OGH 12Os84/79

OGH12Os84/794.10.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Oktober 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stach als Schriftführer in der Strafsache gegen Ladislav A und Wolfgang B wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 StGB.

über die von den Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 1. März 1979, GZ. 20 s Vr 3732/78-52, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen der Verteidiger, Rechtsanwälte Dr. Berta Mühl und Dr. Rudolf Janovsky, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen der Angeklagten wird, bei Wolfgang B teilweise, Folge gegeben und es werden die Zusatzstrafen bei Ladislav A auf sechs Jahre und bei Wolfgang B auf zehneinhalb Jahre Freiheitsstrafe herabgesetzt.

Im übrigen wird der Berufung des Angeklagten Wolfgang B gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen der am 26.Juni 1955 geborene Maler und Anstreicher Ladislav A und der am 6.September 1952 geborene Lagerarbeiter Wolfgang B des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 StGB. schuldig erkannt, weil sie am 20.Februar 1978 in Wien in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB.) dadurch, daß Ladislav A einen ungeladenen Trommelrevolver gegen Friedrich C richtete, ihn mit den Worten: 'Wo ist das Geld?' aufforderte, alles Geld, das er bei sich habe, herzugeben und, als der Genannte Widerstand zu leisten versuchte, Ladislav A und Wolfgang B den Friedrich C niederschlugen, sohin mit Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, Friedrich C einen Bargeldbetrag von ca. 20.000 S, einen Fernsehapparat Philips (A 22 K 201) im Werte von 13.890 S sowie Spirituosen im Werte von ca. 400 S, mit dem Vorsatz weggenommen haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie den Raub unter Verwendung einer Waffe verübt haben.

Die Geschwornen hatten die im Sinne dieses Schuldspruchs - und zwar für jeden Angeklagten gesondert -

gestellten Hauptfragen 1) (: betreffend den Angeklagten A) und 2) (: betreffend den Angeklagten B) jeweils stimmeneinhellig bejaht. Dieses Urteil bekämpfen die beiden Angeklagten mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, die sie beide auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 8, der Angeklagte B außerdem auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 6 des § 345 Abs. 1 StPO. stützen.

Rechtliche Beurteilung

Beide Beschwerden erweisen sich als unbegründet.

Der Angeklagte Ladislav A erblickt eine Unrichtigkeit der den Geschwornen erteilten schriftlichen Rechtsbelehrung darin, daß entgegen der in der Rechtsbelehrung zum Ausdruck kommenden Ansicht ein mit einer ungeladenen Schußwaffe unternommener Raub nicht im Sinne des § 143 StGB.

'unter Verwendung einer Waffe verübt' werde, wozu noch komme, daß die Rechtsbelehrung selbst den im gegebenen Zusammenhang widersprüchlichen Hinweis enthalte, die Waffe müsse bei dieser Verwendung so beschaffen sein, daß der Täter sofort von ihr Gebrauch machen könne. Außerdem fehle in der Rechtsbelehrung ein Hinweis darauf, daß die Geschwornen Teile der Hauptfrage 1) verneinen können.

Schließlich sei die Rechtsbelehrung insofern irreführend, als sie auch Ausführungen über Strafsätze und die Möglichkeiten der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 41 StGB. enthalte, 'die die Geschwornen über die den Tätern im konkreten Fall drohenden Freiheitsstrafen in Irrtum führen konnten'.

Dem ist zu erwidern:

Mit der Entscheidung eines verstärkten Senates vom 11.September 1978, 12 Os 59/78 (veröffentlich in LSK.

1978/293 = RZ. 1978/101 = EvBl. 1978/175) hat der Oberste Gerichtshof unter ausdrücklicher Ablehnung der noch beispielsweise in der vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidung LSK. 1977/165, 166 (= RZ. 1977/55) vertretenen gegenteiligen Auffassung ausgesprochen, daß auch die Drohung mit einer ungeladenen Schußwaffe bei der Begehung eines Raubes als 'Verwendung einer Waffe' im Sinne des § 143 (zweiter Deliktsfall) StGB. zu beurteilen ist, und zwar auch dann, wenn diese Waffe nicht sofort schußbereit gemacht werden kann.

Mit dieser Rechtsauffassung steht die in der Rechtsbelehrung (Beilage zu ON. 51, S. 5) enthaltene Darlegung, daß 'auch eine nicht geladene Schußwaffe als Waffe im Sinne der Bestimmung des § 143 StGB. anzusehen ist', wobei die Waffe auch dadurch 'verwendet' werde, daß mit ihr gedroht wird, in Einklang. Der anschließende Hinweis der Rechtsbelehrung darauf, daß 'die Waffe bei ihrer Verwendung so beschaffen sein müsse, daß der Täter sofort von ihr Gebrauch machen kann', ist zwar angesichts der zitierten Plenarentscheidung unrichtig, doch bringt die Rechtsbelehrung damit nur eine für die Angeklagten günstigere Meinung zum Ausdruck, die nicht geeignet war, den Wahrspruch der Geschwornen zum Nachteil der Angeklagten zu beeinflussen oder die Geschwornen bei der Auslegung des Begriffes der 'Verwendung einer Waffe' beim Raub zu Ungunsten des Beschwerdeführers zu beirren. Die in Rede stehende Unrichtigkeit kann daher vom Angeklagten Ladislav A nicht zu dessen Vorteil mit dem Nichtigkeitsgrund der Z. 8 des § 345 Abs. 1 StPO. geltend gemacht werden (SSt. 32/77).

Eine teilweise Verneinung von Fragen ist den Geschwornen nicht gestattet (§ 330 Abs. 2 StPO.), ein derartiger (vom Beschwerdeführer monierter) Hinweis ist daher in der Rechtsbelehrung mit Recht unterblieben.

Mit den Erörterungen der Rechtsbelehrung 'Zur Straffrage' schließlich entsprach der Schwurgerichtshof der Vorschrift des § 321 Abs. 2 StPO., in der Rechtsbelehrung auch 'die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage klarzulegen' (vgl. EvBl. 1966/331). Im übrigen unternimmt der Beschwerdeführer nicht einmal den Versuch darzutun, inwieweit diese - inhaltlich zutreffenden - Darlegungen der Rechtsbelehrung zur Straffrage geeignet sein könnten, bei den Geschwornen Mißverständnisse oder Irrtümer hervorzurufen. Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ladislav A war daher zu verwerfen.

Der Angeklagte Wolfgang B wendet sich mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 6 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde gegen die Formulierung der Hauptfrage 1) bezüglich seiner Tatbeteiligung als Raubgenosse, sowie dagegen, daß in der Rechtsbelehrung Darlegungen über das Verhältnis der Hauptfragen 1) und 2) zueinander unterblieben, wodurch - insgesamt - den Geschwornen die Möglichkeit genommen worden sei, den jede Tatbeteiligung leugnenden Angeklagten B ohne gleichzeitigen - nach Lage des Falles aber nicht in Betracht kommenden - Freispruch des eines Gesellschaftsraubes an Friedrich C geständigen Angeklagten A freizusprechen.

Auch diese Rügen versagen:

Die mit der Anklage (s. Anklageschrift ON. 29) übereinstimmende, in den Hauptfragen 1) und 2) ihren Niederschlag findende Fragestellung entsprach den Vorschriften der §§ 312 Abs. 1 und 317 Abs. 1 und 2 StPO., wobei der Schwurgerichtshof durch die Stellung einer eigenen Hauptfrage für jeden Angeklagten insbesondere der jede Tatbeteiligung in Abrede stellenden Verantwortung des Angeklagten Wolfgang B (vgl. Bd. II, S. 26 f. d.A.) zutreffend Rechnung trug (vgl. SSt. 28/67).

Unbeschadet der sich auf Grund dieser Fragenformulierung hinsichtlich des Umstandes einer Beteiligung beider Angeklagten am bewaffneten Raubüberfall auf Friedrich C ergebenden Wechselbeziehung zwischen den Hauptfragen 1) und 2) wären die Geschwornen - der Meinung des Beschwerdeführers zuwider - aber auch im Falle der Bejahung der den Angeklagten A betreffenden Hauptfrage 1) durchaus in der Lage gewesen, durch die Ausscheidung der die Beteiligung des Angeklagten B ausdrückenden Worte: ' .....

in Gesellschaft des Wolfgang B als Beteiligten ....' aus der solcherart (zulässigerweise /vgl. § 330 Abs. 2 StPO. /) nur teilweise bejahten Hauptfrage 1), und sodann durch Verneinung der den Angeklagten B betreffenden Hauptfrage 2) dessen jede Beteiligung am Raube bestreitenden Verantwortung wahrspruchmäßig Rechnung zu tragen (vgl. RZ. 1973/26). Hiebei wäre auch ein diese einschränkende Bejahung der Hauptfrage 1) (etwa mit dem Beisatz: Ja 'aber nicht in Gesellschaft des Wolfgang B') erläuternder Zusatz (etwa: 'sondern in Gesellschaft eines Unbekannten') zulässig (und unter Umständen auch zweckmäßig) gewesen, weil hiedurch kein zusätzliches Tatbildmerkmal wahrspruchmäßig festgestellt, solcherart aber die von der Hauptfrage abweichende Annahme des Tatgeschehens durch die Geschwornen klargestellt wird.

Auf diese Berechtigung, Fragen unter Beifügung der Beschränkung nur teilweise zu bejahen (§ 330 Abs. 2 StPO.), wurden die Geschwornen durch den der schriftlichen Rechtsbelehrung beigeschlossenen Abdruck der 'Allgemeinen RB.

für die Geschwornen' (StPOForm RMBl.; Punkt 3 b) sowie durch den Hinweis in dem ihnen vorgelegenen (gedruckten) Fragenschema-Bogen (oberhalb der Antwortspalte /StPOForm. Prot. 15 /) ausreichend aufmerksam gemacht.

So gesehen kann aber keine Rede davon sein, daß vorliegend die vom Schwurgerichtshof gewählte Fragenformulierung oder die den Geschwornen insgesamt erteilte Rechtsbelehrung es den Laienrichtern unmöglich machte, im Fall einer beabsichtigten Bejahung der den geständigen Angeklagten A betreffenden Hauptfrage 1) die den Angeklagten B betreffende Hauptfrage 2) zu verneinen. Der gewählten Fragestellung kam übrigens sogar eine - durchaus sinnvolle - Kontrollwirkung zu, weil die Geschwornen die Beteiligung des Angeklagten B an dem vom Angeklagten A an Friedrich C begangenen Raub auch schon anläßlich der Beantwortung der Hauptfrage 1), und dann nochmals bei Beantwortung der Hauptfrage 2) prüfen mußten. Die vom Angeklagten Wolfgang B behaupteten Mängel der Fragestellung und Rechtsbelehrung liegen mithin nicht vor; es war daher auch seine Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Ladislav A und Wolfgang B wurden nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 und 40 StGB. auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3.November 1978, GZ. 1 d Vr 3006/78-98, Ladislav A zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren und Wolfgang B zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von zwölfeinhalb Jahren verurteilt. Gemäß § 366 StPO. wurden beide Angeklagte zur ungeteilten Hand schuldig gesprochen, dem Privatbeteiligten Friedrich C den Betrag von 25.000 S zu bezahlen.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschwornengericht bei beiden Angeklagten als erschwerend die zweifache Qualifikation der Tat zum schweren Raub nach § 143 StGB., die vom Tatbestand nicht vorausgesetzten, bei Friedrich C eingetretenen Verletzungen sowie die besondere Verwerflichkeit des räuberischen Vorgehens der Angeklagten in Anbetracht des hohen Alters und der gesundheitlichen Gebrechlichkeit des 1910 geborenen Opfers Friedrich C, bei Wolfgang B überdies das Vorliegen einschlägiger Vorstrafen über die Bedingungen des § 39 StGB. hinaus, als mildernd bei Ladislav A die geständige Verantwortung, wobei dieses Geständnis bereits an die Entdeckung der bei der Tatausübung verwendeten Maske durch die Polizei geknüpft wurde und zur Überführung des Mittäters Wolfgang B führte, weiters die bis dahin vorgelegene Unbescholtenheit. Bei B lagen keine mildernden Umstände vor.

Mit dem genannten Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3.November 1978 wurden die beiden Angeklagten wegen des Verbrechens des teils vollbrachten, teils versuchten schweren, A auch gewerbsmäßigen, Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 2, 129 Z. 1 und 4 und 15 StGB., A auch nach § 129 Z. 2 und 130 StGB. und wegen des Vergehens nach dem Waffengesetz, A nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten und B nach § 128 Abs. 2 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren verurteilt. Nach diesem Schuldspruch haben sie zahlreiche Einbruchsdiebstähle mit einem Schaden von rund 500.000 S begangen, wobei A (mit Wissen des Angeklagten B) einen Totschläger bei sich geführt hat, um einen allfälligen Widerstand zu verhindern oder zu überwinden.

Mit ihren Berufungen streben beide Angeklagten, A unter Anwendung des § 41 StGB., eine Herabsetzung der Strafen an. B wendet sich ferner gegen den Zuspruch eines Betrages an den Privatbeteiligten. Lediglich die Berufungen der Angeklagten hinsichtlich der Strafhöhe sind berechtigt.

Zwar kommt zu den vom Geschwornengericht im übrigen zutreffend festgestellten Strafbemessungsgründen als erschwerend bei beiden Angeklagten noch, daß sie strafbare Handlungen verschiedener Art (bei B Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch, bei A Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch und Vergehen nach § 36 WaffenG.; auf das zitierte Urteil vom 3.November 1978 wurde Bedacht genommen) begangen haben.

Daß das Geständnis des Angeklagten A zur Überführung des Mittäters B führte, wurde bereits vom Geschwornengericht berücksichtigt. Mit Recht wurde auch das hohe Alter des Raubopfers und seine Gebrechlichkeit als Erschwerungsumstand angenommen, Umstände die den Angeklagten spätestens bei der Tat bewußt wurden. Dennoch sind die Berufungen begründet, wenn man berücksichtigt, daß A zur Tatzeit unbescholten war und daß die Schuld des allerdings empfindlich vorbestraften Angeklagten B am vorliegenden Raub bedeutend geringer wiegt als die des A. Denn A hat den Raub geplant. Er war bei der Ausführung mit einer Pistole bewaffnet. Von einem Überwiegen der Milderungsgründe kann aber auch bei A keine Rede sein. Bei gemeinsamer Aburteilung gemäß §§ 31 und 40 StGB.

wäre eine Freiheitsstrafe von 7 1/2 Jahren bei A und von 13 Jahren bei B schuldangemessen.

In Stattgebung der Berufungen wegen Strafe waren somit die Zusatzstrafen bei A auf 6 und bei B auf 10 1/2 Jahre Freiheitsstrafe herabzusetzen.

Das Geschwornengericht hat auf Grund der Aussage des Zeugen Friedrich C, dem es vollen Glauben schenkte, die Höhe seines Schadens mit insgesamt mindestens 25.000 S (20.000 S Bargeld, Spirituosen im Werte von mindestens 400 S, Rest Schmerzensgeld) festgestellt. Der Zuspruch dieses Betrages ist unbedenklich. Der Berufung des Angeklagten B wegen des Ausspruches über die privatrechtlichen Ansprüche war daher nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

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