Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Walter A ist schuldig, sich in der Zeit von 1975 bis April 1978 in Wien ein Gut in einem S 100.000,--
übersteigenden Wert, nämlich Bargeld in der Gesamthöhe von 1,800.000,-- S, das ihm in seiner Eigenschaft als Filialleiter des Reisebüros 'D' der Firma 'G, C KG.' von Kunden, bzw. der Firmenleitung anvertraut worden war, mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er in einer Vielzahl von Angriffen Einzahlungen von Kunden nicht im Wege einer Bank an die Zentrale des Unternehmens weiterleitete, sondern sich behielt und für eigene Zwecke verwendete.
Er hat hiedurch das Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 (2. Fall) StGB begangen und wird hiefür nach dem 2. Strafsatz des § 133 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 (vier) Jahren sowie gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahverurteilt.
Gemäß § 38 StGB wird ihm die Vorhaft in der Zeit vom 17.April 1978, 13 Uhr 45, bis zum 1.Juni 1978, 12 Uhr 25, auf die verhängte Strafe angerechnet.
Gemäß § 369 Abs. 1 StPO ist Walter A schuldig, dem Privatbeteiligten 'G, C KG.' (1010 Wien) den Betrag von S 1,800.000,-- zu bezahlen. Gemäß § 366 Abs. 2 StPO wird der Privatbeteiligte mit seinem Mehrbegehren auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24.März 1947 geborene Reisebüroangestellte Walter A des Verbrechens des schweren Diebstahls nach § 127 Abs. 1
und Abs. 2 Z. 3, 128 Abs. 1 Z. 4 und Abs. 2 StGB schuldig erkannt. Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes war der Angeklagte zur Tatzeit Leiter der in Wien 1., etablierten Filiale des Reisebüros D der Firma 'G', Wien 1.
Es gehörte zu seinem Tätigkeitsbereich, in dieser Filiale - wo außer ihm noch ein Lehrling und fallweise ein weiterer Angestellter beschäftigt waren - Buchungen von Kunden für Reisen oder Aufenthalte und die dafür einzuzahlenden Beträge entgegenzunehmen. Das vereinnahmte Geld hatte er täglich im Wege der nächstgelegenen Filiale der Raiffeisenkasse an die Zentrale des Unternehmens abzuliefern und einen Kassabericht zu erstatten. Sonstige Manipulationen, etwa die Bezahlung von Rechnungen, hatte er mit dem Geld nicht durchzuführen. Kontrollen der Kassaberichte und der Tagesauszüge der Bank waren vorgesehen, wurden aber jedenfalls Ende 1977 - Anfang 1978 nur verspätet durchgeführt. Der Angeklagte nützte - durch seinen hohen Geldbedarf zufolge der Dauerverbindung mit einer Prostituierten und Spielverlusten dazu bewogen - diese seine Obliegenheiten in der Zeit von 1975 bis April 1978, insbesondere in der Zeit seit April 1977, dazu aus, in wiederholten Angriffen vereinnahmte Tageslosungen, die er zur Bank hätte bringen sollen, in unrechtmäßiger Bereicherungsabsicht für sich zu behalten und für eigene Zwecke zu verwenden. Der dem Unternehmen daraus erwachsene Schaden beträgt etwa S 1,800.000,--.
Diesen Sachverhalt - der vom Angeklagten vollinhaltlich zugegeben wird - wertete das Erstgericht, hierin von der die Tat als Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 StGB inkriminierenden Anklageschrift (ON. 4) abweichend, rechtlich als Verbrechen des schweren Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 3, 128 Abs. 1 Z. 4 und Abs. 2 StGB Dagegen richtet sich die auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der in Ausführung seiner den erstgenannten Nichtigkeitsgrund anrufenden Mängelrüge insoweit eine 'Aktenwidrigkeit' (gemeint: unzureichende Begründung) in bezug auf die Feststellung des Erstgerichtes behauptet, seine Verfügungsgewalt über die einkassierten Geldbeträge habe sich ausschließlich auf die Ablieferungspflicht beschränkt, als sich das Schöffengericht nicht mit seiner eigenen Verantwortung und der Aussage des Zeugen Dr. Karl E auseinandergesetzt habe, wonach er auch eine - wiewohl eingeschränkte - rechtliche Verfügungsmacht über das Geld gehabt habe, die sich jedenfalls auf den Einkauf von Betriebsmaterial wie etwa Schreibpapier, Briefmarken etc. bis zu einem Rahmen von S 3.000,-- erstreckte, und er auch berechtigt gewesen sei, den Kunden Rabatte sowie kurzfristige Kredite zu gewähren. Seine Rechtsrüge begründet der Angeklagte mit dem Vorbringen, das Erstgericht hätte davon ausgehen müssen, daß die von ihm einkassierten Beträge vollkommen in seinen Gewahrsam übergegangen und ihm sohin im Rechtssinn 'anvertraut' gewesen seien, weshalb ihm rechtsrichtig nicht das Verbrechen des schweren Diebstahls, sondern - anklagekonform - jenes der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 StGB zur Last falle.
Diese rechtsirrige Unterstellung der Tat unter ein nicht darauf anzuwendendes Strafgesetz gereiche ihm vorliegend deshalb zum Nachteil, weil - ungeachtet der gleichen Grenzen des richtigerweise anzuwendenden Strafsatzes -
bei einem Schuldspruch wegen des Verbrechens der Veruntreuung der Erschwerungsgrund der mehrfachen Qualifikationen der Tat (§ 127 Abs. 2 Z. 3 StGB und § 128 Abs. 1 Z. 4 und Abs. 2 StGB) entfalle.
Rechtliche Beurteilung
Der Rechtsrüge kommt Berechtigung zu.
Maßgebend für die Beurteilung einer vorsätzlichen und widerrechtlichen Entziehung fremder beweglicher Sachen als Diebstahl oder als Veruntreuung ist in objektiver Hinsicht der Umstand, ob der Täter die faktische Verfügungsgewalt darüber erst durch Gewahrsamsbruch erlangt oder ob er sich Sachen zueignet, die sich bereits in seinem ausschließlichen Gewahrsam befanden. Letzteres wird jedoch in bezug auf die im Rahmen eines Geschäftsbetriebes eingenommenen Geldbeträge nicht anzunehmen sein, wenn der Täter mit ihnen nur unter der Aufsicht und (unmittelbaren) Kontrolle seiner Vorgesetzten, denen sohin sogenannter 'Mit-' oder 'Obergewahrsam' zukommt, verfahren kann, wie dies etwa bei Geldbeträgen zutrifft, die in einem Verkaufslokal von den Angestellten in Anwesenheit des Chefs - sozusagen unter dessen Augen - übernommen werden. Im vorliegenden Fall weist schon die Stellung des Angeklagten als Leiter einer vom Hauptsitz des Unternehmens örtlich getrennten Filiale auf seine Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit im Filialbereich hin. In dieser Stellung hatte er den Urteilsfeststellungen zufolge die einlaufenden Gelder jeweils mit der Aufgabe übernommen, sie erst zu einem späteren Zeitpunkt zu der seiner Filiale nächstgelegenen Zweigstelle der Raiffeisenkasse zu bringen und dort an die Zentrale seines Unternehmens einzuzahlen, bzw. zu diesem Zweck in den Nachttresor einzuwerfen (vgl. S. 25, 139, 165). Das Geld befand sich daher insbesondere auch in jener Zeit, als der Angeklagte es aus seiner Filiale weg- und zur Bank zu bringen hatte, außerhalb jeder effektiven Verfügungsmöglichkeit seines Dienstgebers und damit auch außerhalb dessen Herrschaftssphäre; es stand somit im ausschließlichen Gewahrsam des Angeklagten, der lediglich die Verpflichtung hatte, seine Verfügungsgewalt entsprechend der übernommenen Verwahrungs- und Ablieferungspflicht zu gebrauchen. Der Beschwerdeführer hat sohin durch die nach den Urteilsfeststellungen mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz vorgenommene Zueignung - wie er zutreffend geltend macht - nicht das Tatbild des schweren Diebstahls, sondern jenes der Veruntreuung in Form des Verbrechens nach § 133 Abs. 1 und 2 (2. Fall) StGB verwirklicht (vgl. 13 Os 57, 58/77, 9 Os 91/76 =
ÖJZ-LSK.
1977/59, 10 Os 3/76, 13 Os 162/77 = ÖJZ-LSK. 1978/120, 13 Os 84/78). Demnach bedarf es aber vorliegend keiner weiteren Befassung mit der im Rahmen der Mängelrüge des Angeklagten aufgeworfenen Frage, ob dieser (wenngleich in sehr beschränktem Ausmaß) mit den einkassierten Geldern auch anders als durch Ablieferung im Interesse der Unternehmensleitung verfahren durfte (Deckung kleinerer Geschäftsausgaben) und inwieweit ihm die Befugnis zu rechtlichen Verfügungen für das Unternehmen dahingehend zustand, daß er Kunden kurzfristige Kredite und Rabatte einräumen durfte.
Denn dies wäre lediglich für die Beurteilung der Frage von Belang, ob der Täter durch Mißbrauch einer rechtlich eingeräumten Verfügungsmacht oder durch Zueignung einer seiner faktischen Verfügungsgewalt anvertrauten Sache Untreue (§ 153 StGB) oder Veruntreuung (§ 133 StGB) begangen hat (vgl. 13 Os 132/76 = ÖJZ-LSK. 1976/363). Vorliegend steht aber außer Zweifel, daß der Angeklagte nicht in mißbräuchlicher Ausnützung einer rechtlichen Befugnis gehandelt, sondern in Ausnützung der durch das Anvertrauen der Tageslosungen gegebenen faktischen Verfügungsmöglichkeiten diese in sein Vermögen überführt hat.
Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Folge zu geben und er sohin rechtsrichtig des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 (2. Fall) StGB schuldig zu erkennen. Hiebei war - da mit der Kassierung des Schuldspruches des Erstgerichtes samt Strafausspruch das gesamte Strafurteil und folglich auch die Entscheidung über die Privatbeteiligtenansprüche als dessen Annex (§ 369 Abs. 1 StPO) in Wegfall kommt (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer, III3, Nr. 14, 15 und 20 zu § 366 StPO) - das gesamte angefochtene Urteil aufzuheben und im Sinne der geänderten rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes in der Sache selbst zu erkennen.
Mit dem in der Berufung gegen die Entscheidung über die Ansprüche des Privatbeteiligten erhobenen Einwand, daß die Höhe des zuzusprechenden Betrages auf Grund der Ergebnisse des Verfahrens nicht verläßlich feststellbar sei, vermag der Angeklagte auch bei der vom Obersten Gerichtshof vorzunehmenden Entscheidung über die Privatbeteiligtenansprüche nicht durchzudringen. Die von ihm geltend gemachten Zahlungen wurden in der dem Zuspruch zugrundegelegten (S. 168 d.A.) Aufstellung des Privatbeteiligten (ON. 10) bereits berücksichtigt. Die Differenz zwischen dem beim Angeklagten anläßlich seiner Verhaftung sichergestellten Betrag von S 48.550,-- (S. 23, 190 d.A.) und der ihm in der Aufstellung des Geschäftsführers des Privatbeteiligten gutgeschriebenen Rückzahlung von S 45.550,-- findet im Zuspruch an den Privatbeteiligten insoweit Deckung, als dessen Berechnung eine Schadenshöhe von S 1,839.797,40 ergab, während der Zuspruch auf die vom Angeklagten zugegebenermaßen (S. 144 d.A.) veruntreute Summe von (nur) S 1,800.000,-- lautet. Kompensandoeinwendungen aus dienstrechtlichen Ansprüchen hat der Angeklagte im Verfahren niemals geltend gemacht. Solche hat er im übrigen nicht einmal in seiner Rechtsmittelausführung betragsmäßig beziffert. Die offensichtlich falsche Bezeichnung des Anspruchsberechtigten als 'ING. F G, Dr. Karl E' war den diesbezüglichen Einwendungen des Angeklagten und des Privatbeteiligten Rechnung tragend, von Amts wegen zu berichtigen (vgl. SZ. 19/186 u.v.a.).
Mit dem Mehrbegehren war der Privatbeteiligte, wie schon vom Erstgericht, auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.
Bei der sohin erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe hat der Oberste Gerichtshof die vom Erstgericht im wesentlich zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründe übernommen. Erschwerend war sohin die Schadenshöhe, die die strafbestimmende Wertgrenze mehrfach übersteigt, und die oftmalige Wiederholung der strafbaren Handlungen während einer längeren Zeit. Als mildernd wurden hingegen das zur Wahrheitsfindung beitragende reumütige Geständnis und der bisherige ordentliche Lebenswandel angenommen, mit dem die Tat in auffallendem Widerspruch steht. Der Milderungsgrund der Z. 16 des § 34 StGB konnte dem Angeklagten nicht zugebilligt werden, weil er die Tat erst einbekannt hat, nachdem seine Verfehlungen aufgedeckt worden waren und weil er im übrigen nach Lage des Falles kaum Gelegenheit zur Flucht gehabt hätte. Die vom Angeklagten während des Tatzeitraumes zur Vertuschung seiner (bisherigen) unberechtigten Entnahmen geleisteten Rückzahlungen von etwa S 200.000,-- konnten ihm nicht als mildernd zugerechnet werden, da die Veruntreuung (auch) dieses Betrages gar nicht unter Anklage stand. Auch konnte der Milderungsgrund der besonders verlockenden Gelegenheit (§ 34 Z. 9 StGB) dem Angeklagten nicht zugute gehalten werden, da das bestehende Gelegenheitsverhältnis auf einen Dienstvertrag mit dem Geschädigten zurückzuführen ist.
Bei den gegebenen Strafzumessungsgründen erachtete der Oberste Gerichtshof die aus dem Spruch ersichtliche Strafe dem Verschulden des Angeklagten und dem Unrechtsgehalt der Tat angemessen. Die übrigen Aussprüche gründen sich auf die bezogenen Gesetzesstellen. Mit seiner (Straf-)Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)