OGH 5Ob709/79

OGH5Ob709/7922.1.1980

SZ 53/8

Normen

ABGB §936
WEG 1975 §2
WEG 1975 §22 Abs1 Z3
WEG 1975 §23
ABGB §936
WEG 1975 §2
WEG 1975 §22 Abs1 Z3
WEG 1975 §23

 

Spruch:

Tatsachen, die nach Begründung des Wohnungseigentums einen Ausschließungsgrund gemäß § 22 Abs. 1 Z. 3 WEG 1975 abgäben, kann der Wohnungseigentumsorganisator als Vertragsauflösungsgrund geltend machen

OGH 22. Jänner 1980, 5 Ob 709/79 (LGZ Graz 3 R 102/79; BGZ Graz 24 C 225/78)

Text

Die klagende Gesellschaft für Wohnungsbau und Siedlungswesen ist Eigentümerin der Liegenschaft und hat sich in den Verträgen vom 31. August 1972 und vom 12. Feber 1975 verpflichtet, dem Beklagten gegen Bezahlung der anteiligen Grundstückskosten von 28 750 S und anteiliger Baukosten von 29 000 S (Eigenmittel) das Wohnungseigentumsrecht an der dort befindlichen Wohnung Nr. 3 samt dem dazu gehörigen Grundanteil einzuräumen. Der beklagte Wohnungseigentumsbewerber benützt gemeinsam mit seiner Ehefrau diese Wohnung seit 1975 auf Grund der mit der klagenden Wohnungseigentumsorganisatorin am 12. Feber 1975 geschlossenen Nutzungsvereinbarung gegen ein monatliches Entgelt von 1911 S. Im Punkt IX e dieses Nutzungsvertrages wurde der klagenden Gesellschaft für den Fall, daß der Nutzungsberechtigte "eine der sonstigen Bestimmungen dieser Vereinbarung oder des Anwartschaftsvertrages sowie der Hausordnung trotz eingeschriebener schriftlicher Mahnung bei Einräumung einer achttägigen Frist nicht einhält", das Recht zur sofortigen Auflösung der "gesamten Vereinbarung" eingeräumt und festgehalten, daß in diesem Falle "das eingeräumte Nutzungsrecht an der Wohnung und der Anspruch auf Übertragung des Wohnungseigentums erlischt". In der Hausordnung vom 12. Juni 1978 ist unter Punkt III, "Ordnung im Haus", u. a. bestimmt, daß auf den Gängen und Stiegen kein Lärm verursacht werden und die Nachtruhe durch keinerlei lärmende Beschäftigungen, insbesondere nicht durch Musizieren, gestört werden darf.

Seit Benützung der Wohnung belästigt der beklagte Wohnungseigentumsbewerber die übrigen Wohnungseigentumsbewerber immer wieder dadurch, daß er in betrunkenem Zustand nachts beim Nachhausekommen randaliert, an seine Wohnungstüre mit den Fäusten trommelt und im Stiegenhaus seine kleine Notdurft verrichtet. Zweimal mußte von den Mitbewohnern die Polizei und einmal die Feuerwehr zur Hilfe geholt werden. Die übrigen Wohnungseigentumsbewerber weigern sich, mit dem Beklagten (und seiner Ehefrau) einen Wohnungseigentumsvertrag abzuschließen, und haben sich über sein Verhalten wiederholt bei der klagenden Wohnungseigentumsorganisatorin beschwert. Diese hat erstmals mit ihrem Schreiben vom 15. Juni 1978 und dann noch einmal mit ihrem Brief vom 11. Dezember 1978 unter Setzung einer achttägigen Nachfrist dem Beklagten gegenüber die Kündigung der Nutzungsvereinbarung gemäß deren Punkt IX e erklärt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Wohnungseigentumsorganisatorin die Verurteilung des beklagten Wohnungseigentumsbewerbers zur Räumung der von ihm nach dem Rücktritt von den beiden mit ihm geschlossenen Verträgen "titellos" benützten Wohnung.

Der Beklagte hat die Abweisung des Klagebegehrens beantragt und im wesentlichen eingewendet, daß er gegenüber der klagenden Gesellschaft gemäß § 23 WEG 1975 bereits einen unabdingbaren Anspruch auf Einverleibung des Eigentumsrechtes habe; die Klägerin sei nicht zur Klage legitimiert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es trat der Ansicht des Beklagten bei, daß er gemäß § 23 Abs. 2 WEG 1975 bereits einen unabdingbaren Anspruch gegen die Klägerin auf Nutzung der ihm übergebenen Wohnung und Einverleibung des Eigentumsrechtes habe; seine rechtliche Position sei bereits so stark und der Stellung eines Mit- und Wohnungseigentümers angenähert, daß der von ihm gesetzte Tatbestand (§ 22 Abs. 1 Z. 3 WEG 1975) nicht mehr vom Wohnungseigentumsorganisator im Wege des Vertragsrücktrittes, sondern nur mehr durch Ausschlußklage gemäß § 22 WEG 1975 geltend gemacht werden könne, die jedoch erst nach Einverleibung des Eigentumsrechtes zulässig sei.

Das Gericht zweiter Instanz hat in Stattgebung der Berufung der klagenden Gesellschaft das Urteil des Erstgerichtes abgeändert und den Beklagten zur Räumung der Wohnung verurteilt. Der Beklagte habe sich gegenüber seinen Mitbewohnern durch das festgestellte Verhalten derart unleidlich benommen, daß diesem Verhalten die Bedeutung eines wichtigen Gründes zur Kündigung nach § 19 Abs. 2 Z. 3 MG oder eines Ausschließungsgrundes nach § 22 Abs. 1 Z. 3 WEG 1975 zukäme. Er benütze die Wohnung nicht als Wohnungseigentümer und nicht als Mieter, sondern als Nutzungsberechtigter auf Grund eines eigenen Vertrages mit der klagenden Gesellschaft. Unter welchen Voraussetzungen dieser Vertrag aufgelöst werden könne, bestimme in erster Linie dieser Vertrag selbst, der unter Punkt IX e auch ein der Hausordnung zuwider laufendes Verhalten als einen Kündigungsgrund vorsehe. Es gehöre zum typischen Inhalt einer jeden Hausordnung, daß Randalieren und Verunreinigungen im Stiegenhaus verboten seien. § 23 Abs. 2 WEG 1975, der dem Wohnungseigentumsbewerber einen unabdingbaren Anspruch auf Übergabe der Wohnung zur Nutzung und auf Einverleibung seines dinglichen Rechtes gebe, stehe einer Auflösung des Nutzungsverhältnisses nicht entgegen, denn diese Bestimmung diene zwar dem Schutz des Wohnungseigentumsbewerbers, setzte aber nach allgemeinen Grundsätzen dessen Schutzwürdigkeit voraus und gebe ihm keinen Freibrief für ein Verhalten, das nach Einverleibung seines dinglichen Rechtes seine Ausschließung aus der Gemeinschaft rechtfertigen würde. Sein Verhalten lasse die Aufrechterhaltung des Nutzungsverhältnisses gegenüber dem Vertragspartner (Klägerin) und den übrigen Bewohnern unzumutbar erscheinen und stelle deshalb einen wichtigen Grund dar, der die Klägerin zur Auflösung des Nutzungsvertrages berechtigt habe. Die Ausschlußklage gemäß § 22 WEG setze das Bestehen des Wohnungseigentums voraus, weshalb die übrigen Wohnungseigentumsbewerber zur Erhebung dieser Klage - Ausschließung wovon? - nicht berechtigt seien.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es kann der Ansicht des beklagten Wohnungseigentumsbewerbers nicht beigestimmt werden, daß dem Klagebegehren der Wohnungseigentumsorganisatorin sein unabdingbarer Anspruch auf die Nutzung der ihm bereits übergebenen Wohnung und auf die Einverleibung seines Eigentumsrechtes am Mindestanteil und seines Wohnungseigentums gemäß § 23 Abs. 2 WEG hinderlich entgegenstehe. Dieser Anspruch setzt nämlich das Bestehen einer gültigen Vereinbarung voraus; hier hat aber die klagende Wohnungseigentumsorganisatorin unter Berufung auf das den übrigen Wohnungseigentumsbewerbern unzumutbare Verhalten des beklagten Wohnungseigentumsbewerbers den Rücktritt von den mit ihm am 31. August 1972 und am 12. Feber 1975 geschlossenen Verträgen erklärt und damit die vertragliche Grundlage beseitigt, auf der allein der Anspruch des beklagten Wohnungseigentumsbewerbers auf Verschaffung und Bewahrung der in § 23 Abs. 2 WEG 1975 angeführten Rechte beruht. Bei Abschluß einer Vereinbarung, die auf Verschaffung von Wohnungseigentum gerichtet ist, geht der Wohnungseigentumsorganisator von der selbstverständlichen Voraussetzung aus, daß der Wohnungseigentumsbewerber sich den Anforderungen gemäß verhalten werde, die das Zusammenleben mit anderen Wohnungseigentumsbewerbern in der mit ihnen zu begrundenden Gemeinschaft erfordert und ihnen zumutbar erscheinen läßt. Von dieser selbstverständlichen Geschäftsgrundlage muß auch der Wohnungseigentumsbewerber ausgehen, denn der Endzweck seiner Vereinbarung mit dem Wohnungseigentumsorganisator ist schließlich die Begründung der Wohnungseigentumsgemeinschaft mit anderen Wohnungseigentümern. Berücksichtigt man die vertragliche Pflicht des Wohnungseigentumsorganisators, jeden einzelnen Wohnungseigentumsbewerber von der künftigen Gemeinschaft mit solchen Personen zu bewahren, mit denen das Zusammenleben in einer Wohnungseigentumsgemeinschaft unzumutbar ist, dann muß auch das schutzwürdige Interesse des Wohnungseigentumsorganisators anerkannt werden, bei Vorliegen jener tatsächlichen Voraussetzungen in der Person eines Wohnungseigentumsbewerbers, die nach Begründung der Wohnungseigentumsgemeinschaft ein Ausschließungsrecht gemäß § 22 Abs. 1 Z. 3 WEG 1975 abgäben, den Wegfall dieser typischen Geschäftsgrundlage als Vertragsauflösungsgrund geltend zu machen und dadurch den Anspruch des betroffenen Wohnungseigentumsbewerbers nach § 23 Abs. 2 WEG wieder zu vernichten.

Alle diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß andauernde Betrunkenheit eines Wohnungseigentumsbewerbers und die in diesem Zustande begangenen schweren Belästigungen der übrigen Wohnungseigentumsbewerber und ihrer Mitbewohner durch nächtliche Lärmszenen und durch Besudeln des Stiegenhauses den übrigen Wohnungseigentumsbewerbern das Fortbestehen der faktischen Wohngemeinschaft und das Begrunden einer Wohnungseigentumsgemeinschaft unzumutbar machen.

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