OGH 12Os75/79

OGH12Os75/795.7.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Juli 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollack als Schriftführer in der Strafsache gegen Gustav A wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 (Abs 1), 143 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 8.März 1979, GZ 20 j Vr 8149/78-35, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Draxler und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen, der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen der am 24.März 1954 geborene Hilfsarbeiter Gustav A des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 (Abs 1), 143 StGB

schuldig erkannt, weil er am 6.Oktober 1978 in Wien mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) der Maria B fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Handtasche samt ca. 21.650 S Bargeld und anderem Inhalt, unter Verwendung einer Waffe, nämlich eines Fixiermessers, mit dem Vorsatz wegzunehmen versuchte, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er auf Maria B zutrat, dieser das Fixiermesser drohend entgegenhielt und mit den Worten 'Geld her oder ich bring dich um', deren Handtasche an sich zu reißen versuchte, wobei er ihr mit dem Messer einen Stich in die Bauchgegend versetzte und eine schwere Verletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine 'durch die Bauchwand durchgehende Stichverletzung im linken Oberbauch mit gleichzeitiger blutender Stichverletzung im großen Netz' zufügte. Die Geschwornen haben die auf das oben erwähnte Verbrechen gerichtete, im Sinne des § 312 Abs 1 StPO gestellte Hauptfrage (1) bejaht, sowie die für diesen Fall im Sinne des § 313 StPO gestellte Zusatzfrage (4) in der Richtung einer Zurechnungsunfähigkeit wegen Vorliegens einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung (§ 11 StGB) verneint.

Den vorerwähnten Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 8 und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Unter Anrufung des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes behauptet der Beschwerdeführer, die den Geschwornen gemäß § 321 StPO erteilte Rechtsbelehrung in Ansehung der dem Schuldspruch wegen versuchten schweren Raubes zugrundeliegenden Hauptfrage sei insoweit unrichtig, als sie das bei der Tat verwendete Fixiermesser als Waffe im Sinne des § 143 erster Satz StGB und die der Maria B zugefügte Stichverletzung als schwere Verletzung im Sinne des § 84 Abs 1 StGB bezeichnet.

Rechtliche Beurteilung

Unrichtig und eine Nichtigkeit im Sinne der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO verwirklichend ist eine den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung dann, wenn sie mit den einschlägigen Gesetzen oder Grundsätzen des Strafrechtes oder Strafverfahrens im Widerspruch steht. Ebenso kann nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. SSt. 23/80; EvBl. 1962/465, 1974/77 u.a.) die Unvollständigkeit einer an sich richtigen Rechtsbelehrung diese gleichfalls unrichtig im Sinne der Z 8 des § 345 Abs 1

StPO machen, wenn die Unvollständigkeit zu Mißverständnissen hinsichtlich der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, zu irriger Auslegung der in einer an die Geschwornen gerichteten Frage enthaltenen Ausdrücke des Gesetzes, zu Irrtümern über das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander oder über die Folgen der Bejahung oder Verneinung der einzelnen Fragen Anlaß geben könnte. Solche Mängel haften der vorliegend den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung nicht an.

Der Inhalt der Rechtsbelehrung zum Begriff der Waffe im Sinne des § 143 StGB entspricht im wesentlichen der herrschenden Lehre und Rechtsprechung (vgl. Foregger-Serini, StGB2 Erl. I zu § 143; RZ 1977/122 u.a.) und enthält alle jene maßgebenden Kriterien, welche nach der Lage des konkreten Falles für die Geschwornen zur Beantwortung der Frage, ob es sich bei dem vom Angeklagten beim gegenständlichen Raub verwendeten Fixiermesser um eine Waffe im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung handle, von Bedeutung waren.

Aber auch der Begriff der an sich schweren Verletzung im Sinne des § 84 Abs 1 StGB wird in der vorliegenden Rechtsbelehrung - wenn auch nur an Hand mehrerer, von der Lehre und Rechtsprechung anerkannter, Beispiele (vgl. Leukauf-Steininger 430, 431; Foregger-Serini StGB2 Erl. IV zu § 84 Abs 1) - in zutreffender und ausreichender Weise erläutert. Auf Grund der angeführten Beispiele wird klar erkennbar und für die Geschwornen unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß die Frage, ob eine solche Verletzung vorliegt, insbesondere nach der Erheblichkeit des dem Körper zugefügten Nachteiles und der herbeigeführten wichtigen, wenn auch die Dauer von 24 Tagen nicht überschreitenden, Schädigung an der Gesundheit zu beurteilen ist. So gesehen entsprach daher die Rechtsbelehrung ihrem eindeutig erkennbaren Inhalt und Wortlaut nach der Vorschrift des § 321 StPO, weshalb der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 8 StPO nicht vorliegt.

Insoweit der Beschwerdeführer unter dem angeführten Nichtigkeitsgrund noch vorbringt, das von ihm verwendete Fixiermesser sei keine Waffe im Sinne des § 143

StGB, weil unter diesem Begriff nur Waffen im technischen Sinn zu verstehen seien, und die dem Wahrspruch zugrundeliegende Verletzung der Maria B sei als leichte und nicht als schwere im Sinne des § 84 Abs 1 StGB zu qualifizieren, bringt er inhaltlich bereits den Nichtigkeitsgrund der Z 12 des § 345 Abs 1 StPO zur Darstellung. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers sind nach einhelliger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes unter dem Waffenbegriff des § 143 StGB nicht nur Waffen im technischen Sinn (§ 1 WaffenG.), sofern sie bestimmungsgemäß verwendet werden, sondern alle Gegenstände zu verstehen, die insbesondere als Hieb-, Stich- und Stoßwerkzeuge zur Verwendung als Angriffsmittel gegen eine Person derart spezifisch geeignet sind, daß sie bezüglich Form, Wirkungsweise und Anwendbarkeit in einem Kampf Waffen im Sinne des Waffengesetzes gleichwertig sind und zu dem im Gesetz erwähnten Verwendungszweck, nämlich zur Gewaltanwendung gegen eine Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 142 Abs 1 StGB) im konkreten Fall gebraucht werden (vgl. EvBl. 1976/119, RZ 1977/122, SSt. 46/75 u.a.).

Das Geschwornengericht hat daher - im Hinblick auf die im Wahrspruch festgestellte Verwendung eines Fixiermessers (mit 9 cm langer Klinge; s. S. 172 in Verbindung mit S. 220), das allen von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen einer Waffe im Sinne des § 143 StGB entspricht - mit dem Ausspruch, der Beschwerdeführer habe die gegenständliche Raubtat unter Verwendung einer Waffe im Sinne des § 143 StGB begangen, die Rechtsfrage richtig gelöst. Die Rechtsrüge versagt aber auch, soweit sie den Ausspruch des Ersturteils bekämpft, die Verletzung der Maria B sei als an sich schwer im Sinne des § 84 Abs 1 StGB zu qualifizieren.

Zwar ist die Frage, ob eine an sich schwere Verletzung oder Gesundheitsschädigung im Sinne der angeführten Bestimmung gegeben ist, eine - vom Gericht zu beantwortende - Rechtsfrage, die jedoch an Hand der von Sachverständigen vom Standpunkt der medizinischen Wissenschaft dem Gericht gegebenen Grundlagen zu lösen ist. Bei der Beurteilung der Schwere einer Verletzung wird es neben der Wichtigkeit des verletzten Organs, der Schwere des gesundheitlichen Nachteils, der Gefährlichkeit der Verletzung, vor allem auch auf die vielfach mit dem Alter und der Konstitution des Verletzten verbundene Komplikationsgefahr ankommen (vgl. Foregger-Serini StGB2 Erl. III und IV zu § 84 Abs 1).

Im vorliegenden Fall erlitt Maria B, nach dem Wahrspruch der Geschwornen und der diesen als Grundlage dienenden Gutachten der medizinischen Sachverständigen, einen Bauchstich mit Eröffnung der Bauchhöhle mit gleichzeitiger blutender Verletzung im großen Netz, die ohne operative Versorgung mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Verblutungs- und somit Lebensgefahr geführt hätte (vgl. S. 109, 174 in Verbindung mit S. 219, 220 d.A.).

Die Beurteilung einer solchen Verletzung, bei der ein Körperhohlraum eröffnet und dadurch die Gefahr lebensgefährlicher Folgen heraufbeschworen wurde, denen nur durch einen chirurgischen Eingriff begegnet werden konnte, und die im konkreten Fall einen sechstägigen Krankenhausaufenthalt (davon 4 Tage in der Intensivstation) der 73- jährigen Frau notwendig machte, als an sich schwer, ist frei von Rechtsirrtum.

Die in der Beschwerde im gegebenen Zusammenhang enthaltenen Ausführungen, wonach der Stich nur mit geringer Wucht erfolgte und die Verwendungsart des Messers nicht eine solche war, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, tangieren - wie der Beschwerdeführer selbst einräumt - nicht die Frage nach der Schwere der Verletzung gemäß § 84 Abs 1 StGB und sind daher ohne jede Relevanz.

Demnach ist auch der Nichtigkeitsgrund der Z 12 des § 345 Abs 1 StPO nicht gegeben.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Gustav A wurde nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Jahren verurteilt. Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend die zweifache Qualifikation des Raubes nach § 143 StGB (Begehung der Tat unter Verwendung einer Waffe und schwere Verletzung des Opfers), die einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall (letzte Haftentlassung September 1977), die Intensität des deliktischen Vorsatzes, die in der Beobachtung und Verfolgung des Opfers durch längere Zeit zum Ausdruck kam, und das Alter des Opfers und als mildernd den Umstand, daß A durch seine Aussage zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, daß es beim Versuch geblieben ist und daß die Hemmfähigkeit des A durch seine Drogenabhängigkeit herabgesetzt war. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafhöhe und die Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher an.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat die Strafbemessungsgründe im wesentlichen richtig erfaßt und gewürdigt. Es hat mit Recht die mehrfachen Vorstrafen wegen der Delikte gegen das Eigentum als erschwerend berücksichtigt, denn Raub ist ebenso wie Diebstahl eine strafbare Handlung die (unter anderem) gegen dasselbe Rechtsgut (fremdes Vermögen) gerichtet ist (§ 71 StGB). Die Süchtigkeit an sich kann nicht als mildernd gewertet werden. Die Herabsetzung der Hemmfähigkeit des Angeklagten hat das Erstgericht aber ohnehin als Milderungsgrund gewürdigt. Von einem raschen Rückfall kann allerdings nicht gesprochen werden, denn zwischen der letzten Haftentlassung (9.September 1977) und der Tat (6.Oktober 1978) liegen fast 13 Monate. Im übrigen aber hat das Erstgericht die Strafbemessungsgründe richtig erfaßt und zutreffend gewertet. Die verhängte Strafe ist keineswegs zu hoch bemessen. Die Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher war schon wegen der zwei Jahre übersteigenden Strafdauer gemäß § 22 Abs 2 StGB nicht möglich.

Der Berufung mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

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