OGH 7Ob593/79

OGH7Ob593/7928.3.1979

SZ 52/54

Normen

ABGB §970
ABGB §970

 

Spruch:

§ 970 Abs. 2 ABGB gilt auch für Garagierungsunternehmen. Ein Garagierungsvertrag wird nicht dadurch zeitweilig zum Mietvertrag, daß der Garagenunternehmer einzelne ihm obliegende Pflichten während bestimmter Stunden nicht erfüllt. Eine Beschränkung der Haftung der im § 970 Abs. 2 ABGB genannten Unternehmen ist überhaupt ausgeschlossen

OGH 28. März 1979, 7 Ob 593/79 (OLG Wien 2 R 156/78; HG Wien 30 Cg 633/76)

Text

Die Beklagte ist Eigentümerin der Garage in W., H-Gasse 13-15. Diese Garage war bis 1973 ganztägig bewacht. Seither wird die Bewachung um

19.30 Uhr eingestellt. Zwischen der Garage und dem Nachbarhaus befindet sich ein 2.10 m hoher Eisenzaun, dessen Mittelteil sich wie eine Türe öffnen läßt. Dieses Mittelstück wurde von der Beklagten durch ein Sicherungsschloß versperrt. An der Hofmauer ist der Zaun durch einen bis zum zweiten Längsstab geführten Querstab befestigt. In diesem Bereich kann der Zaun überklettert werden, was vordem 16. August 1974 auch mehrmals vorgekommen ist. Hievon hatte der Garagenaufseher der Beklagten Kenntnis. Vor dem Ausfahrtstor der Garage befindet sich ein Schiebetor, das nur in den Wintermonaten geschlossen wird. Das eigentliche Garagentor ist versperrbar und kann nur mittels eines Schlüssels geöffnet werden. Von innen läßt sich das versperrte Garagentor ohne Schlüssel dadurch öffnen, daß man den "Reiber" aufmacht. In diesem Falle kann das Garagentor von außen nicht verschlossen werden.

Hermann H. vereinbarte am 1. März 1974 mit der Beklagten schriftlich die Einstellung seines PKW in deren Garage. Nach den Einstellungsbedingungen ist die Beklagte verpflichtet, den vereinbarten allgemeinen oder besonderen Einstellplatz bereitzuhalten, diesen instand zu halten, zu reinigen und normal zu beleuchten sowie den Einstellplatz, "wie im Garagenbetrieb" üblich, zu beaufsichtigen. Der Einsteller hat das Recht, seinen PKW zu beliebigen Tages- und Nachtstunden auf den Abstellplatz zu bringen und von dort zu entnehmen. Nach den Einstellbedingungen übernimmt die Garage die Haftung für Beschädigungen des Kraftfahrzeuges insoweit, als diese nachweislich durch ihr oder ihrer Arbeitnehmer Verschulden entstanden sind, nicht aber für höhere Gewalt wie Feuer, Ruhestörung usw. oder soweit diese Schäden auf andere außerhalb ihrer Einflußsphäre liegende Ursachen, wie Versagen technischer Einrichtungen (Licht, Heizung, Aufzüge, Feuerlöscher, Wasserleitung usw.) zurückzuführen sind. Für ein Abhandenkommen von Teilen oder Gegenständen im oder am Kraftfahrzeug übernimmt die Garage nur dann eine Haftung, wenn das Fahrzeug einschließlich der Teile und Gegenstände jedesmal gegen Depotschein übergeben und jedesmal bei Ein- und Ausfahrt von einem befugten Garagenorgan überprüft worden ist. Wegen Feuergefahr ist die Absperrung der Steuerung des Wagens sowie das Starten kalter Maschinen bei gesperrter Motorhaube nach der Garagenordnung unzulässig. Eine solche Absperrung des Wagens ist nur auf Grund einer besonderen Vereinbarung, die damals zwischen H. und der Beklagten nicht bestand, zulässig. Der Einsteller ist im übrigen verpflichtet, den Startschlüssel im Fahrzeug zu belassen, um ein allfälliges Rangieren und ein Entfernen im Brandfall zu ermöglichen.

Am 16. August 1974 hatte Hermann H. seinen PKW in der Garage derart abgestellt, daß er kein anderes Fahrzeug behinderte. Entsprechend der Garagenordnung war das Fahrzeug unversperrt und der Startschlüssel befand sich im Wagen. In der folgenden Nacht sah der alkoholisierte Herbert L. den Wagen auf der Straße in der Nähe der Garage stehen, und zwar mit geöffneter linker Türe. Der Zundschlüssel steckte im Zundschloß. Feststeht, daß H. den Wagen nicht aus der Garage verbracht hatte. L. bestieg den Wagen und fuhr in Richtung G, erlitt jedoch mit dem Fahrzeug auf der Fahrt einen Totalschaden. Er wurde deswegen rechtskräftig des Vergehens nach § 467b StG schuldig erkannt. Der Gitterzaun, das Schloß und eine weitere Türe der Garage wiesen am nächsten Morgen keine Zeichen einer gewaltsamen Öffnung auf.

Die Klägerin hat dem Hermann H als dessen Kaskoversicherer für den vorliegenden Totalschaden 147 061 S samt Anhang gezahlt, deren Ersatz sie nunmehr, gestützt auf § 67 VersVG, von der Beklagten mit dem Hinweis verlangt. Diese könne ihre Schuldlosigkeit an der unbefugten Benützung des PKW durch einen Dritten nicht nachweisen.

Die Untergerichte gaben dem Klagebegehren statt, wobei sie den Rechtsstandpunkt vertraten, zwischen H und der Beklagten sei ein Garagierungsvertrag geschlossen worden, der auch Elemente des Verwahrungsvertrages enthalte. Auf diesen Vertrag sei § 970 Abs. 2 ABGB anzuwenden. Die Beklagte habe daher ihrem Vertragspartner alle an dem eingestellten Fahrzeug entstandenen Schäden zu ersetzen, falls sie nicht beweisen könne, daß der Schaden weder durch ihre Leute verschuldet, noch durch fremde, in der Garage aus- und eingehende Personen verursacht worden sei. Ein solcher Beweis sei ihr nicht gelungen, weil nach der genannten Bestimmung auch für Einschleichdiebe gehaftet werde. Nach den getroffenen Feststellungen könne nicht ausgeschlossen werden, daß der PKW durch eine Person entwendet worden sei, die das Garagengitter überklettert und dann ohne Gewaltanwendung geöffnet habe. Vereinbarungen, durch die eine Haftung nach § 970 ABGB ausgeschlossen werde, seien gemäß § 3 des Bundesgesetzes Nr. 638/1921 unwirksam. Im übrigen würde die Beklagte als Verwahrerin auch nach den §§ 961, 964 ABGB haften, wobei sie gemäß § 1298 ABGB ihr Nichtverschulden beweisen müsse. Ein solcher Beweis sei der Beklagten nicht gelungen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In der Sache selbst vertritt die Beklagte nunmehr den Standpunkt, infolge des Umstandes, daß ab 1973 die Garage während der Nachtzeit nicht mehr bewacht worden sei, müsse der zwischen ihr und H abgeschlossene Vertrag für die Nachtzeit als Mietvertrag und nicht als Garagierungsvertrag angesehen werden. Ein solcher Wechsel des Charakters eines Vertrages je nach der jeweiligen Tageszeit ist eine Konstruktion, die dem österreichischen Recht fremd ist. Der zwischen der Beklagten und H abgeschlossene Vertrag weist alle Merkmale eines Garagierungsvertrages auf. H wurde nicht ein abgesonderter und abschließbarer Raum zur Verfügung gestellt, sondern lediglich das Recht zum Abstellen seines PKW in der Garage eingeräumt. Die Beklagte hat im Einstellvertrag die für Garagierungsverträge typischen Wartungspflichten übernommen und sich außerdem ausdrücklich zur Beaufsichtigung "wie im Garagierungsbetrieb" verpflichtet. Daß eine dieser Pflichten einvernehmlich abbedungen worden wäre, kann den Feststellungen nicht entnommen werden. Ein Garagierungsvertrag wird aber nicht dadurch zeitweilig zum Mietvertrag, daß der Garagenunternehmer einzelne der ihm obliegenden Pflichten während bestimmter Tages- oder Nachtstunden nicht ausübt.

Richtig haben die Untergerichte erkannt, daß die Bestimmung des § 970 Abs. 2 ABGB für Garagierungsunternehmen gilt (SZ 21/94; 6 Ob 561/76 u. a.). Dies wird auch von der Beklagten nicht mehr bestritten. Daß der Garagierungsvertrag kein reiner Verwahrungsvertrag ist, spielt keine Rolle, weil für die Haftung nach § 970 ABGB ein solcher Vertrag nicht erforderlich ist. Die genannte Bestimmung knüpft an gewisse Handlungen die Entstehung der Haftung "als Verwahrer" (EvBl. 1976/21).

Geht man also davon aus, daß der Vertrag zwischen der Beklagten und H als Garagierungsvertrag zu qualifizieren ist und daß die Beklagte sohin nach § 970 Abs. 2 ABGB haftet, so war tatsächlich von ihr der Beweis zu verlangen, daß der eingetretene Schaden weder durch ihre Leute verschuldet noch durch bei ihr ein- und ausgehende Personen verursacht worden ist. Daß bloße Einschleicher zu diesem Personenkreis zählen, haben die Untergerichte ebenfalls eingehend dargetan. Auch hier bringt die Revision nichts Gegenteiliges vor. Sie beruft sich vielmehr auf die Garagenordnung, die angeblich einen wirksamen Ausschluß dieser Haftung mit sich bringen soll. Auch hier hat aber das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Literatur (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 670; Ehrenzweig[2] II/1, 391) richtig dargelegt, daß § 3 des Bundesgesetzes BGBl. 638/1921 Vereinbarungen, durch die die Haftung unter die in den §§ 1 und 2 dieses Gesetzes genannten Ausmaße herabgesetzt wird, für unwirksam erklärt. Die gegenteilige Argumentation der Revision ist nicht stichhaltig. Zwar nennt § 1 Abs. 1 des erwähnten Bundesgesetzes nur die in § 970 Abs. 1 und 3 ABGB bestimmte Haftung der Gastwirte und Badeanstalten, nicht aber die im § 970 Abs. 2 ABGB genannte Haftung von Unternehmen, die Stallungen und Aufbewahrungsräume halten, doch kann daraus nicht der Schluß gezogen werden, daß sich die Bestimmung des § 3 des Gesetzes BGBl. 638/1921 nicht auf die letztgenannten Unternehmen bezieht. § 1 Abs. 1 beschränkt nämlich lediglich die in § 970 Abs. 1 und 3 ABGB festgesetzte Haftung betragsmäßig. § 1 Abs. 2 führt aus, daß auf die Haftung von Unternehmen, die Stallungen und Aufbewahrungsräume halten, die in Abs. 1 festgesetzte Beschränkung keine Anwendung findet. Damit hat also der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, daß er eine betragliche Beschränkung der Haftung der im § 970 Abs. 2 ABGB genannten Unternehmen nicht vorsehen und sohin diesen Personenkreis gegenüber den in den beiden anderen Absätzen des § 970 ABGB genannten Personen schlechter stellen wolle. § 3 des Bundesgesetzes BGBl. 638/1921 verbietet schlechthin eine Herabsetzung der Haftung unter das im § 1 genannte Maß. Demnach darf nach dieser Bestimmung die Haftung bezüglich des in den Abs. 1 und 3 des § 970 ABGB genannten Personenkreises nicht unter die im BGBl. 638/1921 in der jeweiligen Fassung genannten Beträge herabgesetzt werden, während bezüglich der im § 970 Abs. 2 ABGB genannten Unternehmen eine Beschränkung der Haftung überhaupt ausgeschlossen ist, weil § 1 Abs. 2 des mehrfach erwähnten Gesetzes eine solche Beschränkung grundsätzlich ausschließt und § 3 keinerlei Wendung enthält, der entnommen werden könnte, daß der Gesetzgeber die durch § 1 bewirkte Schlechterstellung dieses Personenkreises in eine Besserstellung umwandeln wolle.

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