Normen
ABGB §335
ABGB §336
ABGB §464
ABGB §1039
EGZPO ArtXLII
ABGB §335
ABGB §336
ABGB §464
ABGB §1039
EGZPO ArtXLII
Spruch:
Auch wer gutgläubig eine unter Eigentumsvorbehalt stehende Sache vom Vorbehaltskäufer zum Pfand nimmt und verwertet, ist gegenüber dem Vorbehaltseigentümer zur Rechnungslegung verpflichtet
OGH 26. Feber 1980, 2 Ob 505/80 (OLG Innsbruck 2 R 296/79; LG Innsbruck 16 Cg 5/77)
Text
Die Klägerin exportierte an F M in den Jahren 1973 und 1974 Wohnwagen, wobei sie jeweils unter Eigentumsvorbehalt lieferte. Die Bezahlung des Kaufpreises erfolgte in der Regel durch Wechsel, die über die Beklagte, die Hausbank des F M, eskomptiert wurden. Gegen Ende des Jahres 1974 schuldete F M der klagenden Partei, aber auch der beklagten Partei erhebliche Beträge und setzte sich nach Mexiko ab. In der Folge gelangten mehrere von der Klägerin gelieferte Wohnwagen samt verschiedenem Zubehör in die Gewahrsame der beklagten Partei, die sich auf den Standpunkt stellte, an diesen Gegenständen ein vertragliches Pfandrecht erworben zu haben. Etliche dieser Wohnwagen wurden verkauft, wobei der Verkaufserlös jeweils der beklagten Partei zukam.
Die Klägerin begehrte von der Beklagten Rechnungslegung und Eidesleistung im Sinne des Art. XLII EGZPO über die erzielten Verkaufserlöse und stellte im wesentlichen folgende Prozeßbehauptungen auf: Die fraglichen Wohnwägen seien durch C M über Auftrag des F M Ende Feber 1975 der beklagten Partei zu dem Zweck übergeben worden, sich aus dem Verkauf derselben zu befriedigen. Der Beklagten sei auf Grund der zwischen den Streitteilen und F M bestandenen Geschäftsverbindungen der Eigentumsvorbehalt der Klägerin bekannt gewesen, weil die gesamte Geschäftsabwicklung zwischen der Klägerin und F M über die Beklagte als dessen Hausbank gegangen sei und weil die Beklagte im Besitz sämtlicher Geschäftsunterlagen gewesen sei. Sie habe weiters gewußt, daß F M der Klägerin namhafte Beträge schuldete und seinen Zahlungsverpflichtungen nur sehr schleppend nachkam, zumal es die Beklagte gewesen sei, die die Klägerin immer wieder darüber informiert habe, daß Wechsel nicht eingelöst würden und zu Protest gingen. Sie habe sich daher dessen bewußt sein müssen, durch den Verkauf der Wohnwagen und die Vereinnahmung der Erlöse hieraus gegen den Eigentumsvorbehalt der Klägerin verstoßen und diese in ihren berechtigten Interessen zu schädigen. Den Verkauf der Wohnwagen habe die Beklagte selbst betrieben. Sie habe C M auf ihre Kosten nach Mexiko entsandt, damit er sich die entsprechenden Vollmachten beschaffe. Die Vorgangsweise der Beklagten sei rechtswidrig gewesen; die Verkäufe seien daher auf Kosten der Klägerin erfolgt. Die Klägerin habe ein berechtigtes privatrechtliches Interesse daran, zu wissen, welche Beträge die Beklagte aus den Verkäufen der Wohnwägen samt Bestandteilen erlöst habe, da sie beabsichtige, die Beklagte auf Herausgabe dieser zu Unrecht vereinnahmten Erlöse zu klagen. Zu einer rechtlichen Qualifizierung ihres Vorbringens sei die Klägerin nicht verpflichtet; auf Grund der bestehenden Geschäftsverbindung habe aber jedenfalls auch zwischen den Streitteilen ein Rechtsverhältnis bürgerlichen Rechts bestanden, aus welchem die Beklagte zur Erfüllung des Klagebegehrens verpflichtet sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, sie habe an den später verkauften Wohnwagen zu einem Zeitpunkt ein Pfandrecht vereinbart und erworben, als ihr weder der vereinbarte Eigentumsvorbehalt noch die Verbindlichkeiten des F M gegenüber der klagenden Partei bekannt gewesen seien, sie daher gutgläubig gewesen sei. Die Pfandgegenstände seien vom Pfandschuldner und nicht von der Beklagten verkauft worden, der Erlös sei der beklagten Partei rechtmäßig als Pfandgläubigerin zugeflossen. Zwischen den Streitteilen bestehe kein Rechtsverhältnis, das die Beklagte zur Vorlage einer Abrechnung verpflichten würde. Für einen von der Klägerin allenfalls in Erwägung gezogenen Schadenersatzanspruch stehe die Klage nach Art. XLII EGZPO nicht zu.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Der Beklagten war zunächst nicht bekannt, daß die Klägerin in jedem Fall mit F M einen Eigentumsvorbehalt vereinbart hatte, sondern sie erfuhr dies erst im Feber 1975. Schon vor diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte mit F M, vertreten durch seinen Bruder C M, einen Pfandvertrag geschlossen und die einzelnen verpfändeten Wohnwagen samt Zubehör in ihre Gewahrsame genommen und als Pfandgegenstände gekennzeichnet. Der Verkauf der Wohnwagen erfolgte teils vor, teils nach dem Zeitpunkt, da die Beklagte vom Eigentumsvorbehalt erfuhr. Zum Zwecke der Pfandverwertung und Veräußerung der Wohnwagen führte die Beklagte die Verkaufsgeschäfte im Auftrag des F M "sozusagen" weiter, wobei sie den früheren Lagerplatz des F M als "Pfandplatz" benützte und auch eine Angestellte übernahm und bezahlte.
In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht im wesentlichen von folgenden Erwägungen aus: Voraussetzung einer Klage gemäß Art. XLII EGZPO sei, daß die Klägerin ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung des Vermögens habe und sich überdies in Ungewißheit über dieses Vermögen befinde. Weil der Beklagten der Eigentumsvorbehalt im Zeitpunkt der von F M widerrechtlich erfolgten Verpfändung nicht bekannt gewesen sei und aus den vorhandenen Unterlagen auch nicht bekannt sein habe müssen, habe die Beklagte vor Erlangung der Kenntnis über den Eigentumsvorbehalt redlich ein Pfandrecht erworben und sich gemäß § 368 HGB aus dem Verkauf dieser Sachen befriedigen dürfen. Der Klägerin als Eigentümerin der Pfandgegenstände stunden nur die Rechte des § 456 ABGB zu. Daraus ergebe sich aber kein privatrechtliches Interesse im Sinne der vorliegenden Klage; denn die Ausgangsposition wäre eine vollkommen andere. Die Beklagte habe redlich und gutgläubig Rechte erworben, die dem auf andere Voraussetzungen gestützten Klagebegehren entgenstunden. Der Irrtum und die Unwissenheit der Beklagten seien im entscheidenden Zeitpunkt entschuldbar gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60 000 S übersteigt.
Rechtlich führte das Berufungsgericht aus:
Durch Art. XLII EGZPO werde kein neuer materiellrechtlicher Anspruch auf Vermögensangabe, Rechnungslegung oder Auskunftserteilung begrundet; der Klage könne nur stattgegeben werden, wenn sich diese Verpflichtung entweder unmittelbar aus einer Norm des bürgerlichen Rechts oder aber aus einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen den Parteien ergebe. Eine Vereinbarung, aus der sich das Rechnungslegungsbegehren ausdrücklich oder aus der Natur der privatrechtlichen Beziehung ableiten ließe, werde von der Klägerin nicht behauptet und ergebe sich auch nicht aus dem Akteninhalt. Die Klägerin mache nur geltend, daß ihr die Eigentumsklage gemäß § 366 ABGB zustehe. Für die Klage auf Herausgabe ihrer Sachen oder der daraus erlangten Vorteile, die sich diesbezüglich als Anspruch aus einer rechtsgrundlosen Bereicherung gemäß § 1437 ABGB darstelle, sei im Gesetz keine Verpflichtung zur Rechnungslegung vorgesehen. Eine ausdehnende Auslegung der Bestimmungen des Art. XLII EGZPO komme nicht in Betracht. Auch aus der Rechtsnatur eines sich aus § 335 ABGB ergebenden Bereicherungsanspruches könne keine Verpflichtung zur Rechnungslegung abgeleitet werden. Der Anspruch, den Vorteil herauszugeben, habe nichts mit der Frage zu tun, wie die Höhe des erlangten Vorteiles im einzelnen zu beweisen sei. Der Bereicherungsgläubiger müsse vielmehr die Höhe seiner Ansprüche selbst klarstellen und den allgemeinen Beweislastregeln folgend beweisen, ohne die Mitwirkung des Schuldners verlangen zu können. Die Klägerin könne auch gar nicht behaupten, daß ihr eine Konkretisierung ihrer allfälligen Ansprüche gegen die Beklagte ohne Rechnungslegung nicht möglich sei, da sie ja aus ihren eigenen Unterlagen ersehen könne, um welche Wohnwägen es sich handle. Die Klage sei daher nicht schlüssig.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge und änderte die Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Obwohl sich die Klägerin, wie sie auch in der Revision betont, nie auf einen bestimmten Klagsgrund festgelegt hat, scheidet der zweite Tatbestand des Art. XLII Abs. 1 EGZPO von vornherein aus. Die Klägerin hat nie geltend gemacht, daß die Beklagte von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens vermutlich Kenntnis habe.
Die Klägerin kann ihren Anspruch also nur auf den ersten Fall des Art. XLII Abs. 1 EGZPO stützen, welcher voraussetzt, daß die Beklagte nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zur Angabe ihres Vermögens oder des die Klägerin interessierenden Teiles davon verpflichtet ist. Das Berufungsgericht führt zutreffend aus, daß der erste Anwendungsfall des Art. XLII Abs. 1 EGZPO keinen neuen materiellrechtlichen Anspruch auf Vermögensangabe, Rechnungslegung oder Auskunftserteilung begrundet, sondern vielmehr voraussetzt, daß eine solche Verpflichtung schon nach bürgerlichem Recht besteht. Ob also die in Anspruch genommene Beklagte verhalten ist anzugeben, welche Erlöse sie aus dem Verkauf von noch im Eigentumsvorbehalt der Klägerin stehenden Waren erzielt hat, bestimmt sich ausschießlich nach dem zwischen den Streitteilen bestehenden Rechtsverhältnis des bürgerlichen Rechts (SZ 46/112; SZ 48/114 u. v. a.).
Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichtes ergibt sich jedoch schon auf Grund der beiderseits nicht bekämpften Feststellungen die Berechtigung der Klage. Trafen die Klagsbehauptungen in der Form zu, daß die Beklagte die Waren der Klägerin schlechtgläubig an sich brachte und verwertete, dann war die Beklagte gemäß §§ 335, 336 ABGB der Klägerin als Eigentümerin gegenüber verpflichtet, dieselben als fremdes Gut zu verwahren und über sie nur als Geschäftsführerin ohne Auftrag zu verfügen (Schey - Klang in Klang[2]II, 99, 100; s. dort besonders auch Anm. 5 zu §§ 335, 336 ABGB). Gemäß § 1039 ABGB - dies ist die von der Rechtsprechung für nicht aus einem Vertrag abgeleitete Rechnungslegungsansprüche geforderte Rechtsnorm - ist ein solcher Geschäftsführer zur Rechnungslegung verpflichtet (Stanzl in Klang[2] IV/1, 906; Koziol - Welser[5], I, 385). Dies gilt auch für eine sogenannte unechte Geschäftsführung, wenn also jemand wissentlich ein fremdes Geschäft in der Absicht führt, sich selbst den Nutzen zuzuwenden. Mag auch in einem solchen Fall der Herausgabeanspruch auf das Bereicherungsrecht beschränkt sein (vgl. JBl. 1969, 272, angeführt auch bei Koziol - Welser[5] I, 385), so ist der bewußt Unredliche hinsichtlich der Rechnungslegungspflicht doch wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag zu behandeln (SZ 49/63; s. auch Bydlinski in JBl. 1969, 252, besonders 257).
Wird jedoch im Sinne der Einwendungen der beklagten Partei davon ausgegangen, daß die Beklagte über fremdes Eigentum nur in der Form der Ausübung der Rechte eines gutgläubigen Pfandgläubigers verfügte, dann ergibt sich die von der Klägerin behauptete Verpflichtung zur Rechnungslegung aus dem Wesen des Pfandrechtsverhältnisses. Der Pfandgläubiger ist gemäß § 459 ABGB bis zum Verkauf der Pfandsache zu deren Verwahrung verpflichtet und hat demgemäß zum Beispiel dem Pfandeigentümer auch den Verwahrungsort der Pfandsachen bekanntzugeben (Klang in Klang[2] II, 483, 484; GlU 13 928). Gemäß § 464 ABGB ist er nach der Verwertung des Pfandgegenstandes, wenn der Erlös die Pfandforderung übersteigt, zur Herausgabe eines Überschusses verpflichtet, wobei der Erlös nicht etwa, wie aus dem ungenauen Wortlaut des Gesetzes geschlossen werden könnte, dem persönlichen Schuldner, sondern dem Eigentümer des Pfandes zufällt (Klang in Klang[2] II, 494). Bei einem Vertragsverhältnis besteht nach ständiger Rechtsprechung eine Verpflichtung zur Rechnungslegung aber insbesondere überall dort, wo es das Wesen des Rechtsverhältnisses mit sich bringt, daß der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang eines Vermögens im Ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer eine solche Auskunft zu erteilen, und diese Auskunft dem Verpflichteten überdies nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auch zugemutet werden kann (SZ 46/112; SZ 48/114). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Daß die Beklagte die Verpflichtung aus dem Pfandvertrag nicht nur gegenüber dem Verpfänder (F M), sondern seit der Kenntnis von der fehlenden Verpfändungsbefugnis ihres Vertragspartners auch gegenüber der klagenden Partei als dem Eigentümer der Pfandsache zu erfüllen hat, ergibt sich unter Kaufleuten schon aus der gemäß Art. 8 Nr. 14 4. EVGHB anwendbaren Bestimmung des § 1248 BGB. Die Beklagte muß daher der Klägerin darüber Rechenschaft ablegen, welche von ihr als Pfandgegenstand in Verwahrung genommene Waren der Klägerin verkauft wurden und welche nicht, welche Erlöse sie aus einem Verkauf der Pfandgegenstände erzielte und wie hoch die zu sichernde Pfandforderung war, weil die Klägerin nur dann beurteilen kann, welche Ansprüche ihr einerseits gegen ihren treulosen Vertrauensmann (F M) und unter Umständen (§ 464 ABGB) auch gegen die Beklagte selbst zustehen.
Das privatrechtliche Interesse im Sinne des Art. XLII Abs. 2 EGZPO ist gerade im Fall der Verpfändung von Gegenständen durch einen dazu nicht befugten Vertrauensmann des Eigentümers zu bejahen. Es trifft in diesem Sinne nicht zu, daß wie das Berufunsggericht ausführt, der Klägerin ohne Zweifel alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stehen, um ihre Ansprüche gegen F M oder die Beklagte selbst ziffernmäßig zu errechnen. Sie weiß wohl, wie viele Rechnungen noch unbeglichen sind. Ob sie aber in Ausübung ihrer Rechte aus dem vereinbarten Eigentumsvorbehalt auf noch nicht verkaufte Waren greifen oder gegen die Beklagte einen Anspruch auf Herausgabe eines Überschusses im Sinne des § 464 ABGB geltend machen kann, kann sie aus ihren eigenen Unterlagen nicht beurteilen.
Es bedarf damit keiner Prüfung der Frage, ob und wann und in welchem Umfang die Beklagte Kenntnis von dem rechtswidrigen Handeln des F M hatte oder haben mußte, sondern die Sache ist spruchreif im Sinne einer Klagsstattgebung.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)