OGH 13Os85/80

OGH13Os85/8028.8.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.August 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kral, Dr. Horak, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Günther A u.a. wegen des Verbrechens des Diebstahls nach § 127 ff. StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von dem Angeklagten Helmut B gegen das Urteil des Kreis- als Schöffengerichts St. Pölten vom 12.Februar 1980, GZ. 15 Vr 701/79- 62, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung des Angeklagten Peter C nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerwchtshofs Dr. Horak, der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Mühl und der Ausführung des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Helmut B und Peter C die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde unter anderem der am 19.Juni 1951 geborene, beschäftigungslose Angeklagte Helmut B des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 129 Z. 1 StGB (A II, III und IV des Urteilssatzes) und des Vergehens der versuchten Täuschung nach den § 15, 108

Abs. 1 StGB (B) schuldig erkannt. Zu A IV liegt diesem Angeklagten zur Last, daß er in Gesellschaft der abgesondert verfolgten Gertraud

D am 21.Oktober 1977

1. von einem in Wien abgestellt gewesenen VW-Kastenwagen der Firma Leo E die beiden Kennzeichentafeln (mit dem polizeilichen Kennzeichen W 68.576) im Wert von mindestens 500 S, 2. in Preßbaum dem unbekannten Eigentümer eines Volkswagens und 3. bei Judenau dem gleichfalls unbekannten Eigentümer eines Personenkraftwagens 'Fort Cortina' jeweils 10 Liter Benzin im Wert von je 66 S sowie 4. am 23. Oktober 1977 in Wiesenfeld dem unbekannten Eigentümer eines zur Ausschrottung abgestellten Kraftwagens der Marke Opel 10 Liter Benzin im Wert von 66 S, in den Fällen 2, 3 und 4 jeweils durch Abschlauchen und Einfüllen in den Tank des von ihm gelenkten Automobils der Gertraud D, gestohlen hat.

Gegen diese vier Schuldsprüche wendet der Angeklagte in seiner auf die Gründe des § 281 Abs. 1 Z. 5, 9 (lit. a und b) und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde ein:

Die Beurteilung der Wegnahme der Kraftfahrzeug-Kennzeichentafeln als Diebstahl sei rechtsirrig; diese Wegnahme sei vielmehr, uolge man den Ausführungen im 'Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch', Rz. 5 zu § 127, als dauernde Sachentziehung gemäß '§ 125' (gemeint: § 135 Abs. 1) StGB strafbar.

Bezüglich der Fakten A IV 2 und 3 bemängelt der Beschwerdeführer unter den Nichtigkeitsgründen der Z. 5

und 9 (lit. a) des § 281 Abs. 1 StPO, daß das Schöffengericht zu der durch die Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung aufgeworfenen Frage, ob es sich bei den beiden Kraftwagen, aus deren Tank der Angeklage je 10 Liter Benzin abzapfte, ebenso wie bei dem unter A IV 4 bezeichneten Automobil der Marke 'Opel', um vom jeweiligen Fahrzeugeigentümer aufgegebene Wracks gehandelt habe, nicht Stellung nehme.

In Anrufung des Nichtigkeitsgrunds der Z. 9 (lit. b) des § 281 Abs. 1 StPO (LSK. 1976/134) vermeint der Beschwerdeführer im übrigen zum Schuldspruch A IV 2 bis 4, weil er sich im Zeitpunkt der Benzinabschlauchungen in drückender Notlage befunden und das Benzin (in jedem der Fälle) nur geringen Wert gehabt habe, liege diesbezüglich jeweils nur eine Entwendung nach § 141 Abs. 1 StGB vor, die mangels Verfolgungsermächtigung seitens der unbekannten Fahrzeugeigentümer nicht ahndbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist zur Gänze unbegründet.

Dem ersten Einwand (§ 135 StGB) ist lediglich zu erwidern, daß nach der Rechtsprechung (siehe EvBl. 1975/23, 1976/132, 1978/109) amtliche Kennzeichentafeln wegen ihres evidenten Sachwerts taugliche Diebstahlsobjekte sind.

Die Generalprokuratur weist zusätzlich auf die gleich hohen Strafsätze der § 127 Abs. 1 und 135 Abs. 1 StGB sowie darauf hin, daß der Angeklagte auch bei Beurteilung der Wegnahme der Kennzeichentafeln nach § 135 StGB weiterhin zu A II, A III und A IV 2 bis 4 des Urteilssatzes das Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 129 Z. 1 StGB zu verantworten hätte, zu dem dann noch als erschwerend (§ 28, 33 Z. 1 StGB) das Vergehen der dauernden Sachentziehung käme. Die Generalprokuratur vermeint, die Beschwerde sei darum insoweit nicht zu Gunsten des Angeklagten ausgeführt.

Demgegenüber ist grundsätzlich festzuhalten, daß die Voraussetzungen für die Zulässigkeit jedwedes Rechtsmittels das rechtliche Interesse der Partei an der önderung oder an der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ist (RiZ. 1968 S. 157 u.a.). Der Nachteil, den die § 281 Abs. 1, 282 Abs. 2, 283 Abs. 2, 4 und 5 sowie 465 Abs. 3 StPO meinen und dessen Anstreben das Gesetz dem Rechtsmittelwerber gleichsam als Paralogie, als förmliche Verkehrung einer zweckmäßigen Rechtsverfolgung ins Gegenteil, versagt, ist sonach jener Rechtsmittelerfolg, der nicht mehr als rechtliches Interesse der beschwerdeführenden Partei angesehen werden kann. Was jemandem zusinnbar ist, daran hat er ein Interesse (Wolff, Grundriß des bürgerlichen Rechts3 S. 7). Ermöglicht ihm die Rechtsordnung, dieses Interesse durchzusetzen, so ist es sein 'rechtliches' Interesse. Erachtet sich der Angeklagte durch ein irrig auf ihn angewandtes Strafgesetz beschwert und ficht diese Unterstellung an, so zeigen Wortlaut wie ration der § 281 Abs. 1 Z. 10 und 345 Abs. 1 Z. 12 (§ 468 Abs. 1 Z. 4) StPO, daß er damit sein ihm vom Gesetzgeber zugebilligtes rechtliches Interesse verfolgt. Dieses ist sonach inhaltsgleich mit seiner Beschwer und von der individuellen Abwägung des in diesem Bereich Zusinnbaren (dazu Wolff a.a.O. S. 2), also von subjektiven Faktoren, nicht zu trennen (vgl. zur Beschwer SSt. XLIV/24). Die soeben erwähnte Abwägung mag z.B. ohne weiters dahin aus fallen, daß es den Angeklagten mehr beschwert, wegen einer Tat schuldig gesprochen zu sein, die er nicht begangen hat, als daß ihm der Erschwerungsgrund des § 33 Z. 1 StGB in der Spielart der ungleichartigen Realkonkurrenz ('Handlungen verschiedener Art') statt in der Variante der gleichartigen Realkonkurrenz ('Handlungen derselben Art') zur Last liegt.

Ist es nach dem Vorgesagten ein rechtliches Interesse des Angeklagten, nicht nach einem auf seine Tat unanwendbaren Strafgesetz verurteilt zu bleiben, so folgt daraus, daß seiner Subsumptionsrüge nicht erwidert werden darf, der Schuldspruch sei zwar verfehlt, aber der Rechtsfehler sei unerheblich, denn seine Tat sei gleichermaßen strafbar. Das liefe außerdem darauf hinaus, daß der Richter im Schuldspruch die Tatbestände sanktionslos vertauschen könnte, wenn sie nur gleiche Strafdrohungen aufweisen. Die Unhaltbarkeit einer solchen Auffassung wird deutlich, wenn Gegenstand des Schuldspruchs nur ein einziges Faktum ist und etwa der Angeklagte zutreffend rügt, er habe nicht einen anderen am Körper verletzt (§ 83 Abs. 1 StGB, so der Schuldspruch), sondern eine fremde Sache beschädigt (§ 125 StGB, idente Strafsätze). Die Beschwer des Angeklagten ist eben in diesem Fall, daß seine Tat der vom Gericht ihr zugeteilten Norm nicht untergeordnet werden kann, daß seine Tat, so gesehen, gewissermaßen ein crimen sine lege darstellt, insolang das wirklich verletzte Gesetz (der wirklich, nicht vermeintlich erfüllte Tatbestand) nicht gerichtsordnungsmäßig festgestellt ist. Die einzige Schranke für die Stattgebung der ausdrücklichen Subsumptionsrüge kann folgerichtig nur der Umstand sein, daß bei rechtsrichtiger Tatbeurteilung strengere Unrechtsfolgen heranzuziehen wären (§ 290 Abs. 2, 477 Abs. 2 StPO). Damit ist zugleich der sonst unvermeidbaren, indes rechtsstaatlich (besonders im Hinblick auf § 1 Abs. 1 StGB) unvertretbaren Möglichkeit sanktionsloser Tatbestandsvertauschung das Korrektiv der Anfechtbarkeit entgegengesetzt.

Anders verhält es sich freilich auf dem Gebiet amtswegiger Wahrnehmungen gemäß § 290 Abs. 1, erster Fall, und 477 Abs. 1, erster Fall, StPO, weil es dort ausschließlich auf den 'Nachteil' des Angeklagte ankommt.

Die angeführten, das System des Rechtsmittelverfahrens, unter Umständen auch die bereits eingetretenen partielle Rechtskraft, durchbrechenden Ausnahmesvorschriften gebieten kraft dieses ihres Charakters eine strenge Auslegung (privilegia sunt strictissime interpretanda, singularia non sunt extendenda). Dem entspricht es, den Begriff des Nachteils im Sinn der § 290 Abs. 1 und 477 Abs. 1 StPO als eine rein juristische Abgrenzungskategorie zu verstehen, die von individuell-subjektiven überlegungen in der Richtung einer Beschwerabwendung unbeeinflußt bleibt.

Ist der 'Nachteil' derart scharf objektiv umrissen, so ist es nicht zwingend, davon zu sprechen, wenn sich die Unrechtsfolgen des irrig angewendeten und des richtigerweise anzuwendenden Tatbestands decken. Insoweit bestünde kein unumgänglicher Anlaß zu einem amtswegigen Vorgehen.

Bei den dem Nichtigkeitswerber zur Last gelegten Benzindiebstählen waren - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Meinung - Feststellungen in Richtung einer etwaigen vorangegangenen Dereliktion der drei Fahrzeuge schon deshalb nicht geboten, weil der Angeklagte B, der sich in der Hauptverhandlung auch zu den in Rede stehenden Benzindiebstählen uneingeschränkt für schuldig erklärte, niemals behauptet hatte, die Fahrzeuge (und das in ihnen befindliche Benzin) für herrenloses Gut gehalten zu haben.

Der Einwand, die Benzinwegnahmen seien als in drückender Notlage begangene Entwendungen zu qualifizieren, zieht nicht durch. Not (§ 141 Abs. 1 StGB) ist nur dann anzunehmen, wenn es dem Täter an den dringendsten Lebenserfordernissen fehlt und der diesem Mangel durch die Entwendung abhelfen wollte (Leukauf-Steininger2, RN. 11 und 12 zu § 141 StGB). Von diesen Voraussetzungen kann hier vernünftigerweise nicht die Rede sein; denn nicht die Beschaffung von unbedingt notwendigen Bedarfsgegenständen, wie Lebensmitteln, Kleidung oder Heizmaterial, sondern die Entziehung von (jeweils zehn Litern) Benzin zur Durchführung weiterer Fahrten mit einem nicht mehr zum Verkehr zugelassenen und mit gestohlenen Kennzeichen versehenden Auto bildete den Gegenstand der bekämpften Schuldsprüche.

Der zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde war daher der Erfolg zu versagen.

Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagten gemäß § 28, 129 StGB Freiheitsstrafen, und zwar über Helmut B in der Dauer von zwei Jahren und über Peter C in der Dauer von 18 Monaten. Dabei wertete es als erschwerend bei beiden Angeklagten die Begehung mehrerer Straftaten und bei Peter C überdies den Umstand, daß er Mitverurteilte unter Ausnützung seiner Ortskundigkeit (zu Diebstählen) angestiftet hatte; als mildernd wurde hingegen bei beiden Angeklagten das Geständnis sowie die Zustandebringung der Diebsbeute gewertet, bei B ferner, daß es in einem Faktum (B) beim Versuch geblieben war.

Die Berufungen der Angeklagten, mit denen sie eine Herabsetzung der Strafen anstreben, sind nicht begründet.

Davon, daß sie durch eine nicht auf Arbeitsscheu zurückzuführende drückende Notlage zu ihren Taten bestimmt worden seien, kann nach der Aktenlage (Seite 55, 65) keine Rede sein; daß ihr Vorsatz im Faktum A III zunächst bloß auf die Erlangung von Proviant gerichtet war, kann ihnen nicht als mildernd zugerechnet werden, zumal sie bei diesem Einbruch vorwiegend Gebrauchsgegenstände erbeuteten. Auch von einem besonders geringen Schaden kann nicht gesprochen werden, weil die Gesamtschadenssumme bei B immerhin 4.400 S und bei C sogar mehr als 25.000 S betrug. Mit seiner Behauptung schließlich, er habe die Mitverurteilten nicht angestiftet, setzt sich der Angeklagte C in Widerspruch zu den diesbezüglichen schöffengerichtlichen Konstatierungen (S. 379 f.). Da das Erstgericht im übrigen die Geständnisse der Angeklagten und den Umstand, daß es bei B teilweise beim Versuch geblieben ist, ohnedies als mildernd ins Kalkül zog, verbleibt als zusätzlicher Milderungsgrund bei B lediglich, daß er (teilweise) von C zu seinen Straftaten verleitet wurde, was aber dadurch aufgewogen wird, daß das Erstgericht die mehrfache Diebstahlsqualifikation und den relativ raschen Rückfall (Verbüßung der letzten wegen Diebstahls und Betrugs verhängten Freiheitsstrafe:

1976, neuerliche Diebstähle B: Oktober 1977) unberücksichtigt gelassen hat.

Betreffend den Angeklagten C fällt namentlich ins Gewicht, daß seine Orts- und Sachkenntnis die Diebstähle A I, II und III wesentlich ermöglicht hat (siehe S. 55).

Nach dem Gesagten erweisen sich sohin die über die beiden Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen als durchaus tat- und tätergerecht.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetztesstelle.

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