OGH 11Os83/79

OGH11Os83/794.9.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. September 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Walenta und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann A und Ronald B wegen des Vergehens des Hausfriedensbruches nach § 109 Abs 1, Abs 3 Z 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten Ronald B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. März 1979, GZ 8 c Vr 10.238/78-18, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Oehlzand, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Zahl der Tagessätze auf 150 (einhundertfünfzig), im Nichteinbringungsfall 75 (fünfundsiebzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt. Im übrigen wird ihr nicht Folge gegeben. Hinsichtlich des Begehrens auf bedingte Strafnachsicht wird sie zurückgewiesen. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16. Juli 1951 geborene beschäftigungslose Johann A und der am 6. Jänner 1955 geborene Spengler Ronald B des Vergehens des Hausfriedensbruches nach dem § 109 Abs 1, Abs 3 Z 3 StGBund der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB, A auch des Vergehens des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Dieses Urteil bekämpft allein der Angeklagte Ronald B mit einer auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

In Ausführung dieses Rechtsmittels beschränkt sich der Beschwerdeführer - ausgehend von der Feststellung des Erstgerichtes, er habe Johann A zu der als Hausfriedensbruch gewerteten Tathandlung 'bestimmt' - auf eine allgemeine Darlegung der gesetzlichen Voraussetzungen der 'Bestimmungstäterschaft' (§ 12, 2. Fall, StGB) und deren Abgrenzung zum Vergehen der Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen nach dem § 282 Abs 1 StGB und verneint schließlich seine Täterschaft mit dem Hinweis, daß 'nicht alle Voraussetzungen vorliegen', ohne aber in irgendeiner Weise auszuführen, aus welchem konkreten Grund das Erstgericht zu Unrecht seine Täterschaft in bezug auf das Vergehen des Hausfriedensbruches angenommen habe. Im übrigen vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, unter dem normativen Begriff 'mehrere Personen' im Sinne des § 109 Abs 3 Z 3 StGB - entgegen der vom Erstgericht vertretenen Auffassung - seien zumindest drei Personen zu verstehen. Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Was zunächst die Täterschaft des Beschwerdeführers anbelangt, so handelten beide Angeklagte, denen in Richtung des Vergehens des Hausfriedensbruches zur Last liegt, am 10. September 1978 in Wien in Gesellschaft als Beteiligte dadurch den Eintritt in die Wohnstätte anderer mit Gewalt erzwungen zu haben, daß sie die Eingangstür zur Wohnung von Wilhelm und Eveline C aufbrachen und gemeinsam in die Wohnung eindrangen, nach den Konstatierungen des Erstgerichtes mit dem Vorsatz, in die genannte Wohnung einzudringen, wobei durch das gewaltsame Aufbrechen der Wohnungstüre das Eindringen mehrerer Personen - nämlich beider Angeklagter -

in die Wohnung erzwungen werden sollte und auch tatsächlich erzwungen wurde, da beide Angeklagte die Wohnung betraten, nachdem Johann A auf Geheiß des Beschwerdeführers seinen Körper mit solcher Wucht gegen die Eingangstür gedrückt hatte, daß diese - deren Verriegelung hiebei beschädigt wurde -

aufsprang (S. 115, 120).

Ausgehend von diesen Feststellungen haben aber beide Angeklagte das Vergehen des Hausfriedensbruches nach dem § 109 Abs 3 Z 3 StGB (wie auch - da nach den Konstatierungen des Erstgerichtes insoweit zumindest mit bedingtem bösem Vorsatz handelnd - jenes der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB) zu verantworten.Denn bei Begehung einer Tat durch eine Personenmehrheit kommt jedem Beteiligten die Stellung eines unmittelbaren Täters zu, der diese Mitwirkung im vorsätzlichen Zusammenwirken mit den anderen ausübt und sich in der Ausführungsphase an der Tat beteiligt, wobei nicht vorausgesetzt wird, daß jeder dieser Täter das gesamte Tatbild verwirklicht (vgl. ÖJZ-LSK 1977/17 u.v.a.).

Dies trifft im gegenständlichen Falle zu, da der Beschwerdeführer im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Johann A handelte, am Tatort anwesend war und sich durch das 'Eindringen' in die Wohnung der Eheleute C, d.h.

deren Betreten gegen den Willen der genannten Wohnungsinhaber nach Aufbrechen der Türe durch seinen Mittäter im Sinne des gemeinsamen Tätervorsatzes, unmittelbar an der Verwirklichung des Tatbildes des Vergehens nach dem § 109 Abs 3 Z 3

StGB beteiligte. Gegenüber solch' unmittelbarer Täterschaft ist Bestimmungstäterschaft aber subsidiär. Wer - so wie hier - andere dazu bestimmt, mit ihm gemeinsam eine Straftat auszuführen, haftet folglich als unmittelbarer Täter (Mittäter) und nicht als Bestimmungstäter, wobei die Tatsache der Bestimmung allerdings bei der Strafbemessung erschwerend wirkt (vgl. ÖJZ-LSK 1979/33). Die Rüge ist aber auch verfehlt, soweit sie vermeint, daß die Verwirklichung des Tatbildes des Vergehens nach dem § 109 Abs 3 Z 3 StGB die Erzwingung des Eindringens von mehr als zwei Personen voraussetzt.

Das Gesetz verwendet den Ausdruck 'mehrere' keineswegs immer im gleichen Sinne. Die Legaldefinition des § 115 Abs 2 StGB, wonach die Begehung einer (beleidigenden) Handlung vor mehreren Leuten die Gegenwart von mehr als zwei vom Täter und vom Angegriffenen verschiedenen Personen erfordert, ist allein dem Tatbestand der Beleidigung zugeordnet.

Sie stellt (bloß) auf die Wahrnehmnarkeit einer beleidigenden Handlung seitens dritter Personen ab, sodaß ihr - anders als den im § 74 StGB enthaltenen allgemeinen Begriffsbestimmungen - die Bedeutung einer allgemeinen Begriffsdefinition nicht zukommt (vgl. Kunst, Unbestimmte Zahl- und Maßbegriffe im neuen StGB; ÖJZ 1975, 561). Welcher Sinn dem Ausdruck 'mehrere' beizumessen ist, muß sohin in jedem einzelnen Fall aus dem Sinnzusammenhang der betreffenden gesetzlichen Bestimmung erschlossen werden (vgl. 10 0s 40/76). In einer ganzen Reihe von Fällen wird dieser Ausdruck in Lehre und Rechtsprechung unbestritten, in der Bedeutung von 'mindestens zwei' verwendet wird (vgl. §§ 23 Abs 1, Z 1, 27 Abs 1, 28 Abs 1 und 4, 33 Z 1 und 4, 34 Z 6, 127 Abs 2 Z 1, 143, erster Fall, 278 Abs 1 StGB, wobei er in der letztgenannten Gesetzesstelle einmal die Bedeutung von 'mindestens drei' und einmal von 'mindestens zwei' hat). In der bereits zitierten Entscheidung 10 0s 40/76 hat der Oberste Gerichtshof zum Tatbestand des § 91 Abs 1 StGB den Standpunkt vertreten, daß für einen 'Angriff mehrerer' ein Angriff von zwei Personen genügt und dies nicht zuletzt damit begründet, daß bei beiden Deliktsfällen des § 91 StGB die besondere Gefährlichkeit des tatbildlichen Verhaltens darin liegt, daß in jedem dieser Fälle auf einer Seite (zumindest) zwei Personen aktiv an der tätlichen Auseinandersetzung teilnehmen, wogegen von einer qualifizierten Gefährlichkeit dann nicht gesprochen werden kann, wenn bloß eine Person sich mit einer anderen schlägt oder eine Person eine andere angreift. Gleichartige Erwägungen sind aber auch in Ansehung des - ebenfalls zur Kategorie der Gewalttätigkeitsdelikte gehörenden - Vergehens des Hausfriedensbruches nach dem § 109 Abs 3 Z 3 StGB anzustellen. Auch hier muß eine qualifizierte Gefährlichkeit der Tat im Hinblick auf die möglichen weiteren Folgen und Ausweitungen der deliktischen Geschehnisse angenommen werden, wenn nicht bloß das Eindringen einer Einzelperson, sondern jenes von zwei oder mehr Personen erzwungen wird. Der im übrigen auch in der Literatur (Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechtes, Besonderer Teil, I zu § 109 StGB, Reissig-Kunst, Das neue österreichische Strafgesetzbuch, Anm. 6 zu § 109; Foregger-Serini StGB 1975, 2. Auflage, II zu § 109; a.M. Leukauf-Steininger, Komm. S. 550, Mayerhofer-Rieder, Das österreichische Strafrecht, Erster Teil / Strafgesetzbuch /, Anm. 10 zu § 109), ihre Stütze findenden Auffassung des Erstgerichtes, wonach zur Erfüllung des Tatbestandes des Vergehens des Hausfriedensbruches nach dem § 109 Abs 3 Z 3 StGB die Erzwingung des Eindringens von zwei Personen - wie vorliegend - genügt, ist sohin beizupflichten, weshalb auch diesem Teil der Rechtsrüge kein Erfolg beschieden sein kann.

Die zur Gänze unberechtigte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Von der von der Generalprokuratur angeregten Maßnahme nach dem § 290 Abs 1 StPO hinsichtlich beider Angeklagten, weil das Erstgericht nach Ansicht der Generalprokuratur diese nur wegen des Vergehens nach dem § 109 Abs 3 Z 3 StGB, nicht aber auch nach dem § 109 Abs 1 StGB hätte verurteilen dürfen, war abzusehen, denn, wie sich aus den Gründen des Urteils ergibt, ist eine Verurteilung der Angeklagten nach dem § 109 Abs 1 StGB gar nicht erfolgt und daher die Anführung dieser gesetzlichen Bestimmung im Spruch des Urteils lediglich irrtümlich geschehen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten Ronald B nach dem § 109 Abs 3 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB und unter Anwendung des § 37 Abs 1

StGB eine Geldstrafe in der Höhe von 240 Tagessätzen, im Falle der Uneinbringlichkeit 120 Tage Ersatzfreiheitsstrafe.

Der Tagessatz wurde mit 100 S bestimmt.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen, als mildernd hingegen, daß der Angeklagte im Faktum I des Urteilssatzes aus einem achtenswerten Beweggrund handelte, und daß er im Faktum II in der Schuldform des bedingten Vorsatzes handelte, sowie weiters das Geständnis des Angeklagten.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte B die Herabsetzung der über ihn verhängten Geldstrafe (sowohl hinsichtlich der Anzahl der Tagessätze als auch hinsichtlich deren Höhe) an; im Gerichtstag beantragte er überdies die bedingte Nachsicht der über ihn verhängten Strafe.

Das erst im Gerichtstag gestellte Begehren auf bedingte Strafnachsicht war als verspätet zurückzuweisen; die ansonsten zulässige Berufung ist teilweise berechtigt.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig erfaßt. Das Geständnis des Angeklagten wurde ohnedies - entgegen der Behauptung des Berufungswerbers -

vom Erstgericht als mildernd berücksichtigt.

Der Angeklagte B ist zwar zweimal, aber nicht einschlägig vorbestraft. Das Ausmaß seiner Schuld rechtfertigt, insbesonders unter Berücksichtigung seines Tatmotivs, eine Herabsetzung der verhängten Anzahl der Tagessätze.

Hingegen mußte es bei der vom Erstgericht ausgesprochenen Höhe des Tagessatzes bleiben, weil der 24-jährige Angeklagte mit Rücksicht auf die Berufstätigkeit seiner Ehefrau praktisch über sein Einkommen für sich allein verfügen kann und dem Strafcharakter der Geldstrafe nur dann Rechnung getragen wird, wenn die Einschränkung, die der Bestrafte in seiner Lebensführung erleidet, empfindlich ist. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenausspruch beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte