OGH 7Ob14/80

OGH7Ob14/8010.4.1980

SZ 53/56

Normen

AHVB Art5 III Z6
EHVB P. 3 Z4a
AHVB Art5 III Z6
EHVB P. 3 Z4a

 

Spruch:

Der Risikoausschluß für "Schäden am Werk" in der Haftpflichtversicherung für Baugewerbe umfaßt Schäden, die bei Erdarbeiten an einer dem Versicherungsnehmer bekannten Gasleitung entstehen

OGH 10. April 1980, 7 Ob 14/80 (OLG Wien 2 R 165/79; HG Wien 28 Cg 309/77)

Text

Die bei der Beklagten haftpflichtversicherte Klägerin beschädigte in den Abendstunden des 3. Dezember 1974 beim Ausheben einer Künette vor dem Hause W, B-Straße 119, eine Gasleitung der W Gaswerke. Mit Schreiben vom 27. Jänner 1977 lehnte die Beklagte ihre Deckungspflicht aus diesem Schadensfall ab. Dem Haftpflichtversicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1963) und die Ergänzenden Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (EHVB 1963) zugrunde. Nach Punkt 3 (Bau- und ähnliche Gewerbe) Z. 4 a EHVB ist von der Versicherung ausgeschlossen die Haftpflicht aus Schäden am Werk, das der Versicherungsnehmer herzustellen oder woran er zu arbeiten hat oder hatte.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von 69 000 S samt Anhang. Diesen Betrag habe sie auf Grund eines mit den W- Gaswerken geschlossenen Vergleiches gezahlt. Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und behauptet, daß sie aus dem vorerwähnten Schadensfall leistungsfrei sei. Die Klägerin habe baubehördlichen Vorschriften bewußt zuwider gehandelt und dadurch das die Haftpflicht auslösende Ereignis herbeigeführt. Ferner habe die Klägerin der Beklagten eine unrichtige Schadensmeldung erstattet und damit ihre Obliegenheiten nach Art. 7 I Abs. 6 AHVB verletzt. Der Schaden sei schließlich auch an dem Werk eingetreten, das die Klägerin herzustellen oder an dem sie zu arbeiten hatte. Derartige Schäden seien aber vom Versicherungsschutz der mit der Klägerin abgeschlossenen Haftpflichtversicherung ausgeschlossen (Art. 5 III Z. 6 c AHVB bzw. Punkt 3 Z. 4 a EHVB). An dem eingetretenen Schaden treffe die W Gaswerke ein mindestens 50%iges Mitverschulden. Eine derartige Einrede sei von der Klägerin im Direktprozeß mit den W Gaswerken nicht erhoben worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen führte die Klägerin über Auftrag der Gemeinde W in W, B-Straße, Erd- und Baumeisterarbeiten durch. Ihr Auftrag umfaßte auch die Herstellung einer 1.4 m tiefen, 80 cm breiten und etwa 800 m langen Künette zur Verlegung neuer Wasserrohre. Beim Ausheben der Künette beschädigte Karl W mit seinem Löffelbagger vor dem Eckhaus B-Straße/H-Straße eine Gasstichleitung zur Gashauptleitung, deren Rohr etwas höher als die Sohle der Künette lag. Als der erste Teilabschnitt von 4 m fertig gebaggert war, kam zu Karl W ein Aufseher der W Gaswerke und machte ihn darauf aufmerksam, daß ein Gasrohr in der Erde sei, das händisch freigelegt werden müsse. Von zwei Arbeitern der Klägerin wurde hierauf das etwa 1 m unter dem Niveau liegende kreuzende Gasrohr zirka 1 m lang auf der vollen Breite der Künette freigelegt. Nach den etwa eine Dreiviertelstunde dauernden Freilegungsarbeiten fuhr Karl W mit dem Bagger wieder über die Künette, um das noch nicht ausgehobene Stück zwischen der Künette und dem händisch gegrabenen Loch mit dem freigelegten Gasrohr ebenfalls auszubaggern und so die Künette zu erweitern. Das nun auszugrabende Stück war mit Betonbrocken, Pflastersteinen und Eisenstücken durchsetzt. Als Karl W die Verbindung zwischen der Künette und dem händisch ausgegrabenen Erdloch herstellen wollte, rutschte plötzlich der Grablöffel an den Betonbrocken und anderem harten Material ab, wobei der Schwenkarm des Baggers von oben auf das Gasrohr der Hauszuleitung fiel, das dadurch zum Bagger hin eingedrückt und verbogen wurde. Dieser Schaden trat ein, als bereits auf etwa 4 m Länge das volle Profil der Künette erreicht worden war. Das beschädigte Gaszuleitungsrohr war nicht ausgezeichnet. In der B-Straße waren bis zur Kreuzung mit der H-Straße, stadteinwärts gesehen, sonst alle kreuzenden Rohre durch Ölfarbe gekennzeichnet. Nach Ansicht des Erstgerichtes liege der Risikoausschluß der auf Bauunternehmungen anzuwendenden Spezialbestimmung des Punktes 3 Z. 4 a EHVB vor, nach der von der Haftpflichtversicherung Schäden am Werk, das der Versicherungsnehmer herzustellen oder woran er zu arbeiten hat oder hatte, ausgeschlossen seien. Das Gaszuleitungsrohr sei im unmittelbaren Arbeitsbereich der Künette gelegen und sei daher ebenfalls Gegenstand der Bearbeitung durch die Klägerin gewesen. Es liege somit ein Schaden am Werk vor, der vom Versicherungsschutz nicht erfaßt sei. Die Beklagte sei daher leistungsfrei. Ob die Klägerin auch eine Obliegenheitsverletzung begangen und das die Haftpflicht auslösende Ereignis durch bewußtes Zuwiderhandeln gegen baubehördliche Vorschriften herbeigeführt habe, sei demnach nicht mehr zu prüfen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revisionswerberin beharrt auf ihrer Meinung, daß der von der Beklagten behauptete Risikoausschluß nach Art. 5 III Z. 6 c AHVB bzw. Punkt 3 Z. 4 a EHVB deshalb nicht vorliege, weil die die Künette querende Gaszuleitung im Zeitpunkt ihrer Beschädigung bereits freigelegt war und damit nicht mehr Gegenstand einer Bearbeitung durch sie gewesen sei.

Die Ausführungen der Revisionswerberin vermögen nicht zu überzeugen. Vorauszuschicken ist, daß auf den vorliegenden Schadensfall die für das Baugewerbe geltende Sonderbestimmung des Punktes 3 der EHVB 1963 anzuwenden ist. Nach Punkt 3 Z. 4 a EHVB ist aber von der Versicherung die Haftpflicht für Schäden am Werk, das der Versicherungsnehmer herzustellen oder woran er zu arbeiten hat oder hatte, ausgeschlossen. Dieser Risikoausschluß liegt dann vor, wenn der Schaden an Sachen eingetreten ist, die Objekt der vom Versicherungsnehmer ausgeübten Tätigkeit gewesen sind (VersR 1973, 139; 1978, 454; 7 Ob 143/69). Aus dem verwendeten Begriff "Schäden am Werk" ergibt sich, daß dieses (im Gegensatz zum Risikoausschluß nach Art. 5 III Z. 6 c AKHB) als Ganzes das Ausschlußobjekt bildet und nicht bloß jener Teil (des Werkes), der gerade unmittelbar Gegenstand der Arbeit des Versicherungsnehmers ist. Die Entscheidung VersR 1972, 676 betraf entgegen den Revisionsausführungen einen ähnlich gelagerten Fall. Auch dort trat bei Arbeiten des Versicherungsnehmers an einem Teil des Werkes (Dachstuhl) ein Schaden an dem eine Einheit bildenden Werke (Haus) auf.

Zu dem herzustellenden Werk gehörte aber auch die Freilegung der der Revisionswerberin bekannten, die auszuhebende Künette querenden Gasleitung (VerR 1973, 139). Nur wenn bei der Aushebung einer Künette zufällig an einer dem Bauunternehmen nicht bekannten Rohrleitung ein Schaden verursacht wird, liegt der Risikoausschluß des Punktes 3 Z. 4 a EHVB nicht vor (VersR 1978, 454; EvBl. 1971/150). Hievon kann jedoch hier keine Rede sein.

Die Ausführungen der Revisionswerberin, daß ihrem Baggerführer Karl W das Tätigkeitsbewußtsein gefehlt habe, gehen an der bereits erwähnten Tatsache vorbei, daß dieser an der Herstellung des eine Einheit bildenden Werkes (Aushub einer zirka 800 m langen Künette) gearbeitet hat. Dem Umstand, daß die Gasleitung nicht bei ihrer Freilegung, sondern erst bei Fortsetzung der Grabarbeiten zur Herstellung der Künette beschädigt worden ist, kommt keine entscheidende Bedeutung zu. In der Rechtsansicht der Untergerichte, daß die Beklagte wegen Vorliegens des Risikoausschlusses nach Punkt 3 Z. 4 a EHVB leistungsfrei sei, kann somit ein Rechtsirrtum nicht erblickt werden. Ob auch der Risikoausschluß nach Art. 5 III Z. 6 c AHVB Platz greift, kann dahingestellt bleiben. Damit erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Rechtsprechung und das Schrifttum zu den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB). Wie nämlich die Revisionswerberin selbst hervorhebt, ist diesen ein dem Punkt 3 Z. 4 a EHVB ähnlicher Risikoausschluß für Schäden am Werk fremd (vgl. auch VersR 1972, 676).

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