OGH 9Os186/78

OGH9Os186/789.1.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Jänner 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schmelcher als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann A wegen Verbrechens der Desertion nach § 9 Abs 1 MilStG und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 19.Oktober 1978, GZ. 25 Vr 2554/78-20, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, Verlesung der Rechtsmittelschrift des Angeklagten und Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20.Oktober 1958 geborene Hilfsarbeiter Johann A 1./ des Verbrechens der Desertion nach § 9 Abs 1 MilStG, 2./ des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und 3./ des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Inhaltlich des Schuldspruchs hat er zu 1./ dadurch, daß er ab 25. Juni 1978 seiner Truppe (Jägerbataillon 22 in Absam) ferngeblieben ist, sich dem Dienst im Bundesheer für immer zu entziehen gesucht;

zu 2./ am 11.Mai 1977 in Brixlegg den Fritz B durch Versetzen eines Faustschlages in das Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt (Blutung aus der Nase); und zu 3./ am 11.Mai 1977 in Brixlegg eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Geldtasche mit 1.370 S Bargeld, dem Fritz B mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer auf die Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

In Ausführung des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes wirft der Beschwerdeführer dem angefochtenen Urteil vor, undeutlich, unvollständig, offenbar unzureichend begründet, widerspruchsvoll und aktenwidrig zu sein, ohne jedoch in der Folge Begründungsmängel formaler Natur, wie sie zur Herstellung einer Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO erforderlich wären, aufzuzeigen. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung findet die Urteilsfeststellung, daß der Angeklagte deshalb 'vom Bundesheer abgehaut ist', weil er keine weitere Disziplinarstrafe erleiden wollte, und daß er nicht in Österreich blieb, sondern sich ins Ausland begab, weil er annahm, es werde in Österreich nach ihm gefahndet, in dessen Verantwortung in der Hauptverhandlung volle Deckung (vgl. S 77, 78).

Die Frage aber, ob der Angeklagte dabei die Kaserne von vornherein mit der Absicht (mit dem Vorsatz) verließ, nicht mehr zurückzukehren, oder ob die Absicht (den Vorsatz), sich dem Dienst im Bundesheer (für immer) zu entziehen, erst später hinzutrat, ist - worauf bei Behandlung der Rechtsrüge zurückzukommen sein wird - nicht von materiellrechtlicher Relevanz und bedurfte daher keiner weiteren Erörterung.

Es trifft weiters nicht zu, daß das Erstgericht für den von ihm angenommenen Vorsatz der inneren Losläsung des Angeklagten vom Bundesheer keine Gründe angab. Hat es sich doch in diesem Zusammenhang auf die - vom Angeklagten zugegebene - Tatsache, daß dieser am 25.Juni 1978 de facto nicht mehr zur Truppe zurückkehrte, sondern sich ins Ausland (Bundesrepublik Deutschland, Türkei, Iran, Griechenland) begab und erst am 23.August 1978 beim versuchten Grenzübertritt in die Bundesrepublik Deutschland verhaftet werden konnte, gestützt, und daher die - erst in der Hauptverandlung vorgebrachte - Behauptung des Beschwerdeführers, er hätte nach einer Rückkehr zu seinen Eltern 'geschaut, daß er wieder zu seiner Truppe zurückkehre', und er habe vorgehabt, sich zu erkundigen, welche Disziplinarstrafe er bekomme, wobei er im Falle einer 'befriedigenden Antwort' zu seiner Einheit nach Absam gegangen wäre (vgl. abermals S 77, 78) - welche Behauptung überdies selbst im Falle ihrer Richtigkeit an der rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern vermächte, weil das dem Tatbestand des § 9 Abs 1 MilStG zugehärige Tatbildmerkmal 'für immer' nur dann fehlt, wenn der Täter (anders als hier der Angeklagte nach seiner Verantwortung) beabsichtigt, zu einem bestimmten oder wenigsten bestimmbaren Zeitpunkt wieder zu seiner Dienststelle einzurücken, und wenn die sich aus diesem Endtermin ergebende Dauer der eigenmächtigen Abwesenheit in vernünftiger (angemessener) Beziehung zum Ausmaß und zum Zweck der Dienstpflicht steht (vgl. EvBl 1976/188) - durchaus schlüssig und in Übereinstimmung mit der allgemeinen Lebenserfahrung abgelehnt.

Schließlich war es bei dieser Sach- und Rechtslage auch entbehrlich, in dem - in 'gedränger Darstellung' (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) abzufassenden - Urteil (vom Beschwerdeführer vermißte) Erörterungen darüber anzustellen, ob der Angeklagte seine Privatsachen in der Kaserne zurückließ und ob er von München aus Verbindung mit seinen Eltern (und dann allenfalls auch zu seiner Truppe) aufnehmen wollte.

Dem angefochtenen Urteil haften aber auch im Zusammenhang mit den zu den Schuldsprüchen wegen Körperverletzung und Diebstahls getroffenen Feststellungen keine Begründungsmängel an.

Von einer - wie der Beschwerdeführer meint - unzureichenden und unrichtigen, mit dem Akteninhalt in Widerspruch stehenden und 'völlig denkunlogischen' Begründung der Konstatierung, daß Fritz B infolge eines vom Angeklagten geführten Schlages aus der Nase blutete, kann keine Rede sein. Vielmehr findet diese Urteilsannahme durch die vom Erstgericht in freier Beweiswürdigung für glaubwürdig befundenen Angaben des Zeugen Fritz B vor der Gendarmerie (S 19 in ON 16) - denen auch die in der Beschwerde erwähnte Aussage des (inhaltlich der bei der Gendarmerie mit ihm aufgenommenen Niederschrift zur Verletzungsfrage gar nicht befragten) Zeugen Franz C (S 17 in ON 16) nicht entgegensteht - ihre Deckung. Die Behauptung aber, die Gendarmerie müsse bereits 1 bis 2 Minuten nach der Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und Fritz B am Tatort (in Brixlegg) gewesen sein, ist eine - angesichts der aktenkundigen Tatsache, daß die Gendarmeriebeamten erst mittels Notruf aus dem benachbarten Rattenberg herbeigeholt werden mußten (vgl. S 13 in ON 16) höchst unwahrscheinliche - Hypothese des Beschwerdeführers, die überdies auch schon deshalb außer Betracht bleiben kann, weil die Annahme des Erstgerichtes, daß das Nasenbluten bei Eintreffen der Gendarmerie bereits aufgehört hatte, selbst in diesem Fall denkmöglich bliebe.

Da schließlich auch die - nicht nur auf das bei der Gendarmerie (vgl. S 22 in ON 16) abgelegte Schuldbekenntnis, sondern auch auf die Tatsache, daß der Angeklagte den Besitz des Diebsgutes zunächst ableugnete und dieses erst nach einer Personsdurchsuchung bei ihm gefunden werden konnte, gestützte - Urteilsfeststellung, wonach der Angeklagte die Geldtasche des Fritz B mit dem Vorsatz aufgehoben und eingesteckt hat, sich durch Zueignung derselben und ihres Bargeldinhaltes unrechtmäßig zu bereichern, vollkommen ausreichend und fehlerfrei begründet ist, hält die Mängelrüge nach keiner Richtung hin stand.

Es versagt aber auch die Rechtsrüge.

Soweit der Beschwerdeführer bei deren Ausführung nicht in der gebotenen Weise an den Urteilsfeststellungen festhält und insbesondere von den urteilsfremden Annahmen ausgeht, Fritz B habe gar keine Blutung aus der Nase erlitten und er selbst habe sich die Geldtasche des Fritz B (samt Inhalt) nicht mit Bereicherungsvorsatz zugeeignet, bringt er die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Nicht im Recht ist die Beschwerde mit ihrem - in bezug auf den Schuldspruch wegen Körperverletzung aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erhobenen - Einwand, die beim Zeugen B festgestellte Blutung aus der Nase als Folge des dem Genannten vom Angeklagten versetzten Faustschlages ins Gesicht stelle überhaupt keine Kärpverletzung dar, weshalb es am Tatbestand des § 83 Abs 1 StGB mangle.

Denn eine Verletzung am Körper im Sinne der zitierten Gesetzesstelle ist immer dann anzunehmen, wenn die körperliche Unversehrtheit des Betroffenen nicht bloß ganz unerheblich beeinträchtigt wurde, wobei diese Beeinträchtigung weder langanhaltend noch irrevisibel sein muß (vgl. Kienapfel BT I RN 277). Äußere (sichtbare) Wunden sind im allgemeinen als eine solche nicht bloß ganz unbedeutende Beeinträchtigung der körperlichen Integrität des Opfers zu beurteilen (vgl. ÖJZ-LSK 1976/278). Das gilt in gleichem Maße aber auch für innere Läsionen, zu denen das (durch äußere Gewalteinwirkung verursachte) Platzen von Blutgefäßen im Inneren der Nase mit der dadurch bewirkten Blutung aus der Nase gehört, mag diese Blutung auch nur kurze Zeit dauern. So gesehen ist mithin in der Beurteilung eines derartigen Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit des Opfers als Verletzung am Körper im Sinne des § 83 Abs 1 StGB ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen.

Wenn die Beschwerde mit Beziehung auf die Z 10 des § 281 Abs 1 StPO ausführt, § 9 Abs 1 MilStG sei 'ausdrücklich darauf abgestellt, daß der Täter den Vorsatz hat, sich von Beginn seiner Tathandlung an dem Dienst beim Bundesheer zu entziehen', während andernfalls nur unerlaubte Abwesenheit im Sinne des § 8 MilStG angenommen werden könne, so übersieht sie, daß es sich bei der Desertion um ein Dauerdelikt handelt (vgl. Foregger-Kunst, Das österreichische Militärstrafgesetz2, 67). Durch späteres Hinzutreten des Vorsatzes, sich dem Dienst für immer (oder während eines bewaffneten Einsatzes) zu entziehen, kann daher auch eine zunächst nur unerlaubte Abwesenheit zur Desertion werden (vgl. SSt. 36/27, EvBl 1978/177). Davon, daß dem Beschwerdeführer bloß der Tatbestand des § 8 MilStG anzulasten wäre, könnte daher nicht einmal dann gesprochen werden, wenn er den erwähnten Vorsatz erst im späteren Verlaufe seiner Abwesenheit von der Truppe gefaßt hätte. Soweit der Beschwerdeführer - in weiterer Ausführung des zuletzt bezeichneten Nichtigkeitsgrundes - behauptet, durch das Ansichnehmen der Geldtasche des Fritz B nur den Tatbestand des § 135 StGB erfüllt zu haben, so läßt er außeracht, daß eine Subsumtion des ihm angelasteten bezüglichen Tatverhaltens unter diese Bestimmung schon mit Rücksicht auf den vom Erstgericht festgestellten Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz nicht in Betracht kommt.

Verfehlt ist schließlich aber auch die Auffassung, infolge seiner Ergreifung mit der Beute sei es zu gar keiner Schädigung des Fritz B gekommen, womit der Sache nach das Vorliegen eines bloß versuchten Diebstahls behauptet wird.

Denn ob ein Diebstahl vollendet ist, ist nach wie vor nach der Apprehensionstheorie zu beurteilen; darnach liegt vollendeter Diebstahl vor, sobald der Täter (wie im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer) die tatsächliche Herrschaft über die Sache erlangt und der bisherige Gewahrsamsträger (vorliegend Fritz B) - vor dessen unverzüglicher Wahrnehmung die Beute vom Beschwerdeführer durch Einstecken geborgen wurde - nicht mehr die Macht hat, über die Sache zu verfügen (vgl. SSt. 46/9; ÖJZ-LSK 1977/9 u.a.).

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 9 Abs 1 MilStG unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 (acht) Monaten. Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen und die Vorstrafenbelastung, als mildernd hingegen das Geständnis, das Alter unter 21 Jahren, die Sicherstellung der Diebsbeute und die Alkoholisierung bei der Körperverletzung und beim Diebstahl. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe (unter Anwendung des § 41 StGB) und die Gewährung bedingter Strafnachsicht an.

Der Berufung kommt in keiner Richtung hin Berechtigung zu. Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen zutreffend festgestellt und auch entsprechend gewürdigt; zu berichtigen ist lediglich, daß mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 35 StGB die Begehung der Körperverletzung und des Diebstahls in alkoholisiertem Zustand nicht mildernd wirkt. Von einer besonderen Unbesonnenheit bei Begehung der strafbaren Handlungen, wie sie der Berufungswerber ins Treffen führt, kann nicht gesprochen werden, die (objektive) Schadensgutmachung beim Diebstahl wurde ohnedies als mildernd berücksichtigt und der Umstand, daß der Angeklagte wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, wird bereits vom Milderungsgrund des Geständnisses erfaßt. Die insoweit behaupteten zusätzlichen Milderungsgründe liegen mithin nicht vor. Auch wenn (zusätzlich) berücksichtigt wird, daß der Angeklagte aus Furcht vor Disziplinarbestrafungen vom Bundesheer desertiert ist, so entspricht dennoch das vom Erstgericht gefundene Strafmaß unter Würdigung aller für die Strafbemessung bedeutsamen Umstände der Tatschuld und der Täterpersönlichkeit des Angeklagten, weshalb eine Reduzierung der Strafe nicht in Betracht kam. Von - wie der Berufungswerber meint - unangemessen strengen Strafdrohungen des (aus dem Jahre 1970 stammenden) MilStG kann, was am Rande vermerkt sei, keine Rede sein.

Was das Begehren um Gewährung bedingter Strafnachsicht betrifft, so steht der angestrebten Rechtswohltat schon das getrübte Vorleben des Angeklagten entgegen.

Mithin war der Berufung zur Gänze ein Folge zu versagen. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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