Spruch:
Nicht in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreter auftretende Organe und Bedienstete eines letztwillig bedachten Vereins sind taugliche Testamentszeugen
OGH 17. Oktober 1979, 1 Ob 705/79 (OLG Wien 11 R 82/79; LGZ Wien 30 Cg 196/78)
Text
Dr. Franz A, der Bruder des Klägers, verstarb am 15. Juli 1978. Zu seinem Nachlaß gaben der Kläger auf Grund des Gesetzes und die beklagte Partei, ein Verein, auf Grund eines Testamentes vom 4. Juli 1978, auf Grund dessen er zum Universalerben eingesetzt war, Erbserklärungen ab.
Das Testament weist handschriftlich nur die Namenszüge des Erblassers und von vier Zeugen, Renate F, Wilhelm L, Gerhard F und Lilli L. auf, der übrige Text sowie die Wiederholung der Namen der Testamentszeugen und deren beigesetzte Anschriften sind in Maschinenschrift geschrieben. Dem Verlassenschaftsgericht wurde noch ein zweites Testament vom gleichen Tage und mit dem gleichen Text vorgelegt, welches jedoch nur die Unterschriften zweier Testamentszeugen, nämlich des Wilhelm L und der Renate F, aufweist. Der als Testamentszeuge aufscheinende Wilhelm L war am 4. Juli 1978 Präsident der beklagten Partei, die er gemäß § 10 ihrer Statuten nach außen vertritt. Renate F war Schriftführerin der beklagten Partei und deren Angestellte. Lilli L war am 4. Juli 1978 mit Wilhelm L verheiratet. Gerhard F ist der Gatte der Renate F.
Das Bezirksgericht Liesing als Verlassenschaftsgericht nahm mit Beschluß vom 21. September 1978 die widerstreitenden Erbserklärungen zu Gericht an und teilte mit Beschluß vom 11. Oktober 1978 dem gesetzlichen Erben die Klägerrolle in dem einzuleitenden Erbrechtsstreit zu.
Mit seiner am 27. November 1978 überreichten Klage begehrt der Kläger die Ungültigerklärung des Testamentes vom 4. Juli 1978 des am 15. Juli 1978 verstorbenen Dr. Franz A und die Feststellung, daß dem Kläger auf Grund des Gesetzes das Erbrecht zum Nachlaß seines am 15. Juli 1978 verstorbenen Bruders Dr. Franz A zustehe. Er brachte vor, daß das Testament, auf welches die Beklagte ihre Erbserklärung stütze, eine nicht von der Hand des Testators stammende Unterschrift aufweise. Die beigezogenen Zeugen seien keine fähigen Testamentszeugen. Der Erblasser sei im Hinblick auf seine schwere Erkrankung und sein fortgeschrittenes Alter ab Anfang Juli 1978 kaum noch ansprechbar und körperlich so schwach gewesen, daß er eine Unterschrift nicht mehr habe leisten können und nicht mehr testierfähig gewesen sei.
Die Beklagte brachte vor, daß das Testament vom 4. Juli 1978 die eigenhändige Unterschrift des Erblassers aufweise.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Ansicht, daß von den vier Testamentszeugen zwei, nämlich Wilhelm L als Präsident der beklagten Partei und dessen Gattin Lilli L, keine fähigen Testamentszeugen seien. Die Bestimmung des § 594 ABGB sei analog auch auf die Funktionäre juristischer Personen und diesen nahestehende Personen anzuwenden, da diesen ein Interesse anwirtschaftlichen Vorteilen der juristischen Person zu unterstellen sei. Auch die Angestellte der beklagten Partei Renate F sei als befangene Person eine unfähige Testamentszeugin.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge, hob es unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung der Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß das Verfahren erster Instanz erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen sei.
Das Berufungsgericht ging in rechtlicher Hinsicht davon aus, daß die beigezogenen Zeugen nicht als unfähige Zeugen im Sinne des § 594 ABGB anzusehen seien, weil diese Bestimmung auf Organe oder Angestellte juristischer Personen nicht angewendet werden könne. Wilhelm L habe im eigenen Namen als Zeuge unterfertigt, nicht namens der beklagten Partei, möge auch Anlaß seiner Zeugenschaft gewesen sein, daß die beklagte Partei bedacht wird. Es seien demnach aber Feststellungen darüber erforderlich, ob das vorliegende Testament die Unterschrift des Erblassers aufweise und ob der Erblasser im Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung testierfähig gewesen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse des Klägers gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das fremdhändige Testament (§ 579 ABGB) erfordert zu seiner Gültigkeit die Zuziehung von drei fähigen Zeugen. Gewisse Personen erkennt das Gesetz als absolut zeugnisunfähig (§ 591 ABGB), so Personen unter 18 Jahren, Sinnlose, Blinde, Taube und Stumme. Relativ zeugnisunfähig sind diejenigen, die die Sprache des Erblassers nicht verstehen (§ 591 ABGB), und der Bedachte, dessen Gatte, seine Eltern, Kinder und Geschwister, die mit dem Bedachten im selben Grad verschwägerten Personen und schließlich besoldete Hausgenossen des Bedachten. Der Ausschluß der im § 594 ABGB genannten Personen ist auf deren vom Gesetz vermutete Befangenheit zurückzuführen (Ehrenzweig[2], II/2, 430; Weiß in Klang[2] III, 339). Übereinstimmung herrscht auch darüber, daß die Aufzählung der wegen Befangenheit zeugnisunfähigen Personen eine erschöpfende ist (Weiß a. a. O.), weshalb der Vormund des Bedachten oder der zur Vormundschaft Berufene als Zeugen nicht ausgeschlossen sind (GlUNF 5883). Im vorliegenden Fall ist entscheidend, ob die Bestimmungen über die Zeugnisunfähigkeit wegen Befangenheit analog auch auf juristische Personen angewendet werden können. Nun ist bei der Gesetzesanalogie zu prüfen, ob nach der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertung angenommen werden muß, daß der geregelte und der ungeregelte Fall in den maßgeblichen Voraussetzungen des Tatbestandes übereinstimmen, so daß die vom Gesetzgeber an den geregelten Tatbestand geknüpfte Rechtsfolge auch beim ungeregelten Tatbestand eintreten soll. Die Abweichungen werden als unerheblich gewertet (Koziol - Welser, Grundriß[4] I 22); dies gilt grundsätzlich auch für Ausnahmebestimmungen. Auch Ausnahmebestimmungen sind analoger Rechtsanwendung zugänglich, soweit der Rahmen der engeren Ratio der Ausnahmeregel eingehalten wird (Koziol - Welser a. a. O. 22 f.; 4 Ob 58/78).
Einzuräumen ist, daß der Gesetzgeber mit der Regelung des § 594 ABGB Personen, von denen eine Befangenheit wegen ihres Naheverhältnisses zum Bedachten zu vermuten ist, vom Kreise der fähigen Zeugen ausschließen wollte. Es trifft zu, daß auch bei juristischen Personen eine Befangenheit in diesem Sinne gegeben sein kann. Der Gesetzgeber schließt aber durchaus nicht alle in diesem Sinne befangenen Personen von der Zeugnisfähigkeit aus, er beschränkt den Kreis der zeugnisunfähigen Personen vielmehr auf bestimmte nahe Verwandte, so daß etwa der Onkel des Bedachten, mag er im Einzelfall auch noch so an der Zuwendung an seinen Neffen interessiert sein, als fähiger Zeuge anzusehen ist. Es sind weiters nur besoldete Hausgenossen des Bedachten ausgeschlossen, nicht etwa Angestellte des Bedachten schlechthin (vgl. Ehrenzweig a. a. O. FN 26). Eine derartige erschöpfende Regelung ist auch im Interesse der Rechtssicherheit geboten; andernfalls wäre es möglich, die Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung wegen Vorliegens von Befangenheitsgrunden, die sich aus der Interessenlage ergeben, zu bestreiten. Die Beschränkung auf einen ganz bestimmten Kreis naher Verwandter bzw. Verschwägerter und besoldeter Hausgenossen spricht eindeutig gegen eine analoge Anwendung dieser Bestimmung für den Fall, daß eine juristische Person bedacht wird. Der Kreis der von der Zeugnisfähigkeit ausgeschlossenen Personen wäre dann auch nicht annähernd von vornherein bestimmbar. Es wäre fraglich, ob etwa bei Einsetzung einer Aktiengesellschaft zum Erben nicht nur die Vorstandsmitglieder, Prokuristen, sondern unter Umständen auch wirtschaftlich interessierte Aktionäre von der Stellung als Zeugen ausgeschlossen wären. Die im § 594 ABGB maßgebliche Voraussetzung, nämlich ein bestimmtes Verwandtschafts- bzw. Schwägerschaftsverhältnis oder ein ganz eng umrissenes Verhältnis wirtschaftlicher Abhängigkeit, läßt eine analoge Anwendung auf den Fall, daß Funktionäre oder Bedienstete einer letztwillig bedachten juristischen Person als Zeugen beigezogen werden, nicht zu. Gerade diese Abweichung im Sachverhalt kann nicht als unwesentlich erkannt und vernachlässigt werden, so daß eine analoge Anwendung der Bestimmung des § 594 ABGB auf den Fall der Erbseinsetzung einer juristischen Person abzulehnen ist. Daß Wilhelm L nicht namens der beklagten Partei, sondern im eigenen Namen als Zeuge auftrat, hat schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt. Davon, daß Wilhelm L bzw. Renate F als Bedachte zu qualifizieren wären und demnach auch die Ehegatten der vorgenannten Personen unfähige Zeugen wären, kann überhaupt keine Rede sein (vgl. auch hiezu GlUNF 5883).
Demzufolge erweisen sich aber Feststellungen darüber als erforderlich, ob die übrigen vom Kläger gegen die Gültigkeit des in Rede stehenden Testamentes erhobenen Einwendungen zutreffend sind
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