OGH 11Os95/78

OGH11Os95/784.7.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Juli 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Keller, Dr. Faseth und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Holeschofsky als Schriftführer in der Strafsache gegen Werner A wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 28.März 1978, GZ. 22 Vr 2822/77-7, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Hauer, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die Anzahl der Tagessätze auf 240 und demnach die Ersatzfreiheitsstrafe auf 120 Tage herabgesetzt werden. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 1.Februar 1959 geborene Maschinist Werner A des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Z 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch Berechtigung nicht zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Dem Vorbringen in der Mängelrüge, die Feststellungen über die am 2. November 1977 erfolgte Tathandlung fänden in den Ergebnissen des Beweisverfahrens keine Deckung, ist vorerst zu entgegnen, daß die entscheidungswesentliche Feststellung über ein 'Betasten' des Geschlechtsteils des am 18.Februar 1967 geborenen Siegfried B (S 43, 46, 47) dem Wortlaut und Sinngehalt nach mit dessen Angaben in der Hauptverhandlung, wonach der Angeklagte 'immer über der Unterhose auf sein (des Zeugen) Zipferl gegriffen' (S 36), 'immer nur mit ein paar Fingern auf sein Zipferl getupft', er nicht 'ungewollt hergegriffen', (sondern) dies 'ein paar Mal gemacht' habe (S 37), sowie mit den Aussagen der Mutter des Buben, Christine B, denen zufolge ihr Sohn ihr erzählte, daß der Angeklagte ihm mehrmals auf den Geschlechtsteil gegriffen und ihn am Oberschenkel gestreichelt habe (S 39), durchaus im Einklang steht.

Richtig ist zwar, daß der Zeuge Siegfried B in der Hauptverhandlung im Gegensatz zu seinen Angaben vor der Gendarmerie (S 14) ein 'Streicheln' (auch) des Geschlechtsteils sinngemäß verneint hat (S 37) und daß das Ersturteil, abweichend von der Annahme des Betastens, wie sie sich aus der im Spruch angeführten Tathandlung (S 43) und aus den Gründen (S 46 f) ergibt, an anderer Stelle auch die Feststellung des 'Streichelns' des Geschlechtsteils enthält (S 45). Dieser Widerspruch im Urteil ist jedoch nicht von Bedeutung, weil die Begriffe 'streicheln' und 'betasten' einander nach den Gesetzen logischen Denkens nicht ausschließen und deshalb ihr Nebeneinanderbestehen keinen formellen Begründungsmangel bedeutet (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2 Nr. 50 zu § 281 Abs. 1 Z 5 StPO) und im übrigen - wie auch die vom Zeugen Siegfried B, dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend, teils synonym verwendeten Worte 'greifen', 'tupfen' -

gleichartige und rechtlich gleichwertige Formen der körperlichen Berührung darstellen, die, sofern sie - wie bei Behandlung der Rechtsrüge noch näher auszuführen sein wird -

zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörende Körperpartien betreffen, objektiv als Unzuchtshandlungen anzusehen sind. Mit den weiteren Ausführungen in der Mängelrüge, wonach es deshalb, weil der Zeuge Siegfried B durch den Genuß eines halben Liters Bier in seiner Wahrnehmungsfähigkeit und in seiner 'Fähigkeit der Bewertung eigener Erlebnisse stark reduziert' gewesen sei, in erster Instanz der Beiziehung eines Sachverständigen bedurft hätte, bringt der Beschwerdeführer nicht den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO zur Darstellung (Gebert-Pallin-Pfeiffer, III/2 Nr. 35, 36 zu § 281 Abs. 1 Z 5 StPO). Ein entsprechender Beweisantrag, dessen Abweisung formell zur Verfahrensrüge nach dem § 281 Abs. 1 Z 4 StPO berechtigt hätte, wurde nicht gestellt. Abgesehen davon bietet die Aktenlage keinerlei Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Zeugen. Das situationsgemäße und realitätsbezogene Verhalten des Zeugen, der seinem Großvater von dem Vorfall unmittelbar danach erzählte, (S 15, 33) und sodann die Türe des Schlafzimmers, in welchem der Angeklagte verblieben war, von außen versperrte, setzt vielmehr ein im wesentlichen erhaltenes Unterscheidungsvermögen und Kritikvermögen voraus.

Die Mängelrüge schlägt somit fehl.

Mit der Rechtsrüge macht der Beschwerdeführer zunächst aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1

StPO geltend, daß die Urteilsannahmen 'kein auf die Geschlechtlichkeit unmittelbar gerichtetes Moment' enthalten, weshalb nach Meinung des Beschwerdeführers das Tatbild des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen mangels einer objektiven Verletzung der Sittlichkeit in geschlechtlicher Beziehung nicht verwirklicht sei.

Auch dieser Einwand versagt.

Der erste Deliktsfall des § 207 Abs. 1 StGB pönalisiert den auf andere Weise als durch Beischlaf erfolgten Mißbrauch eines Unmündigen zur Unzucht. Ein derartiger Mißbrauch zur Unzucht liegt dann vor, wenn - wie bereits angedeutet - zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörende Körperpartien des unmündigen Opfers oder des Täters mit dem Körper des anderen in eine, nicht bloß flüchtige, sexual sinnbezogene Berührung gebracht werden (ÖJZ-LSK 1976/79, 80, 1978/24 u.a.).

Dies trifft gegenständlich bei dem festgestellten - nach den Angaben des Zeugen Siegfried B sogar wiederholten -

Betasten dessen Geschlechtsteils und dem gleichzeitigen Streicheln seiner Oberschenkel, dem eine sich auf das Geschlechtsleben beziehende Frage des Angeklagten vorangegangen war, zu, weil diese Handlungen in ihrer Gesamtheit sich äußerlich erkennbar auf das Geschlechtliche bezogen und keineswegs als sexuell indifferent anzusehen sind (vgl. auch Leukauf-Steininger 942).

In subjektiver Hinsicht genügt für die Tatbildlichkeit nach dem § 207 Abs. 1, erster Fall, StGB der Vorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB) des Täters, der sich (neben der Unmündigkeit des Opfers) auf sein - objektiv eine Verletzung der Sittlichkeit in geschlechtlicher Hinsicht darstellendes - Tatverhalten bezieht. Dieser Vorsatz wurde gegenständlich vom Erstgericht festgestellt. Eines weiterreichenden Tätervorhabens, insbesondere einer auf geschlechtliche Erregung des Täters oder eines Dritten gerichteten Absicht, bedarf es - wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat - nicht (vgl. Leukauf-Steininger 943; ÖJZ-LSK 1975/143).

Entspricht das Verhalten des Angeklagten aber in objektiver und subjektiver Hinsicht dem Begriff des Mißbrauchs zur Unzucht nach dem erwähnten Tatbild, dann bleibt für die Subsumtion unter den Tatbestand der sittlichen Gefährdung Unmündiger nach dem § 208 StGB kein Raum. Denn dieser Tatbestand stellt - objektiv - nicht auf die Vornahme unzüchtiger Handlungen mit (oder an) Unmündigen, sondern schlechthin auf die Vornahme anderer, insbesondere einem pervertierten Geschlechtstrieb entspringenden, u.a. vor Unmündigen begangenen Handlungen ab, die geeignet sind, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung der Tatopfer zu gefährden, wobei gar nicht gefordert wird, daß es sich um eine Gefährdung in geschlechtlicher Hinsicht handelt (Foregger-Serini StGB2 S 356 f., Erl. I und II).

Damit erweist sich aber auch die weitere, subsidiär aus dem Gesichtspunkt des Nichtigkeitsgrundes der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO die Unterstellung des Tatverhaltens unter das Tatbild des § 208 StGB reklamierende Rechtsrüge des Beschwerdeführers, als verfehlt. Die sohin zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 207 Abs. 1 StGB, unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB, eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen, im Falle der Uneinbringlichkeit 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, wobei die Höhe des einzelnen Tagessatzes mit 110 S bemessen wurde.

Als erschwerend wertete das Schöffengericht hiebei keinen Umstand, während es das Alter des Angeklagten unter 21 Jahren als mildernd ansah.

Mit seiner Berufung strebt Werner A eine Herabsetzung der Geldstrafe, und zwar sowohl hinsichtlich der Zahl als auch der Höhe der Tagessätze an.

Die Berufung ist teilweise berechtigt.

Bei der Bestimmung der Anzahl der Tagessätze hat das Schöffengericht die auf einen im konkreten Fall nicht vorwerfbaren Alkoholgenuß zurückzuführende verminderte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten (§ 35 StGB) unberücksichtigt gelassen und dem Umstand, daß Werner A keine besonders gravierenden Unzuchtshandlungen zur Last liegen, zu wenig Rechnung getragen.

Der Oberste Gerichtshof sah sich daher zu einer Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze unter Berücksichtigung des Grades des Verschuldens des Angeklagten auf ein Ausmaß von 240 Tagessätzen veranlaßt.

Gegen die - im übrigen ohne Anführung konkreter Umstände bekämpfte - Höhe der einzelnen Tagessätze bestanden bei den sich aus dem Akt ergebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten keine Bedenken.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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