OGH 7Ob758/79

OGH7Ob758/797.11.1979

SZ 52/164

Normen

Wechselgesetz
Wechselgesetz

 

Spruch:

Der Inhaber eines Blankowechsels muß nur bei dessen Erwerb gutgläubig gewesen sein. Bei der Prüfung der Frage grober Fahrlässigkeit ist aber ein strenger Maßstab anzulegen

OGH 7. November 1979, 7 Ob 758/79 (OLG Wien, 2 R 88/79; HG Wien, 11 Cg 133/76)

Text

Mit Wechselzahlungsauftrag vom 20. Oktober 1976 trug das Erstgericht den Beklagten als Akzeptanten des Wechsels vom 27. Juli 1976 auf, zur ungeteilten Hand dem Kläger die Wechselsumme von 617 202.92 S samt 5% Zinsen seit 13. Oktober 1976 und Kosten binnen drei Tagen zu zahlen. Die Beklagten erhoben gegen den Wechselzahlungsauftrag rechtzeitig Einwendungen und behaupteten, Helmut K hätte ihnen ein Darlehen von 600 000 S gewährt. Obwohl von ihnen am 27. Juli 1976 eine auf diesen Betrag lautende Schuld- und Pfandbestellungsurkunde unterschrieben worden sei, habe ihnen Helmut K nur einen Darlehensbetrag von 120 000 S zugezählt. Die Übergabe des restlichen Darlehensbetrages von 480 000 S sei im Hinblick auf das Ableben des Helmut K am 31. Juli 1976 nicht mehr erfolgt. Da das erhaltene Darlehen von 120 000 S noch nicht zur Rückzahlung fällig sei, bestehe keine wechselmäßige Haftung der Beklagten. Der Kläger habe beim Erwerb und der Ausfüllung des von den Beklagten dem Helmut K ausgefolgten Wechsels (Blankoakzept) grob fahrlässig gehandelt und den Wechsel nur in der Absicht erworben, um den Beklagten ihre Einreden aus dem Grundgeschäft abzuschneiden. Der Kläger behauptet hingegen, er habe beim Erwerb des Blankoakzeptes keine Kenntnis davon gehabt, den Beklagten nur einen Darlehensbetrag von 120 000 S zugezählt hätte. Im Vertrauen auf die von den Beklagten unterfertigte Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom 27. Juli 1976 habe der Kläger angenommen, daß die Beklagten den darin genannten Betrag von 600 000 S auch tatsächlich erhalten hätten.

Das Erstgericht hielt den von ihm erlassenen Wechselzahlungsauftrag aufrecht. Nach seinen Feststellungen benötigten die Beklagten einen Kredit von 600 000 S. Sie suchten daher mit dem Sohn des bereits verstorbenen Rechtsanwaltes Dr. Alfred L, Thomas L, den Kreditvermittler Helmut K auf, der ihnen versprach, binnen weniger Stunden 120 000 S zu beschaffen; den Restbetrag von 480 000 S werde er über die Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. Alfred L für die Beklagten zur Umschuldung ihres Liegenschaftsbesitzes in O verwenden lassen. Die Beklagten unterfertigten hierauf die auf den Betrag von 600 000 S lautende Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom 27. Juli 1976 und übergaben Helmut K zwei Blankoakzepte, der ihnen nach einigen Stunden 120 000 S ausfolgte. Am selben Tag erhielt der Kreditvermittler Helmut K vom Kläger nach Abtretung seiner Darlehensforderung gegen die Beklagten und nach Übergabe der beiden Blankoakzepte sowie der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde 600 000 S (60 000 S bar und einen Scheck über 540 000 S). Nach dem Ableben des Helmut K am 31. Juli 1976 wurde den Beklagten die restliche Darlehensvaluta von 480 000 S nicht mehr zugezählt. Nach dem 1. Oktober 1976 füllte der damalige Rechtsvertreter des Klägers, Dr. Erich J, eines der beiden von Helmut K dem Kläger ausgefolgten Blankoakzepte der Beklagten auf den Betrag von 617 202.92 S aus. Bei diesem Betrag handelt es sich um das Darlehenskapital von 600 000 S und die mittlerweile aufgelaufenen Nebengebühren von 21 403.92 S, von welchen ein Betrag von 4200 S in Abzug gebracht wurde. Zur Zeit der Abtretung der Darlehensforderung des Helmut K und beim Erwerb der beiden Blankoakzepte nahm der Kläger an, daß die Wechsel zur Geltendmachung der im Schuldschein ausgewiesenen Darlehenssumme verwendet werden dürfen. Die 600 000 S, die der Kläger dem Helmut K übergab, stammten aus seinem Vermögen und nicht aus dem der O-Ges. m. b. H., deren Konto der Kläger zur Abwicklung seiner persönlichen Geschäfte verwenden durfte. Mit Schreiben vom 15. September 1976 teilten die Beklagten dem Kläger mit, daß sie das restliche Darlehen von 480 000 S nicht erhalten haben. Nach Ansicht des Erstgerichtes sei nicht erwiesen, daß dem Kläger beim Erwerb des eingeklagten Wechsels grobe Fahrlässigkeit zur Last falle oder daß er den Wechsel im bösen Glauben erworben hätte. Der Kläger habe nämlich annehmen können, daß die Beklagten die gesamte Darlehensvaluta von 600 000 S erhalten haben. Zur Einholung von Auskünften bei den Akzeptanten der beiden Wechsel über deren allfällige Einwendungen aus dem Grundgeschäft sei der Kläger nicht verpflichtet gewesen. Er habe daher die beiden Wechselakzepte gutgläubig erworben. Die Beklagten könnten ihm demnach ihre Einwendungen aus dem Grundgeschäft nicht entgegensetzen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es war gleich dem Erstgericht der Ansicht, daß Gutgläubigkeit beim Erwerb des Blankoakzeptes genüge und daher erst später eingetretene Bösgläubigkeit des Erwerbers nicht schade. Der Kläger sei beim Erwerb der Blankoakzepte gutgläubig gewesen. Ihre Einwendungen aus dem Grundgeschäft und die Einrede der abredewidrigen Ausfüllung des Wechsels könnten daher die Beklagten dem Kläger nicht wirksam entgegenhalten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revisionswerber sind der Ansicht, der Kläger wäre zur Ausfüllung des Blankoakzeptes nur dann berechtigt gewesen, wenn ihm die Ausfüllungsbefugnis von Helmut K übertragen worden wäre. Hiezu wäre eine ausdrückliche Vereinbarung erforderlich gewesen, die jedoch nicht getroffen worden sei.

Den Revisionswerbern ist jedoch entgegenzuhalten, daß schon mit der Weitergabe eines Blankowechsels (Blankoakzeptes) vor seiner Ausfüllung dessen Inhaber (Nehmer) seinem Nachmann das ihm zustehende Ausfüllungsrecht (konkludent) überläßt (Kapfer, Handkommentar zum Wechselgesetz 65; vgl. auch JBl. 1912, 226 f.; NotZtg. 1912, 387). Einer ausdrücklichen Übertragung des dem Nehmer eines Blankoakzeptes von dessen Aussteller eingeräumten Ausfüllungsrechtes auf seinen Nachmann bedarf es somit nicht.

Die vereinbarungswidrige Ausfüllung eines Blankowechsels (Blankoakzeptes) kann dessen Inhaber nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, daß er den Wechsel im bösen Glauben erworben hat oder ihm beim Erwerb grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt (Art. 10 WG). Den Schutz des Art. 10 WG genießt auch, wer den erworbenen Blankowechsel selbst ausfüllt (Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht 50; Bankarchiv 1961, 134; Lw. Betrieb 1969, 129; 4 Ob 520/61 und 4 Ob 51 1/62). Bösgläubigkeit des Klägers beim Erwerb des Blankoakzeptes scheidet schon im Hinblick auf die Feststellungen der Untergerichte aus. Sie wäre nämlich nur dann anzunehmen, wenn der Kläger beim Erwerb des Blankoakzeptes gewußt hätte, daß dem Beklagten von der vereinbarten Darlehenssumme tatsächlich nur 120 000 S ausgezahlt worden waren. Zu prüfen ist daher, ob dem Kläger beim Erwerb des Blankoakzeptes grobe Fahrlässigkeit im Sinne des Art. 10 WG zur Last fällt und er daher beim Wechselerwerb nicht gutgläubig war. In seiner Entscheidung SZ 45/6 hat allerdings der OGH die Ansicht vertreten, daß der Inhaber eines Blankowechsels nicht nur bei seinem Erwerb, sondern auch bei seiner Ausfüllung gutgläubig sein müsse und sich zur Stützung dieser Auffassung auf Kapfer, Handkommentar zum Wechselrecht, 65 und Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht, 50 berufen. Kapfer begrundet diese Ansicht damit, daß bis zur Vervollständigung des Blankowechsels noch keine Wechselverpflichtung bestehe, weshalb derjenige, der bei der Hereinnahme des Blankowechsels gutgläubig war, den Wechsel, wenn er später schlechtgläubig geworden ist, nicht mehr vervollständigen dürfe; sonst würde er nämlich zu einem Zeitpunkt, in dem er schon bösgläubig war, eine vorher nicht bestehende Wechselverpflichtung zum Entstehen bringen. Mit der bereits in SZ 8/88 vertretenen Ansicht, daß der Inhaber eines Blankowechsels nur bei dessen Erwerb gutgläubig sein müsse, setzt sich Kapfer in seinem Handkommentar zum Wechselrecht nicht auseinander. Auch Stanzl vertritt die Auffassung, daß durch die Begebung eines Blankowechsels noch keine Wechselverpflichtung entstehe. Er ist jedoch der Ansicht, der Blankowechsel sei "als besondere Kategorie indossabler Wertpapiere anzusehen" und unterscheide sich von einem Normalwechsel dadurch, daß die Berechtigung und Verpflichtung aus diesem Papier erst mit der Vervollständigung wirksam werde, dann aber unter Rückwirkung auf den Zeitpunkt seiner Begebung (SZ 26/152). Die Ausführungen Stanzls belegen daher nicht die vorerwähnte in der SZ 45/6 vertretene Rechtsansicht, sondern sprechen gegen sie. Von dem in dieser Entscheidung ausgesprochenen Rechtssatz ist der OGH schon in seiner nicht veröffentlichten Entscheidung vom 14. Juni 1973, 6 Ob 125/73, abgegangen und folgt seither in ständiger Rechtsprechung (QuHGZ 1975, H 1/125; 5 Ob 294/74, 3 Ob 1/75, zuletzt 7 Ob 692/77) der vom Schrifttum vertretenen Auffassung, daß der Inhaber eines Blankowechsels nur bei dessen Erwerb gutgläubig sein muß und seine erst später eingetretene Bösgläubigkeit daher unerheblich ist (Stranz, Wechselgesetz[14], 83 und 123; Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht, 495; Baumbach - Hefermehl, Wechsel- und Scheckgesetz[12], 117). Auch der deutsche Bundesgerichtshof vertritt nunmehr diese durch den eindeutigen Wortlaut des Art. 10 WG (..... es sei denn, daß er - Blankettinhaber - den Wechsel im bösen Glauben erworben hat oder ihm beim Erwerb grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt) gedeckte Rechtsansicht (BGHZ 54/1 f.).

Bei der Prüfung der Frage, ob dem Erwerber eines Blankoakzeptes grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, ist allerdings ein strengerer Maßstab anzulegen, als wenn dieser einen schon ausgefüllten Wechsel erworben hat, von dem ihm bekannt war, daß ihn der Akzeptant als Blankowechsel übergeben hatte. Beim Erwerb eines Blankoakzeptes vom Blankettnehmer ist nämlich gegebenenfalls mit der Möglichkeit zu rechnen, daß dieser die unrichtige Wechselausfüllung scheut und sie daher dem Blanketterwerber überläßt. Dieser muß daher größere Vorsicht walten lassen als beim Erwerb eines bereits ausgefüllten Wechsels, dessen Geber mit der Vervollständigung des Wechsels auch die Gewähr für die Richtigkeit der Ausfüllung übernommen hat (Stranz, Wechselrecht[14], 83; Lw. Betrieb 1969, 129; 7 Ob 212/71 u. a.). Von grober Fahrlässigkeit des Blanketterwerbers kann aber nur dann gesprochen werden, wenn ihm auf die Fragwürdigkeit des Blankettnehmers hinweisende Umstände in einem solchen Maße erkennbar gewesen sind, daß sie jedem Angehörigen des betreffenden Erwerbszweiges aufgefallen wären, von ihm aber trotzdem außer acht gelassen wurden (Lw. Betrieb 1969, 129; 4 Ob 511/62; 7 Ob 212/71). Dies trifft jedoch hier deshalb nicht zu, weil der Kläger nach den Feststellungen der Untergerichte schon wiederholt über den Kreditvermittler Helmut K Geld angelegt hatte und außerdem auf Grund der ihm übergebenen, von den Revisionswerbern beglaubigt unterfertigten Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom 27. Juli 1976, in der sie die Empfangnahme der gesamten Darlehensvaluta bestätigten, annehmen mußte, daß den Revisionswerbern bereits das ganze Darlehen zugezählt worden war. Für den Kläger bestand daher kein Anlaß zu Nachforschungen über das Grundgeschäft. Die Unterfertigung von Wechselwidmungserklärungen durch den Aussteller eines Blankoakzeptes ist im Wechselgesetz nicht vorgesehen und nur im Bankwesen üblich (Schinnerer - Avancini, Bankverträge[3] II, 277). Mit Recht bejahte daher das Berufungsgericht die Gutgläubigkeit des Klägers beim Erwerb des Blankoakzeptes.

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