OGH 13Os38/80

OGH13Os38/808.5.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Mai 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Hörburger und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Baumgartner als Schriftführers in der Strafsache gegen Leopold A wegen des Verbrechens der Erpressung nach §§ 144 ff. StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 10.Jänner 1980, GZ. 5 d Vr 3828/79-55, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Bernhauser und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (neben einem unangefochtenen Teilfreispruch) der zuletzt beschäftigungslos gewesene Leopold A (zu A I und II) des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten, zum Teil schweren Erpressung nach den §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 Z. 2 und 15 StGB., (zu B) des Verbrechens der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB., (zu C) des Vergehens der Zuhälterei nach dem § 216 StGB.

und (zu D) des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil er in Wien (zu A I) Elfriede B von Ostern 1976 bis April 1979

zu wiederholten Malen durch über längere Zeit fortgesetzte Gewalt und gefährliche Drohung teils mit erheblicher Verstümmelung bzw. auffallender Verunstaltung, und zwar durch die Ankündigung, er werde ihr das Gesicht mit Glasscherben zerschneiden sowie sie und ihre Tochter umbringen, wobei er einen Vorderladerrevolver bzw. eine abgesägte Schrotflinte gegen sie richtete, falls sie sich weigere, weiterhin der Prostitution in bestimmtem Umfang nachzugehen, dazu nötigte, fortlaufend einen Großteil des Schandlohns an ihn auszufolgen; ferner durch die Ankündigung, er werde sie zum Krüppel machen, ihr die Sehnen an den Füßen durchschneiden und sie für die Dauer ihres Lebens entstellen, zur Ausfolgung von Schmuckgegenständen im Wert von etwa 30.000 S, nämlich eines Armbands, zweier Halsketten, eines Weißgoldrings, eines Anhängers und zweier Paar Ohrgehänge, nötigte, (zu A II) im März und April 1979 durch die telephonische Mitteilung, er werde sie zum Krüppel machen und ihr nicht wiederherstellbare auffallende Verunstaltungen zufügen, Elfriede B zur Leistung eines Ablösebetrags von 120.000 bzw. 75.000 S oder zu einer fortlaufenden monatlichen Zahlung von 15.000 S an ihn zu nötigen versuchte, (zu B) in der Zeit von 1976 bis April 1979 durch (die zu A I angeführten) Drohungen mit Gewalttaten Elfriede B zur Abstandnahme von der Erstattung der Strafanzeige wegen der inkriminierten Tathandlungen nötigte, (zu C) von Ostern 1976 bis April 1979 seinen Unterhalt zumindest zum Teil aus der gewerbsmäßigen Unzucht der Elfriede B durch die Abnahme eines Großteils des Schandlohns und den Zwang zur Ausübung der Prostitution in bestimmtem Ausmaß zu gewinnen suchte und (zu D) Elfriede B durch Versetzen von Faustschlägen ins Gesicht, und zwar zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 1977 durch Zufügung einer Platzwunde an der Oberlippe und am 5.August 1978 durch Zufügung eines Nasenbeinbruchs ohne Dislokation, Schwellungen und Blutunterlaufungen im Gesicht, am Körper verletzte.

Rechtliche Beurteilung

Diese Schuldsprüche ficht der Angeklagte in Anrufung der Gründe der Z. 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1

StPO. mit Nichtigkeitsbeschwerde an, die sich allerdings zur Gänze als unberechtigt erweist.

Zur Mängelrüge sei zunächst bemerkt, daß es für die rechtliche Subsumtion und die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes nicht entscheidend ist, ob der Beschwerdeführer, wie im Urteil angenommen, bereits seit Ostern 1976

oder erst seit dem Jahre 1977 (bis zum April 1979), somit aber ebenfalls durch längere Zeit (§ 145 Abs. 2 Z. 2 StGB.), Elfriede B u.a. zur Prostitution genötigt und erpreßt hat; das Übergehen der Angaben der Zeugin B in der Hauptverhandlung (S. 189, 193) über den Beginn des Tatzeitraums ist daher nicht entscheidungswesentlich.

Soweit die Beschwerde rücksichtlich der Tatsachenfeststellungen zu Punkt A I 2 des Urteilssatzes, wonach der Angeklagte der Zeugin Elfriede B durch die Drohung, er werde sie zum Krüppel machen, ihr die Sehnen an den Füßen durchschneiden und sie für die Dauer ihres Lebens entstellen, Schmuck abnötigte, eine Unvollständigkeit der Begründung wegen fehlender Erörterungen von angeblichen Widersprüchen in den in verschiedenen Verfahrensstadien abgelegten Aussagen dieser Zeugin erblickt, ist ihr zu entgegnen, daß wesentliche Widersprüche in Wahrheit nicht vorliegen. Nach den Bekundungen dieser Zeugin sowohl vor der Sicherheitsbehörde als auch in der Hauptverhandlung hat ihr der Beschwerdeführer nämlich eine körperliche Verunstaltung, insbesondere das Durchschneiden ihrer Sehnen, angedroht (S. 14, 189 f.).

Ebenso sprach die Zeugin aber auch ausdrücklich in ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter (S. 86) von einer körperlichen Entstellung. Daß die Zeugin dort die Äußerung über ein Durchschneiden ihrer Sehnen nicht (eigens) erwähnte, steht (auch sinngemäß) nicht in erörterungsbedürftem Gegensatz zu ihren früheren und späteren Angaben.

Im übrigen hat das Erstgericht die als Feststellungsgrundlage herangezogenen Aussagen dieser Zeugin in freier Beweiswürdigung auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft sowohl einzeln als auch in ihrem inneren Zusammenhang sorgfältig und gewissenhaft geprüft (§ 258 Abs. 2 StPO.) und damit seiner Begründungspflicht in gebotener Weise (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.) genügt. Dies gilt insbesondere auch für die Feststellung, daß die Zeugin vom Beschwerdeführer zur Ablieferung (zumindest) des überwiegenden Teils ihrer Einkünfte gezwungen wurde (A I 1 und C). Der Vorwurf, das Erstgericht setze sich hiezu nicht mit der gleichbleibenden Darstellung der Zeugin auseinander, daß der Beschwerdeführer von ihr stets nur die Hälfte ihres Einkommens verlangt und erhalten hätte, widerspricht der Aktenlage. Nach den Aussagen der Zeugin war ihr nämlich nach der Übergabe der Hälfte ihres vorerst durchschnittlich 30.000 S, später 25.000 bis 28.000 S betragenden, schließlich aber für den vom Angeklagten geforderten Betrag von 15.000 S monatlich nicht mehr ausreichenden Monatseinkommens und nach Deckung einer Reihe von Auslagen für ihn nur so viel von ihren Einkünften verblieben, daß sie 'davon leben konnte' (S. 17, 189).

Mit der Bezugnahme auf diese Angaben der Zeugin ist die erwähnte

Feststellung daher mängelfrei begründet.

Mit seinem unter der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1

StPO. gegen die Tatbildlichkeit seines Verhaltens nach dem § 216 StGB. erhobenen Einwand, er habe lediglich die Hälfte der Einkünfte der Prostituierten erhalten, negiert der Beschwerdeführer die Feststellung der 'Ablieferung' zumindest des überwiegenden Teils der Einkünfte, vergleicht demnach nicht den Urteilssachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz und bringt solcherart den materiellen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Gleiches gilt, soweit mit dem selben Einwand ein Feststellungsmangel geltend gemacht wird.

Aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. wendet sich die Beschwerde gegen die Unterstellung der Taten laut den Punkten A I 1 und II des Urteilssatzes unter dem Tatbestand der Erpressung.

Auch dies zu Unrecht.

Mit seinem Vorbringen, Elfriede B habe durch die Nötigung zur Ausübung der Prostitution und zur Ablieferung eines Teils ihrer Einkünfte an ihn keinen Vermögensschaden erlitten, weil durch die Prostitution auch ihr Einkommen gestiegen sei, läßt der Beschwerdeführer zunächst erneut die bereits erörterte Urteilsfeststellung außer acht, nach welcher B, solcherart auf die zu ihrer Lebensführung nötigen Mittel beschränkt, von ihm zur Herausgabe des Großteils ihres Einkommens gezwungen worden war, und führt deshalb auch diese Rechtsrüge nicht gesetzmäßig aus. Davon abgesehen, ist der Einwand rechtlich unbeachtlich. Nur dann fehlt die im § 144 Abs. 1 StGB. vorausgesetzte Vermögensschädigung, wenn die durch die Tat bewirkte Vermögensminderung durch einen gleichzeitig zufließenden wirtschaftlichen Vorteil wieder ausgeglichen wird (Leukauf-Steininger2 RN. 9 zu § 144 StGB.). Dies trifft aber vorliegend nicht zu, weil mit der erzwungenen Ablieferung der Einkünfte an den Beschwerdeführer bzw. deren Verwendung für diesen der Zeugin B doch kein Vorteil zukam (A I 1) oder hätte zukommen können (A II).

Dem weiteren Einwand gegen diese beiden Schuldsprüche, es wäre der Tatbestand der Erpressung durch jenen der Zuhälterei konsumiert, ist entgegenzuhalten, daß nach ständiger, bereits vom Erstgericht teilweise zitierter, oberstgerichtlicher Rechtsprechung Erpressung einerseits und die ein Einwirken des Zuhälters auf den Willen der Prostituierten gar nicht voraussetzende (12 Os 40/79) Zuhälterei andererseits zueinander weder im Verhältnis der Spezialität, noch in jenem der Konsumtion stehen, eintätiges Zusammentreffen dieser Delikte daher rechtlich möglich ist (Leukauf-Steininger2 RN. 12 zu § 216 StGB.; 11 Os l55/78, 9 Os 89/79).

Mit der ebenfalls auf § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. gestützten und gegen die Subsumtion des Faktums A I 2 gerichteten Rüge, die in Bestreitung eines Bereicherungsund Schädigungsvorsatzes der Sache nach nur einen Mangel am Tatbestand des § 144 StGB. geltend macht, ist der Beschwerdeführer gleichfalls nicht im Recht. Die Beschwerde übersieht, daß nach den Urteilsfeststellungen nicht nur die von A der B geschenkten Schmuckstücke, nämlich nach der Aussage der Zeugin in der Hauptverhandlung (S. 191) eine Kette und ein Anhänger mit Kreuz und Anker (sowie eine Uhr), sondern darüber hinaus ein Armband, eine weitere (Hals-) Kette, ein Weißgoldring und zwei Paar Ohrgehänge ihr abgenötigt wurden. Insofern stellt sich die Frage, ob sich der Beschwerdeführer - auch im Hinblick auf die der Tat indes nachfolgende 'Rückstellung' einer ihm seinerzeit von der Zeugin geschenkten Uhr an diese (S. 194) - zur Rückforderung seiner Geschenke berechtigt erachtete, von vornherein nicht. Dazu kommt noch, daß sich der Angeklagte niemals auf einen Irrtum über die den Widerruf einer Schenkung zulassenden Normen des Zivilrechts (§§ 946 bis 954 abGB.) und damit auf ein (wenn auch bloß vermeintliches) Rückforderungsrecht berufen, sondern behauptet hat, das Geschenk nur deshalb zurückverlangt zu haben, weil dies in seinen Kreisen so üblich sei (S. 207 unten): Die von der Beschwerde vermißten Feststellungen in subjektiver und objektiver Hinsicht zur Frage des Anspruchs auf Rückforderung geschenkten Schmucks waren somit entbehrlich.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach den §§ 28, 145 Abs. 1 StGB. eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren. In Bemessung dieser Freiheitsstrafe erachtete es als erschwerend, daß der Angeklagte schon wegen auf gleicher schädlicher Neigung beruhender Taten verurteilt worden war und nunmehr mehrere strafbare Handlungen verschiedener Art beging und durch längere Zeit fortsetzte; als mildernd sah es lediglich das teilweise Geständnis an. Mit seiner Berufung, in der er einräumt, daß das Erstgericht die Strafzumessungsgründe zwar richtig erkannt, die erschwerenden Umstände aber überbewertet habe, strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes an, wozu er bloß darauf hinweist, daß er bisher noch niemals eine Strafe tatsächlich verbüßt habe und demnach schon deshalb die nunmehr verhängte Freiheitsstrafe überhöht sei. Zur Anwendung gelangt der Strafsatz des § 145 StGB., der eine Höchststrafe von zehn Jahren vorsieht. Das vom Erstgericht gefundene Strafmaß von zwei Jahren kann bei dem belasteten Vorleben des jedenfalls lange Zeit hindurch keiner geregelten Arbeit nachgegangenen Angeklagten und angesichts der vorliegenden Deliktskonkurrenz nicht als überhöht angesehen werden, zumal die Resozialisierung des im Zuhälter- und Prostituiertenmilieu verwurzelten und mit bemerkenswerter Rücksichtslosigkeit agierenden (siehe S. 192) Angeklagten nur von einer intensiven Beeinflussung in einem zeitlich ausreichenden Strafvollzug erwartet werden kann; der Berufung war sohin ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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