OGH 12Os40/79

OGH12Os40/7927.9.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. September 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stach als Schriftführer in der Strafsache gegen Horst A wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach dem § 217 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie von der Staatsanwaltschaft erhobenen Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 23. Jänner 1979, GZ. 15 a Vr 1432/78-56, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Manfred Puchner, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der beschäftigungslose Installateur Horst A des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Entziehung eines Minderjährigen aus der Macht der Erziehungsberechtigten nach § 195 Abs. 1 und 3 StGB, des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 StGB und des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit. a und b WaffenG schuldig erkannt, weil er 1. anfangs Juli 1978 in Hard die Prostituierte Monika B (eine Österreicherin) dadurch, daß er sie zur Ausübung ihres unzüchtigen Gewerbes in ein Privatbordell nach Soltau (Bundesrepublik Deutschland) vermittelte und so dorthin brachte, der gewerbsmäßigen Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, zuführte;

2. im Mai und Juni 1978 in Hard der minderjährigen (am 15. August 1962 geborenen) Monika C dadurch, daß er ihr in einem von ihm gemieteten Haus Unterkunft gewährte, dazu Hilfe leistete, sich vor ihrem erziehungsberechtigten Vater verborgen zu halten, wobei er diese Tat beging, um die Minderjährige der Unzucht zuzuführen;

3. während der zu 2. angeführten Zeit ungefähr vier Wochen hindurch in Hard seinen Unterhalt zum Teil aus der gewerbsmäßigen Unzucht der Monika C durch deren Ausbeutung zu gewinnen suchte, indem er ihr den gesamten Schandlohn abnahm;

4. seit 1976 bis zum Sommer 1978 in Hohenems und anderen Orten des Bundesgebietes unbefugt eine Pistole Kal.

7,65 mm besaß und führte sowie 5. im Sommer 1978 in Bregenz eine verbotene Waffe (§ 11 /-Z 5/- WaffenG), nämlich einen Schlagring, unbefugt besaß.

Von weiteren Punkten der Anklage wurde Horst A rechtskräftig gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Die Punkte 1 bis 3 des vorangeführten Schuldspruchs bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Zu Punkt 1 des Schuldspruchs bestreitet der Beschwerdeführer dessen Rechtsrichtigkeit aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO mit dem Hinweis auf Verfahrensergebnisse, wonach die zuvor bereits in Österreich der gewerbsmäßigen Unzucht nachgegangene Monika B von sich aus daran interessiert war und selbst wünschte, diese Unzucht in der Bundesrepublik Deutschland auszuüben; daraus sei zu folgern, daß durch das dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang angelastete Vermitteln und Verbringen der Monika B nach Soltau (BRD) das Tatbestandsmerkmal des 'Zuführens' (zur gewerbsmäßigen Unzucht im Ausland) nicht verwirklicht werde.

Dieser Rechtsrüge ist entgegenzuhalten:

Das Verbrechen des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB verantwortet, wer eine Person, mag sie auch bereits der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben sein, dieser Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuführt oder sie hiefür anwirbt.

Rechtliche Beurteilung

Unter Zuführen im Sinne des § 217 Abs. 1 StGB ist jedes Tätigwerden zu verstehen, das darauf abzielt, daß eine andere Person - sei es auch eine Prostituierte - die gewerbsmäßige Unzucht in einem fremden Staat ausübt. Zuführen ist allerdings mehr als bloßes Raten oder in untergeordneter Weise Behilflichsein. Der Täter muß vielmehr durch eine aktive Tätigkeit auf die Lebensführung der betreffenden Person gezielt Einfluß nehmen. Eine Einwirkung auf ihren Willen ist aber dazu nicht erforderlich (9 Os 55/79). Es genügt etwa das Einführen in ein (ausländisches) Bordell sowie die Herstellung der Bekanntschaft mit dessen Inhaber (vgl. Foregger-Serini StGB2 366, 369).

Als ein solches Zuführen stellt sich auch die Handlungsweise des Angeklagten Horst A dar, welcher den Urteilsfeststellungen zufolge auf Grund seiner Bekanntschaft mit dem Besitzer oder Geschäftsführer des Privatbordells 'Rote Laterne' in Soltau (BRD) Monika B dort unterbrachte und es ihr durch seine Vermittlertätigkeit ermöglichte, in der Bundesrepublik Deutschland die Prostitution auszuüben. Der vorgebrachte Umstand - über den das Erstgericht keine Feststellung traf -, daß Monika B selbst bereits (grundsätzlich) entschlossen war, ihre Lebensführung als Prostituierte aus Österreich in die Bundesrepublik Deutschland zu verlegen, steht der Tatbestandsverwirklichung im Sinne des § 217 Abs. 2 StGB nicht entgegen.

Für die Punkte 2 und 3 des Schuldspruchs - Entziehung der minderjährigen Monika C aus der Macht ihrer Erziehungsberechtigten und Zuhälterei in bezug auf dieses Mädchen - ist es entgegen dem auf § 281 Abs. 1 Z 5 StPO gestützten Beschwerdevorbringen ohne Belang, wer - der Angeklagte selbst oder der im Ersturteil gleichfalls als Zuhälter bezeichnete Horst D - das Haus in Hard gemietet hatte, in welchem die sich vor ihrem Vater verborgen haltende Monika C nach den weiteren Urteilsfeststellungen vom Angeklagten untergebracht wurde und für ihn die Prostitution ausübte.

Auch der Vorwurf, es sei die Urteilsbegründung, insoweit dort von schweren 'Vorhalten' des Angeklagten an die Zeugin Monika C wegen ihrer Aussage in der Hauptverhandlung die Rede ist, durch den Inhalt des Verhandlungsprotokolls nicht gedeckt, betrifft keine entscheidende Tatsache.

Das Schöffengericht konnte in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) die Angaben der Zeugin Monika C sowie diejenigen ihrer Eltern Robert C und Theresia E seinen Tatsachenfeststellungen zugrunde legen.

Es hat in Verbindung damit dargetan, daß und weshalb es dem Vorbringen des Angeklagten keinen Glauben schenkte, und damit auch die (allenfalls) verlesenen Angaben des Zeugen Heinz F (im Vorverfahren: S 198), soweit sie die Verantwortung des Angeklagten zu stützen scheinen, in der gemäß § 270 Abs. 2 Z 5 StPO in gedrängter Darstellung abzufassenden Urteilsbegründung erkennbar (negativ mit-)gewürdigt. Einer eingehenderen Erörterung der Aussage dieses Zeugen bedurfte es nicht, weil das Gericht ohnehin feststellte, daß der Angeklagte gelegentlich (lose) Kontakte zwischen Monika C und ihren Eltern zuließ, wogegen die von dem Zeugen sonst noch bekundeten Umstände, daß sich Monika C dem Angeklagten geradezu aufgedrängt, jedoch kaum (aus der gewerbsmäßigen Unzucht) etwas 'eingebracht' habe, der Verwirklichung des Tatbildes der Zuhälterei als eines eine Einwirkung auf den Willen der Prostituierten nicht unter allen Umständen voraussetzenden Versuchsdelikts (ÖJZ-LSK 1978/372) nicht entgegenstehen würden.

Mit Angaben der Gisela G hatte sich das Gericht schon deshalb nicht zu befassen, weil solche - nach Ausscheidung der von der Beschwerde bezogenen Aktenteile schon im Vorverfahren (S 4 i, Verweisungsblatt zu S 5 bis 41) - kein Gegenstand der Beweisaufnahme bei der Hauptverhandlung waren (§ 258 Abs. 1 StPO).

Der von Sylvia H als Auskunftsperson vor der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg (S 4 in ON 10) bekundete ungefähr viertägige Aufenthalt des Angeklagten bei Hermann I in Lochau anfangs August 1978 schließt die dem Urteil zugrundeliegende Annahme einer Zuhältertätigkeit des Angeklagten in bezug auf Monika C im Mai und Juni desselben Jahres in Hard schon zeitlich in keiner Weise aus, sodaß es einer Erörterung dieser Aussage gleichfalls nicht bedurfte.

Da das Schöffengericht die Beweismittel auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft nicht nur einzeln, sondern auch in ihrem inneren Zusammenhang zu prüfen und über die Frage, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen sei, nach seiner freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller Beweismittel gewonnenen Überzeugung zu entscheiden hatte (§ 258 Abs. 2 StPO), brauchte es auf die Aussage der Zeugin Monika C, ihr Vater habe während ihres mehrwöchigen Aufenthaltes in dem Haus in Hard gewußt, wo sie war (S 327), nicht näher einzugehen; es konnte auf Grund der Zeugenaussage des Robert C, daß er seine Tochter zwar dort gesucht, sie aber niemals angetroffen habe (S 262, 317/318) mit einwandfreier Begründung feststellen, daß sich Monika C vor ihrem Vater längere Zeit hindurch verborgen hielt und der Angeklagte ihr dazu Hilfe leistete.

Das angefochtene Urteil ist sohin in Ansehung der Punkte 2 und 3 des Schuldspruchs mit keinem der geltend gemachten Begründungsmängel behaftet.

Mit dem diese Teile des Schuldspruchs betreffenden Beschwerdevorbringen zum Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO wiederholt der Beschwerdeführer überwiegend nur unter dem Gesichtspunkt von (nach dem Gesagten nicht vorliegenden) Begründungsmängeln bereits erledigte Argumente, welche, von urteilsfremden Sachverhaltsannahmen ausgehend, nicht als prozeßordnungsgemäße (beachtliche) Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes angesehen werden können. Der der Rechtsrüge allenfalls zugrundeliegenden Ansicht des Beschwerdeführers, das Tatbild der Entziehung eines Minderjährigen aus der Macht der Erziehungsberechtigten nach § 195 Abs. 1 StGB sei deshalb nicht verwirklicht, weil Robert C im vorliegenden Fall gewußt habe, daß sich seine Tochter in dem betreffenden Haus in Hard aufhalte, ist mit dem Hinweis darauf zu begegnen, daß zwar eine Entziehung aus der Macht des Erziehungsberechtigten in der Regel nicht anzunehmen ist, wenn der Erziehungsberechtigte den Aufenthaltsort des Minderjährigen kennt, dies aber nur unter der Voraussetzung, daß er auch in der Lage ist, mit dem Minderjährigen jederzeit Kontakt aufzunehmen und solcherart in geeigneter Weise seine Erziehungsund Schutzrechte auszuüben (ÖJZ-LSK 1977/320). Davon ist im gegebenen Fall keine Rede; hatte doch Robert C nach den Urteilsfeststellungen längere Zeit hindurch vergeblich versucht, seine allerdings vorhandene Vermutung, daß sich seine minderjährige Tochter in dem mehrfach erwähnten Haus in Hard aufhalte, bestätigt zu erhalten und mit ihr dort unmittelbaren Kontakt aufzunehmen, sodaß von einer Möglichkeit für ihn, seine Erziehungs- und Schutzrechte effektiv wahrzunehmen, nicht gesprochen werden kann. Die Annahme des Schöffengerichtes, daß der Angeklagte der minderjährigen Monika C, um sie der Unzucht zuzuführen, durch Unterkunftsgewährung dazu Hilfe leistete, sich vor ihren Erziehungsberechtigten verborgen zu halten (§ 195 Abs. 1, letzter Deliktsfall, und Abs. 3 StGB), ist daher frei von Rechtsirrtum.

Der Zuhälterei macht sich schuldig, wer seinen Unterhalt ganz oder zum Teil aus der gewerbsmäßigen Unzucht einer anderen Person durch deren Ausbeutung zu gewinnen sucht. Ein Ausbeuten im Sinne des § 216 StGB setzt ein rücksichtsloses, gegen vitale Interessen der Prostituierten gerichtetes Ausnützen durch den Zuhälter voraus, doch erfordert der Begriff der Ausbeutung nicht, daß die Prostituierte gegen ihren Willen zur Ausübung der Gewerbsunzucht genötigt oder daß sie durch das Verhalten des Zuhälters zu Einschränkungen in ihrer Lebensführung gezwungen wird, die einer wirtschaftlichen Bedrängnis gleichkommen (EvBl. 1977/261, 1978/135; ÖJZ-LSK 1979/192). Vielmehr reicht dazu beispielsweise schon die offene Wegnahme des ganzen oder doch überwiegenden Verdienstes aus der Gewerbsunzucht aus. Gerade dies wird aber dem Angeklagten vorliegend zu Recht als Ausbeutung im Sinne des § 216 StGB angelastet, da das Erstgericht feststellte, daß er der Monika C, für deren Unterhalt er allerdings aufkam, die jeweiligen Tageseinnahmen aus der gewerbsmäßigen Unzucht zur Gänze abnahm.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 217 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr; bei der Strafzumessung nahm es als erschwerend die Deliktshäufung, als mildernd das teilweise (volle) Geständnis an.

Die Berufung des Angeklagten strebt eine Strafminderung im wesentlichen mit der Begründung an, daß ihm die Straftaten durch das Entgegenkommen der Opfer erleichtert wurden, während die Staatsanwaltschaft eine Straferhöhung deswegen begehrt, weil der Menschenhandel in Verbindung mit der Zuhälterei ein typisches Ausbeutungsdelikt darstelle und daher eine besonders strenge Ahndung bedürfe, umsomehr, als eines der Opfer ein erst sechzehnjähriges Mädchen war;

im übrigen runden die Verurteilung nach dem Waffengesetz das Charakterbild des Angeklagten (als Zuhältertyp) ins Negative ab, sodaß nur ein höheres Strafausmaß als tatund schuldangemessen angesehen werden könne.

Keine der Berufungen ist berechtigt.

Zwar treffen die Argumente der Berufung der Staatsanwaltschaft im allgemeinen durchaus zu, doch kann vorliegendenfalls ebenso nicht verkannt werden, daß der Angeklagte keine besondere Intensität aufwenden mußte, um den deliktischen Erfolg bei seinen Opfern herbeizuführen. Im Hinblick auf die im Gerichtstag nunmehr nachgewiesene Beschäftigung als Installateurgehilfe erscheint die vom Erstgericht ausgemessene, bereits durch die Untersuchungshaft zur Gänze verbüßte Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr hinreichend, um dem Unrechts- und Schuldgehalt der vorliegenden Straftaten gerecht zu werden, und zwar dies umsomehr, als der Angeklagte jedenfalls keine typisch einschlägigen Vorstrafen aufzuweisen hat, wenngleich sein Vorleben auch nach dem Milieu durchaus negativ beurteilt werden muß.

So gesehen entspricht das vom Erstgericht gefundene Strafausmaß auch im Hinblick auf die zutreffend erkannten und gewürdigten Strafzumessungsgründe den Erfordernissen des § 32 StGB in Verbindung mit allen übrigen das Strafmaß bestimmenden Elementen, sodaß beiden Berufungen ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 390 a StPO.

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