OGH 7Ob6/80

OGH7Ob6/8020.3.1980

SZ 53/47

Normen

VersVG §70 Abs1
VersVG §70 Abs2
VersVG §70 Abs1
VersVG §70 Abs2

 

Spruch:

Versicherungsverträge über Liegenschaften können vom Erwerber binnen Monatsfrist ab Zustellung des Verbücherungsbeschlusses aufgekundigt werden

OGH 20. März 1980, 7 Ob 6/80 (LG Eisenstadt R 317/79; BG Mattersburg C 207/79 )

Text

Die Klägerin begehrt Zahlung einer Jahresprämie für die Feuerversicherung einer Liegenschaft. Strittig ist nur, ob die Beklagte als Erwerberin dieser Liegenschaft den Versicherungsvertrag rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 70 Abs. 2 VersVG gekundigt hat. Hiezu steht teils außer Streit und teils fest, daß die Beklagte das Grundbuchsgesuch um Einverleibung ihres Eigentumsrechtes auf Grund des Kaufvertrages vom 20. Dezember 1978 am 22. Jänner 1979 überreichte und daß sodann die Bewilligung der Eintragung am 23. Jänner 1979 und ihr Vollzug am 24. Jänner 1979 erfolgten. Die Zustellung dieses Bewilligungsbeschlusses an die Beklagte wurde am 15. Feber 1979 bewirkt; am 15. März 1979 kundigte die Beklagte den Versicherungsvertrag.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren aus der Erwägung ab, daß die Zustellung des Grundbuchsbeschlusses für den Beginn der Monatsfrist maßgebend sei.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne der Klage ab und vertrat die Rechtsansicht, daß das Eigentum an der veräußerten Liegenschaft schon im Zeitpunkt des Einlangens des vom Grundbuchsgericht später bewilligten und vollzogenen Grundbuchsgesuches auf den Erwerber übergehe und er deshalb schon ab diesem Zeitpunkt das Versicherungsverhältnis kundigen könne.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und stellte das Ersturteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der OGH hat in seiner Entscheidung SZ 32/151 = JBl. 1960, 295 den Standpunkt vertreten, der Erwerber einer Liegenschaft könne schon ab dem Zeitpunkte des Einlangens des vom Grundbuchsgericht später bewilligten und vollzogenen Grundbuchsgesuches das vom Veräußerer eingegangene Versicherungsverhältnis kundigen, weil in diesem Fall die Eigentumseintragung auf den Zeitpunkt des Einlangens des Grundbuchsgesuches zurückwirke. Nach dem richtigen Hinweis des Berufungsgerichtes hat Wahle diese Entscheidung (a. a. O.) kritisiert und gemeint, daß die Wirkung der Eintragung erst mit dem Vollzug eintrete. Dieser Rechtsfrage kommt aber im vorliegenden Fall nicht entscheidende Bedeutung zu. Es geht nämlich hier darum, ob der Erwerber das Versicherungsverhältnis ab einem der beiden genannten Zeitpunkte kundigen muß oder ob, wie für den Versicherer (§ 70 Abs. 1 VersVG am Ende), die Kenntnis von der Veräußerung entscheidet, nämlich beim Erwerb von Liegenschaften die Kenntnis von der erfolgten Verbücherung des eigenen Rechtes mit dem Zeitpunkt der Zustellung des Grundbuchsbeschlusses.

Auch diese Frage ist umstritten. Prölss - Martin, VVG[21], 396 f. halten wegen des unterschiedlichen Wortlautes der beiden Bestimmungen die Kenntnis des Erwerbers vom Wirksamwerden der Einverleibung seines Eigentumsrechtes für unerheblich und meinen, daß ein verspätet verständigter Erwerber eben um sein Recht gebracht werde. Bruck - Möller - Sieg[8] II, 886 vertreten dagegen die Ansicht, der erste Satzteil des § 70 Abs. 2 Satz 2 VersVG sei unscharf formuliert; es komme für den Beginn der Ausschlußfrist stets auf die Kenntnis der maßgebenden Umstände an, hier also auf die Kenntnis auch des Erwerbers vom Erwerb. Letzterer und die Kenntnis hievon fielen zwar in der Regel zusammen; beim Grundstückserwerb sei es dem Erwerber aber nicht zuzumuten, sich eventuell wiederholt nach der Eintragung zu erkundigen. Ehrenzweig hatte die gleiche Ansicht mit sehr kritischer Widerlegung des von Prölss angestellten Umkehrschlusses schon in der Schrift "Die Rechtslehre des Versicherungsvertrages und die klassische Logik", Karlsruhe 1954, 54 f. vertreten und das gegenteilige, als unvernünftig angesehene Ergebnis durch ein argumentum a minori zu widerlegen versucht: Wenn die Frist nicht in Lauf treten dürfe, solange der Erwerber nicht Kenntnis von der Versicherung habe, dann müsse das erst recht gelten, solange er nicht einmal Kenntnis von seinem eigenen Erwerb erlangt habe; das habe das Gesetz als selbstverständlich nicht sagen müssen. Zum gleichen Ergebnis kam auch Herz, VRdsch. 1950, 357, der dem Erwerber das Kündigungsrecht bereits ab der Eintragung der Einverleibung zuspricht, seine Pflicht aber erst ab der Verständigung hievon, das ist ab der Zustellung des Einverleibungsbeschlusses anerkennt. Weitere Stellungnahmen pro und contra in der deutschen Literatur (s. Bruck - Möller - Sieg a. a. O.) sind hier zu vernachlässigen.

Der Oberste Gerichtshof hält die Argumente von Bruck - Möller - Sieg und Ehrenzweig für überzeugend. Der Sinn der Gesetzesbestimmung kann nur darin liegen, dem Erwerber ab jenem Zeitpunkt, in welchem er vom bücherlichen Erwerb der versicherten Liegenschaft durch die Zustellung des Bewilligungsbeschlusses des Grundbuchsgerichtes Kenntnis erlangt hat, die gesetzliche Kündigungsfrist einzuräumen. Die gegenteilige Lösung würde zu unerträglichen Unsicherheiten führen, wenn das Grundbuchsgesuch etwa in erster Instanz abgewiesen und erst in höherer Instanz oder nach verbesserter Neueinbringung bewilligt wird. Eine allenfalls mehrfache Erkündigung wäre dem Erwerber nicht zumutbar, zumal wenn er auswärts oder gar im Ausland wohnt.

Die Kündigungsfrist war daher erst ab der Zustellung des Grundbuchsbeschlusses am 15. Feber 1979 zu bemessen. Dann ist aber die am 15. März 1979 erfolgte Kündigung rechtzeitig. Der Hinweis der Revisionsgegnerin, daß an diesem Tag das Kündigungsschreiben erst zur Post gegen worden sei, ist als unzulässige Neuerung ebenso unbeachtlich wie ihr Vorbringen in der Berufung, daß die Frage der Postaufgabe nicht geprüft worden sei. Die Klägerin selbst hatte nämlich in erster Instanz nur behauptet und dies wurde sodann außer Streit gestellt, daß die Beklagte ihr die Kündigung des Vertrages "am 15. 3. 1979 mitgeteilt" habe. Diese eindeutige Außerstreitstellung stand jeder weiteren Prüfung der erst im Rechtsmittelverfahren aufgeworfenen Frage, in welcher Form die Kündigung erfolgte und ob ein Postenlauf zu berücksichtigen ist, entgegen.

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