OGH 5Ob595/80

OGH5Ob595/809.9.1980

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Neutzler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold, Dr. Griehsler, Dr. Winkelbauer und Dr. Jensik als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Walter B*****, 2.) Ingrid B*****, beide vertreten durch DDr. Jörg Christian Horwath, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Parteien 1.) Anna G*****, 2.) Walter G*****, beide vertreten durch Dr. Peter Graus, Rechtsanwalt in Schwaz, wegen Unterlassung (Streitwert 80.000 S sA), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. Februar 1980, GZ 1 R 21/80-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 12. November 1979, GZ 10 Cg 533/79-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit 3.621,67 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 268,27 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuchs über die KatGem Weer, bestehend aus Gp Nr ***** (Wegparzelle) und Gp Nr *****. Die beklagten Parteien sind grundbücherliche Miteigentümer der benachbarten Liegenschaft EZ ***** der KatGem Weer, bestehend aus Gp Nr ***** (Erstbeklagte zu ¾ Anteilen, Zweitbeklagter zu ¼-Anteil).

Die Kläger begehrten mit der am 23. 8. 1979 eingebrachten Klage die Verurteilung der Beklagten, „die Gestattung der Zufahrt durch die Feriengäste, Pensionsgäste über die Gp Nr ***** zur Gp Nr ***** zu unterlassen." Dazu wurde vorgebracht, dass nur den Beklagten persönlich ein grundbücherlich einverleibtes Geh- und Fahrrecht über die Gp Nr ***** zustehe, bei dessen Einräumung von den Käufern der Gp Nr ***** lediglich die Errichtung eines Einfamilienhauses bekundet worden sei. Die Beklagten hätten aber ihr Einfamilienhaus zu einer Frühstückspension mit Zimmern und Ferienwohnungen erweitert. Dies habe zur Zufahrt von Pensionsgästen und anderen unbefugten Personen über den streitgegenständlichen Servitutsweg und damit zu einer unzulässigen Erweiterung des Geh- und Fahrrechts geführt. Überdies sei dieser Servitutsweg durch die zwischenzeitig erfolgte Schaffung einer direkten Zufahrt von der Liegenschaft der beklagten Parteien zur Vomper-Landesstraße völlig zwecklos geworden.

Die beklagten Parteien bestritten eine unzulässige Erweiterung der Servitut und verwiesen darauf, dass sie lediglich während der Sommermonate einige Fremdbetten vermieteten, wobei die Fremdengäste aber fast ausschließlich die eigene Zufahrt und nicht den Servitutsweg benützten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Die den klagenden Parteien gehörende Gp Nr ***** ist eine reine Wegparzelle. Mit Vertrag vom 2. 7. 1969 wurde der Erstbeklagten und den Rechtsvorgängern des Zweitbeklagten für dieses Grundstück das Recht der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrwegs mit allen Fahrzeugen eingeräumt. In diesem Vertrag wurde vermerkt, dass es sich hinsichtlich des Bauvorhabens der Käufer auf dem Baugrundstück gemäß Bauplan und Baubewilligung um ein Einfamilienhaus handle (Arbeiterwohnstätte). Damals war dieser Weg die einzige Zufahrt zum Grundstück der beklagten Parteien. Am 17. 7. 1970 wurde ihnen bewilligt, eine Zufahrt von der Vomper-Landesstraße (Bahnhofstraße) auf ihre direkt daran angrenzende Liegenschaft zu errichten. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Voraussetzung dieser Bewilligung ein Verzicht auf das streitgegenständliche Servitutsrecht gewesen wäre. Von der asphaltierten Zufahrt von der Vomper-Landesstraße ist der Hauseingang und der Eingang über die Terrasse erreichbar. Die einzige Zufahrt auf die Wiese, die sich auf dem Grundstück der beklagten Parteien befindet, ist hingegen der Servitutsweg, abgesehen vom späteren Ausbau der Dachbodenwohnung wurde das Haus der beklagten Parteien nicht erweitert. Es weist nur in drei Geschossen je eine komplette Drei-Zimmer-Wohnung auf. Bis 1976 war die Wohnung im ersten Stock von einem Dauermieter bewohnt. Seither dient diese teils insgesamt als Ferienwohnung, teils wird sie zimmerweise an Fremde vermietet. Die Dachgeschosswohnung wurde im Jahre 1978 und auch zweimal im Jahr 1979 an Fremde vermietet; seither wird sie durch den Sohn der Erstbeklagten als Dauermieter bewohnt. In der Parterrewohnung wohnen die beiden Beklagten. Der Servitutsweg wurde nach der Fertigstellung des Hauses lange Zeit nur bei der Anlieferung von Brennmaterial und ähnlichem benützt. Erst 1977 schotterten die Beklagten den Weg auf. Sie und ihre Mieter oder Fremdengäste benützten bisher überwiegend die Auffahrt von der Vomper-Landesstraße und stellten dort auch ihre Fahrzeuge ab. Den Servitutsweg benützten sie dann, wenn diese Zufahrt verstellt war. In der Zeit seit Dezember 1977 wurde der Servitutsweg an über 40 im einzelnen festgestellten Tagen durch Fremdengäste mit dem PKW benützt, wobei diese teils an einem Tage aus- und ein, teils nur in einer Richtung fuhren. An 10 Tagen fuhren Bekannte oder Verwandte der Beklagten über den Servitutsweg zu. Dass Fremdengäste von der Beklagten ausdrücklich über diesen Weg eingewiesen wurden, konnte nicht festgestellt werden. Es erfolgte aber auch keine Beanstandung durch die beklagten Parteien, die deshalb auf den Servitutsweg Wert legen, weil zumindestens teilweise während des Jahres die Zufahrt von der Vomper-Landesstraße her nicht ausreicht, um alle PKWs der Bewohner und Gäste so abzustellen, dass niemand in der Ausfahrt behindert wird.

Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhalts erachtete das Erstgericht, dass eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts nicht vorliege, weil die beklagten Parteien nicht die gesamten Zu- und Abfahrten, die mit der Fremdenzimmervermietung auf ihrer Liegenschaft zusammenhängen, über den Servitutsweg abwickelten und der überwiegende Zufahrtsverkehr durch Fremdengäste über die Zufahrt von der Vomper-Landesstraße her erfolge. Die nachgewiesene Benützung des Servitutswegs von Fahrzeugen der Fremdengäste gehe nicht über das Ausmaß hinaus, mit dem sich die klagenden Parteien dann abfinden müssten, wenn die Wohnungen im ersten Stock und im Dachgeschoss des Hauses nicht an Fremdengäste sondern an Dauermieter vermietet wären. Die Wegbenützung habe zudem fast stets nur verhältnismäßig kurze Zeit gedauert. Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass die beklagten Parteien schuldig erkannt werden, die Gestattung der Zufahrt durch die Feriengäste und Pensionsgäste über die Gp Nr ***** zur Gp Nr ***** (je KG Weer) zu unterlassen. Dazu sprach es aus, dass der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstands 2.000 S übersteige. Das Gericht zweiter Instanz, das der Beweisrüge der Berufung keine Berechtigung zuerkannte, gelangte hiezu aus folgenden rechtlichen Erwägungen:

Das Ausmaß der gegenständlichen Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechts (mit Fahrzeugen aller Art) zugunsten der beklagten Parteien sei durch den Titel nicht eindeutig bestimmt, sodass eine ungemessene Dienstbarkeit vorliege. Bei einer solchen sei das jeweilige Bedürfnis des herrschenden Guts mit der Beschränkung maßgebend, dass eine Änderung in der Benützungsart des herrschenden Guts eine Änderung des Inhalts der Servitut nicht bewirken kann, wenn dadurch eine erhebliche Mehrbelastung des dienenden Grundstücks entstehe. Durch die von den beklagten Parteien geübte Praxis der Vermietung von Zimmern und Ferienwohnungen an Fremdengäste mit dem damit verbundenen vermehrten Befahren und Begehen des Dienstbarkeitswegs sei eine unzulässige Ausdehnung der Servitut im Sinne des § 484 ABGB vorgenommen worden, weil eine erhebliche Mehrbelastung vorliege, wenn zusätzlich zu den jeweiligen Eigentümern des herrschenden Grundstücks unterschiedlich viele Fremdgäste den Servitutsweg benützen. Dabei sei nicht ausschlaggebend, dass das Ausmaß dieser Benützung nicht über jenes Ausmaß hinausginge, mit dem sich die klagenden Parteien dann abfinden müssten, wenn die Wohnungen im ersten Stock und im Dachgeschoss des Hauses der beklagten Parteien nicht an Fremdengäste, sondern an Dauermieter vermietet werden. Es könne zwar das Recht des Geh- und Fahrwegs auch durch dritte Personen ausgeübt werden, soweit dies dem Zweck der Dienstbarkeit entspricht. Es sei aber nicht gleich, ob ein oder mehrere Dauermieter oder Fremdengäste das Geh- und Fahrrecht ausüben, weil die sich erfahrungsgemäß einstellenden Benützungsgewohnheiten von Dauermietern und die sich daraus ergebenden Berührungspunkte eine geringere Belastung für die Umgebung darstellten als die Benützung durch Fremdengäste, durch deren stets wechselnde Herkunft und Nationalität sowie durch deren Eigenarten und durch ihr vorher nicht bekannten Benehmen nicht selten eine unangenehme Belästigung auftrete. Es komme daher nicht allein auf die Zahl der auf dem Servitutsweg abgewickelten PKW-Fahrten und den Umstand an, dass sich der überwiegende Zufahrtsverkehr der Fremdengäste nicht über den Servitutsweg, sondern über die Zufahrt von der Vomper-Landesstraße abgespielt habe. Dass die Dachgeschosswohnung derzeit nicht mehr an Fremdengäste vermietet werde, sei nicht entscheidend, weil sie für diesen Zweck in der Vergangenheit schon herangezogen worden und es nicht auszuschließen sei, dass dies auch in Zukunft wieder geschehen könnte.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der beklagten Parteien aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Revisionsantrag, das angefochtene Urteil abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen.

Die klagenden Parteien beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, ist bei den ungemessenen Dienstbarkeiten, deren Ausmaß also durch den Titel nicht eindeutig bestimmt ist, grundsätzlich nicht das Bedürfnis des herrschenden Guts im Zeitpunkt der Entstehung der Servitut, sondern dessen jeweiliges Bedürfnis maßgebend. Aber auch hier bestehen Schranken, die durch den ursprünglichen Bestand und die ursprüngliche Bewirtschaftungsart des herrschenden Guts bestimmt sind. Eine Änderung des Widmungszwecks des herrschenden Guts gibt auch bei einer ungemessenen Dienstbarkeit keinen Anspruch auf eine ausgedehnte oder vom Ursprungszweck der Dienstbarkeit abweichende Benützung des dienenden Guts (vgl SZ 42/10 und die dort zitierte Lehre und Rechtsprechung). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde im Rahmen der Einräumung der gegenständlichen Dienstbarkeit ausdrücklich vermerkt, dass es sich hinsichtlich des Bauvorhabens gemäß Bauplan und Baubewilligung um ein Einfamilienhaus handle. Dass eine Fremdenzimmervermietung von vornherein vorgesehen gewesen wäre, ist im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet worden. Die Fremdenzimmervermietung stellt als rein gewerbliche Tätigkeit eine teilweise Änderung der Widmungsart des herrschenden Guts dar, die eine Änderung des Inhalts der Servitut dann nicht bewirkt, wenn eine erhebliche Mehrbelastung des dienenden Grundstücks entsteht (Klang2 II 564; SZ 42/10, 7 Ob 206/73 ua).

Die Revisionswerber gehen im Wesentlichen gleichfalls von dieser Rechtsauffassung aus. Soweit sie auf die im EvBl 1977/165 (richtig: EvBl 178/165, 519) veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 4 Ob 519/78 verweisen, die allerdings den doch anders gelagerten Sachverhalt der Erweiterung des Kreises der Benützer einer Skiabfahrt betrifft, wurde auch dort die Rechtsauffassung vertreten, dass eine solche Erweiterung für sich allein noch keine unzulässige Erweiterung der Servitut darstelle, dies wohl aber dann, wenn es zu einer ins Gewicht fallenden Mehrbelastung des Grundeigentümers führe. Im Mittelpunkt der Revisionsausführungen stehen demnach auch die Auffassungsunterschiede darüber, ob im vorliegenden Fall eine solche Mehrbelastung des dienenden Grundstücks anzunehmen ist. Die Revisionswerber verweisen dabei insbesondere darauf, dass der Servitutsweg nur sehr wenig befahren worden sei und dass die klagenden Parteien eine häufigere Benützung hinnehmen müssten, wenn die beklagten Parteien die Wohnungen an Dauermieter vermietet hätten. Es könne auch von einer Änderung der Benützungsart des herrschenden Grundstücks nicht gesprochen werden, weil das Haus der Beklagten nach Plänen errichtet worden sei, die komplette Wohnungen in zwei Geschossen und einen ausbaufähigen Dachboden vorgesehen hätten, woraus geschlossen werden könne, dass ein solches Haus nicht nur von einer Familie bewohnt werde, sondern dass auch Vermietungen vorgenommen werden. Die Revisionswerber verweisen des Weiteren darauf, dass sie mit der Fremdenzimmervermietung vor vier bis fünf Jahren begonnen haben, nachdem bis dorthin der erste Stock von einer Mietpartei bewohnt worden sei.

Dem Berufungsgericht ist in seiner Auffassung vom Vorliegen einer erheblichen Mehrbelastung des dienenden Grundstücks beizupflichten, weil die Vermietung von Fremdenwohnungen oder mehreren Fremdenbetten erfahrungsgemäß gegenüber einem Dauermieter die stärker beeinträchtigende Benützung des Servitutswegs durch die Sommergäste zur Folge hat, wobei auch nicht unberücksichtigt bleiben kann, dass diese Benützungsfrequenz durch Zimmersuchende noch gesteigert wird. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht auch durchaus überzeugend dargetan, dass die dabei gegebene Unregelmäßigkeit der Benützung gegenüber den Benützungsgewohnheiten eines Dauermieters eine bedeutende und ins Gewicht fallende Vermehrung der Belästigung der Umgebung, insbesondere auch der Eigentümer des dienenden Guts darzustellen vermag. Gerade im vorliegenden Fall, in dem neben dem Servitutsweg eine direkte Zufahrtsmöglichkeit von der Vomper-Landesstraße zum Haus der beklagten Parteien gegeben ist, erscheint, ausgehend von dem tragenden Grundsatz des Dienstbarkeitsrechts, dass Servituten, soweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt werden müssen, die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils zutreffend, dass den beklagten Parteien durch ihre Duldung der Benützung des Servitutswegs durch Fremden- und Pensionsgäste eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit gemäß § 484 ABGB anzulasten ist.

Der Revision der beklagten Parteien muss daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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