Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem Schuldspruch zu I (Verbrechen der Verleumdung) und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang dieser Aufhebung an den Einzelrichter des Landesgerichtes Innsbruck (zurück-)verwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Die Berufung wegen Schuld wird zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung wegen Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27.Oktober 1952 geborene Hilfsarbeiter Leopold A des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB (zweiter Fall) und des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem § 288 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Diesem Schuldspruch liegt nach den wesentlichen, sinngemäß zusammengefaßten Feststellungen des Erstgerichtes zugrunde, daß der Angeklagte am 20.November 1978 zu AZ Z 148/79
des Bezirksgerichtes Hopfgarten im Strafverfahren gegen Richard B und Sebastian C wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 StGB sowie am 23.Februar 1979 zu AZ Z 28/79 desselben Gerichtes im Strafverfahren gegen Ludwig D und Johann E wegen des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 StGB als Zeuge falsch aussagte, er habe Richard B und Sebastian C deshalb fälschlich als Täter der ihnen angelasteten Sachbeschädigungen (zum Nachteil des Johann F und des Johann G) angegeben (von welchem - in der Hauptverhandlung vom öffentlichen Ankläger nur alternativ aufrechterhaltenen /S 37 f / - Vorwurf der Verleumdung er mit dem angefochtenen Urteil rechtskräftig freigesprochen wurde), weil die Gendarmeriebeamten D und E ihm drohten, wenn er keine Aussage mache, würde er eingesperrt werden (II 1 des Schuldspruchs), E habe aus einem Kasten einen Schlüssel mit der Aufschrift Arrest geholt und ihm vor die Nase gehalten (II 2), die Beschuldigten B und C hätten die ihnen angelasteten Sachbeschädigungen nicht begangen (II 3 und 4), wobei er durch die falsche Beweisaussage zu II 1 die beiden genannten Gendarmeriebeamten des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB (zweiter Fall) verdächtigte, obwohl er wußte, daß diese Verdächtigung falsch ist.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einem als Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe bezeichneten Rechtsmittel, worin die Nichtigkeitsgründe der Z 5
sowie (im Rahmen der Schuld- und Strafberufung der Sache nach) der Z 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO geltend gemacht werden.
Rechtliche Beurteilung
Die - überdies nach Ablauf der Ausführungsfrist - eingebrachte 'Ergänzung' der Nichtigkeitsbeschwerde (ON 18) ist unbeachtlich (SSt 27/44, 39/37).
Gegen den Schuldspruch wegen falscher Beweisaussge zu II 3 und 4 wendet der Beschwerdeführer ein, das Erstgericht habe seine zugrundeliegende Annahme, Sebastian C und Richard B hätten tatsächlich am 12.August 1978 die Hütte des Johann F und das Klosett des Johann G boshaft beschädigt, die anderslautenden Beweisaussagen des Angeklagten seien falsch, nicht begründet. Zur Widerlegung dieser Beschwerdeausführungen genügt der Hinweis auf die Urteilsbegründung in Seite 48
und 49 d.A, worin zwar knapp, aber mit der für ein Urteil erforderlichen und ausreichenden Bestimmtheit (vgl. § 270 Abs. 2 Z 5 StPO) dargetan wird, daß das Erstgericht seine Feststellung der Verübung der bezeichneten Sachbeschädigungen auf die Versuche von C und B stützte, den Gendarmeriepostenkommandanten D von der Verwertung der (sie belastenden), vor ihm abgelegten Aussage des Angeklagten abzuhalten und ihn zur Vernichtung der hierüber aufgenommenen Niederschrift zu veranlassen, und die vor Gericht abgelegte anderslautende Aussage des Angeklagten als Zeuge damit erklärt wird, daß er unter dem massiven Druck von C und B stand, welche Annahme das Erstgericht auf die für glaubwürdig erachtete Aussage des Zeugen D (S 36 d.A) gründete. Die behauptete Mangelhaftigkeit der Urteilsbegründung liegt daher nicht vor. In weiterer Ausführung der Mängelrüge (und auch in der Schuldberufung) wendet sich die Beschwerde gegen die 'Zerlegung' der Angaben des Angeklagten in 'zwei Blöcke', nämlich die Fakten II 1 und 2, ohne darzutun, inwiefern er durch diese Gliederung des Schuldspruchs - die schon deshalb angezeigt war, weil die zu II 2 bezeichnete falsche Aussage zum Unterschied zu den unter II 1 erfaßten Aussagen nur am 23.Februar 1979 zu AZ Z 28/79 des Bezirksgerichtes Hopfgarten abgelegt wurde - beschwert ist. Der zusätzlich behauptete, indes nicht näher ausgeführte Widerspruch zwischen diesem Teil des Urteilsspruchs und der Begründung ist nicht ersichtlich.
Dem Schuldspruch des Beschwerdeführers wegen Vergehens der falschen Beweisaussage (Punkt II des Urteilssatzes) haften somit die behaupteten Begründungsmängel nicht an, sodaß die Nichtigkeitsbeschwerde insofern zu verwerfen war.
Gegen den Schuldspruch wegen Verleumdung bringt die Beschwerde im Rahmen der Schuldberufung, der Sache nach aber in Ausführung der Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a und 10 StPO einerseits vor, daß die Gendarmeriebeamten keine Befugnis zur Verhaftung des Angeklagten gehabt hätten, sodaß durch das ihnen vorgeworfene Verhalten (wie auch in dem gegen sie eingeleiteten Strafverfahren angenommen) nicht das Tatbild des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB, sondern nur das der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB verwirklicht wäre, und die Gefahr einer behördlichen Verfolgung nach der erstbezeichneten Gesetzesstelle daher objektiv nicht bestanden habe. Anderseits bestreitet der Angeklagte, es ernstlich für möglich gehalten zu haben, daß die Gendarmeriebeamten durch seine Aussage der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt gewesen wären. Mit diesem Hinweis hebt der Beschwerdeführer zutreffend hervor, daß zur Annahme des Tatbildes nach dem § 297
StGB auch erforderlich ist, daß der Täter die Gefährdung der verleumdeten Person zumindest ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet. Zu diesem Teil der subjektiven Komponente der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Tat läßt das angefochtene Urteil jegliche Feststellung vermissen. Die Wiedergabe des Gesetzeswortlautes im Urteilsspruch kann diese fehlende Feststellung umsoweniger ersetzen, als das durchgeführte Beweisverfahren keine Grundlage für die Beurteilung der subjektiven Tatseite bietet und eine Erörterung der Frage unterblieb, welche Folgen für die belasteten Gendarmeriebeamten der Beschwerdeführer seinen falschen Beweisaussagen zumaß. Da das Urteil somit insofern mit einem die Entscheidung, ob eine gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, hindernden und daher Nichtigkeit gemäß dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO bewirkenden Feststellungsmangel behaftet ist, erweist sich die Aufhebung dieses Teiles des Schuldspruchs zur Teilerneuerung des Verfahrens als unvermeidlich.
Berechtigung kommt auch den Beschwerdeausführungen zu, daß die Urteilsfeststellungen die Annahme, der Angeklagte habe den Gendarmeriebeamten das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt vorgeworfen, nicht decken können:
In bezug auf die angedichtete Straftat muß der Vorsatz den konkreten Unrechtssachverhalt, der dem dem Verleumdeten zur Last gelegten Deliktstypus und seinen Modalitäten entspricht, in all seinen strafrechtlich relevanten Einzelheiten umfassen (SSt. 47/3 = EvBl. 1976/206).
Vorliegend beschränkt sich der festgestellte, wissentlich falsche Vorwurf des Beschwerdeführers gegen die beiden Gendarmeriebeamten auf die Aussage, er habe die gegenständlichen Angaben gemacht, weil ihm von den Beamten mit dem Einsperren gedroht worden sei. Nun kann zwar einem Gendarmeriebeamten - der Auffassung des Beschwerdeführers zuwider -
die (bei Prüfung der Tatbildlichkeit nach dem § 302 Abs. 1 StGB allein relevante) generelle Befugnis zu Festnahmen nicht abgesprochen werden. Daß eine solche Festnahme im Einzelfall rechtswidrig wäre (wie etwa hier die bloß angedrohte, auf keine gesetzliche Ermächtigung zu stützende Festnahme einer Auskunftsperson wegen Aussageverweigerung), schließt sohin Mißbrauch der Befugnis des Beamten nicht aus.
Mißbrauch der Amtsgewalt setzt aber über den wissentlichen Mißbrauch der dem Beamten eingeräumten Befugnis, in Ausübung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, hinaus auch noch den Vorsatz voraus, dadurch einen anderen in seinen Rechten zu schädigen. Der Oberste Gerichtshof sprach bereits - übereinstimmend mit der Judikatur zum Strafgesetz (vgl. in diesem Zusammenhang SSt. 20/19) - aus, daß die Nötigung eines Beschuldigten zu einem Geständnis nur dann dem Tatbestand des § 302 StGB zu unterstellen ist, wenn der (zumindest bedingte) Vorsatz des Beamten darauf gerichtet war, ein unwahres Geständnis zu erzwingen (ÖJZ-LSK 1978/219 =
EvBl. 1979/29; 11 Os 172/78). Nichts anderes hat zu gelten, wenn ein Beamter rechtswidrig eine Auskunftsperson zu bestimmten Angaben veranlaßt. Auch dann ist der zur Deliktsverwirklichung erforderliche Schädigungsvorsatz (hier zum Nachteil des Staates) nur dann gegeben, wenn damit eine wahrheitswidrige Aussage erzwungen wird. Für die Annahme, der Beschwerdeführer habe den beiden Gendarmeriebeamten einen derartigen Vorsatz unterstellt, bietet jedoch seine aktengemäß festgestellte Aussage umsoweniger Grundlage, als nach den Urteilsfeststellungen die ihm angeblich abgenötigte Aussage der Wahrheit entsprach. Das festgestelltermaßen vom Beschwerdeführer in seinen Aussagen den Beamten fälschlich angelastete Verhalten kann daher rechtsrichtig (lediglich) als das Vergehen der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB beurteilt werden.
Der bewußt wahrheitswidrige Vorwurf dieser Straftat stellt daher auch nicht das mit sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohte Verbrechen der Verleumdung nach dem zweiten Fall des § 297 Abs. 1 StGB dar, sondern lediglich das mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedrohte Vergehen nach dem ersten Strafsatz der bezeichneten Gesetzesstelle. Daran ändert auch nichts, daß im vorliegenden Fall im Strafverfahren gegen die verleumdeten Gendarmeriebeamten die Möglichkeit einer Überschreitung der Obergrenze des Strafrahmens bestanden hätte, weil der § 313 StGB als eine bloß fakultativ anzuwendende Strafbemessungsvorschrift zu werten ist, die keine Veränderung der gesetzlichen Strafsätze bewirkt, sondern dem Gericht nur die Möglichkeit einräumt, gegebenenfalls im Rahmen der Strafzumessung die Obergrenze der anzuwendenden Strafdrohung zu überschreiten (Leukauf-Steininger2, 1588, RN 16 zu § 313 StGB und die dort zitierte Judikatur). Im Hinblick darauf ist für die Hauptverhandlung und Urteilsfällung wegen des nunmehr als Vergehen der Verleumdung zu wertenden Anklagevorwurfes ebenso wie für den Strafausspruch zum aufrecht gebliebenen Schuldspruch wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem § 288 Abs. 1 StGB (Punkt II des Urteilssatzes) nicht (mehr) das Schöffengericht, sondern der Einzelrichter (§ 13 Abs. 2 StPO) zuständig, sodaß die Strafsache im Umfang der aus dem Spruch ersichtlichen Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an diesen Richter zu verweisen war. Die Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld war als unzulässig zurückzuweisen.
Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch, die durch die teilweise Urteilsaufhebung gegenstandslos wurde, war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
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