Spruch:
Karl B hat durch die zu Punkt E./ des Urteilssatzes bezeichnete Tat unter Anwendung von Gewalt das Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach dem § 269 Abs 1 erster Fall StGB begangen und wird hiefür, sowie für das ihm nach dem aufrecht bleibenden Teil des Urteils weiterhin zur Last fallende Vergehen des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs 1 und Abs 3 StGB (Punkte C./I./, II./ und V./ des Urteilssatzes) unter Anwendung des § 28 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vierzehn Monaten verurteilt.
Der den Angeklagten Karl B betreffende Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft wird aus dem Ersturteil übernommen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde ua der am 5. Juni 1957 geborene Kellner Karl B des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs 1 und Abs 3 StGB (Punkte C./I./, II./ und V./ des Urteilssatzes) und des Verbrechens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach dem § 269 Abs 1
zweiter Fall StGB (Punkt E./ des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Zum Schuldspruchfaktum E./ wird ihm angelastet, er habe in der Nacht zum 25. Juni 1978 in Wien den ihn zwecks Perlustrierung zum Anhalten auffordernden Polizeiinspektor Josef C dadurch, daß er mit einem Kraftfahrzeug auf ihn losfuhr, sodaß der Beamte sich nur durch einen Sprung zur Seite retten konnte, durch schwere Nötigung, nämlich durch Drohung mit einer erheblichen Verstümmelung, an einer Amtshandlung gehindert.
Nur in diesem Teil des Schuldspruchs bekämpft der Angeklagte Karl B das Urteil mit einer auf den § 281 Abs 1 Z 3, 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Eine Urteilsnichtigkeit im Sinne des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes erblickt der Beschwerdeführer zunächst darin, daß die beiden in diesem Verfahren tätigen Schöffen entgegen der unter ausdrücklicher Nichtigkeitssanktion stehenden Vorschrift des § 240 a StPO nicht vorschriftsmäßig beeidet worden seien; dieser Verfahrensmangel sei geeignet gewesen, einen nachteiligen Einfluß auf die Entscheidung zu üben.
Rechtliche Beurteilung
Der behauptete Verfahrensmangel liegt indes nicht vor. Wie auf Grund des das Hauptverhandlungsprotokoll berichtigenden Beschlusses des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. März 1979, Band II, S 293 dA feststeht, wurde der Schöffe Harald D in der Hauptverhandlung ordnungsgemäß beeidet und die Schöffin Inge E, die schon am 8. November 1978 im Verfahren zu AZ 10 Vr 7072/78 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien - also in demselben Jahr - beeidet worden war, an ihren Schöffeneid erinnert.
Unter ziffernmäßiger Anrufung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO macht der Beschwerdeführer geltend, es habe ihm der Vorsatz gemangelt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt einen Beamten an einer Amtshandlung zu hindern. Soweit er sich hiebei auf seine leugnende Verantwortung beruft, er sei zunächst beim Versuch, den Rückwärtsgang einzuschalten, 'weitergerollt' und dann in der irrigen Meinung, den Rückwärtsgang eingelegt zu haben, aufs Gas gestiegen und (unbeabsichtigt) auf den ihn anhaltenden Polizeibeamten zugefahren (vgl Band I, S 441 vso, Band II, S 221 dA), macht er dem angefochtenen Urteil jedoch der Sache nach (primär) eine offenbar unzureichende Begründung im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO zum Verworf. Diese Verantwortung erachtete das Erstgericht aber im Hinblick darauf, daß der - im Lenken eines PKWs nicht unerfahrene - Angeklagte Karl B (auch nachträglich) kein Bremsmanöver einleitete, um den PKW anzuhalten, sondern diesen im Gegenteil noch beschleunigte, für unglaubwürdig und durch die Aussage des Zeugen Josef C widerlegt (vgl Band II, S 224 f, 241 f in Verbindung mit Band I, S 342 dA). Die dem bekämpften Schuldspruch zugrundeliegende Annahme, der Beschwerdeführer sei direkt - mithin vorsätzlich - auf den genannten Polizeibeamten losgefahren, sodaß dieser zur Seite springen mußte, und habe folglich auf diese Weise seine Anhaltung und Perlustrierung vereiteln wollen, ist demnach in den Verfahrensergebnissen gedeckt und durch den Hinweis auf diese schlüssig und sohin zureichend begründet. Das bezügliche Beschwerdevorbringen erschöpft sich demgegenüber in einem unzulässigen und daher unbeachtlichen Angriff gegen die im Nichtigkeitsverfahren unanfechtbare erstrichterliche Beweiswürdigung.
Soweit der Beschwerdeführer aber aus dem Grunde des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO vermeint, das Erstgericht habe das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 269 Abs 1 StGB rechtsirrig bejaht, weil es ihm nur auf ein Entkommen, nicht aber auch auf eine Gewaltausübung gegenüber einem Polizisten angekommen sei, bzw es habe infolge einer irrigen Rechtsauffassung nicht alle für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Tatsachenfeststellungen getroffen, vergleicht er nicht den im Urteil festgestellten Sachverhalt und die hiezu im einzelnen getroffenen Konstatierungen mit dem darauf angewendeten Gesetz und bringt so den angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. War doch nach den Feststellungen des Erstgerichtes der Vorsatz des Angeklagten Karl B darauf gerichtet, seine Anhaltung durch den Polizeiinspektor Josef C dadurch, daß er mit dem Kraftfahrzeug auf ihn losfuhr und ihn solcherart zwang, zur Seite zu springen, sohin mit Gewalt zu hindern (was ihm zunächst auch gelang).
Im Ergebnis begründet ist dagegen die Beschwerde des Angeklagten Karl B, soweit sie sich aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1
StGB gegen die Beurteilung der dem Schuldspruchfaktum E./ zugrundeliegenden Tat als schwere Nötigung und gegen deren Unterstellung unter den zweiten Fall des § 269 Abs 1 StGB wendet. Voraussetzung der - hier allein in Betracht kommenden - Qualifikation des § 106 Abs 1 Z 1 StGB ist nämlich, daß jemand eine Nötigung begeht, indem er mit einem der in dieser Gesetzesstelle bezeichneten Übel droht. Das festgestellte Tatverhalten des Beschwerdeführers stellt jedoch - entgegen der Auffassung des Erstgerichtes - keine (bloße) Drohung im Sinne des § 74 Z 5 StGB, sondern bereits eine Gewaltausübung im engeren Sinn dar. Denn unter Gewalt ist die Anwendung überlegener physischer Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder auch nur erwarteten Widerstandes zu verstehen. Wer die einem in Bewegung befindlichen PKW innewohnende Kraft bewußt dazu einsetzt, um seinen Entschluß, sich nicht anhalten zu lassen, in die Tat umzusetzen, und mit diesem direkt und auf kurze Entfernung auf ein ihn anhaltendes Organ der Sicherheitsbehörde oder Straßenaufsicht losfährt, um dessen entgegenstehenden Willen zu beugen, wendet daher Gewalt im dargelegten Sinn an (vgl 10 Os 26/76, ZVR 1978/92). Eben diese Voraussetzungen treffen aber im vorliegenden Fall auf die Tat des Angeklagten Karl B zu, zumal er im Zeitpunkt des Losfahrens gegen den Polizeibeamten von diesem nur mehr ca eine Fahrzeuglänge entfernt war (Band II, S 241 dA). Für die Annahme der ausschließlich auf gefährliche Drohung abgestellte Qualifikation des § 106 Abs 1 Z 1 StGB war demnach kein Raum (vgl 10 Os 126/76, 11 Os 26/79). Aus diesen Gründen verwirklichte der Beschwerdeführer durch das Losfahren gegen den Polizeibeamten Josef C mit dem Vorsatz, den Genannten an einer Amtshandlung zu hindern, welches Vorhaben gelang, den Tatbestand des ersten Deliktsfalles des § 269 Abs 1 StGB
Es war daher, ohne daß auf das übrige, gegen die Annahme einer schweren Nötigung gerichtete Beschwerdevorbringen zu den Nichtigkeitsgründen des § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO eingegangen werden mußte, in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl B spruchgemäß zu entscheiden.
Bei der infolge Aufhebung des Strafausspruches notwendig gewordenen Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend: die Begehung zweier strafbarer Handlungen verschiedener Art und die Wiederholung des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen sowie die Vorstrafen wegen strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen in Verbindung mit dem raschen Rückfall, hingegen wurde als mildernd berücksichtigt: das Geständnis hinsichtlich des Vergehens nach § 136 StGB bzw der wesentliche Beitrag zur Wahrheitsfindung bezüglich des Vergehens nach § 269 StGB und die Begehung (zumindest) eines Teiles der Taten (zwar) nach Vollendung des 18., jedoch vor Vollendung des 21. Lebensjahres.
Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe entspricht die verhängte Freiheitsstrafe der persönlichkeits- und tatbezogenen Schuld des Angeklagten B.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruche zitierte Gesetzesstelle.
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