OGH 4Ob361/79

OGH4Ob361/7910.7.1979

SZ 52/115

Normen

Unlauterer Wettbewerb-Gesetz §1
Unlauterer Wettbewerb-Gesetz §1

 

Spruch:

Das sogenannte "Anzapfen" eines Lieferanten durch einen Händler - hier: Bitte um einen "Werbekostenbeitrag" - verstößt unter dem Gesichtspunkt der Nötigung, also der Ausübung psychischen Drucks, dann gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG, wenn der angesprochene Unternehmer nach den Umständen des Falles den Eindruck gewinnen kann, daß er bei einer Ablehnung der erbetenen Leistung wirtschaftliche Nachteile erleiden könnte

Wegen eines nicht nur gegen das Nahversorgungsgesetz, BGBl. 392/1977, verstoßenden, sondern auch wettbewerbswidrigen Verhaltens kann nicht nur beim Kartellgericht ein außerstreitiges Verfahren nach dem Nahversorgungsgesetz eingeleitet, sondern auch beim zuständigen Gericht Klage nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb erhoben werden

OGH 10. Juli 1979, 4 Ob 361/79 (OLG Linz 1 R 52/79; LG Salzburg 11 Cg 44/79)

Text

Die Beklagte - eine Einkaufsgenossenschaft der Bäcker und Konditoren - richtete im November 1978 an ihre Lieferanten nachstehendes Rundschreiben:

"Betrifft: Unkostenbeitrag für Werbeleistungen.

Wenn im MAV-Katalog diverse Forderungen von Leistungen nicht als kaufmännisches Wohlverhalten gelten, so nehmen wir doch in Anspruch, daß wir uns richtig verhalten, wenn wir nicht fordern, sondern bitten, daß Sie sich an den Kosten beteiligen, die wir allgemein als Werbung in beider Interesse ansehen.

Diese Ihre Beteiligung geschah schon zu Zeiten, da es noch keine unlauteren Forderungen gab. Wir danken Ihnen daher im voraus, wenn Sie sich auch weiterhin, wie bisher während unseres 60jährigen Bestehens, an diesen Werbemaßnahmen nach eigenem Ermessen beteiligen.

Wenn es Ihnen möglich ist, einen Beitrag zu unseren Werbekosten zu leisten, ersuchen wir, tieferstehende Gutschrifts-Anzeige auszufüllen, und die Zweitschrift an uns zu retournieren, mit dem Vermerk, ob Überweisung oder Abzug bei einer Rechnung erwünscht ist

.....".

Nach dem Wortlaut der darunter befindlichen "Gutschrifts-Anzeige" konnte der für den "o. a. Werbezweck" bestimmte Betrag entweder überwiesen oder von einer Rechnung abgezogen werden, der klagende österreichische Verband der Markenartikel-Industrie sieht in diesem Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen § 1 UWG. Aus dem Inhalt des beanstandeten "Bittbriefes" müßten die Adressaten den Eindruck gewinnen, daß eine Ablehnung des Ersuchens mit geschäftlichen Nachteilen verbunden sein könnte; bei der derzeitigen Wirtschaftslage könne es sich aber keiner von ihnen leisten, auf diese Weise einen Kunden zu verlieren. Die angeschriebenen Lieferanten würden durch die Formulierung des Rundschreibens unter psychischen Druck gesetzt; sie sollten durch ihre Zahlungen eine primär der Beklagten dienende Erwerbsmaßnahme finanzieren und der Beklagten dadurch einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren gesetzestreuen Konkurrenten verschaffen. Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt der Kläger daher, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, an Lieferanten mit der Bitte heranzutreten, sich mit einem Beitrag an den Werbekosten der Beklagten zu beteiligen.

Die Beklagte hat sich gegen diesen Antrag ausgesprochen und insbesondere den Vorwurf eines wettbewerbswidrigen "Anzapfens" ihrer Lieferanten zurückgewiesen: Die Empfänger des Rundschreibens stunden mit der Beklagten in langjährigen, fast "familiären", jedenfalls aber von wechselseitigem Verständnis und von der Wahrung gemeinsamer Interessen geprägten Beziehungen; sie wüßten daher, daß sich die Beklagte ihnen gegenüber stets korrekt verhalten habe und daß insbesondere auch eine allfällige Ablehnung des an sie gerichteten - bewußt zurückhaltend formulierten - Ersuchens um einen Werbekostenbeitrag keinerlei Einfluß auf diese sehr engen Geschäftsbeziehungen haben würde. Die Ausübung psychischen Drucks auf die Empfänger des Rundschreibens scheide daher von vornherein aus; vielmehr seien auch die Umsätze solcher Lieferanten mit der Beklagten "ständig und erheblich gestiegen", welche die erbetenen Beiträge nicht geleistet hätten. Tatsächlich hätten von den mehr als 350 Unternehmen, die mit dem beanstandeten Rundschreiben angesprochen worden waren, nur 26 positiv reagiert und dabei insgesamt 25 791 S überwiesen. Auch in den vergangenen Jahren hätten gleichartige Bitten der Beklagten ähnliche Ergebnisse gebracht. Da den Empfängern des Rundschreibens auch bekannt gewesen sei, daß ihre Beiträge vor allem zur Mitfinanzierung gesellschaftlicher Veranstaltungen für Kunden und Lieferanten der Beklagten verwendet werden sollten, könne von einer "bewußten Verschleierung der Gegenleistung", wie sie der Kläger behauptet habe, ebensowenig die Rede sein wie von einem ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil der Beklagten.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung und nahm folgenden weiteren Sachverhalt als bescheinigt an:

Die Beklagte versendet seit Jahren an ihre Lieferanten gleichartige Rundschreiben mit der Bitte um einen Beitrag zu ihren Werbekosten. Vier dieser Lieferanten haben der Beklagten sinngemäß bestätigt, daß sie die erwähnten Rundschreiben nicht als Druckmittel, sondern als unverbindliche Bitte aufgefaßt hätten; sie hätten ihnen nur nach eigenem Ermessen entsprochen und auch bei Ablehnung einer Zahlung keinerlei Einfluß auf ihre Geschäftsbeziehungen zur Beklagten festgestellt.

Rechtlich war das Erstgericht der Auffassung, daß das beanstandete Rundschreiben sehr wohl zur Ausübung psychischen Drucks auf die Lieferanten geeignet sei; diese sollten dadurch zu einer Geldleistung an die Beklagte veranlaßt werden, welcher keine echte Gegenleistung entspreche. Da es nur auf die objektive Wirkung eines solchen Schreibens auf den Empfänger ankomme, sei es ohne rechtliche Bedeutung, ob die Beklagte tatsächlich jemals irgendwelche Sanktionen gegen "Nichtspender" beabsichtigt oder durchgeführt habe. Selbst wenn einzelne Lieferanten die erbetenen Beiträge abgelehnt hätten, müsse doch objektiv angenommen werden, daß viele andere es im Interesse des Fortbestehens guter Geschäftsbeziehungen zur Beklagten für notwendig gehalten hätten, dem "unverbindlichen Wunsch" der Beklagten zu entsprechen. Die Absicht der Beklagten sei eindeutig dahin gegangen, sich einen Teil ihrer Werbekosten von ihren Lieferanten finanzieren zu lassen, ohne diesen dafür eine echte Gegenleistung zu bieten. Sie habe damit einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber jenen Konkurrenten angestrebt, die ihre Werbung nicht auf diese Weise finanzieren konnten. Ein solches Verhalten verstoße gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG.

Infolge Rekurses der Beklagten hob das Rekursgericht die angefochtene einstweilige Verfügung auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Provisorialverfahrens auf,; gleichzeitig sprach es aus, daß das Sicherungsverfahren erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei. Beim sogenannten "Anzapfen", wie es der Beklagten hier vorgeworfen werde, übten wirtschaftlich starke Handelsunternehmen psychischen Druck auf ihre Lieferanten aus, um diese - ohne eigene Gegenleistung - zu Leistungen zu veranlassen, die an sich sie selbst zu erbringen hätten. Das könne insbesondere mittlere und kleine Lieferanten in eine schwierige Lage bringen, weil bei ihnen der Eindruck entstehen könne, daß sie bei einer Verweigerung der Zahlung wirtschaftliche Nachteile erleiden und den betreffenden Händler als Abnehmer verlieren würden (Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbsrecht[12], 846 ff. § 1 dUWG Anm. 729 ff.; Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht, 69; SZ 10/112). Da es andererseits zum Wesen des Wettbewerbs gehöre, daß der Abnehmer mit dem Verkäufer den für ihn günstigsten Preis aushandelt und auch sonst bestrebt ist, sich möglichst viele Vorteile zu verschaffen, werde vor allem in der Bundesrepublik Deutschland fast einhellig die Auffassung vertreten, daß die Wettbewerbswidrigkeit eines solchen Verhaltens in der Regel erst durch das Hinzutreten besonderer Umstände begrundet werde (Baumbach - Hefermehl a. a. O., 848 Anm. 731; BGH in GRUR 1977, 619 ff. mit Glosse von Utescher). In Österreich sei hier vor allem das sogenannte Nahversorgungsgesetz, BGBl. 392/1977, zu beachten, aus welchem gewisse Grundvorstellungen des Gesetzgebers zu wettbewerbsgemäßen Verhalten deutlich würden.

Das beanstandete Verhalten der Beklagten könne aber nach Ansicht des Rekursgerichtes nicht allein auf Grund dieses Gesetzes als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG beurteilt werden: Richtig sei zwar, daß es nicht auf den tatsächlichen Willen oder auf ein Verschulden der Beklagten, sondern allein darauf ankomme, wie ein solches Rundschreiben auf einen nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Lieferanten wirken konnte. Allfällige Unklarheiten müßten dabei, wie immer, zu Lasten der Beklagten gehen. Es treffe auch zu, daß auch zurückhaltend formulierte Bitten, wie sie hier vorlägen, aus Furcht vor wirtschaftlichen Nachteilen oft nur schwer abgeschlagen werden könnten. Da überdies wegen der Gefahr einer Verbreitung solcher wenig erfreulicher Geschäftsmethoden und insbesondere auch im Hinblick auf die Vorschriften des Nahversorgungsgesetzes grundsätzlich ein "eher strenger Maßstab" angelegt werden müsse, sei nach dem bisher bescheinigten Sachverhalt der Unterlassungsanspruch des Klägers "wohl zu bejahen".

Das Provisorialverfahren sei aber im Hinblick darauf, daß die Beklagte in ihrem Äußerungsschriftsatz das Vorliegen ganz besonderer Begleitumstände behauptet und unter Beweis gestellt habe, noch ergänzungsbedürftig: Die Bedeutung der vier vorgelegten Bestätigungen dürfe gewiß nicht überschätzt werden, doch gingen diese Erklärungen immerhin eher in die Richtung der Darstellung der Beklagten. Bei einem geschlossenen Kreis angeschriebener Lieferanten erscheine es überdies nicht von vornherein unmöglich, daß das beanstandete Rundschreiben von seinen Empfängern allenfalls doch nur im Sinne des herkömmlichen Sammelns von Spenden für bestimmte Veranstaltungen aufgefaßt worden sein konnte, womit dann aber eine Gefahr wirtschaftlicher Nachteile bei Ablehnung des Ersuchens ausgeschlossen, die freie Willensentscheidung der Adressaten vielmehr gewährleistet wäre. In diesem Zusammenhang werde freilich auch klarzustellen sein, ob die Beklagte ein wirtschaftlich mächtiger und bedeutender Großabnehmer ist und ob und in welchem Maße sich unter ihren Lieferanten auch mittlere und kleine Betriebe befinden. Erst nach dieser Vervollständigung der Sachverhaltsgrundlage werde verläßlich beurteilt werden können, ob tatsächlich der von der Beklagten behauptete Sonderfall vorliegt oder aber vom Regelfall der Sittenwidrigkeit einer solchen Maßnahme ausgegangen werden muß.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem angefochtenen Beschluß ist zunächst darin zu folgen, daß bei der rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes primär an das Bundesgesetz vom 29. Juni 1977, BGBl. 392, zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen (Nahversorgungsgesetz - NFG) zu denken ist, dessen Bestimmungen über "kaufmännisches Wohlverhalten" (§§ 1 bis 3) in Ergänzung des Kartellgesetzes "Störungen und Verzerrungen einer leistungsgerechten Auseinandersetzung auf dem Markt zwischen Unternehmen verschiedener Größenordnungen" durch Ausübung "wirtschaftlichen Drucks nachfragestarker Wiederverkäufer auf ihre Lieferanten" verhindern sollen (Bericht des Handelsausschusses, 565 BlgNR, XIV. GP, 1 f., abgedruckt bei Farnleitner - Straberger, Nahversorgungsgesetz, 10 f. Anm. 1). Nach § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes können "Verhaltensweisen von Unternehmern im geschäftlichen Verkehr untereinander" in einem außerstreitigen Verfahren vor dem Kartellgericht (§§ 6 ff.) untersagt werden, "soweit sie geeignet sind, den leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden". Eine solche Verhaltensweise ist gemäß § 1 Abs. 2 leg. cit. (u. a.) das "Anbieten oder Fordern, Gewähren oder Annehmen von Geld oder sonstigen Leistungen ..... zwischen Lieferanten und Wiederverkäufern, die sachlich nicht gerechtfertigt sind, vor allem, wenn zusätzliche Leistungen keine entsprechenden Gegenleistungen gegenüberstehen". Der sogenannte "Wohlverhaltenskatalog" der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (abgedruckt in ÖBI. 1977, 150 f. und bei Farnleitner - Straberger a. a. O., 121 f.) nennt als Beispiel eines leistungsfremden Wettbewerbsverhaltens unter Z. 1 lit. k ausdrücklich das Fordern oder Gewähren von "Kostenzuschüssen" bzw. die vollständige Übernahme der Kosten "bei Werbemaßnahmen des Handelsunternehmens" (wörtlich gleichlautend auch Z. 1 lit. k der "Wettbewerbsregeln des Österreichischen Verbandes der Markenartikel - Industrie", abgedruckt in ÖBl. 1976, 147 f. und bei Farnleitner - Straberger a. a. O., 123 ff.; vgl. auch den 1. Abschnitt der "Wettbewerbsregeln des (deutschen) Markenartikelverbandes", abgedruckt bei Baumbach - Hefermehl a. a. O., 853 ff. Anm. 737). Auf die sich daraus ergebenden Fragen - insbesondere in der Richtung, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß gegen das Nahversorgungsgesetz an sich bereits eine Zuwiderhandlung gegen § 1 UWG begrundet - braucht jedoch diesmal nicht weiter eingegangen zu werden, weil nach der ausdrücklichen Anordnung des § 9 NVG "die Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb unberührt bleiben", bei Vorliegen eines nicht nur gegen die Bestimmungen des Nahversorgungsgesetzes verstoßenden, sondern darüber hinaus auch wettbewerbswidrigen Verhaltens somit nicht nur beim Kartellgericht ein (außerstreitiges) Verfahren nach dem Nahversorgungsgesetz, sondern auch beimzuständigen Gericht eine Klage nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (oder einer anderen wettbewerbsrechtlichen Vorschrift) eingebracht werden kann (Farnleitner - Straberger a. a. O., 108 § 9 Anm. 5; Barfuß, Das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen ("Nahversorgungsgesetz") ÖZW 1978, 10 ff. (14); Schuhmacher, "Quo vadis", österreichisches Wettbewerbsrecht?, ÖJZ 1978, 314 ff. (317 f.)). Eine solche Wettbewerbsklage liegt hier vor: Der Kläger hat auf das Nahversorgungsgesetz mit keinem Wort Bezug genommen, sondern seinen Urteilsantrag ausschließlich damit begrundet, daß die Beklagte durch ihr Verhalten zu Zwecken des Wettbewerbs der guten Sitten im Sinne des § 1 UWG zuwidergehandelt habe; der festgestellte Sachverhalt ist daher allein in dieser Richtung zu beurteilen.

In der Begründung des angefochtenen Beschlusses - auf welche im übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann - hat nun das Rekursgericht unter vergleichender Berücksichtigung der deutschen Lehre und Rechtsprechung ausführlich dargelegt, daß das "Anzapfen" eines Lieferanten durch einen Händler unter dem Gesichtspunkt der "Nötigung", also der Ausübung psychischen Drucks, immer dann einen Verstoß gegen die guten Sitten begrundet, wenn der angesprochene Unternehmer nach den Umständen den Eindruck gewinnen kann, daß er bei einer Ablehnung der erbetenen Leistung wirtschaftliche Nachteile erleiden könnte (Baumbach - Hefermehl a. a. O., 847 f. Anm. 731; Gaedertz, Das "Anzapfen" in wettbewerbsrechtlicher Sicht, WRP 1973, 250; Sack, Wettbewerbsverzerrungen durch "Anzapfen", WRP 1975, 261; Loewenheim, "Eintrittsgelder" und Sittenwidrigkeit, GRUR 1976, 224; BGH in GRUR 1977, 619 mit Anm. von Utescher; OLG Düsseldorf in GRUR 1974, 161 = NJW 1973, 1622 WRP 1973, 223 (mit Anm. von Labus in NJW 1973, 1979);

OLG Frankfurt am Main in WRP 1975, 367; OLG Hamm in WRP 1977, 200;

vgl. auch Schönherr, Der Mißbrauch von Marktmacht gegenüber Lieferanten, ÖBl. 1973, 123). Entgegen der Meinung der Beklagten ist aber dem Rekursgericht auch darin zu folgen, daß das beanstandete Rundschreiben ungeachtet der mehrfachen Betonung des "freiwilligen" Charakters der erbetenen "Kostenbeteiligung" bei objektiver Betrachtung durchaus geeignet war, bei seinen Empfängern ähnliche Befürchtungen hervorzurufen. Inwiefern das Gegenteil schon aus der Formulierung dieses Schreibens "eindeutig zu ersehen" gewesen wäre, ist nicht zu erkennen; der deutliche Hinweis darauf, daß die mit den Beiträgen der Lieferanten zu finanzierenden Werbemaßnahmen "im beiderseitigen Interesse" lägen, weshalb die Beklagte schon im voraus dafür danke, daß sich der jeweilige Adressat "auch weiterhin, wie bisher" an diesen Maßnahmen beteilige, konnten vielmehr bei den angesprochenen Unternehmen zumindest begrundete Zweifel in der Richtung erwecken, ob es nicht im Interesse einer positiven Entwicklung der Geschäftsbeziehungen zur Beklagten jedenfalls günstiger wäre, dem "unverbindlichen" Ansuchen dieses Großabnehmers nachzukommen und einen entsprechenden "Werbekosten-Beitrag" zu leisten. Da es dabei nur auf den objektiven Eindruck des Schreibens auf dessen Adressaten ankommt, ist, wie bereits das Erstgericht richtig erkannt bat, die tatsächliche Reaktion der angeschriebenen Lieferanten unter diesem Gesichtspunkt ebensowenig von Bedeutung wie die Frage, ob die Beklagte wirklich schon einmal irgendwelche "Sanktionen" gegenüber "Nichtzahlern" ins Auge gefaßt oder wirklich durchgeführt hat.

Soweit die Beklagte aber in weiterer Ausführung ihres Rechtsmittels ergänzende Beweisaufnahmen zu der Frage vermißt, "ob nicht im konkreten Fall besondere Umstände ... das Vorliegen eines sittenwidrigen Elements ausschließen", entgeht ihr, daß das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß gerade zu diesem Zweck aufgehoben hat. Die Beklagte hat in ihrer Äußerung unter Anführung tauglicher Bescheinigungsmittel vorgebracht, daß im Hinblick auf die langjährigen, als nahezu "familiär" zu bezeichnenden Geschäftsbeziehungen zwischen ihr und den Adressaten des Rundschreibens von einer Nötigung der angeschriebenen Lieferanten keine Rede sein könne, weil diese schon auf Grund ihrer bisherigen Erfahrungen genau gewußt hätten, daß selbst eine Ablehnung des Ersuchens des Beklagten keinerlei Einfluß auf die weitere Entwicklung der Geschäftsverbindungen haben werde. Daß die Glaubhaftmachung eines solchen "besonderen Falles" unter Umständen zu einer anderen rechtlichen Beurteilung des bisher festgestellten Sachverhaltes führen könnte, ist nicht von vornherein auszuschließen; hält aber das Rekursgericht - von einer zutreffenden Rechtsansicht ausgehend - eine solche Verbreiterung der Tatsachengrundlage für notwendig, um den Sachverhalt verläßlich beurteilen zu können, dann ist es dem OGH als bloßer Rechtsinstanz verwehrt, dem Ergänzungsauftrag der zweiten Instanz entgegenzutreten. Soweit sich die Beklagte in diesem Zusammenhang dagegen wendet, daß nach dem angefochtenen Beschluß auch geprüft werden soll, ob und wieviele Lieferanten der Beklagten mittlere oder kleine Betriebe sind bzw. ob die Beklagte diesen Lieferanten gegenüber als wirtschaftlich mächtiger und bedeutender Großabnehmer anzusehen ist, ist ihr zu erwidern, daß - neben anderen Umständen, wie etwa dem Anteil jener Lieferanten, die auf das beanstandete Rundschreiben positiv reagiert haben - auch diese Frage - im Rahmen der Gesamtbeurteilung des Verhaltens der Beklagten möglicherweise von Bedeutung sein kann.

Diese Erwägung führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

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