OGH 4Ob517/80

OGH4Ob517/8015.4.1980

SZ 53/60

Normen

GesmbHG §76 Abs2
GesmbHG §76 Abs2

 

Spruch:

Auch die Verpflichtung, den Geschäftsanteil einer GesmbH künftig zu übernehmen, bedarf gemäß § 76 Abs. 2 Satz 2 GmbHG der Form des Notariatsaktes

OGH 15. April 1980, 4 Ob 517/80 (OLG Wien 3 R 171/79; HG Wien 15 Cg 105/78)

Text

Der Kläger ist Gesellschafter der GesmbH. Am 4. Mai 1976 richtete die Beklagte nachstehendes Schreiben an den Kläger:

"Wie bereits besprochen, beabsichtigen wir durch Kauf eines Geschäftsanteiles von S 1 000,- und durch Übernahme der beabsichtigten Kapitalerhöhung von S 900 000,- insgesamt Geschäftsanteile von S 901 000,- an der X zu erwerben.

Nach § 5 des Gesellschaftsvertrages in der gleichzeitig mit der Durchführung der Kapitalerhöhung zu revidierenden Fassung werden Sie für den Fall, daß Sie Ihren Geschäftsanteil oder einen Teil hievon veräußern wollen, uns denselben zum Kauf anzubieten haben. Wir erklären nunmehr, daß wir in einem solchen Fall für Nominale S 1 000,- Geschäftsanteile jedenfalls einen Preis von 300% bezahlen werden, wertgesichert nach dem Großhandelsindex für den Stichtag 1. Jänner 1976, und zwar auch dann, wenn dieser Preis, weil zu hoch, nach der gemäß § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages anzustellenden Berechnung nicht zu bezahlen wäre.

Dies gilt auch für Ihre Erben und Rechtsnachfolger ....."

Mit Notariatsakt vom 1. August 1978 bot der Kläger der Beklagten den Abschluß eines Abtretungsvertrages an, nach welchem er seinen - einer voll eingezahlten Stammeinlage von 297 000 S entsprechenden - Geschäftsanteil an der X um einen wertgesicherten, binnen drei Tagen nach Annahme dieses Anbotes zur Zahlung fälligen Abtretungspreis von 982 169.49 S der Beklagten abtrete und diese die Vertragsannahme erkläre; der Kläger forderte die Beklagte unter Hinweis auf ihre Verpflichtungserklärung vom 4. Mai 1976 auf, dieses Anbot durch Notariatsakt anzunehmen und ihm unverzüglich eine Ausfertigung des Notariatsaktes zu übermitteln.

In seinem Antwortschreiben vom 10. August 1978 erklärte der Beklagtenvertreter, daß die Beklagte das Anbot des Klägers nicht annehmen könne.

Mit der Behauptung, daß der im Notariatsakt vom 1. August 1978 genannte Abtretungspreis der Wertsicherungsvereinbarung vom 4. Mai 1976 entspreche, verlangt der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten die Zahlung von 982 169.49 S samt Anhang, in eventu die Verurteilung der Beklagten, sein notarielles Anbot vom 1. August 1978 in Notariatsaktsform anzunehmen.

Demgegenüber vertritt die Beklagte die Auffassung, daß sie am 4. Mai 1976 lediglich ihre Absicht erklärt habe, allenfalls den Geschäftsanteil des Klägers zu erwerben; eine Verpflichtung der Beklagten zu einer solchen Übernahme könne dem Schreiben Beilage B umso weniger entnommen werden, als es hiezu eines Notariatsaktes bedurft hätte.

Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren ab. Dem Begehren des Klägers auf Zahlung des Abtretungspreises liege die Behauptung zugrunde, daß er gegenüber der Beklagten durch deren Erklärung vom 4. Mai 1976 ein Optionsrecht auf den Verkauf seines Geschäftsanteiles erworben habe; da die Formvorschrift des § 76 Abs. 2 GmbHG auch für eine solche Option gelte, könne der Kläger weder die Zahlung des Abtretungspreises noch die Annahme seines Anbotes durch die Beklagte verlangen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Das Zahlungsbegehren müsse schon am Fehlen einer notariellen Annahmeerklärung der Beklagten scheitern. Die Erklärung vom 4. Mai 1976 könne entgegen der Meinung des Erstgerichtes nicht als Einräumung einer Option, sondern nur dahin verstanden werden, daß die Beklagte für den Fall der Annahme des Anbotes des Klägers bereit war, für den Geschäftsanteil einen bestimmten Preis zu entrichten. Da eine solche Annahmeerklärung der Beklagten unstreitig nicht vorliege, könne der Kläger nicht die Zahlung des Abtretungspreises fordern. Auf das Eventualbegehren der Klage brauche nicht weiter eingegangen zu werden, weil die Berufung insoweit nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt worden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 76 Abs. 2 GmbHG bedarf es zur Übertragung von Geschäftsanteilen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden eines Notariatsaktes; das gleiche gilt für Vereinbarungen über die Verpflichtung eines Gesellschafters zur künftigen Abtretung eines Geschäftsanteils. Nach herrschender Lehre (Graschopf, Die GesmbH, 271; Gellis, Komm. z. GmbHG, 230; Kostner, Die GmbH[2], 94;

Graschopf, Die unitas actus bei Errichtung von Notariatsakten, NZ 1949, 34 ff., 36; Kostner, Verträge in Form von notariellen Anbot- und Annahmeerklärungen, NZ 1969, 20 f.) und Rechtsprechung (SZ 5/22;

SZ 49/23; 1 Ob 706/78; vgl. auch VwSlgNF 3684 F; VwSlgNF 3729 F;

anderer Meinung noch SZ 7/132) ist zwar eine Teilung des über die Übertragung von Geschäftsanteilen einer GmbH abgeschlossenen Vertrages in eine Anbot- und eine Annahmeerklärung zulässig; erfolgt aber die Übertragung solcherart in zwei gesonderten Urkunden, dann bedürfen beide Erklärungen der Form des Notariatsaktes.

Schon daraus folgt die Unrichtigkeit der Auffassung des Klägers, daß die Verpflichtung zum künftigen Erwerb eines Geschäftsanteiles formfrei übernommen werden könne: Ist die Annahme eines (aktuellen) Anbotes auf Übertragung eines Geschäftsanteiles an einer GesmbH ebenso an die Form des Notariatsaktes gebunden wie dieses Anbot selbst, dann muß dies umso mehr für eine Erklärung gelten, mit der sich jemand zur künftigen Übernahme eines solchen Geschäftsanteiles verpflichtet. Wollte man nämlich einer solchen Erklärung im Sinne der Rechtsmeinung des Klägers auch dann bindende Wirkung zuerkennen, wenn sie nicht in der Form des § 76 Abs. 2 GmbHG abgegeben wird, dann liefe dies dem Zweck der Formvorschrift zuwider, welche die Geschäftsanteile einer GesmbH dem Handels- und Börsenverkehr entziehen - also "immobilisieren" - und deshalb ihre Übertragung für beide Vertragspartner an die Einhaltung einer zeitraubenden, kostspieligen und eine reifliche Überlegung fordernden Förmlichkeit binden will (SZ 8/204; SZ 26/143; SZ 49/23; EvBl. 1951/313; JBl. 1962, 503; HS 4465/19; HS 7504 u. a.). § 76 Abs. 2 Satz 2 GmbHG kann daher sinnvoll nur dahin verstanden werden, daß nicht nur die Verpflichtung zur künftigen Abtretung eines Geschäftsanteils, sondern ebenso auch die Verpflichtung, einen solchen Anteil künftig zu übernehmen, der Form des Notariatsaktes bedarf (ebenso die herrschende Auffassung zur vergleichbaren Bestimmung des § 15 dGmbHG: Schilling - Zutt in Hachenburg, Komm. z. dGmbHG[7] II, § 15 Anm. 36; Scholz, Komm. z. dGmbHG[5], 199 f. § 15 Anm. 27; Sudhoff,

Der Gesellschaftsvertrag der GesmbH[4], 333; Eder im Handbuch der GesmbH[8] I, 157 Rz. 347).

Geht man aber von dieser Rechtsansicht aus, dann kann die Frage, ob dem Schreiben Beilage B tatsächlich eine Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme des Geschäftsanteiles des Klägers - oder nur eine unverbindliche Absichtserklärung in dieser Richtung - zu entnehmen ist, ebenso auf sich beruhen wie die rechtliche Qualifikation einer solchen Verpflichtung: Da die Erklärung vom 4. Mai 1976 nicht in der vom Gesetz vorgeschriebenen Form eines Notariatsaktes abgegeben worden ist, ist durch das "Anbot" des Klägers vom 1. August 1978 weder ein rechtswirksamer Abtretungsvertrag zustande gekommen noch eine Verpflichtung der Beklagten zur Annahme dieses Anbotes begrundet worden.

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