OGH 4Ob54/80

OGH4Ob54/8029.4.1980

SZ 53/68

Normen

AngG §29 Abs1
KO §25
UrlG §9
AngG §29 Abs1
KO §25
UrlG §9

 

Spruch:

Bei der Berechnung des Ersatzanspruches nach § 29 AngG muß auch ein während der (fiktiven) Kündigungsfrist entstehender neuer Urlaubsanspruch berücksichtigt werden; dem Arbeitnehmer gebührt daher auch für das neue Urlaubsjahr die Urlaubsentschädigung nach § 9 UrlaubsG

OGH 29. April 1980, 4 Ob 54/80 (LGZ Wien 44 Cg 211/79; ArbG Wien 5 Cr 1138/79)

Text

Der Kläger war vom 1. Jänner 1969 bis 13. Oktober 1978 bei Kurt D angestellt. Sein Bruttomonatsgehalt betrug 25 338 S. Mit Beschluß vom 29. September 1978 wurde vom Handelsgericht Wien über das Vermögen des Kurt D das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger erklärte am 13. Oktober 1978 gemäß § 25 KO den vorzeitigen Austritt. Er hatte im Urlaubsjahr 1978 seinen Urlaub bis auf einen Rest von sieben Werktagen in Anspruch genommen. Ein neuer Urlaubsanspruch wäre an sich am 1. Jänner 1979 entstanden. Von den vom Kläger im Konkursverfahren angemeldeten Ansprüchen auf Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Urlaubsentschädigung wurden die Kündigungsentschädigung bis auf einen Restbetrag von 597 S und der Abfertigungsanspruch bis auf rechtliche 109.20 S sowie der auf die sieben Werktage entfallende Urlaubsentschädigungsanspruch (1978) vom beklagten Masseverwalter anerkannt.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage die Zahlung des auf das mit 1. Jänner 1979 beginnende Urlaubsjahr entfallenden Urlaubsentschädigungsanspruches in der Höhe von 41 292.67 S brutto sowie die beiden oben erwähnten Restbeträge; letztere wurden vom Beklagten anerkannt.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung, im wesentlichen aus der Erwägung, der Kläger hätte den Urlaub in der Zeit bis 15. Jänner 1979, dem Zeitpunkt des Ablaufes der (fingierten) Kündigungsfrist, verbrauchen können.

Das Erstgericht gab dem gesamten Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, dem Kläger stehe aus dem Gründe des § 29 AngG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Z. 2 UrlG ein Urlaubsentschädigungsanspruch zu, weil der Kläger den am 1. Jänner 1979 neu entstandenen Urlaubsanspruch infolge des gerechtfertigten Austrittes nicht mehr habe realisieren können. Auf die Zumutbarkeit des Urlaubsverbrauches während der Kündigungsfrist komme es nach den Bestimmungen des § 9 UrlG nicht an.

Das Berufungsgericht bestätigte diese hinsichtlich des Zuspruches der beiden vorerwähnten Restbeträge von 597 S und 109.20 S nach dem Inhalt der Berufungsausführungen unbekämpft gebliebene Entscheidung. Es führte das Verfahren gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGG neu durch, traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht und billigte dessen Rechtsauffassung mit der Maßgabe, daß es den Urlaubsentschädigungsanspruch unmittelbar aus dem Rechtsgrund des § 29 AngG ableitete.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Beklagte vertritt in seinen Rechtsmittelausführungen die Auffassung, dem Kläger stehe die Urlaubsentschädigung für 24 Werktage mangels Erbringung einer Arbeitsleistung im Jahr 1979 und angesichts des Anspruches auf Kündigungsentschädigung nicht zu. Dem Kläger wäre zumindest in der Zeit vom 1. Jänner 1979 bis 15. Jänner 1979 der Verbrauch eines Urlaubes von elf Werktagen zumutbar gewesen.

Dieser Auffassung kann nur insoweit zugestimmt werden, als der Anspruch auf Urlaubsentschädigung auf § 9 UrlG allein nicht mit Erfolg gestützt werden kann. Diese Bestimmung setzt nämlich einen im Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses bereits bestehenden offenen Urlaubsanspruch voraus (Arb. 9643 = ZAS 1978/30 mit zustimmender Anmerkung von Schön). Dem Berufungsgericht ist jedoch darin zuzustimmen, daß der Anspruch im vorliegenden Fall auf die Bestimmung des auch für den Fall eines (gerechtfertigten) Austrittes nach § 25 KO zur Anwendung gelangenden § 29 AngG (Arb. 9539; vgl. auch Schwarz - Holzer - Holler, Das Arbeitsverhältnis bei Konkurs und Ausgleich, 251 f.) in Verbindung mit § 9 UrlG gestützt werden kann. Nach § 29 Abs. 1 AngG behält der Angestellte, wenn den Arbeitgeber ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des Angestellten trifft, unbeschadet weitergehenden Schadenersatzes seine vertragsmäßigen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit oder durch ordnungsmäßige Kündigung durch den Arbeitgeber hätte verstreichen müssen. Das bedeutet, daß der Angestellte im Fall eines gerechtfertigten Austrittes in bezug auf seine Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag so gestellt werden muß, als wäre sein Arbeitsverhältnis durch Kündigung seitens des Arbeitgebers ordnungsgemäß beendet worden.

Da im vorliegenden Fall während der dreimonatigen Kündigungsfrist am 1. Jänner 1979 ein neues Urlaubsjahr für den Kläger begonnen hätte und daher - bei ordnungsgemäßer Kündigung - ein neuer Urlaubsanspruch entstanden wäre, muß auch dieser Anspruch - so wie etwa ein während der (fingierten) Kündigungsfrist entstehender Abfertigungsanspruch (Arb. 5689; JBl. 1958, 212) - bei der Berechnung des dem Kläger nach dem § 29 Abs. 1 AngG gebührenden Ersatzanspruches berücksichtigt werden. Wenn der Kläger auch infolge der am 13. Oktober 1978 durch seinen Austritt herbeigeführten Auflösung seines Arbeitsverhältnisses nicht mehr in die Lage kommen konnte, den Urlaub anzutreten, so blieb doch sein aus der Doppelnatur des Urlaubsanspruches sich ergebender Erfüllungsanspruch auf Zahlung des für den (nichtverbrauchten) Urlaub gebührenden. Urlaubsentgelts (zum Doppelanspruch: Arb. 9643; Klein - Martinek, Urlaubsrecht, 109, mit weiteren Nachweisen) als ein nach § 29 AngG zu gewährender Ersatzanspruch übrig. Da es nach § 9 UrlG auf die Zumutbarkeit des Urlaubsverbrauches - von dem hier nicht in Betracht kommenden § 9 Abs. 1 Z. 4 UrlG abgesehen - sowie auf den Umstand, ob der Urlaub zwischen der Entstehung dieses Anspruches und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überhaupt verbraucht werden konnte, nicht ankommt (Klein - Martinek a. a. O., 111), sind die davon abweichenden Rechtsmittelausführungen des Beklagten verfehlt. Dem Kläger steht daher der Anspruch auf Urlaubsentschädigung für 24 Werktage zu.

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