Normen
AO §53 Abs4
AO §55
AO §53 Abs4
AO §55
Spruch:
Dem Ausgleichsschuldner kommt die Milderung der Verzugsfolgen des § 53 Abs. 4 AO durch § 55f. Abs. 2 AO nicht zustatten, wenn trotz des Vorliegens der Voraussetzungen des § 55f. Abs. 1 AO sowohl er als auch der Gläubiger einen Antrag auf Provisorialentscheidung des Ausgleichskommissärs unterlassen haben. Die Verzugsfolgen des § 53 Abs. 4 AO treten unabhängig von der subjektiven Überzeugung des Ausgleichsschuldners über die Berechtigung der angemeldeten Geldforderung ein, wenn deren Rechtsbestand festgestellt wird
OGH 4. Oktober 1979, 7 Ob 599, 600/79 (OLG Linz, 5 R 143, 144/78; KG Wels, 4 Cg 185, 300/76)
Text
Die Streitteile (A und W) standen seit Jahren in ständiger Geschäftsverbindung, aus der sich um 2. Juli 1974 ein Saldo von 657 000 S zugunsten des Beklagten und Widerklägers (im folgenden kurz Beklagter genannt) ergab. Zur Abwicklung dieses Saldos schlossen die Streitteile folgende Vereinbarung vom 2. Juli 1974:
"1. Zwischen den beiden Herren S und W wurde vereinbart, daß bis 31. 12. 1974 für 360 000 S Fakturenwert Waren aus dem Programm der A an die Firma W geliefert werden. Nach Erfüllung dieser Vereinbarung verpflichtet sich Herr W, die noch verbleibende Forderung von 300 000 S endgültig zu erlassen und damit sämtliche A-Wechsel, die in seinem Besitz sind, zu retournieren.
Zinsen für das Kapital werden nicht berechnet.
2. Es wurde von Herrn S offeriert, daß vorerst auf diese 360 000 S zur Tilgung ..... im Wert von rund 150 000 S ausgeliefert werden und die Firma W bei weiteren Bestellungen nur 50% des Fakturenwertes auf Anrechnung des alten Saldos und 50% plus Mehrwertsteuer in bar begleichen wird.
In diesem Fall würde die Geschäftsverbindung so lange anhalten, bis der Saldo von ca. 657 000 S abgedeckt ist.
Auch bei dieser Variante werden keine wie immer gearteten Zinsen verrechnet.
Sollte die Firma W vor Abdeckung des Saldos von 657 000 S ihre Bestellungen einstellen, hat die Firma A keinesfalls mehr zu bezahlen, als die unter Punkt 1 angegebenen 360 000 S. Außerdem würde ein eventueller Überhang in bar von der Firma W zu bezahlen sein.
Die endgültige Abrechnung hierüber erfolgt unwiderruflich mit Stichtag 30. 6. 1975.
Ich bestätige daher, daß mit 30. 6. 1975 dem zu bezahlenden Saldo von 360 000 S die Lieferung von ..... voll und jede weitere Lieferung anteilmäßig mit 50% gutgebracht wird.
Die Firma W hat daher ab dem Zeitpunkt, ab dem die 360 000 S durch diese Lieferungen erreicht sind und von der Firma W nicht weiter bestellt wird, keinerlei Anspruch auf die restlichen 300 000 S. Sie würde daher im Falle der Einstellung der Geschäftsverbindung der A diesen Betrag ausbuchen und sämtliche in ihren Händen befindliche Wechsel zurücksenden."
Mit Beschluß vom 1. Juli 1975, Sa 4/75-2, eröffnete das Erstgericht über das Vermögen des Beklagten das Ausgleichsverfahren. Der Ausgleich wurde in der Ausgleichstagsatzung am 7. August 1975 angenommen und mit Beschluß des Erstgerichtes vom 31. Oktober 1975, Sa 4/75-21, bestätigt. Nach dem Ausgleich erhalten die nicht bevorrechteten Gläubiger eine 40%ige Quote ihrer Forderungen, zahlbar innerhalb eines Jahres nach Ausgleichsannahme. Im Ausgleich meldete die Klägerin und Widerbeklagte (im folgenden kurz Klägerin genannt) eine Forderung von 345 634.20 S an, die vom Ausgleichsschuldner bestritten wurde.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin (A) vom Beklagten (W) nach Klagsausdehnung bzw. Einschränkung des Klagebegehrens die Zahlung von 342 502.50 S samt Anhang. Im Zeitpunkte der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens über das Vermögen des Beklagten habe sich aus der Geschäftsverbindung der Streitteile unter Berücksichtigung des der Klägerin gewährten Nachlasses ein Saldo zugunsten der Klägerin in der Höhe des Klagsbetrages ergeben. Diese Saldoforderung stehe der Klägerin trotz der erfolgten Annahme des vom Beklagten beantragten Ausgleiches zur Gänze zu. Mit Schreiben vom 28. Dezember 1976 habe nämlich die Klägerin den Beklagten zur Überweisung der Ausgleichsforderung aufgefordert, der jedoch keine Zahlungen geleistet habe. Damit sei der dem Beklagten durch den Ausgleich gewährte Nachlaß hinfällig geworden. Hilfsweise begehrte die Klägerin den Zuspruch von 222 205.20 S. Die Klägerin sei aus einer zugunsten des Beklagten gegenüber der B-Bank übernommenen Wechselbürgschaft in Anspruch genommen worden und habe an diese Bank 180 000 S zahlen müssen. Unter Berücksichtigung des buchmäßigen Saldos zugunsten der Klägerin zum 30. Juni 1975 von 42 502.50 S betrage daher deren Gesamtforderung 222 205.20 S. Der Beklagte beantragt Klagsabweisung und behauptet, daß er gegen die Klägerin eine Forderung von 134 239.50 S samt Anhang habe, die er mit Widerklage geltend mache. Zur Abdeckung des zugunsten des Beklagten am 2. Juli 1974 aushaftenden Saldos von 657 000 S sei es nicht gekommen, weil die Klägerin seit Mitte des Jahres 1975 nicht in der Lage gewesen sei, an den Beklagten aktuelle Waren zu liefern. Die Voraussetzung für den vereinbarten Nachlaß von 300 000 S von der Saldoforderung des Beklagten von 657 000 S sei daher nicht eingetreten. Das von der Klägerin behauptete Wiederaufleben ihrer angeblichen Forderung bestritt der Beklagte.
Das Erstgericht entschied im Sinne des Begehrens der Klägerin und wies die Widerklage des Beklagten ab. Nach seinen Feststellungen ergab sich aus der zwischen den Streitteilen nach dem 2. Juli 1974 durchgeführten Geschäftsabwicklung zum 30. Juni 1975 ein buchmäßiger Saldo zugunsten der Klägerin von 42 502.50 S. In diesem ist der der Klägerin in der Vereinbarung vom 2. Juli 1974 eingeräumte Nachlaß von 300 000 S nicht berücksichtigt. Die Geschäftsabwicklung zur Abdeckung des Aktivsaldos des Beklagten von 657 000 S erfolgte nach Punkt 2 der unwiderruflich mit 30. Juni 1975 terminisierten Vereinbarung vom 2. Juli 1974. Nach dem 30. Juni 1975 tätigte der Beklagte bei der Klägerin keine Bestellungen mehr. Erst mit Fernschreiben vom 15. Juni 1976 bestellte er drei Billardtische, deren Auslieferung von der Klägerin im Hinblick auf den bereits anhängigen Rechtsstreit abgelehnt wurde. Eine Feststellung, daß der Beklagte bei der Klägerin nach dem 30. Juni 1975 deshalb keine Bestellungen mehr tätigte, weil sie lieferunfähig gewesen sei, vermochte das Erstgericht nicht zu treffen. Mit eingeschriebenem Brief vom 28. Dezember 1976 forderte die Klägerin den Beklagten auf, binnen einem Monat nach Erhalt dieses Schreibens (am 30. Dezember 1976) die 40%ige Quote ihrer Ausgleichsforderung von 584 768.98 S im Betrage von 233 907.60 S zur Überweisung zu bringen, anderenfalls Wiederaufleben der gesamten Forderung eintreten würde. Mit Schreiben vom 17. Jänner 1977 lehnte der Beklagte die Zahlung der Ausgleichsquote ab. Nach Ansicht des Erstgerichtes habe der Beklagte Bestellungen im Sinne der Variante 2 der Vereinbarung vom 2. Juli 1974 nicht in einem solchen Ausmaß aufgegeben, daß unter Berücksichtigung der 50%-Geschäftes der zu seinen Gunsten bestehende Saldo von 657 000 S bis zum 30. Juni 1975 zur Gänze getilgt gewesen wäre. Aus der endgültigen Terminisierung der Geschäftsverbindung mit 30. Juni 1975 ergebe sich, daß die Klägerin bloß einen Saldo von 360 000 S abzudecken gehabt habe, wenn bis zu diesem Zeitpunkt der Beklagte Bestellungen im vereinbarten Umfang (657 000 S) nicht getätigt haben sollte. Da dies nicht geschehen sei, habe der Beklagte der Klägerin 300 000 S nachzulassen. Nach der vom Beklagtenvertreter vertretenen gegenteiligen Auffassung wäre die vereinbarte Terminisierung mit 30. Juni 1975 sinnlos gewesen. Der mit 30. Juni 1975 zugunsten der Klägerin aushaftende Saldo betrage demnach 342 502.50 S. Dem Beklagten stehe hingegen aus seiner Geschäftsverbindung mit der Klägerin keine Forderung zu. Eine Kürzung der Klagsforderung um den dem Beklagten im Ausgleich gewährten Nachlaß von 60% sei deshalb nicht vorzunehmen, weil der Beklagte die Zahlung der Ausgleichsquote der Forderung der Klägerin trotz Fristsetzung abgelehnt habe. Das Wiederaufleben trete nämlich auch bei bestrittenen Ausgleichsforderungen ein. In diesem Falle müsse die auf die bestrittene Forderung entfallende Quote bei Gericht erlegt werden. Die Bestimmung des § 55f. Abs. 2 AO sei nicht anwendbar, weil ein Antrag nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle nicht gestellt worden sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Die in den Punkten 1 und 2 der Vereinbarung vom 2. Juli 1974 vorgesehene Terminisierung sei, so meint das Berufungsgericht, durchaus verständlich, weil beide Streitteile daran interessiert gewesen seien, daß der zugunsten des Beklagten aushaftende Saldo nicht endlos mitgeschleppt werde, sondern zu einem fix bestimmten Zeitpunkt im Wege einer ausgewogenen gegenseitigen kaufmännischen Verrechnung zur Tilgung zu bringen sei.
Die Vereinbarung eines der Klägerin zu gewährenden Nachlasses könne im Hinblick auf deren schlechte finanzielle Situation nicht als unwahrscheinlich betrachtet werden. Nach der bei der Geschäftsabwicklung der Streitteile zur Anwendung gelangten Variante 2 der Vereinbarung vom 2. Juli 1974 sei der Klägerin unwiderruflich mit Stichtag 30. Juni 1975 ein Nachlaß von 300 000 S zu gewähren, wenn bis zu diesem Zeitpunkt der zugunsten des Beklagten aushaftende Saldo von 657 000 S mangels Bestellungen im Sinne der vereinbarten 50%-Geschäfte nicht abgedeckt sein sollte, wobei allerdings die Klägerin grundsätzlich 360 000 S hätte leisten müssen. Dies ergebe sich zwingend aus der im Punkt 2 der Vereinbarung unwiderruflich vorgesehenen Terminisierung mit 30. Juni 1975. Jede andere Auslegung wäre mit dieser Befristung unvereinbar und würde den mit dem Übereinkommen verfolgten Geschäftszweck der Herbeiführung eines privaten Ausgleiches der Streitteile vereiteln. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Nachlasses von 300 000 S (Leistungen der Klägerin von 360 000 S, Unterlassung weiterer Bestellungen durch den Beklagten) seien nach den Feststellungen des Erstgerichtes eingetreten. Der vom Beklagten am 15. Juni 1976 getätigten Bestellung komme im Hinblick auf die unwiderrufliche Terminisierung des Punktes 2 der Vereinbarung mit 30. Juni 1975 keine Bedeutung mehr zu. Mit Recht habe auch das Erstgericht das Wiederaufleben der Klagsforderung nach § 53 Abs. 4 AO bejaht. Grundsätzlich müsse nämlich der Ausgleichsschuldner auch bestrittene Ausgleichsforderungen so entrichten, wie es der Ausgleich vorsehe. Nach § 55f. AO könne allerdings der Ausgleichsschuldner die Verzugsfolgen des § 53 Abs. 4 AO durch Bezahlung der bestrittenen Ausgleichsforderungen in der mutmaßlichen Höhe zu der im Ausgleich festgesetzten Fälligkeitszeit abwenden. Bestehe demnach die mutmaßliche Forderung nicht, so brauche der Ausgleichsschuldner so lange nicht zu zahlen, bis die bestrittene Forderung in einem anhängig gemachten Rechtsstreit festgestellt worden sei. Diese Mutmaßlichkeit komme aber dem Ausgleichsschuldner, der nichts oder zu wenig bezahlt habe, nur dann zustatten, wenn er durch eine Entscheidung des Ausgleichskommissärs im Sinne des § 55f. Abs. 1 AO abgesichert sei. Dies sei jedoch hier nicht der Fall, weil der Beklagte mangels Antragstellung im Sinne der vorgenannten Gesetzesstelle ein Provisorium nach § 55f. Abs. 1 AO nicht herbeigeführt habe. Daß eine Entscheidung des Ausgleichskommissärs nach § 55f. Abs. 1 AO auch von der Klägerin hätte begehrt werden können, sei ohne Belang, weil eine derartige Antragstellung im wohlverstandenen Interesse des Beklagten zur Vermeidung des Eintrittes der Verzugsfolgen nach § 53 Abs. 4 AO gelegen gewesen wäre. Der Umstand, daß die Klägerin die Zahlung einer höheren als der angemeldeten Forderung begehrt habe, ändere nichts daran, daß ein Teilbetrag ihrer überhöhten Forderung fällig gewesen sei und der Beklagte überhaupt jede Zahlung abgelehnt habe. Auch der gerichtliche Erlag der auf die bestrittene Forderung entfallenden Quote sei vom Beklagten unterlassen worden. Der Beklagte sei daher mit der Erfüllung des Ausgleiches in Verzug geraten, wodurch Wiederaufleben der gesamten Forderung der Klägerin eingetreten sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten und Widerklägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Revisionswerber bekämpft die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß hinsichtlich der Klagsforderung Wiederaufleben im Sinne des § 53 Abs. 4 AO eingetreten sei. Punkt 5 des Ausgleichsantrages bestimme nämlich, daß bestrittene Forderungen am Fälligkeitstag zu hinterlegen seien. Der gerichtliche Erlag sei jedoch von der Klägerin nicht verlangt worden. Außerdem habe die Klägerin einen Antrag auf Feststellung der mutmaßlichen Höhe der von ihr angemeldeten. Ausgleichsforderung durch den Ausgleichskommissär nach § 55 f. Abs. 1 AO nicht gestellt. Dem Revisionswerber ist darin beizupflichten, daß die mit dem Verzug in der Erfüllung des Ausgleiches für den Ausgleichsschuldner verbundenen Rechtsfolgen (Terminsverlust, Wiederaufleben) nur dann eintreten, wenn im Ausgleich nichts anderes bestimmt ist (§ 53 Abs. 4 AO). Nach Punkt 5 des Ausgleiches hat die auf bestrittene Forderungen entfallende Quote auf Anordnung des Ausgleichskommissärs und eventuellen Antrag des betreffenden Gläubigers am Tage der Fälligkeit gerichtlich hinterlegt zu werden. Der sichergestellte Betrag wird frei, wenn der Anspruch nicht innerhalb der vom Ausgleichskommissär bestimmten Frist geltend gemacht wird. Der Revisionswerber übersieht jedoch, daß Punkt 5 des Ausgleiches das Recht der Ausgleichsgläubiger zum Gegenstand hat, im Falle der Bestreitung des Bestandes ihrer Forderung durch den Ausgleichsschuldner, deren Sicherstellung im Sinne des § 46 Abs. 4 AO zu begehren. Aus dem Umstand, daß die Klägerin einen Antrag im Sinne des Punktes 5 des Ausgleiches nicht gestellt hat, ist daher nur zu schließen, daß sie von ihrem Recht, die Sicherstellung ihrer vom Ausgleichsschuldner bestrittenen Forderung zu begehren, keinen Gebrauch gemacht hat.
Unzutreffend ist auch die Rechtsansicht des Revisionswerbers, daß im Hinblick auf die durch die Klägerin unterlassene Antragstellung im Sinne des § 55f. Abs. 1 AO die Quote der von ihm bestrittenen Ausgleichsforderung der Klägerin erst nach deren rechtskräftiger Feststellung zu entrichten gewesen wäre. Der allgemeine Grundsatz des Privatrechtes, daß der Schuldner ohne Rücksicht darauf zu leisten hat, ob er seine Schuld kannte oder auch nur kennen mußte, gilt nämlich auch für das Ausgleichsverfahren (Bartsch - Pollak[3] II, 504; SZ 10/181). Es treten daher die Verzugsfolgen selbst dann ein, wenn der Ausgleichsschuldner der subjektiven Überzeugung war, daß die angemeldete Geldforderung nicht berechtigt sei, sofern deren Rechtsbestand nachher festgestellt wurde. Zahlt daher der Ausgleichsschuldner die Quote bestrittener Ausgleichsforderungen im Zeitpunkte der Ausgleichsfälligkeit nicht, so treten die Verzugsfolgen des § 53 Abs. 4 AO ein (Bartsch - Pollak a. a. O., 506). Nach § 55f. Abs. 2 AO treffen allerdings den Ausgleichsschuldner die Verzugsfolgen des § 53 Abs. 4 AO dann nicht, wenn er bei der Erfüllung des Ausgleichs bestrittene oder teilweise gedeckte Forderungen bis zur endgültigen Feststellung des Bestandes oder der Höhe der Forderung oder des Ausfalles in dem Ausmaße berichtigt, das einer vom Ausgleichskommissär gemäß § 55f. Abs. 1 oder § 44 Abs. 2 und 3 oder § 46 Abs. 4 AO getroffenen Entscheidung entspricht. Nach § 55f. Abs. 1 AO hat nämlich der Ausgleichskommissär, wenn der Bestand oder die Höhe einer Forderung oder bei einer teilweise gedeckten Forderung die Höhe des Ausfalles bestritten ist und darüber keine Entscheidung im Sinne der §§ 44 Abs. 2 und 3 und 46 Abs. 4 AO vorliegt, über Antrag des Schuldners oder des Gläubigers die mutmaßliche Höhe der bestrittenen Forderung oder des Ausfalles festzustellen. Welche Rechtsfolgen eintreten, wenn - wie hier - der Schuldner und auch der Gläubiger trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 55 f. Abs. 1 AO eine Antragstellung im Sinne dieser Gesetzesstelle unterlassen haben und daher eine Entscheidung des Ausgleichskommissärs über die mutmaßliche Höhe der bestrittenen Forderung nicht ergehen konnte, ist im Gesetz nicht geregelt. Auch die Erläuterungen zur Ausgleichsnovelle 1934 im JABl. 1934, 91 ff. nehmen zu dieser Frage nicht eindeutig Stellung (101). Die Entscheidung AnwZtg. 1935, 156, scheint noch zum alten Recht vor dem Inkrafttreten der Ausgleichsnovelle (am 1. September 1934) ergangen zu sein (vgl. Bartsch - Pollak a. a. O., 441 FN 46 a). Nach Ansicht des OGH ist darauf abzustellen, daß die Erwirkung einer Provisorialentscheidung des Ausgleichskommissärs nach § 55f. Abs. 1 AO im Interesse des Ausgleichsschuldners gelegen ist. Unterblieb daher eine solche Antragstellung, so kommt dem Ausgleichsschuldner auch die Milderung der Vollzugsfolgen des § 53 Abs. 4 AO durch die Regelung des § 55f. Abs. 2 AO nicht zustatten. Hiefür spricht schon der Umstand, daß sonst dem Ausgleichsschuldner die Bestreitung angemeldeter Forderungen allzu leicht gemacht werden würde. Das im Hinblick auf diese Rechtsansicht mit der Bestreitung einer Ausgleichsforderung für den Ausgleichsschuldner verbundene Risiko ist diesem durchaus zumutbar, weil er selbst nach Erhalt einer qualifizierten Mahnung des Gläubigers im Sinne des § 53 Abs. 4 AO noch die Möglichkeit hat, eine Provisorialentscheidung des Ausgleichskommissärs nach § 55f. Abs. 1 AO zu beantragen. Auch im vorliegenden Fall kann sich daher der Revisionswerber nicht auf die Milderung der Folgen des Verzuges in der Erfüllung des Ausgleiches nach § 55f. Abs. 2 AO berufen.
Sofern der Revisionswerber auf den Forderungsverzicht sämtlicher Gläubiger nach Punkt 4 des Ausgleiches hinweist, übersieht er, daß dieser ihm gewährte teilweise Schulderlaß die Erfüllung des Ausgleiches zur Voraussetzung hat und daher dann nicht Platz greift, wenn - wie hier - die Voraussetzungen für das Wiederaufleben der Ausgleichsforderung nach § 53 Abs. 4 AO vorliegen.
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