen und deshalb als 'Mißbrauch zur Unzucht' im Sinn des § 212 Abs. 1 (erster Deliktsfall) StGB. zu beurteilen sind (vgl. abermals Erl.Bem. a.a.O., S. 341, Leukauf-Steininger, a.a.O., RN. 4 zu § 203, Foregger-Serini2 Anm. I a.E. zu § 203; mit Bezug auf § 203 StGB. a.M. Pallin, a.a.O., RN. 5). Durch die Beurteilung dieses allen Tatbestandsmerkmalen des § 212 Abs. 1 StGB. entsprechenden Verhaltens als das - mit geringerer Strafe bedrohte - Vergehen der sittlichen Gefährdung Unmündiger oder Jugendlicher nach dem § 208 StGB. kann sich der Angeklagte nicht für beschwert erachten (§§ 282, 290 Abs. 2 StPO.).

Soweit der Beschwerdeführer schließlich die Behauptung aufstellt, die Tatbestände der §§ 204 Abs. 1 und 212 Abs. 1 StGB. seien nicht gegeben, ohne auch nur anzudeuten, in welchem Belange dem Gerichtshof ein Rechtsirrtum unterlaufen sein soll, fehlt es an einer gesetzmäßigen Ausführung dieser Rüge.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 28, 204 Abs. 1 StGB. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten. Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die Begehung durch längere Zeit und die Tatwiederholungen, als mildernd hingegen das Geständnis. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe und die bedingte Strafnachsicht an.

Der Angeklagte vermag in seiner Berufung nichts aufzuzeigen, was eine Strafminderung rechtfertigen könnte.

Nach Lage des Falles ist die verhängte Freiheitsstrafe, welche den im § 32 StGB. normierten allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung Rechnung trägt, vor allem im Hinblick auf die - durch die offenbare Erfolglosigkeit vorangegangener Abstrafungen gekennzeichnete - Täterpersönlichkeit des Angeklagten nicht überhöht.

Die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 StGB. sind im Hinblick auf die Vorstrafen des Angeklagten nicht gegeben.

Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

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