OGH 13Os39/79

OGH13Os39/7926.4.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.April 1979 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Santa als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann A wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach dem § 269 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengerichtes vom 8.Jänner 1979, GZ 13 Vr 2.356/78-50, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Insam und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Gemäß dem § 290 StPO wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens nach dem § 36 Abs 1 lit. b WaffenG. (Punkt II des Urteilstenors) sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung zurückverwiesen.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann A des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach dem § 269 Abs 1 StGB, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs 1 StGB, des Vergehens nach dem § 36 Abs 1 lit. b WaffenG., des Vergehens der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Inhaltlich des Urteilsspruchs fällt ihm zur Last, er habe I/ am 12. August 1978 in Leitring 1/ den B. Manfred C, der ihn wegen des Fehlens einer Lenkerberechtigung an der Weiterfahrt mit dem PKW. hindern wollte und sich am Fahrzeug festhielt, dadurch mit Gewalt an dieser Amtshandlung gehindert, daß er mit dem PKW. losfuhr, den Gendarmeriebeamten mehrere Meter mitschleifte und dann zur Seite schleuderte, 2/ durch die zu Punkt 1/ angeführte Tathandlung den Gendarmeriebeamten B. Manfred C am Körper fahrlässig verletzt (Prellungen der Hüfte, des Ellenbogens und des Daumenballens); II/ von Anfang 1978

bis 23.Juni 1978 in Leibnitz und anderen Orten, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine verbotene Waffe, und zwar ein 'Manrikigusari' (Holzgriffe mit Kette verbunden), besessen, III/ dadurch vorsätzlich fremde Sachen beschädigt und daran einen Schaden in unbekannter, jedoch geringer Höhe herbeigeführt, daß er am 23. Juli 1978 in Leibnitz das Fahrrad des Ivan D zu Boden warf, IV/ am 23.Juli 1978 in Leibnitz dem Ivan D durch Faustschläge und Fußtritte vorsätzlich leichte Verletzungen zugefügt (Lockerung des Schneidezahnes, Prellungen im Bereich des rechten Auges sowie der Kniegelenke).

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte (lediglich) im Umfang des zu den Punkten I/ 1/ und 2/ (wegen §§ 269 Abs 1, 88 Abs 1 StGB) ergangenen Schuldspruchs mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie im Strafausspruch mit Berufung.

Die Staatsanwaltschaft ficht mit einer den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO anrufenden Nichtigkeitsbeschwerde ausschließlich den zum Punkt I/ 2/ (wegen § 88 Abs 1 StGB) gefällten Schuldspruch an.

Rechtliche Beurteilung

Beiden Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu, wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt:

In Ausführung der Verfahrensrüge wendet sich der Beschwerdeführer zunächst gegen die Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf 'Vornahme eines Ortsaugenscheines bei gleichen Sicht- und Wuchsverhältnissen' zum Beweis dafür, daß der Angeklagte aus dem PKW. 'wegen der Sichtbehinderung durch Dunkelheit den Gendarmeriebeamten C nicht erkennen und überhaupt das Einschreiten eines Gendarmeriebeamten nicht erkennen konnte' (S. 213). Er wurde jedoch hiedurch in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt. Denn einerseits konnte das Erstgericht zutreffend darauf verweisen (S. 214), daß sich die Sichtverhältnisse zur Tatzeit bereits mit hinreichender Deutlichkeit aus den Angaben der erhebenden Gendarmeriebeamten ergeben, weswegen eine Aufklärung durch einen Lokalaugenschein nicht notwendig (vgl. § 116

StPO) war, und anderseits schien die Rekonstruktion der von vielerlei Faktoren - wie Tageszeit, Witterung, natürlichen und künstlichen Beleuchtungsquellen - abhängigen Lichtverhältnisse nach Lage des Falls von vornherein nicht erfolgversprechend und daher ungeeignet, die dem Gericht durch die Gesamtheit der ihm vorliegenden Verfahrensergebnisse vermittelte (Sach- und) Beweislage maßgebend zu verändern, insbesondere die bisherigen Ergebnisse zu widerlegen und auf diese Weise die Entscheidung zu beeinflussen (vgl. ÖJZ-LSK. 1979/82).

Unter Anrufung des weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 StPO wirft der Angeklagte dem angefochtenen Urteil vor, aktenwidrig und offenbar unzureichend (unlogisch) begründet zu sein.

Auch die Mängelrüge versagt.

Die zunächst relevierte Feststellung, daß der Gendarmeriebeamte E sein Dienstfahrzeug quer über die Fahrbahn abstellen mußte, um zu verhindern, daß sein Kollege überfahren werde (vgl. S. 221), ist entgegen den Beschwerdebehauptungen nicht aktenwidrig, sondern durch die Angaben dieses Beamten hinlänglich gedeckt. Sie betrifft überdies keine entscheidende Tatsache, weil die bezüglichen Urteilsausführungen (ihrem Sinngehalt nach) nur so verstanden werden können, daß der Angeklagte die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits vollendet hatte und geflüchtet war, und daß der auf die Fahrbahn gestürzte B. Manfred C daher nicht etwa vor einem Überfahrenwerden durch den PKW. des Angeklagten, sondern vor dem übrigen (nachfolgenden) Verkehr geschützt werden sollte.

Der Vorwurf der Aktenwidrigkeit schlägt aber auch bezüglich der Feststellung, daß der Angeklagte, nachdem er B. C erkannt hatte, sein Fahrzeug anstartete und flüchtete (vgl. S. 221), nicht durch. Denn das Erstgericht wollte damit ersichtlich nur zum Ausdruck bringen, daß der Angeklagte sein Fahrzeug in Bewegung setzte, und nicht (welchem Umstand im übrigen keine entscheidende Bedeutung zukommt), daß er den (abgestorbenen) Motor anspringen ließ. Schließlich geht auch die Beschwerdebehauptung fehl, die vom Erstgericht gezogene 'logische Schlußfolgerung', daß dem Angeklagten nur an der Flucht gelegen war (S. 222), stehe mit den Denkgesetzen nicht im Einklang. Brauchte doch das Erstgericht dieses Argument - zu Gunsten des Angeklagten - wohl nur dafür, daß ein Mißhandlungsvorsatz in bezug auf den niedergestoßenen Gendarmeriebeamten nicht nachgewiesen werden könne. Abgesehen davon könnte der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO zwar dann verwirklicht sein, wenn eine im Urteil enthaltene Schlußfolgerung nach den vom Gericht ermittelten Prämissen überhaupt nicht möglich ist, es geht jedoch nicht an, ihn auf die - vorliegend vom Beschwerdeführer aufgestellte - Behauptung zu stützen, aus den Vordersätzen ließen sich auch andere (für ihn günstigere) Schlüsse ableiten, als dies das Erstgericht tat.

Weder einen Begründungsmangel nach der Z 5 noch einen Feststellungsmangel im Sinn der Z 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO vermag der Angeklagte mit jenen (weiteren) Beschwerdeausführungen aufzuzeigen, die das angebliche Fehlen von Feststellungen über die gegen ihn geführte Amtshandlung betreffen. Das angefochtene Urteil (vgl. insbes. Pkt. I/ 1/ des Urteilssatzes in Verbindung mit S. 220) läßt nämlich keine Zweifel daran, daß diese Amtshandlung darin bestehen sollte, die (mangels Führerscheinbesitzes unzulässige) Weiterfahrt des Angeklagten mit seinem PKW. zu unterbinden.

Außer Frage steht aber auch, daß der als Organ der Hoheitsverwaltung mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgestattete B. Manfred C zu einer solchen Amtshandlung der Art nach (formell) berechtigt war. Der Umstand, daß er sie wegen des hindernden Verhaltens des Angeklagten nicht zu Ende führen konnte, bewirkt entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung nicht einen Mangel am Tatbestand, sondern ist im Gegenteil eine Voraussetzung für die Verwirklichung des § 269 Abs 1 StGB Darf doch die bezügliche Amtshandlung - die im übrigen wegen bloßer Formverstöße (hier etwa gegen die in der Beschwerde erwähnte Vorschrift des § 97 StVO.) den Schutz des § 269 StGB noch nicht verlieren würde (vgl. ÖJZ-LSK. 1977/168) -, an der (die Behörde oder) der Beamte gehindert werden soll, noch gar nicht abgeschlossen sein, weil eine Hinderung begrifflich nur dann möglich ist, wenn sich der Beamte - wie den Urteilsfeststellungen zufolge im vorliegenden Fall B.

C - unmittelbar vor Beginn ihrer (konkreten) Durchführung, jedenfalls aber noch vor einer Beendigung im Zug ihrer Vornahme befindet (vgl. ÖJZ-LSK. 1976/306).

Es bleibt daher zu prüfen, ob der (zum Punkt I/ 2/ des Urteilssatzes ergangene) Schuldspruch des Angeklagten nach dem § 88 Abs 1 StGB auf einem Rechtsirrtum beruht.

In diesem Zusammenhang macht der Angeklagte mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO geltend, daß mangels grober Fahrlässigkeit (gemeint wohl schweren Verschuldens) höchstens eine Beurteilung nach dem § 270 StGB in Frage komme.

Die Staatsanwaltschaft hingegen bringt unter Anrufung desselben Nichtigkeitsgrundes vor, der (festgestellte) Vorsatz des Angeklagten, die Amtshandlung des Gendarmeriebeamten mit Gewalt zu verhindern, impliziere Verletzungsvorsatz, zumindest jedoch Mißhandlungsvorsatz im Sinn des § 83 Abs 2 StGB, so daß rechtsrichtig ein Schuldspruch nach den §§ 83 (Abs 2), 84 Abs 2 Z 4 StGB zu fällen gewesen wäre.

Klarzustellen ist zunächst, daß Tatbestand und Strafdrohung des § 269 StGB auf Folgen, wie sie aus der Tat weder notwendigerweise noch regelmäßig entstehen, nicht Bedacht nehmen. Der Unrechtsgehalt einer aus einem Widerstand resultierenden Verletzung eines Beamten wird daher unter Umständen durch alleinige Unterstellung der Tat unter die Bestimmung des § 269 StGB nicht erfaßt, weswegen an sich echte Konkurrenz mit dem in Betracht kommenden Verletzungsdelikt möglich ist (vgl. EvBl. 1976/45). Allerdings erfüllt nicht jede im Zug ausgeübter Gewalt bei einem Widerstand gegen die Staatsgewalt (§ 269 StGB) dem Beamten zugefügte körperliche Beschädigung schon zwangsläufig (etwa gleich einer objektiven Bedingung erhöhter Strafbarkeit) den Tatbestand nach dem § 84 Abs 2 Z 4 StGB Vielmehr ist es hiezu erforderlich, daß der Täter mit Verletzungsoder Mißhandlungsvorsatz im Sinn des § 83 Abs 1 oder 2 StGB handelt (vgl. ÖJZ-LSK. 1976/280 u.a.).

Auch vorliegend kann daher entgegen der von der Staatsanwaltschaft vertretenen Auffassung keineswegs ohne weiteres gesagt werden, daß mit der nach dem § 269 Abs 1 StGB tatbildlichen vorsätzlichen gewaltsamen Widerstandsleistung des Angeklagten auch (zumindest) ein Mißhandlungsvorsatz im Sinn des § 83 Abs 2 StGB verbunden gewesen sein muß.

Das Erstgericht konnte einen solchen durchaus auch verneinen und tat dies mit hinreichender Begründung (gestützt insbesondere darauf, daß dem Angeklagten nur an der Flucht gelegen war - vgl. S. 222). Da die Staatsanwaltschaft diese Feststellung (an der bei Ausführung einer Rechtsrüge festgehalten werden muß) übergeht, bringt sie den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Auf der anderen Seite kommt die vom Angeklagten angestrebte

Beurteilung seines Tatverhaltens nach dem § 270 Abs 1 StGB schon deshalb nicht in Betracht, weil die in Rede stehende Gewaltanwendung der Hinderung einer Amtshandlung diente und der § 270 Abs 1 StGB gegenüber dem § 269 Abs 1 StGB die subsidiäre Bestimmung darstellt (vgl. ÖJZ-LSK. 1976/367).

Idealkonkurrenz zwischen dem Tatbestand des § 269 Abs 1 StGB und einem (auch fahrlässigen) Körperverletzungsdelikt

hingegen ist - wie bereits oben erwähnt -

grundsätzlich möglich. In dieser Richtung legte das Erstgericht zutreffend dar, daß in dem plötzlichen Anfahren des Angeklagten mit seinem PKW., wobei B. Manfred C mitgeschleift, zur Seite geschleudert und verletzt wurde, eine (auch den Verletzungserfolg umfassende) Sorgfaltsverletzung im Sinn des § 6 StGB erblickt werden muß. Der Schuldspruch des Angeklagten (auch) wegen fahrlässiger Körperverletzung nach dem § 88 Abs 1 StGB ist daher frei von Rechtsirrtum, zumal die Straflosigkeitsvoraussetzungen des § 88 Abs 2 StGB - abgesehen von den Verletzungsfolgen - schon deshalb nicht angenommen werden können, weil dem Angeklagten, für den der Schadenseintritt nicht bloß als entfernt möglich, sondern als wahrscheinlich vorhersehbar war, nach Lage des Falls eine ungewöhnliche und auffallende Sorglosigkeit und damit ein schweres Verschulden (vgl. ÖJZ-LSK. 1975/53 u.a.) angelastet werden muß.

Mithin erweisen sich beide Nichtigkeitsbeschwerden als unbegründet. Die im Spruch ersichtliche amtswegige Maßnahme gemäß der Norm des § 290 StPO zum - unangefochten gebliebenen -

Schuldspruch des Angeklagten wegen des Vergehens nach dem § 36 Abs 1 lit. b WaffenG. und damit eine Teilaufhebung des Ersturteils waren unerläßlich, weil das angefochtene Urteil hiezu keinerlei Tatsachenfeststellungen enthält, die eine erschöpfende Beurteilung der - materiellrechtlichen -

Frage gestatten, ob die hier vorliegende, als 'Manrikigusari' bezeichnete Waffe ein auf die Zufügung mindestens schwerer Verletzungen angelegtes und hiefür geeignetes Hiebwerkzeug ist, das unter den - vom Erstgericht herangezogenen -

Begriff des 'Totschlägers' in der Bedeutung der Vorschrift des § 11 Abs 1 Z 5 WaffenG. fällt.

Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

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