OGH 7Ob20/79

OGH7Ob20/7919.4.1979

SZ 52/65

Normen

ABGB §881
Versichernngsvertragsgesetz §16
Versichernngsvertragsgesetz §18
Versichernngsvertragsgesetz §74
Versichernngsvertragsgesetz §76
ABGB §881
Versichernngsvertragsgesetz §16
Versichernngsvertragsgesetz §18
Versichernngsvertragsgesetz §74
Versichernngsvertragsgesetz §76

 

Spruch:

Bei der Versicherung für fremde Rechnung (hier Familienkrankenversicherung) hat der Versicherungsnehmer die vorvertraglichen Anzeigepflichten zu erfüllen. Als Verschulden ist ihm in der Regel schon anzulasten, wenn er das von einem Vertreter des Versicherers unrichtig ausgefüllte Formular ohne Prüfung auf Richtigkeit und Vollständigkeit unterfertigt. Nur unrichtige Information durch den Versicherungsvertreter entlastet den Versicherungsnehmer

OGH 19. April 1979, 7 Ob 20/79 (LGZ Wien 42 R 781/78; BG Innere Stadt Wien 21 C 53/78)

Text

Der Ehegatte der Klägerin, Michael L beantragte bei der Beklagten für sich und seine Ehefrau den Abschluß einer (Zusatz-) Krankenversicherung. In dem vom Außenbeamten der Beklagten, Franz St. ausgefüllten Antragsformular vom 9. August 1976 wurden die hinsichtlich des Michael L und seiner Gattin gestellten Fragen nach Krankenhausaufenthalten, Operationen, gegenwärtigen und früheren Krankheiten, Beschwerden, Körperschäden, Unfällen usw., auch wenn solche für unwesentlich gehalten werden, verneint. In der von der Beklagten ausgestellen Versicherunsgspolizze vom 2. September 1976 scheint Michael L als Versicherungsnehmer und Versicherter, die Klägerin hingegen nur als versicherte Person auf.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten den Ersatz der ihr während ihres Krankenhausaufenthaltes vom 16. Juni bis 6. Juli 1977 erwachsenen Spitalskosten in der Höhe des Klagsbetrages und beantragt außerdem die Feststeilung, daß ihr die Beklagte für alle weiteren Kosten dieses Krankenhausaufenthaltes zu haften habe, soweit diese nicht durch ihre Pflichtversicherung (gesetzliche Krankenversicherung) gedeckt seien. Obwohl die Klägerin den Versicherungsantrag nicht unterfertigt habe, sei er von der Beklagten angenommen worden. Für den Krankenhausaufenthalt habe die Beklagte durch ausgestellte Gutscheine bereits eine Zahlung in der Höhe von 20 000 S geleistet, bestreite jedoch nunmehr ihre Deckungspflicht mit der Begründung, daß die Klägerin eine bereits vor Vertragsabschluß bestehende Herzerkrankung verschwiegen habe. Die Klägerin sei jedoch niemals von der Beklagten nach Vorerkrankungen gefragt worden. Die Beklagte beantragt Klagsabweisung und behauptet, der Gatte der Klägerin, der den Versicherungsantrag allein unterfertigt habe, sei durch seine im Zuge des Vertragsabschlusses hinsichtlich der Klägerin gemachten Angaben in deren Rechte und Pflichten eingetreten. Die Klägerin habe daher die von ihrem Gatten gemachten Angaben zu vertreten.

Das Erstgericht entschied im Sinne des Klagebegehrens. Nach seinen Feststellungen verhandelte der Außenbeamte der Beklagten, Franz St., mit Michael L in dessen Geschäft über den Abschluß einer Krankenversicherung für ihn und die Klägerin. Er informierte dabei Michael L über die Höhe der monatlich zu entrichtenden Prämie und den Umfang der Leistungen der Beklagten. Fragen über Vorerkrankungen der Klägerin stellte Franz St. an Michael L nicht, der nach Unterfertigung des Versicherungsvertrages seiner Gattin mitteilte, daß sie mitversichert sei. Nach Ansicht des Erstgerichtes sei durch die Unterfertigung des Versicherungsantrages seitens des Gatten der Klägerin und die Aushändigung der Versicherungspolizze ein gültiger Versicherungsvertrag zustandegekommen. Ein im Zeitpunkt der Antragstellung allenfalls vorhanden gewesener Vertretungsmangel des Michael L sei durch die spätere Genehmigung des Versicherungsvertrages durch die Klägerin und die Zahlung der vorgeschriebenen Prämien saniert worden. Da Michael L von Franz St. nach Vorerkrankungen der Klägerin nicht gefragt worden sei, habe er darauf vertrauen können, daß St. das Antragsformular richtig und vollständig ausgefüllt habe. An der unrichtigen Beantwortung der Frage über Vorerkrankungen der Klägerin treffe Michael L kein Verschulden. Die Beklagte habe daher ihren Vertragsrücktritt hinsichtlich der Klägerin zu Unrecht unter Berufung auf eine "Obliegenheitsverletzung" erklärt.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht erster Intanz zurück. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes habe derjenige, der sich beim Abschluß eines Versicherungsvertrages eines Vertreters bediene, nach § 19 VersVG dessen Verschulden an einer Verletzung seiner vorvertraglichen Anzeigepflicht zu verantworten. Der Versicherer sei daher auch in diesem Falle zum Vertragsrücktritt nach §§ 16 f VersVG berechtigt. An die bei Erfüllung der vorvertraglichen Anzeigepflicht anzuwendende Sorgfalt seien nach dem Gesetz grundsätzlich erhebliche Anforderungen zu stellen. Beantworte daher der Versicherte klar gestellte Fragen unrichtig, so sei er hiefür auch dann verantwortlich, wenn bei der Ausfüllung des ihm zur Unterschrift vorgelegten Antragsformulars ein Agent des Versicherers mitgewirkt haben sollte. Auch den Gatten der Klägerin treffe daher ein Verschulden an der unrichtigen Beantwortung der über ihre Vorerkrankungen gestellten Fragen. Der Vertragsrücktritt des Versicherers habe jedoch nur dann dessen Leistungsfreiheit zur Folge, wenn der Umstand, in Ansehung dessen die Anzeigepflicht verletzt worden sei, einen Einfluß auf den Versicherungsfall und den Umfang der Leistungen des Versicherers gehabt habe (§ 21 VersVG). Zu dieser Frage enthalte das Ersturteil keinerlei Feststellungen. Die Rechtssache sei daher nicht spruchreif.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Bei der strittigen Versicherung handelt es sich um eine vom Ehegatten der Klägerin teils für eigene, teils für fremde Rechnung abgeschlossene Familienkrankenversicherung (Bruck - Möller - Sieg, Versicherungsvertragsgesetz[8] II, 931). Versicherungsnehmer ist daher nur der Ehegatte der Rekurswerberin, während diese selbst entgegen den Rekursausführungen nur als Versicherte zu betrachten ist. Der Ehegatte der Rekurswerberin ist daher auch entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes hinsichtlich der für fremde Rechnung genommenen Versicherung, bei der es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter handelt (Möller, Versicherungsrecht[3] 46), selbst Vertragspartei und nicht bloß Vertreter der Rekurswerberin. Die Bestimmung des § 19 VersVG ist demnach nicht anwendbar. Bei der Versicherung auf fremde Rechnung stehen alle Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherten zu (§ 75 Abs. 1 VersVG). Der Versicherte kann allerdings über seine Rechte ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers nur verfügen und diese gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz des Versicherungsscheines (Versicherungspolizze) ist (§ 75 Abs. 2 VersVG; Möller, 46). Hier hat die Rekurswerberin die in ihrem Besitz befindliche Versicherungspolizze vorgelegt. Ihre Aktivlegitimation ist daher zu bejahen.

Ohne Bedeutung ist hingegen, daß die Rekurswerberin den Versicherungsantrag nicht unterfertigt hat. Die Versicherung für fremde Rechnung bedarf nämlich nicht der Einwilligung des Versicherten, der nicht einmal vom Abschluß des Versicherungsantrages Kenntnis haben muß (Bruck - Möller - Sieg[8] II, 936). Auch alle Fragen, die den Bestand des Versicherungsvertrages auf fremde Rechnung und die Leistungspflicht des Versicherers betreffen, sind aus der Person des Versicherungsnehmers zu beurteilen. Ihn treffen als Vertragspartner alle Pflichten aus dem Versicherungsvertrag. Er muß daher die Prämien entrichten und die Obliegenheiten wie auch die vorvertragliche Anzeigepflicht erfüllen (VersR 1973, 834 ff.). Das Verhalten des Versicherungsnehmers ist daher auch entscheidend für die Frage der Leistungsfreiheit des Versicherers gegenüber dem Versicherten (Prölss - Martin, VersVG[21], 405). Unzutreffend ist demnach die Rechtsansicht der Rekurswerberin, daß die im Versicherungsantraggestellten Fragen über ihre Vorerkrankungen nur von ihr zu beantworten gewesen wären. Ohne Bedeutung ist auch, ob die Rekurswerberin an der unrichtigen Beantwortung dieser Fragen ein Verschulden trifft, weil eine Verletzung der auch von ihr zu erfüllenden vorvertraglichen Anzeigepflicht (§ 78 VersVG) von der Beklagten gar nicht behauptet wurde.

Zur Beurteilung der entscheidenden Frage, ob der Gatte der Rekurswerberin seine vorvertragliche Anzeigepflicht im Sinne des § 16 Abs. 1 VersVG verletzt hat, reichten die Feststellungen des Erstgerichtes, wonach der den Versicherungsantrag ausfüllende Versicherungsvertreter keine Fragen über die Vorerkrankungen der Rekurswerberin gestellt hat, nicht aus. Die Aufhebung des Ersturteiles durch das Berufungsgericht ist somit im Ergebnis berechtigt.

An die vom Versicherten (Antragsteller) bei Erfüllung seiner vorvertraglichen Anzeigepflicht anzuwendende Sorgfalt sind, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ganz erhebliche Anforderungen zu stellen (Bruck - Möller[8] I, 328; Prölss - Martin[21] 156; VersR 1977, 462 und 632; zuletzt 7 Ob 5/79). Dies besonders dann, wenn die gestellten Fragen - wie hier - Individualtatsachen betreffen (Bekanntgabe von Vorerkrankungen der Rekurswerberin), über die nur die Rekurswerberin und ihr Gatte aus eigenem Wissen hätten Auskunft erteilen können. Werden derartige Fragen unrichtig beantwortet, so ist es dem Versicherungsnehmer in der Regel schon als Verschulden anzulasten, wenn er das von einem Vertreter des Versicherers unrichtig ausgefüllte Formular unterfertigt, ohne es vorher auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft zu haben (Bruck - Möller[3] I, 331;, Prölss - Martin, 156; VersR 1977, 462 und 632; zuletzt 7 Ob 5/79). Sollte daher der Gatte der Rekurswerberin den ihm von Franz St. ausgefüllten Versicherungsantrag, in dem die Rubrik Krankheitsfragen nicht zu übersehen war, ohne durchzulesen unterfertigt haben, so wird ihm dies auch dann als Verschulden anzulasten sein, wenn er vorher vom Versicherungsvertreter über Vorerkrankungen seiner Gattin nicht gefragt worden sein sollte. Für eine schuldhafte Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht genügt nämlich bereits leichte Fahrlässigkeit des Versicherten (Prölss - Martin[21], 155). Entschuldigt könnte der Gatte der Rekurswerberin nur dann sein, wenn ihn der Versicherungsvertreter über die Pflicht zur Beantwortung der Gesundheitsfragen unrichtig informiert (etwa, daß die Beklagte auf deren Beantwortung keinen Wert lege) und ihn dadurch veranlaßt hätte, diese Fragen anders als von ihm ursprünglich gewollt zu beantworten (Bruck - Möller[3] I, 330). Daß es sich bei der Herzerkrankung der Rekurswerberin um einen erheblichen Gefahrenumstand im Sinne des § 16 Abs. 1 zweiter Satz VersVG handelt, wird von dieser nicht in Abrede gestellt. Außerdem wird die Gefahrenerheblichkeit schon nach § 16 Abs. 1 Satz 3 VerVG vermutet. Das Erstgericht wird daher sein Verfahren im Sinne der vorangehenden Ausführungen zu ergänzen haben. Sollte sich im zweiten Rechtsgang ergeben, daß der Gatte der Rekurswerberin seine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt hat, so werden vom Erstgericht auch ergänzende Feststellungen darüber zu treffen sein, ob die verschwiegene Erkrankung seiner Gattin einen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalles und den Umfang der Leistungen der Beklagten hatte (§ 21 VersVG; Bruck - Müller[8] I, 351).

Sollte das Erstgericht die Deckungspflicht der Beklagten bejahen, so wird es auch ergänzende Feststellungen zu dem von der Rekurswerberin behaupteten rechtlichen Interesse an der von ihr begehrten Feststellung zu treffen haben. Hiebei wird zu beachten sein, daß nach der Rechtsprechung die Verbindung von Feststellungs- und Leistungsklage - vor allem bei Schadenersatzansprüchen - für zulässig erachtet wird (SZ 24/187; 25/268 u. a. m.).

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