OGH 11Os119/79

OGH11Os119/7911.9.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Walenta und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens des versuchten Betruges nach den §§ 8, 197, 199 lit d StG über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27. Mai 1974, GZ 15 b E Vr 7759/73-16, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens des versuchten Betruges nach den §§ 8, 197, 199

lit d StG, AZ 15 b E Vr 7759/73, des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, verletzt der Beschluß dieses Gerichtes vom 27. Mai 1974, ON 16, das Gesetz in der Bestimmung des § 3 Abs 1 Z 4 BedVG. Dieser Beschluß und alle darauf beruhenden Beschlüsse, Anordnungen und Verfügungen, insbesondere der Beschluß vom 14. Dezember 1978, ON 34, mit welchem die bedingte Nachsicht der über Josef A mit dem am 25. Oktober 1973 gefällten Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verhängten Freiheitsstrafe von drei Monaten widerrufen und die Vollziehung der Strafe angeordnet wurde, werden aufgehoben und es werden die Anträge der Staatsanwaltschaft Wien vom 22. Mai 1974 auf Verlängerung der Probezeit und vom 8. November 1978 auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht abgewiesen. Mit seiner Beschwerde (ON 36) wird der Verurteilte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

1.) Aus den Akten 15 b E Vr 7759/73, 7 c E Vr 9319/73 und 2 a E Vr 5991/74 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, 20 U 113/76 des Jugendgerichtshofes Wien und 8 U 69/76 des Bezirksgerichtes Floridsdorf ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25. Oktober 1973, 15 b E Vr 7759/73-8, wurde der am 31. Juli 1955 geborene Hilfsarbeiter Josef A des Verbrechens des versuchten Betruges nach den §§ 8, 197, 199

lit d StG schuldig erkannt und nach der ersten Strafstufe des § 202 StG unter Anwendung der §§ 54 und 55 StG zu drei Monaten Kerker, verschärft durch einen Fasttag monatlich, verurteilt. Gemäß den §§ 1 und 2 des Gesetzes über die bedingte Verurteilung wurde die Vollziehung der verhängten Freiheitsstrafe unter Festsetzung einer Probezeit von drei Jahren vorläufig aufgeschoben. Das Urteil ist am 30. Oktober 1973 in Rechtskraft erwachsen (ON 10 dA). Mit sogleich rechtskräftig gewordenem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13. Februar 1974, 7 c E Vr 9319/73-7, wurde Josef A wegen des Verbrechens der schweren körperlichen Beschädigung nach dem § 152 StG und der Übertretung der vorsätzlichen leichten körperlichen Beschädigung nach dem § 411 StG gemäß dem § 154 StG unter Anwendung des § 35 StG und unter Bedachtnahme auf die §§ 54 und 55 StG zu einer schweren Kerkerstrafe in der Dauer von fünf Monaten, verschärft durch ein hartes Lager, verurteilt. Auch die Vollziehung dieser Freiheitsstrafe wurde gemäß den §§ 1 und 2 des Gesetzes über die bedingte Verurteilung unter Festsetzung einer Probezeit von drei Jahren vorläufig aufgeschoben.

Obwohl die diesem Urteil zugrundeliegenden Straftaten schon am 21. Mai 1973, sohin vor Fällung des eingangs erwähnten Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25. Oktober 1973, begangen worden waren, unterblieb im letztgenannten Urteil eine Bedachtnahme auf den § 265 StPO (aF).

Im Hinblick auf die zuletzt erwähnte Verurteilung vom 13. Februar 1974 stellte die Staatsanwaltschaft Wien am 22. Mai 1974 im Verfahren 15 b E Vr 7759/73 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien den Antrag auf Verlängerung der Probezeit (§ 3 Abs 1 Z 4 BedVG) (S 79 dA), worauf das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluß vom 27. Mai 1974, ON 16, vom Widerruf des mit Urteil vom 25. Oktober 1973 gewährten bedingten Strafnachlasses gemäß § 3 Abs 1 Z 4 BedVG absah und gleichzeitig die mit dem genannten Urteil bestimmte Probezeit bis 30. Oktober 1978

(nämlich auf fünf Jahre) verlängerte; der Beschluß wurde dem Verurteilten zu eigenen Handen zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen. In der Begründung dieses Beschlusses wurde irrig davon ausgegangen, daß die dem Verfahren 7 c E Vr 9319/73 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zugrundeliegenden Straftaten während der Probezeit begangen worden waren, obwohl - wie schon erwähnte - der Zeitpunkt ihrer Begehung in Wahrheit vor dem vorangegangenen Urteil und damit auch vor dem Beginn der Probezeit gelegen war.

Rechtliche Beurteilung

Der letztgenannte Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verletzt nach dem Gesagten das Gesetz in der Bestimmung des § 3 Abs 1 Z 4 BedVG. Denn bei der gegebenen Sachlage wäre richtigerweise entweder mit einem auf die Vorschrift des § 3 Abs 2 des Gesetzes über die bedingte Verurteilung gestützten Widerruf des bedingten Aufschubes der Vollstreckung vorzugehen gewesen - wozu sich das Landesgericht für Strafsachen Wien nach der Begründung des in Rede stehenden Beschlusses aber nicht veranlaßt sah -

oder es wäre eine - keiner konstitutiven Beschlußfassung bedürfenden (vgl 10 Os 117-119/78) - Verlängerung der Probezeit bis 13. Februar 1977 (dem Zeitpunkt des Ablaufes der im Verfahren 7 c E Vr 9319/73 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien bestimmten Probezeit) gemäß dem letzten Absatz des § 3 Abs 2 BedVG eingetreten.

2.) Josef A wurde in der Folge insgesamt dreimal wegen solcher Straftaten rechtskräftig verurteilt, die er durchwegs innerhalb der ursprünglichen Probezeit des Urteils vom 25. Oktober 1973, 15 b E Vr 7759/73-8, des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (30. Oktober 1973 bis 30. Oktober 1976) begangen hatte, nämlich a) mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. November 1974, GZ 2 a E Vr 5991/74-25, wegen des Verbrechens des Diebstahles nach den §§ 171, 173, 174 I lit d, II lit a StG (Tatzeiten: 21. 5. 1974 und 1. 7. 1974) zu fünf Monaten schwerem Kerker, b) mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 22. Jänner 1976, GZ 8 U 69/76-3, (rechtskräftig seit 10. Februar 1976) wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB (Tatzeit: 11. 3. 1975) zu einer Geldstrafe in der Höhe von 40 Tagessätzen zu 100 S (im Nichteinbringungsfalle 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) und c) mit sofort rechtskräftig gewordenem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 12. April 1976, GZ 20 U 113/76-6, wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs 1 StGB (Tatzeit: 1.1.1975 bis 31.8.1975) zu drei Wochen Freiheitsstrafe (gemäß dem § 43 Abs 1 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen).

Erst am 8. November 1978 stellte die Staatsanwaltschaft - nachdem inzwischen auch die oben unter Punkt b) und c) erwähnten neuen Verurteilungen des Josef A aktenkundig geworden waren - den Antrag auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht (S 107 dA). Nach Anhörung des Verurteilten (§ 495 Abs 3 StPO), der sich gegen den Widerrufsantrag aussprach (ON 33), widerrief das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluß vom 14. Dezember 1978, ON 34, die bedingte Nachsicht der über Josef A mit dem am 25. Oktober 1973 gefällten Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, 15 b E Vr 7759/73-8, verhängten Freiheitsstrafe von drei Monaten und ordnete den Vollzug der Strafe an. Gegen diesen Beschluß erhob der Verurteilte fristgerecht Beschwerde (ON 36), welche dem Oberlandesgericht Wien am 24. Jänner 1979 zur Entscheidung vorgelegt wurde (ON 37). Eine Entscheidung dieses Gerichtes ist noch nicht ergangen.

3.) Die dem Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27. Mai 1974, 15 b E Vr 7759/73-16, anhaftende Gesetzesverletzung ist geeignet, sich zum Nachteil des Verurteilten auszuwirken, da allein mit Rücksicht auf die hiedurch bewirkte Fristverlängerung bis zum 31. Oktober 1978

der Widerrufsbeschluß vom 14. Dezember 1978, 15 b E Vr 7759/73-34, noch rechtzeitig im Sinne der Fristsetzung des § 56 StGB erging. Es war sohin in Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu erkennen.

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